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Kinder der Eva müssen zeigen, wie sie sich den Wortlaut des Katechismus angeeignet haben, und nach dem Ausfall der Prüfung erfolgt die Bestimmung ihres Berufes; andrerseits wollte er den Segen der von Gott gewollten Ordnung der Stände darstellen. Am Schlusse zieht der Ehrenhold aus der vorgestellten Komödie vier schöne Lehren und zeigt, wie an den auftretenden Personen 1) der Fluch des menschlichen Geschlechtes vor Gott durch den Sündenfall, 2) die gottesfürchtigen Menschen, 3) die gottlosen Menschen, 4) die Gnade Gottes in Christo abgebildet seien. So suchte der vom protestantischen Geiste erfüllte Dichter das geist= liche Spiel des Mittelalters in das protestantische Bewußtsein einzuführen.

Unter seinen weltlichen Dramen sind mehrere, die auf antiken Vorbildern ruhen. Wir haben schon gehört, daß er je ein Stück des Plautus, des Terenz und des Aristophanes nach einer Prosaüberseßung in eine dramatische Form brachte. 1527 schrieb er eine Lucretia und 1530 eine Virginia nach Livius; 1530 behandelte er den Streit zwischen der Tugend und der Wollust in der Komödie 'Pallas und Venus', die ein 'fleißiger und ehrliebender Student' in Wittenberg 1536 mit einigen schlechten Aenderungen neu auflegen ließ, worin er aber dem Reformationsliede eine Stelle einräumte, indem er die Pallas sagen läßt:

Hie sichstu helm, schilt und sper,
Den ich vertraw heut und immer:
Eine recht Burgk ist unser Gott,
In dem wir dulden alle nott;
Auf diesem schloß ist mein beschuß,
All deine lust vertreib ich mit truß.

1531 überseßte Hans Sachs Reuchlins Henno. Der Ehren

hold sagt:

Zu euch komb wir auff gut vertrawen,
Ein teutsch comedi hie zu machen,
Kurzweilig fein und gut zu lachen.
Schrieb im Latein der hoch gelehrt

Doctor Reuchlin, der rechten gelehrt,
Von einem bawren, genannt Henno.

Es scheint, als hätte dem Dichter das Original vorgelegen, denn er lieferte eine treffliche Ueberseßung, die beste unter allen späteren. Wir kennen noch die des Nürnbergers Johann

Bez ("Comedie die sich wol dem Sprichwort vergleicht, so gesagt wirt: Ein Betrug betreugt den andern.' Nürnb. 1546), 1) des Mag. Gregor Wagner ('Ein hübsche deutsche Comedi, die da leret das Untrew seinen eigen Herrn schlecht'. Frankf. a. D. 1547), des Jakob Klyber aus Volkach (1558) und das Luzerner Neujahrspiel 'Der kluge Knecht' (1560). Uebrigens kannte auch Luther Reuchlins Henno wohl. In einem Briefe an Joh. von Staupig (30. Mai 1518) citiert er aus dem Henno 'illud Reuchlinianum':

Qui pauper est, nihil timet, nihil potest perdere, und an Wenceslaus Link schreibt er am 10. Juli 1518: Canto cum Johanne Reuchlino:

Qui pauper est, nihil timet, nihil potest perdere,

Sed spe bona laetus sedet, nam sperat acquirere.2)

In demselben Jahre 1531 dramatisierte Hans Sachs auch eins der Totengespräche des Lucian: 'Der Caron mit den abgeschiedenen Geistern'. Er bediente sich dazu der lateinischen Bearbeitung des Veit Buerler, die 1516 in der Ausgabe der Luciani Samosateni dialogi unter dem Namen Scaphidium erschienen war. Er läßt den Herold sagen:

Gelück und heil wünsch ich euch allen.

In freuntschaft, gunst, euch zu gefallen,
Kom wir, eine tragedi zu halten;
Die hat gemachet bei den alten

Lucianus, der groß poet,

Kriechisch er die beschreiben tet,

Und wirt genant Skaphidion

Und sagt von einem, heißt Caron.

Im Judicium Paridis (1532) giebt er seine Quellen so an:

Homerus und Virgilius,

Ovidius, Lucianus,

Auch andre mehr gar kunstenreich,

Doch in Beschreibung ungeleich.

1) Die Widmung vom 6. April 1546 gilt dem Stadtschreiber von Weißenburg Wilhelm Schlecht. Der Wormser Stadtschreiber Johann Melchior Sehter hatte den Verfasser zur Bearbeitung, seine Freunde Leonhard Kettner und Wolfgang Lithorus in Nürnberg zur Veröffentlichung durch den Druck veranlaßt. Denn solcher Gedicht würden vorgestellt, um das menschliche Wesen der Welt zu einem Spiegel abzumalen und seien bei den alten Philosophen in löblichen Gebrauch gekommen'.

*) De W. 1, 118. 130.

Dem griechischen Sagenkreise entstammen seine Tragödien Jokaste, Klytämnestra, Zerstörung Trojas, die Irrfahrt des Odysseus, der getreue Fürst Alcestis, Klinias und Agathokles, Perseus und Andromeda, deren Entstehung in die Jahre 1550 bis 1558 fällt.

So fleißig studierte Hans Sachs die Schriftsteller des Altertums, wenn auch nur in Uebersetzungen. Ebenso begeisterte er sich für die altdeutsche Heldensage: er lieferte u. a. die erste Dramatisierung des Nibelungenstoffes in der Tragödie vom hürnen Seufrid (1557), und eine Reihe anderer Dramen beweisen, wie er den Stoffen der mittelalterlichen Romantik aller Völker seine Aufmerksamkeit schenkte. Wir nennen hier nur die Tragödie vom Fürsten Tancred, die Komödien Griseldis, Titus und Gisippus, König Dagobertus aus Frankreich, Florian und Bianceffora, Tristan und Isolde, Fortunatus mit dem Wunschseckel, Königin Rosamunde, die schöne Magelona 1), Melusina, Hugo Schapler.

Aus der Inventur, die Hans Sachs am 28. Januar 1562 vornahm, ersehen wir, daß er eine recht ansehnliche Büchersammlung besaß, darunter die bedeutendsten Vertreter des klassischen Altertums, meist in Uebersetzungen, die Uebersetzungen Boccaccios und Bandellos, die Gesta Romanorum, das Buch von den sieben weisen Meistern und andere Volksbücher; ein Beweis, wie sehr er auch die Bestrebungen des Humanismus unterstüßte.2)

Wie er das kühne Auftreten Luthers begrüßt hatte, so be trauerte er auch das Hinscheiden des Reformators in seinem 'Epitaphium oder Klagred ob der Leych M. Luthers'. Er selbst starb in der Nacht vom 19. auf den 20. November 1576, zweiundachtzig Jahr alt, der reichste Dichter der Reformationszeit, der fruchtbarste Dichter der deutschen Litteratur, der wirklich meisterliche Dichter ein wahres Talent, freilich nicht wie jene Ritter und Hofmänner, sondern ein schlichter Bürger'.3) Das ehrendste Denkmal hat ihm Goethe in ‘Hans Sachs' poetischer Sendung' geseßt.*)

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1) Zeitschrift f. deutsche Philologie 18, 205.

2) Das Verzeichnis seiner Bibliothek s. Archiv f. Litteraturgesch. 7, 1 ff. 3) Goethe W. 23, 50. *) W. 1, 113.

Sechstes Kapitel.

Das biblische Drama.

Ein wunderbar mächtiger Zug nach Dramatisierung biblischer Stoffe erfaßte das ganze Reformationszeitalter, nachdem die Bibel durch Luthers treffliche Verdeutschung Gemeingut des deutschen Volkes geworden war. Es genügte nicht, die Jugend mit der biblischen Geschichte auf dem Wege des Unterrichtes bekannt zu machen - die Mecklenburger Schulordnung von 1552 schrieb dem Schulmeister sogar vor, den Knaben etliche schöne Historien, als von Joseph, Samson, David, vom verlornen Sohn, zur Uebung im Ueberseßen aus dem Deutschen ins Lateinische zu diktieren; Geistliche und Schulmänner wetteiferten mit einander, die biblischen Geschichten dem Volke, Jungen und Alten, in dramatischer Darstellung vorzuführen, damit die Lehren des göttlichen Wortes fester und fester eingeprägt würden. So stellte sich das biblische Drama gewissermaßen neben die Predigt, und wie es gute und schlechte Kanzelredner giebt, so schuf die fruchtbare Dramatik des sechzehnten Jahrhunderts gute und schlechte Dramatiker, aber mehr schlechte als gute, mindestens nur mittelmäßige, denen der gute Wille höher steht als die That, wenn nur der gewünschte Zweck erreicht wird. Vollends nachdem Luthers Vorreden zu Judith und Tobias bekannt geworden waren und seine Billigung der Bearbeitung biblischer Stoffe die Weihe der Autorität verliehen hatte, entstand eine Flut dramatischer Erzeugnisse, deren Wert oft ein sehr geringer ist. Aber nicht nur Geistliche und Schulmänner versuchten ihr oft nur geringes Talent daran, auch aus dem Kreise der protestantischen Bürgerschaft erhoben sich Dramendichter und wurden so die Schöpfer des Volksdramas, das meist von jungen Bürgern gespielt zu werden pflegte, während das von Geistlichen und Schulmännern für die Schulaufführung gedichtete Schuldrama in der Regel nur von Schülern aufgeführt wurde. Aber Schuldrama und Volksdrama standen nicht unvermittelt nebeneinander, sondern ergänzten sich gegenseitig, und die Vermischung beider zeigt sich in keiner Dramengattung deutlicher, als im biblischen

Drama; denn das Schuldrama wurde bisweilen auch von Bürgern aufgeführt.

So beteiligte sich auch das Volk an der großen Bewegung der Geister, die in dem Drama der Reformationszeit einen so lebendigen Ausdruck fand.

Wir wissen, daß das deutsche Drama jener Zeit von der Schweiz ausgehend seine höchste Ausbildung in Sachsen erfuhr und sich von hier aus über Mittel- und Norddeutschland verbreitete, und es wäre leicht, nach dem lokalen Auftreten desselben die einzelnen Erscheinungen zu ordnen, da an mehreren Orten der Schweiz und Deutschlands, wie Basel, Bern, Augsburg, Nürnberg, Annaberg, Freiberg, Zwickau, Magdeburg, in der That das Schauspiel, namentlich das biblische, mit Vorliebe gepflegt wurde; allein wir ziehen es vor, das biblische Drama nach stofflichen Gesichtspunkten zu gliedern, wie dies das Alte und Neue Testament an die Hand giebt. Dabei werden wir nur diejenigen Dramen genauer berücksichtigen, welche teils durch ihren inneren Wert, teils durch die Beziehung ihrer Verfasser zur Reformation oder zu den Reformatoren eine hervorragende Bedeutung gewonnen haben.

Zuvor jedoch haben wir zwei Dramen zu nennen, die in großen Zügen den ganzen Heilsplan Gottes behandeln, wie er sich in der Geschichte des Reiches Gottes entwickelt hat und in der heil. Schrift zum Ausdruck gebracht ist. Valten Voith aus Chemniß, der 1507 in Wittenberg studierte,') in den dreißiger Jahren in Magdeburg lebte und nach 1558 starb, führt in seinem schönen, lieblichen Spiel von dem herrlichen Ursprung, betrübtem Fall, gnädiger Wiederbringung, mühseligem Leben, seligen Ende und ewiger Freude des Menschen' (Magd. 1538) 2) den Saß aus, daß der Mensch nur durch den Glauben an das Wort Gottes von seinen Sünden erlöst werde, indem er mit der Erschaffung des Menschen und dem Sündenfall beginnt und dann Schilderungen der Kirche von Adam bis auf Abraham, von Abraham bis auf David und von diesem bis auf Chriftus folgen läßt. Dabei

1) Album 25: Valentinus Voydt de Kemnitz.

2) Neudruck von Holstein, Stuttgarter Litterar. Verein Nr. 170.

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