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haben, geißelte er mit schneidigen Worten die Gebrechen der Kirche, besonders die Scheinwerke und die Gelübde der Geistlichen, und trug durch sie mächtig zur Ausbreitung der Reformation bei. Als dann 1527 der lutherische Pfarrer an St. Lorenz Andreas Osiander die aus dem dreizehnten Jahrhundert stammenden, nach seiner Aussage im Kartheuserkloster zu Nürnberg aufgefundenen, in Wahrheit aber einem Druckwerk von 1515 entnommenen Weissagungen des Kalabreser Mönches Joachim über das Papsttum und seine Geschicke mit vierzeiligen, die Gemälde erklärenden Versen von Hans Sachs erscheinen ließ, wurde dem Dichter vom Kate der Stadt, in Erwägung, daß dies Büchlein mehr eine Aufregung und Erbitterung des gemeinen Mannes denn etwas anderes verursache, dazu dem Rate allerlei Nachteil und Gramschaft bei vielen erfolgen möge', der ernste Befehl erteilt, daß er seines Handwerkes und Schuhmachens warten, sich auch enthalten möge, einig Büchlein oder Reimen hinfür ausgehen zu lassen: ein ehrbar Rat würde sonst ihre Notdurft gegen ihn handeln.') Man schien die Sache sehr ernst zu nehmen, allein bald brach sich eine mildere Ansicht Bahn. Am 13. Juni wurde der Befehl erteilt, dem Drucker und Formschneider Hans Guldenmund, welcher die Bilder geliefert hatte, die geschnittene Form der Prophezeiung' zurückzugeben, weil sich erfunden, daß dergleichen Drucke vor vielen Jahren auch ausgegangen seien, aber die gedruckten Büchlein, deren Auslieferung dem Osiander befohlen war, sollten bei Handen behalten werden. Und am 3. August erhielt Guldenmund die Erlaubnis, das Buch, das den Fall des Papsttums anzeigen solle, mit den Bildern zu drucken und zu verlegen, aber ohne die Erläuterungen Osianders und ohne die Reime Hans Sachs des Schusters.

Luther, der schon seit 1517 in lebhaftem Briefwechsel mit Christoph Scheurl und Wenceslaus Link stand und alle Nürnberger Vorgänge erfuhr, erhielt ein Exemplar dieser Schrift, deren prophetische Bilder er in einem Briefe an Spalatin (29. April 1527) Hieroglyphia nannte 2), und hatte die Absicht, dieselbe in

1) Ratsprotokoll vom 27. März 1527.

2) De W. 3, 169. Burkhardt 117.

Wittenberg wieder aufzulegen, weil sie ihm den Lauf und das Schicksal des Papsttums mit wunderbarer Eigentümlichkeit vorauszusagen schien. Auch sein Bild mit der Sichel gefiel ihm, doch trug er Bedenken, die Rose auf sein 'Zeichen', auf seine persönliche Wirksamkeit zu deuten; vielmehr bezog er sie in seiner Bescheidenheit auf das evangelische Amt.1) Osiander hätte nämlich eins der Bilder geändert, aus einem Papste mit der Rose in der einen Hand und einer Sichel in der anderen (daneben auf der Erde ein Feuerstrahl und ein menschliches Bein) einen Mönch gemacht und dies Bild mit Bezug auf Luthers Wappen auf diesen gedeutet, wie er alles Fleischliche wie Gras abschneiden und das Feuer der christlichen Liebe wieder anzünden werde.

Das tet der helt Martinus Luther,

Der macht das evangeli lauter.

All menschenler er ganz abhaut

Und selig spricht, wer Got vertraut.

Es war Luther lieb, daß in der Hauptstadt des deutschen Handels die neue Lehre einen festen Boden gewonnen hatte; aber er meinte, es könne nicht fehlen, daß in einer solchen großen Stadt unter so großem Haufen Bürger der Teufel auch seine Kunst versuche und etliche anfechte, daß sie das Wort Gottes und die Schulen verachten; und wenn es ihm gelänge, so würde er damit ein Exempel stiften, das im ganzen deutschen Lande ein gewaltig Ansehen und allen Schulen in anderen Ländern einen. harten Stoß thun werde, 'denn', sagt er in der Widmung seiner Schrift 'Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle' an Lazarus Spengler (1530), 'Nürnberg leuchtet wahrlich in ganz Deutschland wie eine Sonne, Mond und Sterne, und gar kräftiglich andere Städte beweget, was daselbst im Schwange geht'.2) Und in einem Briefe an Eoban Hessus (April 1528) rühmt er die vielseitige Beredsamkeit Nürnbergs, indem er es das Auge und Ohr Deutschlands nennt, das alles sieht und hört, was vielleicht niemals zu uns gelangen möchte.3)

1) Brief an Wencesl. Link v. 19. Mai 1527 bei de W. 3, 178, wo 3. 3 v. u. valde probo statt valde probe zu lesen ist.

2) De W. 4, 117.

3) De W. 3, 307.

Doch kehren wir zu Hans Sachs zurück. In der That stellte er seine auf die Polemik gerichtete schriftstellerische Thätigkeit, die der strenge Rat bei seinem Verbote wohl hauptsächlich im Auge gehabt hatte, ein und widmete sich von nun an ausschließlich der Dichtkunst. Er nahm seine dramatische Thätigkeit, die er 1517 mit dem Fastnachtspiel Das Hofgesinde Veneris' begonnen hatte, jezt wieder auf und sezte sie dann ohne große Unterbrechungen fort, erfüllt von dem epochemachenden Gedanken, 'die ganze poetische Welt aus der epischen Form in die dramatische überzusehen. Es sind recht eigentlich volkstümliche Stücke, in denen sich das Leben und Treiben der Nürnberger .abspiegelt. Mit ihnen hat Hans Sachs die Stimmung der fröhlichen Fastnachtgäste erhöht und die schwermütigen Herzen ermuntert, mit ihnen in den Jungen und Alten seiner Zeit die Liebe zum Guten und den Haß gegen das Böse entzündet. Er hat, wie er selbst 1567 sagt, im ganzen 208 Dramen gedichtet, davon sind 198 erhalten. Er selbst bezeichnet sie als Komödien, Tragödien, Fastnachtspiele oder Spiele überhaupt. Im allgemeinen giebt er der Komödie einen heiteren, glücklichen, mindestens tröstlichen, der Tragödie einen traurigen Ausgang, aber er bleibt sich nicht immer gleich und hält die Unterscheidung nicht fest. Seine Komödien und Tragödien stehen den Fastnachtspielen hinsichtlich des dramatischen Wertes bedeutend nach. Die letzteren sind neben den Meisterliedern und Spruchgedichten das Beste, was seine Muse geschaffen hat. Unter dem derben Humor, der sie durchweht, verbirgt sich eine sittliche Idee; die Handlung ist wirkungsvoll, die Sprache volkstümlich und lebhaft. Aber die Schauspiele, namentlich die auf biblischer Grundlage ruhenden, entbehren fast alle der dramatischen Technik; das Hauptziel ist die Scenierung des biblischen Stoffes, um die Gottseligkeit, Furcht und Liebe Gottes in die Herzen einzubilden und zu pflanzen'. In dieser Hinsicht verfolgt er das Ziel fast aller Dramendichter der Reformationszeit, zu belehren und zu nüßen, den Inhalt der Bibel und der heiligen Geschichten dem Volke vermittelst anschaulicher Darstellung zugänglich zu machen. Aber indem er mehr als die anderen bestrebt war die biblischen Geschichten im Sinne Luthers zu deuten oder einzelnen Stücken Luthers Lehre zu Grunde zu legen, hat

er zur Ausbreitung der lutherischen Lehre wesentlich beigetragen. Und so hatten auch seine weltlichen Schauspiele eine Tendenz. Er schöpfte den Stoff aus dem Altertum und suchte seinen Zeitgenossen jene Schäße, die die Humanisten gehoben hatten, in dramatischer Form vorzuführen, aber er wollte dabei auch Sittlichkeit und Vaterlandsliebe, Gerechtigkeit und Treue und alle Tugenden, die den Menschen zieren, vor Augen stellen, das Herz veredeln und vor den Sünden, Gebrechen und Lastern seiner Zeit eindringlich warnen. Bei der Fülle der dramatischen Leistungen des Nürnberger Dichters ist es unmöglich, auch nur eine gedrängte Uebersicht zu geben. Er verfaßte etwa 50 biblische Dramen; sie entstanden alle erst, nachdem Luthers Bibelübersehung erschienen war, mit der er sich eifrig beschäftigte. Die Opferung Isaaks und den Tobias (1533) hatte er schon vorher den einzelnen Teilen der Bibel, die gesondert erschienen waren, entnommen. Am 7. Oktober 1536 vollendete er die Komödie von der Esther. Dann ließ er eine elfjährige Pause eintreten. Aber von 1547 an verfaßte er fast in jedem Jahre ein oder mehrere biblische Dramen, doch vorwiegend alt= testamentliche. Die Jahre 1550 bis 1558 waren für seine dramatische Thätigkeit die fruchtbarsten. Einige Stoffe sind von ihm wiederholt bearbeitet worden. Mit besonderer Vorliebe wandte er sich dem Stoffe von den ungleichen Kindern der Eva zu. Nachdem er ihn 1546 in einem Meisterliede im zarten Ton Frauenlobs bearbeitet hatte, verwandte er ihn 1553 zu einem 'Spiel von Adams Kindern' und zu einer Komödie 'Die ungleichen Kinder Evä, wie sie Gott der Herr anredet', zuleßt 1558 zu einem Schwank. Die liebliche Fabel, die der Meister der deutschen Sagenforschung Jakob Grimm zu einem sinnigen deutschen Märchen umgestaltet hat, war dem Dichter nach seiner eigenen Aussage durch Melanchthon bekannt geworden.

Ein comedi und lieblich gedicht,
Das ursprünglich hat zugericht
Im Latein Philippus Melanchthon,
Und nun zu gut dem gemeinen mon
Auch in teutsche sprach ist gewendt.

Im Schwank von 1558 bezeichnet er seine Quelle nur im

allgemeinen:

Die glerten haben zugericht

Vor jaren ein liebreich geticht.

Allerdings hatte Melanchthon in einem Briefe an den Grafen Johann IV. von Wied vom 23. März 1539, der noch in dem selben Jahre in Frankfurt a. M. gedruckt erschien,1) die Geschichte, die er einem lateinischen Gedichte entnommen hatte, beiläufig wegen ihres lehrreichen Inhaltes in Bezug auf die göttliche Ordnung der Stände erzählt; denn als Abel und Seth ihre Prüfung bestehen, werden sie von Gott zu einem Priester und einem Fürsten, Kain aber, der nicht besteht, wird zu einem Knecht bestellt. Allein nicht Melanchthons Brief diente dem Nürnberger Meister als Quelle, sondern, wie sich aus einem Vergleiche ergiebt, das 'Gespräch zwischen Gott, Adam, Eva, Abel und Kain von der Schlangen Verfürung und Gnade Christi unseres Heilandes' des Erasmus Alberus (1541), der in der Widmung an die Markgräfin Hedwig von Brandenburg erklärt, das Argument des Gespräches aus Melanchthons Brief an den Grafen Johann von Wieda gezogen zu haben. Außerdem scheint Hans Sachs auch Heinrich Chnustins Tragedia von Verordnung der Stände oder Regiment, Und wie Cain Abel, seinen Bruder, erschlagen' (Wittenb. 1539) benußt zu haben. Uebrigens hatte schon Johann Agricola in seiner Sprichwörtersammlung (1528) denselben Stoff erzählt und bereits zu Pfingsten 1516 war er in Freiberg vor dem Herzog Georg und seinem Hofe dramatisch dargestellt worden, wie wir aus einem Bericht des Andreas Moller in seinem Theatrum Fribergense ersehen; auch erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß Hans Sachs die dort gespielte Komödie von den ungleichen Kindern Evä gekannt hat, da in derselben, wie in seiner Komödie, sechs ungeratene Söhne der Eva genannt werden. Hans Sachs fand in der Fabel einen wichtigen Reformationsgedanken; es handelte sich für ihn um zweierlei: einmal wollte er den Wert des lutherischen Katechismus darlegen; denn die

1) Auch Corp. Ref. 3, 663. Eine Uebersehung dieses Briefes gab Kaspar Brusch 1544 heraus: "Von Eua der ersten Mutter und Abel, Seth vnd Cain jren Sünen, eine Christliche vnd liebliche Narration oder fabel, einer historien nicht fast vnehnlich, Aus einer des Herrn Philippi Melanchthonis Epistel, gezogen vnd verdeutscht. Anno 1544. Widmung an Michael Pufler in Leipzig.

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