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Komödien Frischlins Dramen mit den Schülern zu lesen. Als Frischlin das Rektorat der Martinischule in Braunschweig verwaltete, ließ er 1588 seine Susanna lateinisch mit einigen deutschen Einlagen durch seine Schüler auf dem Altstädter Rathause aufführen. Uebersehungen der Susanna lieferten Jakob Frischlin (1589) und Andreas Calagius (1604).

Wie in Straßburg und anderwärts, wollte man auch in Tübingen bei den öffentlichen Aufführungen lateinischer Dramen die schuldige Rücksicht auf die der lateinischen Sprache unkundige Bürgerschaft nehmen, und so gab denn auch Frischlin öfter gereimte deutsche Inhaltsangaben, Prolog und Epilog. Im Prolog zu den Helvetiogermani sagt er:

So höret uns denn günstig zu und haltet
Den lieben Pöbel, wie ihr könnt, in Zaun,
Denn weil das Stück lateinisch wird verhandelt,
So murren, die die Sprache nicht verstehn,
Belfern die Weiber, lärmen Mägd und Knechte,
Wurstmacher, Fleischer, Schmied' und andre Zünfte,
Und fordern laut in deutscher Sprach ein Stück;
Da man dies nicht gewährt, so ziehen sie
Seiltänzer, Gaukler, Taschenspieler und
Dergleichen Volk uns unverhohlen vor.

Dem im Februar 1578 beim Universitäts-Jubiläum in Tübingen in Gegenwart des Hofes aufgeführten Drama Priscianus vapulans, in welchem der Sieg des humanistischen Latein über das barbarische Latein des Mittelalters zur Darstellung gebracht und Melanchthon als Grammatiker gefeiert wurde 1), folgten Hildecardis magna, ein dem Sagenkreise Karl des Großen entlehnter Stoff, in welchem die edle Frauentreue gepriesen wird (1592 in Halle und 1599 von den Zöglingen des Andreanums in Hildesheim unter Leitung des Kantors Andreas Dyes aufgeführt), Phasma, ein großes Reformationsdrama, über das wir in einem anderen Abschnitte reden, und Iulius redivivus, ein echt patriotisches Drama, das Deutschlands Lob rühmt, von Frischlin selbst in einem Briefe an Melchior Jäger (1. April 1585) als das

1) Frischlin erhielt 1585 für die Uebersendung mehrerer seiner Dramen, darunter Priscianus vapulans, vom Nördlinger Rat 5 Thaler dediciert (Archiv f. Litteraturgesch. 13, 52).

gelungenste seiner Dramen (Iulium ego omnibus comoediis [meis] antepono) bezeichnet, von seinem Bruder Jakob 1592 übersezt und von Jakob Ayrer zu einer elenden Komödie 'Von Deutschlands Auffnemen und Lob, der wider lebendig gemacht Kaiser Julius' (1598) benußt. Das von edler, warmer Begeisterung für das deutsche Vaterland zeugende Stück macht Frischlin alle Ehre, und mit Recht konnte er ausrufen: 'Wer will es tadeln, daß ich, von Liebe zu meinem Vaterlande getrieben, ein deutscher Mann, dieses Spiel zu Deutschlands Lob verfaßt habe?' Er läßt die vom Tode erstandenen römischen Schriftsteller Cicero und Cäsar auf einer Reise durch Deutschland die schönsten Städte aufsuchen. Da trägt Straßburg, ‘ein Hort und eine Zier des Vaterlandes', den Sieg davon; von Augsburg meinen sie, Rom sei mit seinen alten Quiriten dorthin ausgewandert, und von Nürnberg heißt es, es sei Deutschlands Corinth,

Betrachtet man der Künstler Wunderwerke;

Doch siehst du auf die Mauern und Basteien,
Wird es kein Mummius so leicht erobern.

Eine Aufführung des Iulius redivivus fand 1592 in Halle statt. In den drei weniger bedeutenden Schulstücken Dido (1581), Venus (1584) und Helvetiogermani (1589) hat Frischlin den rein pädagogischen Zweck verfolgt: es sind Dramatisierungen des vierten und ersten Buches der Aeneide Vergils und des ersten Buches von Cäsars Kommentarien über den gallischen Krieg zur Einübung der Phrasen und Förderung der lateinischen Rede. In allen seinen Dramen hat er an der klassischen Form der römischen Komödiendichtung festgehalten, namentlich galt ihm Terenz viel: er beabsichtigte einen Terentius christianus zu schaffen. Die Geschichte Josephs sollte eine ganze Trilogie liefern: der Eunuchus sollte Joseph in Aegypten, Adelphi Joseph und seine Brüder, Heautontimorumenos den alten Jakob darstellen, wie er sich über den vermeintlichen Verlust seiner drei Söhne selbst quält. Ferner beabsichtigte er aus der Geschichte der Ruth eine Hecyra zu machen. Einen Teil dieser Vorsäge hat Frischlin noch in den lezten Jahren seines Lebens ausgeführt. In der Kerkereinsamkeit auf Hohenurach im Frühjahr 1590 entstanden die Prologe zu den drei Stücken und die Inhaltsanzeigen der

einzelnen Akte in deutschen Reimen. Er sandte sie an den herzoglichen Rat zu Stuttgart, aber sie fanden nicht den Beifall der Censoren und so unterblieb die weitere Ausführung. Ebenso hatte er eine fünfaktige deutsche Komödie 'Ruth' übersandt, aber auch sie wurde infolge der ungünstigen Beurteilung des Hofpredigers Lukas Osiander als ein 'unnotwendiges Werk bei der Hand behalten'.1)

Das nach dem Vorbild des Terenz geschaffene neulateinische Drama erlangte endlich auch einen Ausdruck in der Schilderung des Studentenlebens. Der schon erwähnte Christoph Stymmel aus Frankfurt a. D. schilderte in seiner Komödie Studentes, comoedia de vita studiosorum (1545) 'in offenbarer Anlehnung an Gnapheus' Acolastus dem Charakter nach verschiedene Studenten, den fleißigen Philomathes und seine Jugendfreunde Acolastus und Acrates, von denen der erstere alles mit Weibern, der andere alles mit Spielen vergeudet. Zuleßt muß Acolastus ein Mädchen, das er entehrt hat, heiraten; Acrates aber bestiehlt seinen Vater, um seine Spielschulden zu bezahlen. Troß vieler Schwächen erzielte das Drama einen großen Erfolg und wurde für andere Dramatiker vorbildlich. So schrieb Albert Wichgrev aus Hamburg, Prediger zu Allermode im Billwerder, seinen Cornelius relegatus, der 1600 von Studenten zu Rostock aufgeführt wurde und in welchem die sittlichen Zustände der damaligen studierenden Jugend treu abgespiegelt sind. 1603 wurde diese Komödie von Johannes Sommer aus Zwickau, Pastor zu Osterweddingen, 'auf etlicher gutherziger Leute Bitte' verdeutscht, weil 'dieselbe der heutigen leimstenglerischen cornelischen Jugend in Stadt und hohen Schulen mores und Sitten artig als mit lebendigen Farben abmale'. Auch er will sein Drama als einen Spiegel betrachtet wissen, wie es heut oder morgen den cornelischen Gassenjunkern möchte ergehen', damit sie frühzeitig dem Uebel vorbeugen.2)

Was Frischlin beabsichtigte, führte Cornelius Schonäus aus Gouda, Rektor in Harlem, aus, indem er seine von 1580 an verfaßten 17 lateinischen Dramen in seinem Terentius christianus

1) F. D. Strauß, Leben und Schriften des Dichters und Philologen Nikodemus Frischlin. Frankfurt a. M. 1855.

2) E. Schmidt, Komödien vom Studentenleben. Leipzig 1880.

(zuerst 1591) vereinigte. Schonäus wollte die sittlichen Bedenken, die man gegen Terenz erhoben hatte, beseitigen. Er entnahm den Stoff meist der Bibel und schloß die Liebeshändel aus, wodurch er erreichte, daß seine Stücke in den Schulen Eingang fanden; aber er blieb troßdem nicht frei von Obscönitäten und platten Gemeinheiten, die in dem fremden Gewande weniger anstößig erschienen.

Der schon genannte Sirt Birck, erst in Basel, seit 1536 in Augsburg im Schulamt thätig, schrieb eine Reihe biblischer Stücke zum teil ursprünglich deutsch und überseßte sie dann selbst ins Lateinische, zeigte also eine nicht allen Dramatikern jener Zeit eigentümliche Gewandtheit. Ihn veranlaßten die sittlich bedenklichen Themata des Terenz zur Abfassung von Dramen, welche sich durch eine echt protestantische Gesinnung auszeichnen. In protestantischem Sinne schrieb auch Jakob Schöpper, Presbyter zu Dortmund, seine sechs lateinischen Schuldramen meist biblischen Inhalts, obgleich er ein Anhänger der alten Kirche blieb. Die Reformation kam in Dortmund erst allmählich zum Durchbruch; aber an dem bereits 1543 vom Rate der Stadt gestifteten evangelischen Gymnasium wurden auch noch später Schöppers Komödien unbedenklich aufgeführt.

Das neulateinische Drama, ursprünglich eine Schöpfung des Humanismus, steht seit 1529 unter dem Einflusse der Reformation und der durch sie geschaffenen Organisation des höheren Schulwesens; der vielgelesene Terenz verliert seine Bedeutung und wird durch die dramatische Dichtung der Schulmänner erseßt; aus den gelehrten Kreisen stammt die dramatische Produktion und stellenweise vermischt sie sich mit der volkstümlichen, aber der ganze Prozeß hat seinen Ausgangspunkt von der Reformation genommen und wird durch sie beeinflußt.

Fünftes Kapitel.
Hans Sachs.

Nirgends fand die Reformation einen fruchtbareren Boden als in Nürnberg. Hier hatten Männer wie Wilibald Pirkheimer, Lazarus Spengler, Christoph Scheurl, Hieronymus Baumgartner,

Holstein, Die Reformation.

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Hieronymus Ebner, Sixtus Tucher, schon längst die Befreiung ihres eigenen Denkens und Lebens in der Rettung der deutschen Nation von den unerträglichen Fesseln der römischen Kirche mit heißem Verlangen ersehnt. Luthers Thesen wurden hier schnell bekannt, jene Thesen, von denen ein Zeitgenosse Luthers, Friedrich Myconius, sagt, daß sie, ehe vierzehn Tage vergingen, ganz Deutschland und in vier Wochen schier die ganze Christenheit durchlaufen hatten, als wären die Engel selbst Botenläufer und trügens vor der Welt Augen. Pirkheimer und Spengler verteidigten in Schriften Luthers Vorgehen, und dieselbe Bulle, die Luther als Kezer verdammte, belegte auch sie mit dem Banne. Die ganze große Bewegung hatte Hans Sachs erlebt und war von ihr tief ergriffen. Mit Begeisterung las er Luthers Schriften; im Jahre 1521 besaß er selbst schon vierzig Schriften Luthers und seiner Freunde und vertiefte sich so sehr in das Studium derselben, daß seine poetische Thätigkeit zwei Jahre lang gänzlich ruhte. Aber nachdem er sich von der unverbrüchlichen Wahrheit der neuen Lehre überzeugt und die hohe Bedeutung der Lutherschen Uebersetzung des Neuen Testamentes erkannt hatte, begrüßte er in seinem Gedicht von der Wittenbergisch Nachtigall, die man jegt höret überall' (1523) mit den Ausdrücken wahrer Herzensfreude die ersten Strahlen der in der Reformation aufgehenden Sonne und gab ein kräftiges Zeugnis, wie tief und wie richtig er Luthers Ziel verstanden. Hans Sachs, der Schuhmacher, der Sohn des Volkes, begleitete seinen Meistergesang mit einer allen Liebhabern evangelischer Wahrheit gewidmeten Vorrede, welche, in ungebundener Rede geschrieben, ein wertvolles Denkmal der deutschen Sprache bildet.

Während sein kühner Gesang von Luthers entschiedenem Auftreten bei den Anhängern der neuen Lehre freudige Aufnahme fand und als Flugschrift allenthalben nachgedruckt wurde, suchten die Gegner, die Römischen', das Gedicht als das Erzeugnis eines unwissenden Laien, der besser thäte, sein Schusterhandwerk zu treiben, an den Pranger zu stellen. Aber der tolle Schuster' ließ sich nicht irre machen. In vier in kunstvoller Prosa abgefaßten, auf einem sorgfältigen Studium des Neuen Testamentes ruhenden Dialogen, die wegen ihrer Lebendigkeit fast dramatischen Wert

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