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palliata bewegt, sondern auch als Vermittlerin der alten und neuen Zeit die reformatorischen Ideen, wie sie durch die Bibel im Volke erweckt waren, zu verbreiten suchte und, wie das Drama überhaupt, als Waffe der Reformation auftrat. Wenn dies Bestreben im Acolastus des Gnapheus nicht so scharf ausgeprägt erscheint, als in anderen Komödien jener Zeit, so findet dies seine Erklärung darin, daß der Verfasser mit diesem Stücke seine dramatische Thätigkeit begann und bei der Gefahr, die ihm alle Tage von dem Gericht des Oberkeßerrichters Jodokus Lovering, des Statthalters von Mecheln, drohte, direkte Angriffe vermied. Ueberhaupt zeigt sein ganzes Leben, daß Gnapheus wohl ein ehrenwerter, aber kein starker Charakter war, daß er an den religiösen Kämpfen der Zeit wohl teilnahm, daß er aber kein entschlossener Führer war.

Seine übrigen Dramen stehen gegen den Acolastus, der im Laufe der Zeit eine geradezu kanonische Bedeutung erlangte, bedeutend zurück. In die Zeit seiner Elbinger Thätigkeit fällt sein Morosophus, worin er die Aufgeblasenheit unwissender Gelehrter verspottet. Ihm folgten Hypocrisis und Misobarbus.

Der bedeutendste neulateinische Dramatiker ist Georg Macropedius (Langhveldt), wahrscheinlich 1475 zu Gemerten bei Herzogenbusch geboren, zuerst Priester des Ordens des heil. Hieronymus, hierauf Rektor der schon 1425 gegründeten Schule zu Herzogenbusch, dann Rektor zu Lüttich, zuleßt in Utrecht und daselbst bis 1552 thätig. Er starb in seiner Heimat im Juli 1558. Durch Reuchlin angeregt, begann er schon früh lateinische Komödien zu dichten und seßte diese Beschäftigung bis gegen das Ende seines Lebens fort. Die erste Frucht seiner dramatischen Studien war der Asotus, das Drama vom verlornen Sohn, der Hauptsache nach wohl schon 1507 entstanden, aber erst 1535 zum Druck befördert. Obwohl Macropedius nicht der neuen Lehre beitrat, so zeigen seine Dramen doch reformatorische Ansichten. Der Prolog zum Asotus bemerkt ausdrücklich, daß das folgende Stück nicht aus Poffen und Wißen bestehe, sondern daß der Stoff aus dem Munde der Wahrheit geflossen sei; der alte Eumäus sei der himmlische Vater, der verlorne Sohn sei der reuige Sünder, der von Gott Gnade und das Kleid der Unschuld (stola innocentiae)

erhalte. In den Chorgesängen tritt der didaktisch - paränetische Charakter deutlich hervor: im ersten wird die Dankbarkeit der Kinder gegen die Eltern gerühmt, im zweiten die Zuchtlosigkeit der Jugend getadelt, im dritten wird die Tugend eines treuen Dieners gepriesen. Im ganzen hat Macropedius 15 Dramen geschrieben und sich dadurch als einen großen Freund des Schauspieles bewiesen, das er im Prolog zur Andrisca als die beste Uebung der Jugend verteidigt. Die Komödie ist ihm des Menschenlebens hellster Spiegel. Zwei seiner Dramen, Asotus und Iosephus, wurden 1564 von Antoine Tyron in das Französische überseßt. Am verbreitetsten war sein Hecastus, über den wir in einem andern Abschnitt sprechen.

Bedeutend ist der Iosephus des Cornelius Crocus, der zuerst 1535 zu Amsterdam, wo der Verfasser als Lehrer wirkte, gespielt wurde. Er ward für viele deutsche Dramatiker vorbildlich. Als am 15. Mai 1538 das Gymnasium zu Straßburg eröffnet wurde, bildete einen Teil der mit der Eröffnung verbundenen Festlichkeiten die Aufführung des von Johann Sapidus (Wig) verfaßten Dramas Anabion sive Lazarus redivivus, das die Auferweckung des Lazarus zum Gegenstand hatte. Dieses Drama hat in der Folge die deutsche Dramatik in Sachsen und in der Schweiz beeinflußt. Der Verfasser war, nachdem er das Rektorat in Schlettstadt niedergelegt, Vorsteher der Schule im Predigerkloster zu Straßburg gewesen und trat als Lehrer der vierten Klasse an dem neu errichteten Straßburger Gymnasium ein.

In dem ersten Zeitraum der Geschichte des Straßburger Gymnasiums begegnet uns nur ein lateinisches Drama, das des Züricher Pfarrers Rudolf Walther, Nabal, aus 1. Sam. 25, das 1562 zu Straßburg im Druck erschien, offenbar um zu einer Schulvorstellung zu dienen; aber nach der Erhebung des Gymnasiums zur Akademie durch Hinzufügung der philosophischen Fakultät (1566) überwogen die neulateinischen Dramen und es erscheinen eine Reihe von Dramendichtern, welche für das akademische Theater zu Straßburg arbeiten. Leider konnten die Rektoren Johannes Sturm, Johann Marbach und Melchior Junius nicht verhindern, daß der pädagogische Zweck der dramatischen Schulaufführungen mehr und mehr in den Hintergrund trat, daß

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sich das akademische Theater (theatrum Argentoratense) in ein Stadttheater verwandelte, daß die Bühne einen volkstümlichen Charakter erhielt und daß das Hauptgewicht auf glänzende Vorstellungen gelegt wurde. Besonders fanden die Vorstellungen bei den Ofterpromotionen oder bei der Anwesenheit von hohen Gästen statt. So wurde 1598 bei der Darstellung der Medea des Euripides außer anderen prächtigen Aufzügen das Schiff Argo und der Kriegsgott mit einer Schar von Musketieren, Landsknechten und Reitern auf die Bühne gebracht. Der Vorstellung wohnte der Pfalzgraf bei Rhein Friedrich IV. bei, welcher mit einem dreistimmigen Liede Salve divorum princeps begrüßt wurde. Auch 1599 erschien der Pfalzgraf, um einer Vorstellung beizuwohnen. Andere hohe Gäste waren 1603 der Markgraf Johann Georg von Brandenburg und der Herzog August von Schleswig-Holstein, die einer Aufführung des Jeremias von Thomas Naogeorg beiwohnten; 1615, 1616 und 1617 der Herzog Johann Friedrich von Württemberg, der speziell der Aufführungen halber nach Straßburg kam.1)

Die Mehrzahl der Verfasser der zu Straßburg aufgeführten Dramen waren Lehrer der Anstalt. Wir nennen Petrus Dasypodius aus Frauenfeld, Verfasser des Philargyrus (Straßburg 1565), Georg Calaminus (Röhrig) aus Silberberg in Schlesien, Verfasser des Weihnachtsspieles Messias in praesepi, das am 2. Januar 1576 'nach Art eines Hirtenspieles und mit Hirtentrachten' aufgeführt wurde, und der Dramen Helis (vom Hohenpriester Eli, 1591) und Rudolpho-Ottocarus (1594), für welches der bereits mit dem poetischen Lorbeer gekrönte Dichter vom Kaiser Rudolf II. mit dessen Bild beehrt wurde.

In den beiden ersten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts erreichte das akademische Theater in Straßburg seine höchste Blüte und in Kaspar Brülow aus Falkenberg bei Pyriz, 1612 Lehrer am Gymnasium, 1615 zugleich Professor der Poesie an der Akademie, erschien das bedeutendste Talent, das unsere Litteratur in der Zeit vor Lessing aufzuweisen hat'.2) Von 1612 bis 1616 gingen seine lateinische Dramen über die Bühne: Andro

1) A. Jundt, Die dramatischen Aufführungen im Gymnasium zu Straßburg Straßburg 1881.

2) Lorenz-Scherer, Geschichte des Elsasses 2, 63.

meda, Elias, Chariclea, Nebucadnezar, Iulius Caesar; sein lettes Drama Moyses 1621, in demselben Jahre, in welchem das akademische Gymnasium zur Universität erhoben wurde. Diese Vorstellung sollte zugleich die glänzendste und die lehte dieses Zeitraumes sein. Mit dem Ausbruche des dreißigjährigen Krieges hörten die Vorstellungen auf. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß sie nicht bloß das neulateinische Drama zu einer eigenen litterarischen Gattung erhoben, sondern daß sie auch auf die deutsche Dichtung einen Einfluß ausübten; denn die kurzen poetischen Inhaltsangaben und die deutschen Uebersehungen, die außer Wolfhart Spangenberg noch Isaak Fröreysen, Johann Georg Wolckenstein, Johann Christian Stipiß, sämtlich Lehrer des Straßburger Gymnasiums, veranstalteten, schufen eine neue, reiche dramatische Litteratur, in welcher sich die Trennung der gelehrten Dichtung von der volkstümlichen vollzog.

Es ist auffallend, daß sich unter den 34 Vorstellungen des Straßburger Theaters, die uns aus der Zeit von 1538-1621 bekannt sind, kein einziges Stück desjenigen lateinischen Dramatikers befindet, der nächst Eoban Hessus als der gewandteste neulateinische Dichter Deutschlands angesehen wird. Während Nikodemus Frischlins Stücke in Straßburg keinen Eingang fanden, wurden sie fast sämtlich vor dem Stuttgarter Hofe aufgeführt und der Dichter errang einen großen Beifall. Es waren zunächst Schulübungen der Tübinger Studenten und Stipendiaten, die aber zugleich zur Unterhaltung des gebildeten Publikums dienen sollten. Frischlin, seit 1568 Professor der Geschichte und Poetik in Tübingen, wegen seiner großen Freimütigkeit in Schrift und Rede von den Mitgliedern der Universität und vom Württembergischen Adel angegriffen und 1582 zur Flucht genötigt, lebte in Laibach, dann wieder in Tübingen und nachdem er 1587 verbannt war, als Lehrer in Braunschweig. Er wurde im Frühjahr 1590 verhaftet und auf Hohenurach eingekerkert, wo er bei einem Fluchtversuch in der Nacht vom 29. zum 30. November 1590 unglücklich endete. Seine dramatischen Dichtungen fallen meist in die erste Zeit seiner Tübinger Wirksamkeit. Die ersten seiner Dramen behandeln biblisch-historische Stoffe. Rebecca wurde zur Geburtstagsfeier des Herzogs Ludwig von Württemberg am

1. Januar 1577 aufgeführt, wie Frischlin selbst in der Zueignung
der ersten Ausgabe an den Kaiser Maximilian II. sagt. Das
Stück wurde 1589 von seinem Bruder Jakob, Schulrektor in
Waiblingen, 'in liebliche teutsche Reimen transferiert und verseßet'.
Dieser Ueberseßung folgten bis 1616 noch vier andere: von
Christian Schön, Schulmeister zu Jessen an der schwarzen Elster
(Von des Patriarchen Isaaks Freyschaft' 1599), Andreas Calagius,
Lehrer am Elisabethgymnasium zu Breslau (1599), Johann
Drsäus, Schulrektor in Stadthagen (1603) und Johann Konrad
Merck in Ulm (1616), wo auch eine Aufführung der lateinischen
Komödie Frischlins stattfand. Das zweite biblische Drama Susanna
bearbeitete Frischlin in der Zeit von Ostern bis Cantate 1577. Im
Prolog weist der Dichter den Vorwurf zurück, der ihm von seinem
Universitätskollegen, dem Professor Martin Crusius, wegen der Ein-
führung komischer Personen in seine Rebecca gemacht war. Er
nannte dies das Urteil eines Esels (iudicium asininum) und sagt:
Da schrein gewisse naseweise Richter,
In heiligen Komödien soll kein

Leichtfertig Volk auftreten, sondern lauter
Ehrwürdige Personen, die der Jugend

Zum Vorbild dienen können; gleich als brächte
Die Schlechten, Lasterhaften, Tückischen,
Die Lügner, Säufer, Gotteslästerer,
Der Dichter darum auf die Bühne, daß
Die andern sich nach ihnen bilden sollen
Und nicht nach jenen, deren Tugenden
Und Biederthaten sie vor Augen sehen.

Ja, sagen jene Richter, ihr entweihet
Die heilige Schrift! Nun damit geben sie
Recht zu verstehen, daß sie nichts verstehn.
Führt denn der heilige Geist nur fromme Menschen
Und Tugendmuster dort uns vor? nicht auch
Wüstlinge, Trunkenbolde, Bösewichter,

Damit ihr Beispiel uns zum Bessern treibe?

Dies Drama, das, wie die vielen anderen Dramen dieses Namens, die Ehe typisch abbilden sollte, wurde nicht nur in Stuttgart, Waiblingen und an anderen Orten wiederholt aufgeführt, sondern es wurde auch für den Rat zu Memmingen der Anlaß, seinen Lehrern die Weisung zu erteilen, an Stelle der Terenzischen

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