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epistolas Ciceronis lesen. Die evangelischen Schulordnungen von Düsseldorf (1545), Goldberg (1546, verfaßt von Troßendorf), Magdeburg (1553), Augsburg (1553), die württembergische (1559), die pommersche (1563), die brandenburgische (1564), die von Breslau (1570), Walkenried (1570), Gandersheim (1571), Brieg (1581), Wesel (1585), Aschersleben (1589), Stralsund (1591), Soest (1618) empfahlen sämtlich die Lektüre des Terenz und teilweise auch das Auswendiglernen. In der Breslauer war bestimmt, ‘daß die Knaben der zweiten Klasse den Terenz als ihren fürnehmen und ganz eignen Autor auswendiglernen, also daß man die Personas der Jugend austeile und sie wöchentlich nach Tische eine Stunde oder zwei recitieren lasse und sie also in der Pronunciation und Aktion übe'.

Aber die Lektüre und Uebung in der Recitation allein genügte nicht, auch die Aufführung von Terenzischen Komödien wurde in den Schulordnungen warm empfohlen. Schon 1518 sprach sich Petrus Mosellanus Protegensis (d. i. Peter Schade aus Proteg an der Mosel), Lehrer der lateinischen und griechischen Sprache an der Universität Leipzig, in seiner Paedologia in puerorum usum conscripta, einem in jener Zeit weitverbreiteten, von Luther und Melanchthon angelegentlich empfohlenen Büchlein, das Gespräche über die verschiedensten innerhalb des Gesichtskreises der Schüler liegenden Gegenstände des Lebens enthält und das zugleich von einem sorgfältigen Studium des Terenz zeugt, in einem Gespräche de spectaculis comoediarum tragoediarumque exhibendis dahin aus, daß der Gegenstand eines solchen Dramas ernster Natur sein möchte; auch er scheint die Passionsspiele (tragoediae cruciatuum, quos pro nobis tulit servator Christus) zu verwerfen: ich wünschte, läßt er den einen Sprecher sagen, in einem solchen Spiele lieber die Rolle des hartherzigen Soldaten oder des Scharfrichters zu spielen als die Rolle Christi; denn obwohl, wie ich vermuten darf, nur eine Dichtung (res ficta) dargestellt wird, so kann es doch nicht fehlen, daß der Darsteller Christi viele Beschwerden auf sich nehmen muß.1)

1) Petrus Mosellanus, geb. 1493, gest. 19. April 1524, erhielt nach dem Abgang des Engländers Richard Crocus das Lehramt der griechischen Sprache an der Universität Leipzig. Er trat sein Amt mit einer akademischen Rede über die Erwerbung einer gründlichen Sprachkenntnis (de variarum

Die schon genannte Zwickauer Schulordnung von 1523 bestimmte für den Mittwoch nach beendigter Repetition die Aufführung einer Komödie aus dem Terenz zur Stärkung des Gedächtnisses und zur Uebung in der Aussprache. Später kamen sorgfältig vorbereitete Aufführungen dazu, wie dies die in der Zwickauer Ratsschulbibliothek befindlichen handschriftlichen Einleitungen zum Eunuchus und Heautontimorumenos des Terenz beweisen, in denen nach einem Prolog ein Knabe die auftretenden Personen genau charakterisiert, um dem Publikum das Verständnis des Stückes zu erleichtern. Diese Einleitungen gehören nicht, wie man nach Gottscheds Vorgang annahm, dem fünfzehnten, sondern dem sechzehnten Jahrhundert an, denn sie stammen aus der Feder des Freiberger Rektors Valentin Apelles (1544—1581).1) In der Hamburger Schulordnung von 1529, sowie in der ebenfalls von Bugenhagen verfaßten schleswig-Holsteinschen Schulordnung von 1542 heißt es: Item idt is ock ene gude övinge, wen man se Comedien spelen leth edder ettlicke Colloquia Erasmi'. In der von dem Rektor Mathias Delius für das Johanneum in Hamburg 1537 erlassenen neuen Schulordnung wurde bestimmt, daß von den Schülern der beiden ersten Klassen jährlich einmal Komödien gespielt werden sollten und zwar von einem alten und neuern Dichter.

In Magdeburg, der ersten Stadt Norddeutschlands, welche für die Reformation gewonnen wurde, steht die Errichtung einer höheren Schule, des altstädtischen Gymnasiums, in der unmittelbarsten Verbindung mit der Einführung der Reformation. Im Juli 1524 hatten die Magdeburger dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen die Bitte um einen Prediger vorgetragen: 'Das unüberwindliche Wort Gottes, welches bisher wie mit einem Schatten linguarum cognitione paranda) an, gedruckt Lips. in offic. Val. Schumanni 1518. 22 S. Das auf der königlichen Bibliothek zu Dresden befindliche Eremplar ist ein Dedikationsexemplar des Verfassers an Spalatin. Seine Paedologia, die er dem Rektor der Thomasschule Johann Poliander widmete, erhielt vom Senat in Leipzig (30. September 1518) ein Privilegium auf vier Jahre. Petrus Mosellanus führte bei der Leipziger Disputation den Vorsit und stattete über dieselbe zwei Berichte ab, den einen an Wilibald Pirkheimer, den anderen an Julius von Pflugk.

1) Straumer, Beiträge zur Schulkomödie in Deutschland. Programm des Gymnasiums zu Freiberg. 1868. S. 21-31.

verdunkelt war, ist nun Gottlob heller als die Sonne zum Heil und Trost der Sünder, zum Wohle der Seelen und zur ewigen Ehre Gottes in Eurer Kurfürstlichen Gnaden Stadt Wittenberg aufgegangen und wird nun auch bei uns lauter und rein geprediget. Nachdem Nikolaus von Amsdorf im September 1524 das ihm übertragene Amt eines Pastors und Superintendenten angetreten hatte, wurden die sämtlichen Parochialschulen der Stadt zu einer einzigen Schule vereinigt und im Mai 1525 traf der von Melanchthon empfohlene junge, aber gelehrte Kaspar Cruciger ein, um das Rektorat der neuen Schule zu übernehmen. Melanchthon selbst begleitete ihn dahin, um sich persönlich mit dem Rate der Stadt über die Einrichtung und Leitung der Schule zu besprechen. Auf Luthers Anlaß kehrte Cruciger nach dreijähriger Wirksamkeit nach Wittenberg zurück, wo er als Prediger an der Schloßkirche und Universitätslehrer bis zu seinem Tode (1548) wirkte. Sein Nachfolger wurde Mag. Georg Major (1529–1536), der sich ein besonderes Verdienst durch die Aufführungen verschiedener Schuldramen mit seinen Schülern erwarb. Wir werden ihn selbst als Bearbeiter eines in Gemeinschaft mit Joachim Greff verfaßten und 1534 in Magdeburg aufgeführten Dramas kennen lernen. Aus dieser Vorliebe Majors für dramatische Aufführungen werden wir auch den Schluß ziehen können, daß er in seiner Schulordnung, die nicht mehr vorhanden ist, auf die sich aber einer seiner Nachfolger beruft, die Aufführung von Schuldramen empfahl.. Dieser spätere Nachfolger ist Mag. Gottschalt Prätorius, der in seiner am 8. September 1553 veröffentlichten Schulordnung den Komödienspielen, einem Teile der öffentlichen Uebungen, einen besonderen Abschnitt widmet. 'Aufführungen von Komödien nüßen, so meint man, um die rechte Kühnheit in den Knaben zu heben und zu stärken'. Prätorius sezte danach den Nugen der öffentlichen Aufführungen in die Förderung der öffentlichen Beredsamkeit und geselligen Bildung und meinte, wie Nikolaus Medler und Joachim Mörlin äußerten: 'Die Knaben werden dadurch kühne, für die Gemeinde zu reden, lernen frei aus dem Munde reden, lernen sich auch bei den Leuten fein schicken'. Er verlangte der angenehmen Abwechslung halber lateinische und deutsche Komödien; die ersteren könnten aus dem

Terenz genommen werden, die anderen aus dem Gebiete der dramatischen Litteratur. Auch die Zeiten, in denen die öffentlichen Aufführungen stattfinden sollten, wurden bestimmt, und zwar die der deutschen Komödien oder Tragödien zur Fastenzeit (in nundinis Septuagesimae), die der lateinischen in der Zeit der Heermesse (in nundinis Mauricii d. i. um den 22. September). In der Vorrede zu seinem Drama vom Gericht Salomonis (1561) spricht sich Johann Baumgart sehr eingehend über die dramatischen Aufführungen der Schüler in Magdeburg aus. Hiernach war eine dreifache Art jährlich wiederkehrender Aufführungen üblich: eine lateinische Komödie oder Aktion mußte 'auf Herren Meß' vor den Schulherren agiert werden, damit diese die Fortschritte der Jugend in den Wissenschaften kennen lernten; darauf hatten die Schüler vor versammeltem Rat auf dem Rathause eine deutsche Komödie aufzuführen. Endlich damit auch zu allerleßt männiglich beide, Gelehrte und Ungelehrte, Bürger, Bauer und alle Mann den profectum, Wachsen und Zunehmen der Schule sehen und erfahren, auch ein jeder desto mehr Lust, die Seinen zur Schule zu halten, haben möge, wird solche Komödie ferner öffentlich unter freiem Himmel für jedermann aus unserer Schule agieret und gespielet'. Und den Prologos läßt derselbe Baumgart mit Bezug auf die üblichen dramatischen Schulaufführungen sagen: Der Brauch ist ihund weit und ferren, Das man aufs wengst einmal im Jar Comedias spielet offenbar,

Der Obrigkeit zu sondrer Er,

Gemeiner Jugend z'nuß und Ler,

In Summa jedermann zum Frommen.

Ein späterer Nachfolger des Prätorius, Mag. Georg Rollenhagen, der gerühmte Verfasser des Froschmäuselerkrieges, der auch als Dramatiker zu nennen ist, bemerkt in seinem Abraham (1569), es sei schon seit vielen Jahren in Magdeburg nach Ordnung der Statuten und Schulgeseße gebräuchlich gewesen, Komödien, Tragödien und dergleichen Aktionen in lateinischer und deutscher Sprache zu recitieren. Er selbst ließ wohl alle Jahre der Gewohnheit gemäß deutsche und lateinische Dramen aufführen; besondere Vorliebe hatte er für Terenz und er wünschte, daß der

Terenz, von dem Erasmus gesagt, er heiße so, quod manibus esset terendus, wie Theer den Schülern an den Händen klebe. Er ließ 1592 an seiner Schule alle sechs Stücke des Terenz aufführen.

Weisen andere Städte Deutschlands nicht gerade wie Magdeburg unter ihren Rektoren Dramatiker auf, so haben sie doch die Aufführungen dramatischer Stücke durch Schüler begünstigt. Dahin gehört Güstrow, dessen vom Herzog Ulrich von Mecklenburg genehmigte Schulordnung 1552 erschien. Danach soll alle Halbjahr eine lateinische Komödie aus dem Plautus oder Terenz für die Knaben, daß sie gut Latein lernen mögen, von den Schülern in der Schule, jedoch extra habitum, agieret werden, denn es heißt:

Continet humanae speculum Comoedia vitae,

Turpiaque urbano facta lepore notet.

Dagegen werden die Aufführungen deutscher Komödien oder Tragödien nur mit Wissen des Herzogs und auf sein Gutachten gestattet. In dem 1531 gestifteten St. Annengymnasium zu Augsburg wurde unter der Leitung des als Dramatiker hochgeschäßten Rektors Sixt Bird (Xystus Betuleius), der nach einer ruhmvollen pädagogischen Wirksamkeit in Basel 1536 an das Gymnasium seiner Vaterstadt berufen wurde, zahlreiche lateinische und deutsche Dramen aufgeführt, die Birck teilweise selbst verfaßt hatte. Aber nachdem Hieronymus Wolf, ein Schüler Wittenbergs, 1557 das Rektorat übernommen hatte, scheinen die dramatischen Aufführungen in Augsburg keine willkommene Stätte mehr gefunden zu haben; denn Wolf fürchtete, daß die Knaben durch die Einübung der Stücke von ihren Studien möchten abgehalten werden; er sagt: 'Ich würde die Aufführung von zwei Komödien des Terenz zur Fastenzeit (Bacchanalibus) und nach den Hundstagen oder am Ende des August (sub festum d. Bartholomaei) für angenehm den Bürgern und nüßlich den Schülern halten, wenn nicht die Erfahrung lehrte, daß die Schüler ihre anderen Studien zu sehr vernachlässigten.' Auch dem Rektor der Sebalder Schule in Nürnberg Paulus Prätorius lagen die dramatischen Aufführungen nicht sehr am Herzen. Zwar erkannte er ihren formalen Nußen an, aber er fürchtete doch eine arge Gefahr für die sittliche Bildung der Jugend. In seinem

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