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Dann kommt Luthers Predigt und Reise nach Rom. Tezels
Auftreten in Sachen des Ablasses füllt den zweiten Akt.

Wenn einer nur, merkt euch, ihr Leut,
Von mir und päpstlicher Heiligkeit
Erkaufet Ablaß und Genad

Und Siegel und Brief darüber hat,
Denn sobald ihr nur Geld herbringt
Und der Pfennig im Kasten klingt,

So fährt die Seel von Stund an drauf
Aus dem Fegfeuer gen Himmel nauf.

Der nächste Akt bringt Luthers Unterredung mit dem Kardinal Cajetan (Thomas de Vio aus Gaeta) in Augsburg, die beiden lezten schildern Luther auf dem Reichstag zu Worms. Luther schließt seine Verantwortung mit den Worten:

Ich kann nicht anders, ich steh allhier,

Gott helf mir, Amen, Amen, schier.

Dann wird er auf Veranstaltung des Kurfürsten auf die Wartburg gebracht.

Wenngleich sich der Verfasser über den niedrigen Standpunkt, den das Drama in jener Zeit einnahm, noch nicht zu erheben vermag, so hat er doch in geschickter Weise die Handlung auf fünf Akte verteilt und den Charakter Luthers in bestimmten und klaren Zügen gezeichnet.1)

Luther blieb nun eine Zeit lang der Gegenstand dramatischer Behandlung. Das zweite Lutherdrama ist in Eisleben entstanden. Hier beabsichtigte der Diakonus Martin Rindart, bekannt als Verfasser des Kirchenliedes: Nun danket alle Gott, die Geschichte der Reformation in sieben Stücken komödienweise zu schreiben; aber er brachte es nur auf drei und hat auch nach seiner eigenen Angabe in seinem ‘Summarischen Discurs und Durchgang von deutschen Versen, Fußtritten und vornehmsten Reimarten' (1645) nicht mehr als drei verfaßt, nämlich das erste, dritte und fünfte. Das zweite sollte die zweihundertjährigen Reformationsanzeigungen von 1300-1500 (Lutherus desideratus sive Reformationis desideria, omina et praeludia), das vierte den großen luthe=

1) A. Hartmann studierte 1559 in Wittenberg, wurde Magister der Philosophie und lebte nach Verwaltung mehrerer Aemter in Dresden und Magdeburg.

rischen Reichstag zu Worms (Lutherus magnanimus sive Comitia Wormacensia), das sechste die Vorgänge vor und nach dem Reichstag zu Augsburg (Lutherus confirmatus sive Comitia Augustana augustissima) und das siebente der Reformation Triumph und Ausgang (Lutherus triumphator sive Reformationis Cygnea 1536-1546) schildern. Gewiß ein dankbares Unternehmen, an dessen Ausführung der kühne Dramatiker nur durch die unglücklichen Zeitverhältnisse verhindert wurde; denn wir wissen, daß er durch Krieg, Pest, Teuerung und Hungersnot schwer geprüft worden ist.

Das erste Drama der Rinckartschen Heptas war Der Eislebische christliche Ritter' (Eisleben 1613)), in welchem der Kampf Luthers mit dem Papste und Calvin zur Darstellung gebracht ist. Der Verfasser hat in diesem den Grafen von Mansfeld gewidmeten Reformationsspiele, in welchem nicht der ingrimmige Haß von Bekenntnisform gegen Bekenntnisform', nicht 'die Verknöcherung des Geistes und die Ertötung der Liebe durch den Buchstabendienst' zum Ausdruck gebracht ist, sondern eine edle Begeisterung für das gesegnete Wert der Reformation und seinen Urheber das Wort führt, die alte Erzählung der Gesta Romanorum von den vier Söhnen eines Königs benußt, welche bei der Entscheidung über den Antritt des Erbes nach der Leiche des Vaters zu schießen beabsichtigen. Rinckart fand sie in A. Hondorffs Promptuarium exemplorum nach einem Bericht des Theatrum vitae humanae, in welchem nur drei Söhne genannt werden. Die drei Brüder macht nun Rinckart zu den Söhnen des Königs Immanuel (Christus), der während ihrer Abwesenheit stirbt. Der älteste, Pseudopetrus (der Papst), hat sich nach Welschland, der zweite, Martin (Luther), nach Eisleben, der dritte, Johannes (Calvin), nach der Schweiz begeben. Wider des Vaters im Testament ausdrücklich ausgesprochenen Willen bemächtigt sich der älteste Sohn der Krone und behandelt die Unterthanen des Reiches mit der größten Grausamkeit, und als ihn Martin wegen seiner Gewaltthätigkeiten zur Rede stellt, wird er abgewiesen.

1) Neudruck von K. Müller, Halle 1883. Das Spiel wurde durch die Gymnasiasten zu Eisleben nach den Hundstagen (post ferias caniculares) 1613 aufgeführt.

Während des Streites der beiden Brüder kommt der dritte aus der Schweiz, versucht eine andere Deutung des Testaments und macht den Vorschlag, daß derjenige der Herr des Reiches sein jolle, der dem Vater am nächsten in das Herz schieße. Pseudopetrus ist damit zufrieden, nicht aber der fromme Martin, der deswegen die heftigsten Schmähungen zu erleiden hat. Während Pseudopetrus und Johannes über Martins Anhänger zu Gericht fizen, erscheint Immanuel; die Wirkung seines Erscheinens ist so groß, daß die Feinde Martins alle tot niederfallen und vom Teufel weggeführt werden. Martin aber wird herrlich belohnt. Seht da, ich hab euch Fried gemacht Und all euer Feind umgebracht. Geht ein mit mir, sie solln fortan

Euch all wol ungeplaget lan.

Und der Ritter Martin schließt mit den Worten:

Amen, nun hat der Krieg ein End,

Wohl dem, dem es Gott also wend.

Troß der Allegorie, in welcher die alte Erzählung der Gesta Romanorum von Rinckart auf den Sieg des Luthertums über Papsttum und Calvinismus gedeutet wird, ist der historische Charakter des Spieles dodurch gewahrt, daß der Verlauf der Reformation vom Dichter an der Hand der geschichtlichen Ereignisse geschildert wird. So wird im ersten Akt der Ablaßhandel gegeißelt; im zweiten bildet Luthers Unterredung mit Cajetan, im dritten sein mannhaftes Auftreten in Worms den Mittelpunkt der Handlung; auch kommen die Händel mit Karlstadt und Emser zur Sprache, sogar der Anschlag des Juden Michael aus Posen auf Luthers Leben und die Anfänge des Bauernkrieges werden mit hineingezogen. Der vierte Akt schildert das Auftreten Calvins, der durch die Phrenophila (die menschliche Vernunft) verführt wird, in der Abendmahlslehre von Luther abzuweichen. Endlich wird der Bund, den Papst und Calvin gegen Luther schließen, durch göttliches Einschreiten aufgelöst und der Sieg Luthers verkündet. Dabei treten alle historisch bedeutenden Männer jener Zeit auf: Kaiser Karl V., der Kardinal Erzbischof Albrecht, der Kurfürst von Sachsen, Cajetan, Staupiß, Ex, Tezel 2c., und Vertumnus vertritt alle möglichen Schwärmer, wie Karlstadt,

Dekolampadius, Münzer, Zwingli. Da dieser Vertumnus auch die Rolle der Leimstängler vertritt, so fehlt es nicht an humori= stischen Scenen. Uebrigens schließen die drei ersten Akte mit Bergreien, von denen der erste aus Melchior Franckes Musica instrumentalis entlehnt, der zweite von Rinckart selbst, der dritte von Seth Calvisius, Kantor an der Thomaskirche zu Leipzig, verfaßt ist.

Zur ersten Säkularfeier der Reformation im Jahre 1617 wurden an verschiedenen Orten Deutschlands Dramen aufgeführt, in welchen Luther und die Reformation gefeiert wurden. Das beste dieser Dramen ist wohl das des Konrektors am Pädagogium zu Stettin Mag. Heinrich Kielmann, das sich von den übrigen nicht nur durch eine formgewandte Sprache, sondern auch durch einen korrekten dramatischen Aufbau auszeichnet. Dabei werden. die historischen Vorgänge des Ablaßkrames dargestellt und fesselnde Bilder der kirchlichen Zustände jener Zeit entrollt. Auch an humoristischen Zügen fehlt es nicht, doch sind sie nicht in dem Maße vorhanden, daß etwa der religiöse Charakter des Ganzen darunter litte. Daß Bugenhagen neben Luther gefeiert wird, findet seinen Grund in lokalen Beziehungen, denn Bugenhagen war der Reformator Pommerns. Kielmanns dem Herzog Philipp II. von Stettin gewidmetes Drama 'Tetzelocramia d. i. eine lustige Komödie von Johann Tezels Ablaßkram, wie Gott der Herr denselben jeho vor hundert Jahren durch sein erwähltes Rüstzeug D. Martinum Lutherum in Kraft des heiligen Evangelii umgestoßen und ausgetrieben, lauter und rein, wider die antichristischen römischen Greuel in Deutschland zu predigen angefangen und weit und breit hat erschallen lassen. Zum Jubeljahr und Freudenfest 1617 Gott zu Ehren und männiglich zum Nuß gemacht' (Stettin 1617) erlebte noch drei Auflagen. Im ersten Akt klagt die Religion über die Verachtung, die ihr allenthalben zu teil wird; sie berichtet über ihre drei Kinder, über den am päpstlichsten Hofe in Rom lebenden Gnathaster, den Fuchsschwänzer, über die in den Klöstern wohnende Hypokrisis (Heuchelei) und über die Veritas, ihre liebe Tochter, die aber nichts gilt. Diese lettere tröstet nun die Mutter: ihr sei ein Mann in Engelsgestalt erschienen, habe sie mit Schild und Schwert ausgerüstet und ihr die Bibel als

den höchsten Hort empfohlen. Mutter und Tochter begeben sich darauf in die Wüste, weil die Welt doch keinen Raum für sie habe. In der dritten Scene erzählt der in Mönchsgestalt auftretende Hof- oder Kirchteufel, wie er alles durch den Papst, seinen lieben Sohn, anrichte, wie er dessen Hof beherrsche und zu Sünde, Schande und Lastern führe. Dem Schahmeister des Erzbischofs von Mainz, der für seinen Herrn Geld zur Bezahlung des Palliums wünscht, rät er die Aussendung von Ablaßbriefen und empfiehlt zur Sammlung der Gaben für St. Peter in Rom, wohin die Hälfte abgegeben werden soll, einen Mann,

Johann Tezel wird er genannt,

In Insbruck ist er wohl bekannt,
Da war er in der Lieb versoffen
Und hat mitn Weib die Ehe gebrochen;

Drum Kaiser Maximilian

Ihn wollt im Sack ersäufen lan,
Wann nicht für ihn Fürst Friederichh
Gebeten het, glaubt sicherlich.

Der ist nun ein fein Mann geworden,
Ein Dominikaner Predigersorden.
In Livland hat er Gewerb gemacht,
Den Kreuzherrn hat er zugebracht

Manch stattlich Summ durch sein Parlieren,
Die Ablaßbrief kann er staffieren 2c.

Im zweiten Akt wird eine große Procession vorgeführt: der Papst kommt mit seinen Kardinälen, Bischöfen, Mönchen, Sakramentshäuslein, Weihwasser; er wird auf einem Stühl getragen und stimmt die Motette an: Unus est dominus deus omnipotens, qui regnat in caelis, sancta Maria. Der erste Lektor fragt: Sage mir, was eins, zwei, drei bis zwölf ist. Die Antwort lautet: Es giebt nur einen Herrn, zwei Gesezestafeln, drei Patriarchen, vier Evangelisten, fünf Bücher Mosis, sechs Wasserkrüge bei der Hochzeit zu Cana in Galiläa, sieben freie Künste, acht Redeteile (wie sie der Donat, das Lehrbuch für den ersten lateinischen Unterricht lehrte), neun Musen, zehn Gebote, elf Apostel, zwölf Jünger des Herrn. Nachdem Gnathaster einige Säße über die Macht und Gewalt des Papstes, die sich über die ganze Welt ausbreitet, verlesen hat, trägt Tezel dem Papste in einer lateinischen Ansprache die Bitte vor, ihm den Verkauf der Ablaßbriefe in

Holstein, Die Reformation.

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