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mal diese beiden Dramengattungen nebst der Tragikomödie, der aus beiden gebildeten Mischform, an dem Schicksal der anmutigen Tochter seines Freundes Melanchthon, der unglücklichen Gattin des ruchlosen Georg Sabinus. Dieser hatte das Jahr 1537 mit seiner Gattin an dem üppigen Hofe des prachtliebenden Kardinals Albrecht in Halle verlebt. 1538 war er wieder in Wittenberg. Am 8. April 1538 schreibt Luther an Justus Jonas: 'Melanchthons Tochter Hanna ist hier mit Mann und Kind. Sie kamen von Halle, weil es dem Manne ein Trost ist, hier zu kommunicieren. Auch diese Tragödie, fange ich nun an zu hoffen, werde ein gutes Ende nehmen und in Zukunft die beste Komödie werden, so daß wir rühmen können, es sei eine Tragikomödie gewesen❜.1)

Wie man auf Luther sah, wenn es sich um die WiederHerstellung der gestörten Ordnung handelte, so galt er auch einmal als der Vermittler eines Streites, der die Aufführung von geistlichen Spielen betraf. Es war in Dessau, wo der Dramatiker Joachim Greff seit 1537 als Schulmeister stand. Greff hatte zum Palmensonntag 1543 die Aufführung eines geistlichen Spieles mit Figuralmusik in Aussicht genommen, aber er war dabei auf den Widerspruch seines Pfarrers gestoßen. Dieser war jedenfalls Severinus Star, seit 1540, wo man ihn dem Johann Freder aus Hamburg vorzog, im Dessauer Amte, zuvor evangelischer Prediger an der Nikolaikirche der Bernburger Neustadt, ehedem katholischer Pfarrer. Unterstüßt wurde Star wohl durch einen der beiden Kapläne oder Diakonen, Johann Brusch, der mit Star gemeinsame Sache machte. Der Streit zwischen Greff und seinen beiden Pfarrherren entbrannte so heftig, daß sich Greff an den Fürsten Georg und an Georg Helt wandte, die ihn beauftragten, die Angelegenheit, die auch eine principielle Bedeutung hatte, durch die Wittenberger Herren zum Austrag bringen zu lassen. Er begab sich also nach Wittenberg und holte von dort fünf Gutachten ein. Die Frage Greffs, um die es sich handelte, lautete: ob es erlaubt sei, heilige Geschichten in Reimen wie Komödien dem christlichen Volke an jedem heiligen oder profanen

1) De W. 5, 105.

Orte zum Anhören oder Anschauen vorzuführen'. Luther ging gern auf Greffs Bitte ein und schrieb in dieser Sache am 5. April 1543 einen Brief an den Fürsten Georg von Anhalt. Er bemerkte darin, daß der Anlaß seines Schreibens die Klage des Schulmeisters zu Dessau sei, daß der Pfarrer und Prediger die Leute bewege und unruhig mache, daß sie Lieder und Gesänge des Palmentages und ander mehr Narrenwerk und Lotterreime schelten. Er trat kräftig ein und meinte, solche Neutralia, wenn sie in unschädlichem Gebrauch und nicht ärgerlich, solle man gehen lassen. Der Fürst möge nicht leiden, daß ein toller Kopf die Neutralia Damnabilia schelte.') Die übrigen vier gutachtlichen Schreiben sind von Melanchthon, Georg Major, Hieronymus Nopus und Paul Eber abgefaßt und sämtlich an Georg Helt in Dessau, den früheren Lehrer des Fürsten Georg, gerichtet. Melanchthon beklagt es in seinem Schreiben vom 5. April tief, daß es jezt, wo Deutschland durch innere Kriege so zerrissen werde und der Antichrist so große Truppenmassen herzuführe, noch Leute gebe, die über ganz unnötige Dinge eiferten. Er meint, daß die Jugend durch die Darstellung der Auferstehung Christi und anderer wahrer Geschichten geübt werde und daß diejenigen zum Schweigen zu bringen seien, die diese Uebungen tadelten, die besser thäten, wenn sie in diesen traurigen Zeiten den Frieden der Kirche suchten.) Als der dritte Schiedsrichter erscheint Georg Major. Er sagt in seinem Briefe an Georg Helt, Joachimus noster' habe seine Ansicht über biblische Schauspiele gefordert, die einige anhaltische Pfarrer gemißbilligt hätten. Es sei allen Menschen anbefohlen, das Wort Gottes zu fördern und auszubreiten auf alle mögliche Weise, nicht nur durch Worte, sondern auch durch Schrift, Gemälde, Schnißwerk, Psalmen, Gesänge, Instrumentalmusik. Durch solche Schauspiele, die doch ernsthaft und mäßig seien, nicht durch Gaukeleien, wie vorzeiten im Papsttum, werde das Wort Gottes gefördert. Dergleichen Schau

1) De W. 5, 553.

Buckhardt 424 verbessert nur das Datum nach dem Original in Deffau. Es sind aber noch folgende Aenderungen zu diese Zeddel hielte bewegten — unruhig machten

machen: zu Dessen

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spiele werden vom Volke angeschaut und bewegen bisweilen mehr als die öffentliche Predigt. Er wisse, daß in Niederdeutschland, wo die Predigt des Evangeliums verboten sei, durch Schauspiele viele mit der evangelischen Lehre bekannt geworden und für sie gewonnen seien. Wenn also dergleichen Schauspiele, die von ernstem und gemäßigtem Charakter sein müßten, in der guten Absicht, die evangelische Wahrheit zu fördern, veranstaltet würden, so seien sie keineswegs zu verdammen.) Hieronymus Nopus, ein ehemaliger Lehrer Greffs in Zwickau, seit 1537 Rektor in Schneeberg, der damals in Wittenberg verweilte, um die theologische Doktorwürde zu erlangen, schrieb an Georg Helt in demselben Sinne wie Luther, indem er die öffentlichen dramatischen Aufführungen empfahl; doch müsse Wahrheit, Ernst, Ehrfurcht und gebührendes Maß darin herrschen, dagegen wunderliche Dichtung, Lüge, Leichtsinn, Possenreißereien und Unehrerbietigkeit fehlen. Dergleichen Schauspiele seien nichts anderes als redende Ceremonien und eine äußere Darstellung der heiligen Geschichten, welche den jugendlichen Gemütern den Gegenstand tiefer einprägen könne, als die einfache Erzählung. Als Ort der Darstellung empfiehlt er Haus, Markt und Kirche.2) Paul Eber endlich, damals Adjunkt der philosophischen Fakultät in Wittenberg, sprach seine Ansicht dahin aus: wenn Würde und Andacht bei der Aufführung geistlicher Spiele in Anwendung kämen,

1) Dieser Brief wird von De Wette 5, 553 fälschlich Luther zuge= schrieben. Er trägt bei De W. keine Unterschrift, wohl aber hat er im Cod. XXXVI der Natsschulbibliothek zu Zwickau, der auch die Briefe von Nopus und Eber enthält, die Unterschrift: Georgius Maior. Joachim Feller, der in seinen Cygni quasimodogeniti, Lips. 1686, diesen (Daumschen) Coder benußte, schreibt die Autorschaft des Briefes ebenfalls dem Georg Major zu. Ein weiteres Zeugnis liefert die Uebereinstimmung der Aufschrift des Briefes 'Clarissimo et doctissimo Viro, Domino Magistro Georgio Helt Forchemio, Domino ac Patrono suo observandissimo' mit der eines anderen in Dessau befindlichen Briefes Majors an Helt von Martini 1541: 'Doctissimo viro domino Magistro Georgio Helt Forchemio, amico et patrono observando suo'.

2) Hieronymus Nopus stammte aus Herzogenaurich bei Erlangen, war von 1519 bis 1536 Lehrer an der Ratsschule zu Zwickau und genoß auch auswärts als Erklärer der griechischen Dichter einen großen Ruf. Er wurde 1537 Rektor in Schneeberg, 1543 Superintendent in Regensburg und starb 1551 auf einer Reise zu Nürnberg.

so sähe er nicht ein, wie dieser so treffliche Versuch, den Unwissenden. die Bekanntschaft mit den heiligen Geschichten leicht zu vermitteln, getadelt werden könne.1)

So sehen wir, wie Luther und seine Freunde in Wittenberg über die Bedeutung des geistlichen Schauspiels dachten. Nur das Passionsspiel schloß Luther aus; im 'Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi' sagt er, es sei besser, daß sich jemand im Leiden Christi übe und die Früchte seines Leidens genieße, denn daß er alle Passion höre: das Leiden Christi solle ein Beispiel sein unseres ganzen Lebens.2) Wenn also das Anschauen des Passionsspieles bis dahin als ein Mittel religiöser Erbauung betrachtet wurde, aber wie Procession und Wallfahrt nur ein äußeres Werk war, so mußte Luther dies Mittel verwerfen. Auch wehrte er den Passionsspielen deshalb, weil sie eine ungesunde, sentimentale Auffassung des Leidens Christi beförderten: man dürfe Christum nicht wie einen unschuldigen Menschen beklagen und beweinen. So bewirkte Luthers Einfluß, daß die Passionsspiele in den Gegenden, in welchen die Reformation Eingang fand, aufhörten, weil man einsah, daß sie zu einer Volksbelustigung herabgesunken waren, bei denen aller heiliger Ernst verloren gegangen war.

Philipp Melanchthon.

Melanchthon hatte schon auf der Schule zu Pforzheim nicht bloß den Terenz kennen gelernt, sondern auch selbst sich an der Aufführung lateinischer Dramen beteiligt. Wir wissen, daß er im Jahre 1508 seinen Verwandten Reuchlin, der zum Besuche seiner Schwester, der Großmutter Melanchthons, nach Pforzheim kam, mit der Aufführung des Reuchlinschen Henno überraschte, den er schnell mit mehreren Mitschülern eingeübt hatte. Sein

1) Paul Eber, geb. 1511 zu Kißingen, studierte seit 1532 in Wittenberg, wurde 1536 Magister, 1537 Adjunkt der philosophischen Fakultät, 1549 Prof. der lateinischen Sprache, 1557 Prof. der Theologie, 1558 Generalsuperintendent und Pfarrer in Wittenberg, starb 10. Dezember 1569. C. H. Sirt, Dr. Paul Eber. Heidelberg 1843 und Ansbach 1857.

2) Werke Erl. Ausg. 11, 151.

Lehrer war damals Georg Simler, der den Henno, eine beliebte Schullektüre, seinen Schülern erklärte und in demselben Jahre selbst eine Ausgabe desselben mit Kommentar veröffentlicht hatte. In der Folge hat Melanchthon, ein begeisterter Freund der klassischen Studien, dieselben stets hoch geschäßt und warm empfohlen. Insbesondere empfahl er das Studium des Terenz. Nachdem er 1514 in Tübingen zum Magister befördert war, las er daselbst über Vergil und Terenz. Von lezterem veranstaltete er 1516 eine Ausgabe, in der die einzelnen Stücke metrisch abgeteilt sind. Die Widmung an Geräander enthält eine Empfehlung des Terenz als eines Lehrers des Lebens und der Rede.1) In dem Vorwort zu seiner Ausgabe von 1525 sagt er, fast kein Buch sei würdiger, in aller Hände zu sein, als Terenz. Er lobt die Angemessenheit des Ausdrucks, namentlich die rhetorische Färbung, und rühmt die sittliche Reinheit des römischen Dichters. Terenz sei im stande das Urteil über die Welt besser auszubilden als die meisten philosophischen Schriften. Er preist die Staaten glücklich, deren Jünglinge, durch die Schule des Terenz gebildet, zu den Staatsämtern gelangten. Bei einer anderen Gelegenheit empfiehlt er das tägliche Auswendiglernen von zehn Versen des Terenz.2). In seiner Privatschule, die er bald nach seiner VerHeiratung 1521 anlegte, aber wegen der Ungunst der Zeit und wegen der Last der Amtsgeschäfte 1529 aufgeben mußte, bildete Terenz den Mittelpunkt des lateinischen Unterrichtes. Melanchthon führte mit seinen Schülern klassische Dramen auf, aber er zog auch die Studierenden hinzu, und die schon erwähnte Einladung Luthers an Spalatin bezog sich ebenfalls auf den Besuch einer solchen dramatischen Aufführung der Studierenden. Die Prologe zu verschiedenen Stücken, die noch erhalten sind, schrieb Melanchthon nicht nur, wie man allgemein anzunehmen scheint,3) für seine schola privata, sondern auch für die dramatischen Auf

1) Corp. Ref. 19, 657.

2) Corp. Ref. 10, 70.

3) Koch, Melanchthons Schola privata. Gotha 1859. S. 32. 56 D. France, Terenz und die lateinische Schulkomödie in Deutschland. Weimar 1877. S. 21.

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