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Die Reichsstädte hoffen vom Kaiser Hilfe. Bürger, Handwerker und Handwerksgesellen klagen:

Der Luther so vermisset sich

Und bricht mir jezt den Feiertag ab,
An denen ich geruhet hab,

Muß ich jest werken früh und spat;
Noch eins er mir genommen hat,
Zu Wittenberg das Frauenhaus,
Die guten Dirnen gejagt daraus.

Voll Unwillens sind der Kriegsmann, der Bauer und der alte Mann. Zulezt beklagt sich Thomas Murner, daß man nicht früher auf seine Warnungen vor Luther gehört habe. Der Verfasser des Spieles nennt sich am Schlusse der an Georg von N., Hauptmann zu N., gerichteten Widmung 'Hans will Keller'. Dieser Name wird auf Johann Cochläus gedeutet. Ohne Zweifel stammt das Spiel aus der Umgebung des Herzogs Georg von Sachsen, der auch 'Martin Luthers Klagred, daß er so gar nit hippen und schänden kann' (1534), eine in Dialogform verfaßte Schmähschrift, angehört, in welcher sich der unbekannte Verfasser bemüht zu beweisen, daß Luther sich dem Teufel ergeben, daß er das Band christlicher Einigkeit zerrissen habe und daß er verdiene lebendig geschunden, gevierteilt und in Del gebraten zu werden.

Zur Charakterisierung späterer jesuitischer Polemik fügen wir an dieser Stelle ein Gedicht des Ingolstadter Mag. Johannes Engerd an, welches Luthers Zunamen in einer geradezu unerhörten Weise verlästert. Der Verfasser, von protestantischen Eltern zu Neustadt an der Orla geboren, um 1570 Lehrer und Erzieher adliger Jünglinge im Dienste des Passauer Bischofs Ulrich von Trennbach, wurde von diesem Kirchenfürsten zum Uebertritt zur katholischen Kirche vermocht. 1572 zum

Dichter gekrönt, erhielt er 1576 die Professur der Poesie an der Universität zu Ingolstadt. Wir lernen das Gedicht aus den Epitheta Engertiana kennen, welche Georg Eberhard aus Neustadt an der Orla 1582 gegen Mag. Johannes Engerd, 'den abtrünnigen Mamelucken und neugebackenen papistischen und jesuwitischen Theologen', verfaßte. Das Gedicht lautet:

Auslegung der Buchstaben des Zunamen Martin Luthers.

Was zeigt der erste Buchstab an?
2. Lotter, Lügner, Lumpenmann,
Leichtfertig, Lauter Lehren Los,
Das sei der erste Titul gros.

Sag, was das U (V) bedeuten soll?
Verbanter, Unflat, Uebels Vol,
Verwüster Unsers Vaterlands,
So ist der andre Buchstab ganz.

Was denn der dritt? brings auch herfür:
T. Treulos, Troßig, Teuflisch Tier,
Tyrannisch, Tückisch, Tugendleer,
Und was sonst sein der Laster mehr.

Sag, was der viert bedeuten muß?
H. Halsstarrig, Häreticus,
Hoffärtig, Hadrisch, Hurisch, Hart,
Das ist der Kezer vierte Art.

Was steckt nun in dem fünften drin?
E. Eitel, Ehrgeiz, Eigensinn,
Eidbrüchig, Ehrlos, Ehrverleyer,
Das ist die fünfte Art der Kezer.

Was ist der Kezer lezte Kron?

R. Radbrecht Rein Religion,

Ruhmsüchtig, Räubr, Rachgierig, Rauch,
Das ist der Kezer sechst Gebrauch.

Von Simon Lemnius' Schmähdrama auf Luther werden wir in einem andern Zusammenhange reden.

In einer sinnreichen Allegorie wird der Verlauf der Reformation in einer 1524 im Saale zu Paris gespielten Komödie geschildert (Eyn Comedia, welche yn dem koniglichen Sall zu Pareyss nach vormelter gestaldt vnd ordenunge gespielt worden' Anno MDXXIIII).) In der Versammlung des Papstes und der kirchlichen Großen tritt Reuchlin, ein alter, ehrbarer, grauer Mann, auf; er mahnt, wo sie nicht die weltliche Pracht der Kirche und der Geistlichen großen Mißbrauch abstellten, so würden sie ohne Zweifel alle verderben. Dann kehrt er mit einem Stöcklein die Asche etlichermaßen hinweg, also daß das

1) Zeitschrift für historische Theologie 1838. 1, 157--169.
olstein, Die Reformation.

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Feuer ein wenig glühend gesehen wird. Darnach tritt Erasmus ein; er wollte diese wichtige Sache Christi mit Ernst nicht angreifen, sondern er rät, die Wunden der Kirche mit auswendigen Pflastern in aller Stille zu heilen, rührt das Feuer nicht und wird von den Kardinälen in großen Ehren gehalten, der künftige Verfechter ihrer Sache. Darauf erscheint Ulrich von Hutten, gewappnet und stählern an Leib und Gemüt; er schilt den Papst einen Antichrist, einen Verwüster und Verderber der ganzen Christenheit, zerstreut die Asche und erweckt mit einem Blasebalge die Hiße des Feuers ganz kräftig, also daß die ganze Versammlung vor großem wunderlichem Schrecken verstummt; er selbst aber in seinem Zorn fällt nieder und bleibt tot, daher die Freude den Schrecken der Versammlung niederdrückt. Endlich kommt einer in einem Narrenkleide, nämlich in einer Mönchskappe, den man den Luther nennt, mit einer großen Bürde Holz auf seiner Achsel wie Isaak, und sagt: 'Ich will dieses Feuer, das ein wenig scheint, also anzünden, daß es der ganzen Welt soll leuchten. Durch euch ist Christi Sache untergegangen, durch mich soll sie vermittelst göttlicher Hilfe wider euren Willen wieder aufgerichtet werden'; ging damit zum Kohlenfeuer und warf das Holz auf die glühenden Kohlen, daß es gewaltig aufflammte und den ganzen Saal, ja die ganze Welt erleuchtete, und stahl sich dieser wunderliche Mönch schnell hinweg. Alsbald trat der Senat der Versammlung, der vor Schrecken schier gar verging, zusammen, um von dieser seltsamen Sache zu ratschlagen. Der Papst erklärte, daß er nicht im stande sei, diese wunderliche Geschichte anders zu deuten, denn daß allein ihre eigene Schande in der ganzen Welt aufgedeckt werde, und bat die Versammlung um Gottes willen, dem drohenden Verderben zuvorzukommen. Da ging zu ein Bettelmönch mit einem großen Bauch und mit geschwollenem Kopf, der erklärte namens des Ordens, daß sie durch die päpstlichen Briefe zu wahrhaften Beschüßern des heiligen Glaubens gemacht und willens seien den beregten Handel zu einem guten Ende zu bringen. Auf Antrag der Versammlung der Kardinäle befiehlt der Papst die Sache den Bettelmönchen, weil diese doch den Johannes Hus zu Kostniß mit ihren füglichen Waffen überwunden hätten und an Harnisch und Feldlager

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gewöhnt seien. Er stellt ihnen zugleich große Belohnungen andere Kutten und höchste Zier, Reiten auf hohen Pferden, Bedeckung mit seidenen Hauben, Begabung mit guten feisten Pfründen in Aussicht. Nun schickte es sich, daß aus dem Wasser, das die Mönche ins Feuer gießen, um es zu löschen, gebrannter Wein wurde, sodaß das angezündete Feuer ganz überhand nahm. Da verließen die Mönche eilig den Saal und der römische Haufe bat den allerheiligsten Vater, dem Gewalt gegeben sei im Himmel und auf Erden, er möge das Element bannen und verfluchen, auf daß es durch seine genommene Kraft nicht noch weiter um sich greife. Doch auch Bann und Fluch sind erfolglos und als der Papst erkannte, daß ihm nicht solche Macht über die Naturelemente gegeben sei, wie die Kirche es lehre, wurde er also vom Zorn bewegt, daß er seinen Geist aufgab.

Der Bericht über dieses Spiel ist nicht urkundlich. Franz I. von Frankreich hatte am 9. Juni 1523 ein Edikt gegen die neugläubigen Kezer erlassen; infolgedessen begann die Zerstörung der protestantischen Gemeinde zu Meaux und die evangelischen Prediger Johann Leclerc und Jakob Pauvent (Pavanes) starben den Märtyrertod. Zwei Jahre später folgte ihnen Wolfgang Schuch, ein Deutscher, der in dem lothringischen Städtchen St. Hippolyte die von der Sorbonne verdammten Lehren Luthers verbreitet hatte. In Nancy wurde er festgenommen und nach einjähriger Gefangenschaft zum Flammentode verurteilt, den er am 19. August 1525 geduldig erlitt.

Es ist nicht wahrscheinlich, daß der französische König zu einer Zeit, wo er als strenger und blutiger Feind der protestan= tischen Lehre auftrat, sich an einem Spiele erfreut habe, in welchem der Sieg dieser von ihm gehaßten und verfolgten Lehre über den alten Glauben und Zustand der Kirche gefeiert werden sollte. Andrerseits wissen wir, daß Theodor Bezas lateinisches Drama vom Opfer Abrahams (Abraham sacrificans), in welchem Satan in der Mönchskutte erscheint und sich des Bösen erfreut, das durch diese in die Welt gekommen ist, vor dem König Franz L. aufgeführt worden ist, und wenn uns am Schlusse des Spieles von 1524 die Worte begegnen: 'Derhalben nach Vollendung

dieses Spieles jedermann zu Gelächter bewegt worden', so ist die Annahme gerechtfertigt, daß wir es mit einer Satire zu thun haben, die auch dem ‘allerchristlichsten' Könige Franz als solche vorgeführt werden konnte.

Allein es ist auffallend, daß ein ähnliches Spiel wie vor Franz I., jedoch als pantomimisches Spiel (comoedia muta) und schärfer zusammengefaßt, vor Kaiser Karl V. und seinem Bruder Ferdinand 1530 durch unbekannte Spieler in Augsburg aufgeführt sein soll. Nachdem die Spieler die Erlaubnis zur Aufführung des Spieles nach aufgehobener Mittagstafel erhalten haben, tritt ein Vermummter in der Kleidung der Doktoren ein; auf seinem Rücken steht der Name Reuchlin; er wirft ein Bündel gerader und krummer Stäbe in die Mitte des Saales und entfernt sich. Ein zweiter folgt als Weltgeistlicher; es ist Erasmus; er bemüht sich die Stäbe in Ordnung zu bringen, indem er die frummen gerade biegen will; als er aber sieht, wie vergeblich sein Bemühen ist, geht er kopfschüttelnd ab. Darauf erscheint ein Mönch als Martin Luther; er zündet die krummen Stäbe mit glühenden Kohlen an und sucht sie in die Asche zu bringen; als er aber sieht, daß sie Feuer gefaßt haben, entfernt er sich. Darnach kommt einer als Kaiser angethan; er schlägt mit dem Schwerte dazwischen, aber anstatt das Feuer zu löschen, schürt er es nur noch mehr an. Endlich kommt Leo X. man erwäge, daß Leo X. am 1. Dezember 1521 starb, er schlägt die Hände über dem Kopfe zusammen und sucht nach Löschmitteln. Er findet zwei Eimer, den einen voll Wasser, den andern voll Del. In seiner Herzensangst greift er nach dem Del und gießt es ins Feuer. Dadurch vergrößert sich die Flamme, sodaß der Papst zur Flucht aus dem Saale genötigt wird. Das war die ganze Komödie, so schließt der um ein Jahrhundert verspätete Bericht des Jesuiten Jakob Masen aus Dalem in seinem Speculum imaginum veritatis occultae' (Colon. 1664), und weiter erschien niemand. Da läßt der Kaiser nach den Schauspielern suchen, aber diese waren zeitig auf Flucht bedacht gewesen, weder um Lohn noch um die Gunst des Kaisers besorgt, nachdem sie diesem den Thatbestand vor Augen gestellt und gezeigt hatten, was der Menschen Umtriebe gegen die Wahrheit vermögen.

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