Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

ziger Disputation (1519), bis wohin er Luthers Freund gewesen war, von diesem ab und wurde einer der erbittertsten Gegner der Reformation. Der humanistisch gerichtete Johann Cochläus (eigentlich Johann Dobeneck von Wendelstein), der einst als geschickter Lehrer an der 'Poetenschule' zu St. Lorenz in Nürnberg sich die Gunst des mit der Visitation der Schule betrauten Wilibald Pirkheimer erworben hatte und von diesem als Studienführer seiner drei Neffen, Johann, Georg und Sebald Geuder, nach Bologna gesandt war, gab auf dem Reichstage zu Worms, wo er sich dem päpstlichen Legaten Aleander zur Verfügung stellte, offen den Bruch mit Luthers Sache zu erkennen, obwohl er noch vor neun Monaten sich als Freund der Humanisten für Luther ausgesprochen hatte. Auch Johann Eck, der Ingolstadter Theolog und Professor, war früher humanistischen Bestrebungen zugewandt gewesen und hatte besonders der in Unwissenheit versunkenen Geistlichkeit das Studium der Wissenschaften empfohlen, so daß ihn Pirkheimer in der Verteidigungsschrift für Reuchlin (30. August 1517) in die Reihe derjenigen stellen konnte, welche nach seiner Meinung den Namen eines Theologen verdienten. Und als Luther am 11. September 1517 an Christoph Scheurl in Nürnberg, der eine freundschaftliche Verbindung zwischen Luther und Eck herzustellen begonnen hatte, seine gegen die scholastische Theologie gerichteten Thesen sandte, stellte er ihm die Mitteilung derselben an den 'geistvollen, gelehrten' Eck, den er 'unsern Eck' nennt, anheim,1); schrieb auch selbst an Eck, wie ein Brief an Scheurl vom 5. März 1518 beweist, und bedauerte dem Sylvius Egranus (Johannes Wildenauer), Prediger in Zwickau, gegenüber (24. März 1518), daß Eck, dessen Gelehrsamkeit er anerkennen müsse, der mit ihm durch die innigste Freundschaft verbunden sei (antea mihi magna recenterque contracta amicitia coniunctus), zu seinen Thesen vom 31. Oktober 1517 gehässige Anmerkungen unter dem Titel 'Obelisken' die zwar nicht im Druck erschienen, aber sonst sehr verbreitet waren abgefaßt habe; er äußerte, wenn er nicht die Gedanken Satans kenne, so würde er sich wundern, mit welcher Leidenschaft dieser Mann

1) De W. 1, 63. Holstein, Die Reformation.

[ocr errors]

12

so frische und angenehme Freundschaftsbande löse, ohne ihn erst zu ermahnen, ihm zu schreiben oder ihm Lebewohl zu sagen. 1) Zwar entschuldigte sich Eck in einem Briefe an Karlstadt damit, daß er seine Schrift nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt und nur auf Anlaß des Bischofs von Eichstätt verfaßt habe; auch Luther hätte lieber im Austausch freundschaftlicher Gesinnung mit ihm verkehrt, aber er konnte es nicht, zumal da die von Eck gegen Ende des Jahres 1518 veröffentlichten, zur Verteidigung gestellten Säße hauptsächlich solche Punkte betrafen, die nicht von Karlstadt, sondern von Luther behauptet waren. Er forderte ihn in einem an Karlstadt gerichteten offenen Schreiben auf, seine Lenden mit dem Schwerte zu umgürten und den Triumphen, deren er sich von Bologna und Wien her rühme, auch einen aus Sachsen hinzuzufügen; er möge das Ungeheuer, das er schon lange gegen ihn nähre und das ihn so belästige, endlich einmal zur Welt bringen und die Uebelkeiten (nauseas), mit denen sein Magen Gefahr laufe, von sich geben und seinen ruhmvollen Drohungen ein Ende machen. 2)

nach der Leipziger Disputation ließ sich von seinen Freunden Seine Reinigungsschrift ‘D. Joh.

Bekanntlich schrieb sich Eck den vollständigen Sieg zu und als Sieger begrüßen und feiern. Eccii Expurgatio' veranlaßte Luther zu einem offenen Sendschreiben (November 1519), in welchem er ihm jede weitere Gemeinschaft aufkündigte: noch immer habe er sich durch den Schein freundschaftlicher Gesinnung, welchen Eck als ein aufrichtiger Freund der Wahrheit noch fortwährend gegen ihn zur Schau getragen, gebunden gefühlt, aber er sei jezt durch die Anklagen und Schmähungen jener Schrift ihm gegenüber frei geworden; er erkenne in Eck den unredlichen Disputator und unwahren Menschen und er bereue sich so viel mit ihm eingelassen zu haben. 3)

Luthers Freunde bewiesen die größte Teilnahme. Lazarus Spengler, der gelehrte Ratsschreiber und Syndikus in Nürnberg,

1) De W. 1, 100.

2) De W. 1, 251.

3) De W. 1, 354.

der schon längst für die neue Lehre gewonnen war, erklärte sich in seiner 'Schußrede und christlichen Antwort eines ehrbaren Liebhabers göttlicher Wahrheit der heiligen Geschrift' (Apologia 1519) für Luther und Wilibald Pirkheimer gab der Verachtung Ecks in einer Satire Ausdruck, welche die ganze Derbheit und Leidenschaft jener Zeit repräsentiert. Sein Eccius dedolatus (“der enteckte Eck'),1) einer der schärfsten und beißendsten Dialoge der Reformationszeit, aber voll dramatischen Lebens und deshalb einem Drama gleichend, dem nur Akt- und Sceneneinteilung fehlt, verseht uns in die Zeit der ersten großen wissenschaftlichen und religiösen Bewegung des sechzehnten Jahrhunderts mit einer Lebendigkeit, wie sie uns in keiner anderen Schrift ähnlicher Gattung entgegentritt. Mit großer Leichtigkeit können wir uns aus dem Dialoge die Akte aufbauen, in denen sich uns die spannendste Handlung zeigt.

Der erste Aft spielt in Ingolstadt. Wir sehen Eck auf dem Krankenlager, von Fieber und einem unlöschbaren Durst gequält. Sein Diener bringt eine Kanne Wein nach der andern. Im Rausche besingt Eck die Fortuna mit den Versen des Seneca im Hercules furens 524 und ruft: 'Freue dich nun, Martinus und Karlstadt und Philippus, der Meister der staubigen Schule, über die Schmerzen, die ich ertragen muß'. Dann fordert er den Diener auf, seine Freunde zu rufen. Während dieser den Befehl ausführt, verfällt Eck in einen tiefen Schlaf, aus dem er nur mit Mühe erweckt wird. Es kommen nur wenig Freunde; die meisten haben Ausflüchte gesucht. Wehe, ruft Eck aus, wie ist das möglich, da ich doch von der Leipziger Disputation ruhmvoller als jemals zurückgekehrt bin? Die Freunde raten ihm nun, sich der Hilfe eines Arztes zu bedienen, damit er von seinen unsäglichen Schmerzen befreit werde. Aber Eck hat kein Vertrauen zu den Aerzten, denn sie haben ihm bisher mehr geschadet, als genüßt. Der Vorschlag der Freunde, einen auswärtigen Arzt zu Rate zu ziehen, zunächst nach Salzburg zu schicken und den Erzbischof Matthäus Lang um einen seiner Aerzte

1) Hutteni opera ed. Böcking 4, 515-543: 'Eccius dedolatus autore Joanne Francisco Cottalambergio poeta laureato.'

anzugehen, wird von Eck zurückgewiesen; denn Paulus Ricius, der Leibarzt des Erzbischofs, hatte mit Ed 1519 einen durch des Ricius Schrift de anima caeli' veranlaßten heftigen litterarischen Streit gehabt. Dann wird Augsburg vorgeschlagen. Hier konnte Eck auf Hilfe rechnen; denn er hatte sich bemüht, die Finanzspekulationen der großen Augsburger Kaufleute, besonders der Fugger, durch Verteidigung des Wuchers zu befördern und hatte, nachdem er an mehreren Orten abgewiesen war, wahrscheinlich mit Unterstützung des 'rex denariorum' Jakob Fugger, im Sommer 1515 zu Bologna in einer öffentlichen Disputation mit dem Dominikanermönch Johannes Faber, dem Beichtvater der Kaiser Maximilian I. und Karl V., den Saß verteidigt, daß es erlaubt sei, für ein Darlehn Zins zu nehmen. Cochläus, der mit den Neffen Pirkheimers in Bologna weilte und mit Eck wegen dieses Sages in Streit geraten war, hatte damals ein Schriftchen 'Die schmutzige Disputation Ecks' nach Nürnberg gesandt, das die feindselige Stimmung gegen Eck noch verschlimmerte; besonders war Pirkheimer, der 1513 eine lateinische Uebersetzung von Plutarchs Schrift 'Ueber die Vermeidung des Wuchers' dem Augsburger Kanonikus Bernhard Adelmann von Adelmannsfelden gewidmet hatte, sehr aufgebracht und schrieb an Eck u. a.: ‘Ich wünschte, daß Du Dich nicht mit einer Sache beschmugt hättest, die nichts als Schande bringt, zumal da es sich bei derselben auch um das Heil der Seele handelt'.

Doch kehren wir zum Dialog zurück. Wenn sich Eck auch der Hilfe der Fugger versichern konnte, so fürchtete er doch, daß die Augsburger Aerzte ihm ein tödliches Mittel reichen würden, um sich damit die Gunst der Canonici indocti zu verschaffen. Damit spielte der Verfasser auf die Schrift Dekolampads Canonicorum indoctorum Lutheranorum responsio' an, deren Herausgabe Adelmann 1519 veranlaßt hatte. Sie war durch Ecks offenen Brief an den Bischof von Meißen hervorgerufen, in welchem dieser gewisse Domherren ungelehrte Lutheraner und Verbreiter der Irrtümer Luthers genannt hatte. Zur Erklärung diene auch ein Brief Adelmanns an Pirkheimer vom 1. Januar 1520, in welchem er eines Gastmahles bei Johann von Schwarzen

berg gedenkt, an dem auch Eck teilnahm. Hier erging sich der durch übermäßigen Genuß von Wein erhißte Eck in so heftigen Schmähungen, daß, wäre nicht der Graf von Helfenstein und der Freiherr von Geroldseck anwesend gewesen, es leicht zu Thätlichkeiten hätte kommen können; Eck spielte auf Spenglers 'Schußrede' an und bedauerte, daß Pirkheimer von Luther nobilis Nurnbergensis genannt sei, er nenne ihn lieber Noricus. Und auf die Frage Adelmanns, warum er die Augsburger Ungelehrte und Heuchler (hypocritas) genannt habe, erwiderte Eck, er habe es gethan, damit man sich davon überzeuge, daß auch er zu schmähen verstehe.

[ocr errors]

Weiter werden im Dialog von Eck die übrigen Mitglieder des Augsburger Humanistenkreises: Konrad Adelmann (Bernhards Bruder), Dekolampadius, der kurz nach Luthers Anwesenheit in Augsburg daselbst Prediger geworden war, und Konrad Peutinger genannt und dazu bemerkt, daß diese ihm lieber Prügel senden würden, als einen geschickten Arzt. Als darauf die Freunde die Nürnberger empfehlen, weist Eck auch diese als Martinianer' zurück: Pirkheimer, Scheurl, den ruhmredigen, anmaßenden utriusque iuris dolorem (statt doctorem), dessen Hochzeitsfeier Eck erst vor kurzem beigewohnt hatte; auch Cochläus, der erst jüngst aus Italien zurückgekehrt war, wird von den Freunden genannt. Endlich wird Leipzig gewählt, wo treffliche dumme oder vielmehr solide Freunde sind (stolidi, solidi inquam). Die in Ecks Dienst stehende Here Canidia (bei Horaz die in den Zauberkünsten erfahrene Giftmischerin) wird gerufen. Sie meint zuerst, Eck habe sie eines hübschen Mädchens wegen gerufen; sie ist bereit, nach Leipzig zu reisen und ein Schreiben an Johannes Rubeus zu überbringen, damit es dieser den versammelten Vätern vorlese. Johannes Rubeus Longopolitanus, ein zu Leipzig studierender Franke, hatte einen Luther feindlichen Bericht über die Leipziger Disputation geschrieben und in diesem den von ihm hochverehrten Eck mit einem Hektor verglichen, der mit mutvoller Brust und furchtlos wie ein Löwe die Burg des kirchlichen Glaubens verteidige. Diese Schrift gab Rubeus nachher in Reimen heraus: 'Neu Büchlein von der löblichen Disputation',

« ZurückWeiter »