Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

gebracht haben, daß das Ansehen der Geistlichkeit überall abnehme, daß man den Bettelmönchen weder Almosen noch Kirchenopfer gebe. Laute Klage erhebt der junge Mönch über seinen Stand: Der Teufel habe ihn in die Kutte gesteckt, die er doch mit Fug nicht ablegen könne, ohne die Ordensregel zu verleßen. Aus dem armen und elenden Volke ertönt die Klage über den Untergang der Lehre Christi und der christlichen Nächstenliebe und später flagen die Bauern über den Betrug des Samsonschen Ablaßhandels. Als der Papst mit Hohn die Bitte eines rhodischen Ritters um Hilfe abweist, ruft dieser die Rache des Himmels auf die römischen Bluthunde herab, deren frevelhaftes Wirken bald ein Ende haben werde. Der Prädikant Doktor Lupolt (es ist auf den der Reformation zugewandten Berchtold Haller gedeutet) erklärt, der Papst sei nicht wert der geringste Sauhirt zu sein. Zulegt treten Petrus und Paulus auf, die den Papst längst aus dem Hintergrunde verwundert beobachtet haben, und wenden sich entsetzt ab, als sie die Reihe seiner Frevelthaten erfahren haben: Gott werde die Schmach nicht ungerächt lassen. Der Papst bricht auf zum Rat, um neue Kriege und neuen Ablaß zu beschließen, und segnet das Beifall jauchzende Kriegsvolk. Nur der Prädikant bleibt, er bittet für alles Volk bessere Erkenntnis und kündigt das Herannahen des Wahrheitstages an.

Acht Tage nach diesem Spiele versammelte sich die schaulustige Menge abermals in der Kreuzgasse, um den 'Gegensaß des Papstes und Christi' zu sehen. Auf der einen Seite war Christus mit der Dornenkrone auf dem Haupte, auf einer Eselin reitend, gefolgt von seinen Jüngern und einer Schar von Armen, Blinden, Lahmen und mancherlei Bresthaftigen; auf der andern Seite reitet der Papst in Harnisch und mit großem Kriegszeug. Zwei Bauern sehen dem Auftritt verwundert zu, erklären dann den Zug und die auftretenden Personen, fluchen dem Bann und dem Ablaß und trösten sich mit der Aussicht auf das himmlische Freuden= mahl. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieses Spiel Manuels seinen Ursprung einer bildlichen Darstellung verdankt, die in der Reformationszeit als beliebter Holzschnitt verbreitet war. Vielleicht war es das bekannte Passional Christi und Antichristi von Lukas Cranach (1521), zu dem Luther die Sprüche lieferte. Die Feder

zeichnungen Manuels zu seinem Spiele befinden sich in der Kupferstichsammlung der Erlanger Universität.

Beide Spiele sind nur Fastnachtaufzüge. ohne Handlung, mit mangelhaften Reimen und mangelhaftem Versbau, aber lebendig, äußerst wißig und beißend; beide haben zur Verbreitung der Reformation in Bern beigetragen, wie wir aus dem Berichte des Schweizer Chronisten Valerius Anshelm zum Jahre 15221) ersehen. Nachdem derselbe den Titel der beiden 'durch den künstlichen Maler Niklausen Manuel gedichteten' Spiele angegeben, fährt er fort: 'Durch die wunderliche und vor nie (als gotteslästerlich) gedachte Anschauungen ward ein groß Volk bewegt, christliche Freiheit und päpstliche Knechtschaft zu bedenken und zu unterscheiden. Es ist auch in dem evangelischen Handel kaum ein Büchlein so dick [oft] gedruckt und so weit gebracht worden als dieser Spielen'.

Manuel verfaßte noch zwei Spiele: 'Der Ablaßkrämer' (1525) und das 'Barbali' (1526), mit welchen er in reformatorischem Sinne weiter wirkte. Als am 7. Februar 1528 in Bern Messen und Bilder durch das infolge der Berner Disputation veranlaßte Reformationsmandat beseitigt wurden, erschien Manuels prosaischer Dialog Krankheit und Testament der Messe', eine scharfe Satire auf die katholischen Messen, welche in der Zeit der Reformation ihr früheres Ansehen verloren haben, darüber krank geworden und dem Tode nahe gebracht sind. Papst und Kardinal beklagen dies und man sucht sie nun durch allerlei Mittel, endlich durch ein Bad wieder ins Leben und zu Kräften zu bringen, aber alle angewandte Mühe ist umsonst. Dieser Dialog erfuhr schon 1529 eine niederdeutsche Bearbeitung, woraus zu schließen ist, eine wie große Aufnahme derselbe gefunden hat.

Aus den ersten Jahren der Reformation stammen noch zwei in Akte zerlegte Dramen: 'Ein frischer Combißt' und 'Der neue deutsche Bileamsesel', die uns nur in einer Cammerlanderschen Bearbeitung (in der Zeit von 1540-1546 druckte in Straßburg Mag. Jakob Cammerlander aus Met ältere umgearbeitete Schriften) erhalten sind. In dem ersten soll geschildert werden,

1) Val. Anshelm, Berner Chronik von Anfang der Stadt Bern bis 1526. 6, 107.

wie der Papst einen Zug gegen die lutherische Keßerei zu unternehmen versucht, aber keinen Beistand findet; in dem zweiten, wie Germania durch arge List und Zauberei zur Papsteselin umgewandelt worden, jezt aber, nachdem sie von dem aus dem weißen Berge (Wittenberg) fließenden Wasser getrunken, durch Gottes Gnade schier wieder zu ihrem rechten Aufsizer gekommen ist.

So hat uns Gott nun auch erhört
Und wieder auf den weg gekert
Zu trincken auß dem Weißen Berg:

Nu horchent zu dem wunderwerk 2c.

Der Kern dieses Spieles liegt in dem Kampf gegen den Ablaßkram, der in einer Scene so gut geschildert ist, daß der Verfasser schon dieses einzigen Auftrittes wegen unbedingtes Lob verdient. Beide Dramen gehören nach der Schweiz und sind wahrscheinlich in ihrer ersten Gestalt auf die Autorschaft des Pamphilus Gengenbach zurückzuführen.

So weisen uns die Anfänge des deutschen Dramas nach der Schweiz. Aber noch ehe Manuel mit seinen Spielen hervortrat, war an allen Orten, wohin die Kunde von Luthers entschiedenem Auftreten gegen die kirchlichen Zustände der Zeit gedrungen war, eine neue Litteratur der Flugschriften entstanden, in welcher sich jene Bewegung abspiegelt, die Not Deutschlands und seine sittliche, religiöse und sociale Knechtschaft geschildert und mit kraftvoller Energie die Sehnsucht nach Verbesserung der Zustände auf Grund der sittlich-religiösen Wahrheit des Evangeliums Christi und des nationalen Lebens ausgesprochen') wird. Die Satire tritt in einer Unmasse von Dialogen auf, in welchen gleich zu Anfang der reformatorischen Bewegung die Anhänger der alten Kirche den Freunden Luthers gegenübergestellt werden. 2) Einer der heftigsten Gegner Luthers, der unstete Thomas Murner, der noch 1520 Luthers lateinische Schrift Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche' ins Deutsche übersetzt hatte, wählte die Form der Reimpare, um in seinem großen Lutherischen Narren', einem satirischen Gedichte, das Hans Grieninger in Straßburg 1522

1) A. Bauer, Deutschland in den Jahren 1515-1525. Ulm 1872. S. 54. 2) C. Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit. Bd. 1-3. Hann. 1856–1858.

druckte und das der Straßburger Rat verbrennen ließ, besonders diejenigen Schriften zu bekämpfen, welche zur Verteidigung des Reformators verfaßt waren, wie den 'Karsthans', Johann Eberlins fünfzehn Bundesgenossen' u. a. Aber der Großsprecher mit vielem Wissen und Können' erntete statt der erhofften Anerkennung nur Haß und Erbitterung und mußte es erleben, daß er von dem protestantischen Pfarrer Uz Eckstein zu Uster im Kanton Zürich in seinen dramatisch gehaltenen Gesprächen vom 'Konzilium (1526) und vom Reichstag; der Edlen und Bauern Bericht und Klag' (1527) neben Eck, Faber u. a. arg verhöhnt wurde. allgemein polemischem Charakter ist des Berner Hans von Rüte Fastnachtspiel 'Von Ursprung, Haltung und Ende beider, heidnischer und bäpstlicher Abgöttereyen', das 1532 zu Bern durch die jungen Bürger gehalten' wurde. Hans von Rüte, den wir schon als Verfasser mehrerer biblische Dramen kennen gelernt haben, zeigt in diesem Spiele eine große Abhängigkeit von Niklaus Manuel.

Von

Die Dramen der ersten Zeit sind meist nur dialogisch geformte Erzeugnisse, in denen die Handlung und Entwickelung der Charaktere entweder nur ungenügend hervortritt oder gänzlich vermißt wird. Einige können kaum auf den Namen eines Dramas Anspruch machen, da in jeder Scene nur eine Person auftritt. Dahin gehört u. a. das ‘Kögelspiel, gebractiziert auß dem yeczigen zwytracht des glaubens' (1522), in welchem Luther, ‘aller fegler mutter', das Spiel beginnt; ihm folgen Hutten, Erasmus, Melanchthon, Meister Leuw, Cunrat, ein Kreuzherr, Meister Bastian und Meister Zwingli. Zuschauer sind der Papst, der Kaiser, Bischof, Eidgenossen und der Schultheiß von Obereßlingen. Der Titel giebt schon die Deutung: Die Kugel ist die heilige Schrift, das Ziel der Glaube, der Plaß das Jammerthal, die Kegel sind die armen, schlichten, einfältigen Laien, die Abenteuer ist das ewige Leben, die Dreier sind die heiligen Lehrer: Paulus, die vier Evangelisten und die zwölf Boten. Luther sagt:

Diese abenteur ist uns lang hie verhalten,
Wie ich dann hab unter den alten
Des evangeliums bücher funden
Schier zerrissen von den hunden.
Zu der selbigen abenteur das zil
Ich heh ganz krum machen wil.

Aller kegler mutter bin ich genant,

Wie dann mein geselln mich lang hond [haben] erkant.

Alle krumm kan ich wol erdenken,

Hinder stülen und hinder benken.

Und krad kan ich werfen zu der quest,

Es dünkt mich jezt das allerbest.

Wir jungen wend das zil verrucken,

Die alten mügent sich nit seer bucken;

Ir glider seind in [ihnen] ungleichsam worden,
Besunder der vier bettlersorden,

Das preyormuß hat sie verderbt

Und in einer es von den andern ererbt.

Das Spiel findet nun statt, aber der Ausgang ist ungleich.

Darum schließt es:

Disses spil ist also bereit
Niemants zu lieb noch zu leid,
Also in unverdachtem mut
Ein jetlicher sein selbes hut,
Habe und sech sich eben für,
Glück und unglück vor der thür
Wartet auf uns in beiden stett,
Dem welcher nur das glück het,
Woraus die gottes kraft genent,
Der wird nimmer meer geschent.
Ein partei jezt hat erhebt sich,
Wers nun gewinne, wundert mich,
Die abenteuer auf diesem plan.
Dis spil solt ir also verstan:
Die kegler zu eim teil ich find
Alle die da lutherisch sind,
Zum andern teil voraus und vorab

Die nit lutherisch seind, gezelt hab.

Die Heimat dieses an sich harmlosen Spieles ist Süddeutschland, wahrscheinlich Straßburg; es beweist dies der Dialekt. Der Verfasser ist unbekannt.

Daß sich die Erbitterung gegen diejenigen Theologen richtete, die sich bis vor kurzem zu Luther bekannt oder wenigstens ihm gegenüber sich nicht feindlich gezeigt hatten, war sehr natürlich. Hieronymus Emser, der sich sogar rühmte, Luther unter seinen Zuhörern in Erfurt gehabt zu haben, wandte sich seit der Leip

« ZurückWeiter »