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Sympathie verteidigte sich Macropedius elf Jahre nach dem eisten Druck seines Dramas (1539) in der aus Utrecht 1550 datierten Vorrede zu einer Utrechter Ausgabe von 1552, indem er erklärte, er habe nur zeigen wollen, wie ein Mensch, der nach einem verbrecherischen und ruchlosen Leben von plözlicher Todesfurcht überfallen werde und zu kanonischer Buße weder Zeit noch Gelegenheit habe, zu behandeln sei. Einem solchen Menschen sei in der Stunde des Todes weder Züchtigung des Fleisches noch ein anderes Werk der Buße, sondern Sinnesänderung, Verabscheuung der Sünde und ein inniger Glaube an den für uns gestorbenen Heiland vorzuschreiben. Der gesunde Mensch dagegen bedürfe, wenn er nach einem lasterhaften Leben zur Erkenntnis seiner Sünden gelange, nicht bloß der Zerknirschung des Herzens (contritio cordis) und der Verabscheuung der Sünde, sondern auch des Sakraments der Beichte, der priesterlichen Absolution, des Fastens, der Kreuzigung des Fleisches, der Almosen und anderer Buß- und Liebeswerke. Zulegt sagt er als guter Katholik, er halte es für ein Verbrechen, von der Einheit der katholischen Kirche und der Orthodoxie abzuweichen.

Der Hekastus des Macropedius wurde öfter aufgeführt: 1550 in Nürnberg, 1566 durch die Studenten in Basel zu Ehren des neuen Rektors Dr. Basilius Amerbach, 1569 24. Februar in Annaberg; in deutscher Bearbeitung 1549 in Nürnberg, 1569 28. Februar in Annaberg. Hans Sachs beendete am 6. September 1549 eine deutsche Ueberseßung; er nannte sie eine ‘Komödie vom reichen sterbenden Menschen, Hekastus genannt'. Eine mit Hans Sachs' Arbeit fast ganz übereinstimmende Uebertragung lieferte Laurentius Rappolt in Nürnberg. Dann folgten noch drei Uebersegungen, eine von Heinrich Peter Rebenstock (Franks. 1568), demselben, der 1571 Luthers Colloquia, meditationes, consolationes, consilia, iudicia, narrationes, responsa, facetiae in zwei Bänden zu Frankfurt herausgab.

Der dem Homulus und Hekastus zu Grunde liegende Gedanke, daß der plöglich vom Tode gerührte Sünder sich zur Buße bekehre, findet sich nun noch in einer Reihe von Dramen des sechzehnten Jahrhunders ausgeführt. Zunächst in dem Spiele des Basler Lehrmeisters Johann Kolroß 'Von fünfferley Betrachtnussen', das

1532 zu Basel aufgeführt und gedruckt wurde. Die Summe des Spieles wird auf dem Titel so angegeben:

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Den tod Christi, das sterben dyn,
Den betrug der welt, der helle pyn,
Des hymels frewd, glori und eer,
Betracht allzeyt, so fundtst nit mer.

Dieses Spiel, das dadurch bedeutungsvoll ist, daß der Verfasser den allerdings sehr zweifelhaften Versuch macht, die sapphische Strophe einzuführen, scheint Leonhard Culmann für sein schon erwähntes christenlich Teutsches Spil, wie ein Sünder zur Buß befärt wird, von der sündt Gesez und Evangelion' benußt zu haben. Culmann, zu Krailsheim im Ansbachschen 1498 geboren, studierte in Erfurt und Leipzig, erhielt 1522 die Rektorstelle an der Schule des neuen Spitals in Nürnberg und wurde bald ein begeisterter Anhänger der Reformation. 1549 erhielt er das Predigtamt zu St. Sebald. Es ist möglich, daß Culmanns Ansichten über Buße und Rechtfertigung auf Widerspruch gestoßen waren und die Verteidigung derselben der Anlaß zu seinem Trama wurde. Unverkennbar ist der Zweck ein rein didaktischer: er wollte 'eine Warnung und Vermanung der sicheren Welt, ob damit etlichen zur Besserung gedient möcht werden', geben. Der am Schluß des Spieles abgedruckte Brief des Dr. Wenceslaus Link an den Pfarrer Petrus Pithonius in Windsheim vom 13. März 1539 nimmt zwar nicht direkt Bezug auf Culmanns Spiel, ist aber für die Beurteilung der Dramatik der Reformationszeit wichtig, die nach damaliger Anschauung eine Ergänzung des kirchlichen Lebens war. Link sagt, da ein großer Teil der Menschen die heilsame Lehre nicht leiden, geschweige denn aufnehmen wolle, sondern nach ihren eigenen Lüsten ihre eigenen Lehren aufladen, nachdem ihnen die Ohren jücken, die Ohren von der Wahrheit wenden und sich zu den Fabeln kehren, so müsse man jezt Gottes Wort und Lehren guter Sitten der tollen Welt und ungezogenen. Jugend mit Predigen, Gesängen, Reimen, Liedern, Sprüchen, Spielen der Komödien, Tragödien 2c. vortragen, ob vielleicht die das Predigen nicht hören, noch sonst Zucht leiden wollen, durch Spiel oder Gesänge möchten erworben werden. Culmann selbst hatte in der Widmung seines Spieles an seinen Freund Jörg

Vogler, Bürger zu Windsheim, seine Freude darüber bezeugt, daß dieser Lust habe zu solchen Gedichten, in welchen Gottes Wort gehandelt und auch der Welt ihr Thun und Lassen gleichsam in einem Spiegel fürgetragen und Gottes Urteil über ihr Thun und Lassen sichtbar vor die Augen gestellt werde. Eigentümlich ist in seinem Spiel das Auftreten des Moses, der dem Sünder die zehn. Gebote vorhält und von Tod und Sünde den Nachweis erhält, daß jener während seines ganzen Lebens das Gesez übertreten habe. Als ihn nun der Priester auf Christi Erlösungstod und Gottes Barmherzigkeit hinweist, bereut er sein bisheriges fündhaftes Leben und verspricht von nun an fromm und tugendhaft sein zu wollen. Seine Vormünder (Tutor und Kurator) genehmigen zuletzt seine Verheiratung mit einer Bürgerstochter; der Priester segnet alsbald den ehelichen Bund ein.

Der allegorische Stoff des Hekastus wurde ein Lieblingsthema der lutherischen Theologen. Der Altenburger Superintendent Alexius Bresnicer aus Kottbus verfaßte 1553 eine Komödie vom geistlichen Kampf und christlicher Ritterschaft, um darin zu zeigen, 'wie die Christen aus Wahrheit der Schrift sich legen müssen wider Hölle, Tod, Teufel, Sünde und Gesetz'. Der darin auftretende Ritter Christianus kämpft gegen seine Feinde und siegt durch den Glauben und die Schrift. Bresnicer folgte der Schulmeister zu Roth an der Redniß Johannes Heros, welcher in seiner Tragödie 'Der irdische Pilger' (Nürnb. 1562) die Unsicherheit des menschlichen Lebens 'artlich' abmalen wollte. Sein Held ist Aegisthus, der Sohn des Königs Thyestes von Griechenland und der Königin Pelopeia, der sich, nachdem er, durch Frau Venus verführt, alle Freuden des Lebens genossen hat, voll Verzweiflung in sein Schwert stürzen will, dann vom Engel zurückgehalten, von Gott zwar Verzeihung erlangt, aber wieder zu den Freuden der Venus zurückkehrt und nun, vom Boten des Todes geschossen, stirbt. Seine Seele wird von den Teufeln in Nobishaus, 'da man auf Sims die Aepfel brät', geschleppt ein schreckliches Beispiel, meint der Verfasser, wohin der Müßiggang führt. Stärker als in Heros' Tragödie tritt der evangelische Gedanke in Dedekinds geistlichem Spiele hervor. Der Pastor zu St. Michael in Lüneburg Friedrich Dedekind aus Neustadt am Rübenberge, ein Schüler

von Wittenberg 1), berühmt als Verfasser des Grobianus de morum simplicitate (1549), baute seinen 'Christlichen Ritter' (Uelzen 1576, dann 1590), der 1604 durch den Rektor an der St. Katharinenschule zu Braunschweig Johannes Bechmann eine neue, durch Zusäße erweiterte Bearbeitung erfuhr, auf die Mahnung des Apostels Paulus Ephef. 6, 10-20, auf Grund deren der Ritter mit dem Helme des Heiles, dem Krebs der Gerechtigkeit, dem Schild des Glaubens, den Stiefeln des Friedensevangeliums und dem Schwerte des göttlichen Wortes ausgerüstet wird. So besteht er den Kampf gegen den listigen, gewaltsamen und grausamen Feind, den Fürsten dieser Welt. Gewiß hatte sich Dedekind, dessen Spiel nach einem wohldurchdachten Plane gearbeitet ist, ein schönes Thema gewählt, aber die dramatische Gestaltung ist doch nur dürftig und die erbauliche Tendenz steht zu sehr im Vordergrund, obwohl der Verfasser 'die Affection, die Aenderung des Gemütes, und was sich in geistlichen Anfechtungen sonsten gemeiniglich zuträgt', auszudrücken vorhatte.

Von den die Idee des Hekastus behandelnden Dramen ist eins der bedeutenderen, 'Der düdesche Schlömer' des Johannes Stricker, Pfarrers zu Grobe in Holstein (1584), wegen der hervorragenden Stellung zu nennen, die es in der Geschichte des niederdeutschen Schauspiels einnimmt. Der Verfasser widmete dasselbe dem Bischof zu Lübeck und Verden, Eberhard von Holle, der die Reformation in seinen beiden Stiftern vollendete. Der redliche Pfarrer wollte in seinem geistlichen Spiele 'alle Gades vergetene, wilde, röckelose und sekere Minschen affmalen, warnen und tho warer Bothe vormanen, up dat se mit dissem Schlömer bekeret und salich werden möchten'. Er nennt sein Spiel in der Widmung eine Bußpredigt, die er kraft seines Amtes der christlichen Gemeinde zu halten habe, und es sei die Pflicht der Prediger, das Wort Gottes den Menschen einzuschärfen, sei es auf der Kanzel, sei es in einem geistlichen Spiele. 2)

Als einen Ausläufer der auf Everyman zurückgehenden

1) Fridericus Dedekindus Neostadianus Saxo' Alb. 247 zum 3. Juni 1549.

2) Stricker war aus Grobe gebürtig und wurde 1560 in Wittenberg immatrikuliert, 1561 daselbst ordiniert.

Reihe darf Clemens Stephanis aus Buchau 'Geistliche Action, wie man des Teufels Listen und Eingeben, fürnemlich in Sterbens Stund und Zeiten entfliehen soll' (Nürnb. 1568) und des Schulmeisters zu Neustadt an der Aisch Petrus Meckel aus Pfeddersheim Gespräch, darin der Satan Ankläger des ganzen menschlichen Geschlechts, Gott der Vater der Richter, Christus der Mittler und Vorsprech ist' (Nürnb. 1571)1), betrachtet werden. Der Kampf um den Menschen ist als Kampf gegen das Gottesreich aufgefaßt und tritt in der Form eines Rechtsstreites um das Eigentum am Menschen auf. Meckel benußte zu seinem in ernstem. und gemessenem Ton gehaltenen Gespräch', das er weniger zur Aufführung als zum Lesen dichtete, des Bartolus a Saxoferrato Processus ioco-seriosus. Seine Dichtung wurde unter verändertem Titel 1606 und noch 1640 nachgedruckt. Die beiden allegorischen von 37 Komödien bekannten Dramen des Schusters und Elfämterboten Rudolf Bellinkhaus zu Osnabrück Strategema diabolicum und Donatus (1615), die von Georg Christoph Lichtenberg1) lächerlich gemacht sind, behandeln zwei verschiedene Gebiete. Im ersten zeugt der Teufel mit der Welt sieben Töchter, von denen er sechs an die verschiedenen Stände (Adel, Kaufmann, Landmann, Handwerker, Mörder, Geistlichkeit) verheiratet; die fiebente, Scortatio, behält er daheim. Donatus hält seinen Kindern einen Magister, der sich mit der Köchin Musa einläßt, von Scamnum verraten und darauf vom Priester Felix mit Musa kopuliert wird; als Hochzeitsgäste werden die Kasus geladen.

Achtes Kapitel.

Das kirchlich-polemische Drama und das protestantische Tendenzdrama.

Die bestehenden Zustände in Staat und Kirche hatten schon lange vor Luthers mannhaftem Auftreten eine Mißstimmung

4) Neudruck von Tittmann, Schauspiele des 16. Jahrh. Leipzig 1868. 1, 247-286.

2) Deutsches Museum 1779. 2, 145–156.

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