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dem hellen Tage aus der Finsternis, darin so lange verdunkelt gelegen ist unser Heil, das heilige Evangelium'. Und niemand zuwider, sondern zur Förderung des Evangeliums und unseres Heiles hat der echt protestantische Dichter sein Drama geschrieben, wenn auch viele 'sich ob dieser Tragödi rümpfen' werden. 'Wolan, die Welt ist Welt und bleibt Welt.'

Das Evangelium des 27. Sonntags nach Trin. von den klugen und thörichten Jungfrauen, das der ebengenannte Seiß für sein Drama bereits benußte, hat zwei lateinische Bearbeiter gefunden: Hieronymus Ziegler (Decem virgines 1555) und Christoph Brockhagen aus Beverungen in Westfalen (Nymphocomus 1595). Der lettere, Student in Rostock, erscheint als ein gewandter Dramatiker, der im Dienste des lutherischen Protestantismus schrieb und ein religiöses Tendenzdrama schuf, das den besten an die Seite gesezt werden kann. Die Heldin des Stückes, das Haupt der thörichten Jungfrauen, ist Babylonia, die römische Kirche, das Papsttum; ihr Liebhaber, der allerchristlichste König, sendet ihr das Haupt eines ermordeten feindlichen Fürsten; Deutschland schwimmt im Blute, Frankreich liegt ertränkt, und alle diese Opfer fallen nur für Babylonia. Eine ihrer Schwestern, Hypsiphile, repräsentiert die protestantischen Sekten des sechzehnten Jahrhunderts, Wiedertäufer, Antitrinitarier' 2c.')

Das Gleichnis vom verlornen Schaf (Evangelium des 3. Sonntags nach Trin.) behandelte Jakob Zovitius (Ovis perdita 1539); da aber Jakob Schöppers Geschmacksbildung daran Anstoß nahm, daß Christus handelnd auftrat, so ließ der Dortmunder Presbyter unter demselben Titel 1553 eine Umarbeitung folgen; das Stück wurde dann durch Schüler, die in seinem Hause lebten und unter seiner Privatleitung standen, aufgeführt und dann gedruckt.

Das Evangelium des 21. Sonntags nach Trin. von des Königischen Sohn zu Capernaum bearbeiteten Matthäus Scharschmid in Zeit (1589) und Johannes Bertesius (1606, S. 97). Der lettere

1) Scherer in Wagners Archiv für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung 1873, 1–12. Allg. Deutsche Biogr. 3, 337.

schrieb auch ein Drama vom Schalksknecht (Evangelium des 22. Sonntags nach Trin.), wie es schon Johann Bischoff (Episcopius), der Uebersezer des Terenz, vor ihm gethan hatte (Frankf. 1568). Das Evangelium des 26. Sonntags nach Trin. vom jüngsten Gericht behandelten Philipp Agricola aus Eisleben, der Sohn des bekannten Johann Agricola, in einem zu Ehren des regierenden Bürgermeisters Christoph Röche zu Berlin verfaßten Drama (Frankf. a. D. 1573), und Wolfgang Schmelzl in Verbindung mit der 'Aussendung der Zwelspoten und der Frage des reichen Jünglings von wegen des Geseßes' (1542 in Wien aufgeführt und gedruckt). Das Gleichnis vom König, der seinem Sohne Hochzeit machte, wurde lateinisch von Hieronymus Ziegler (Regales nuptiae, August. 1553), deutsch von dem Kaplan Johann Rasser (Basel 1575) dramatisiert. Das leßtgenannte Drama war im Herbstmonat 1574 von den jungen Knaben zu Ensisheim aufgeführt worden. Die Geschichte des Blindgebornen (Joh. 9) dramatisierten Wolfgang Schmelzl (Wien 1543) und Peter Propst in Nürnberg (1553 handschriftlich in Dresden). Noch einmal erscheint Joachim Greff mit einer Aktion auf das 18. und 19. Kapitel des Lukas, 'allen bußfertigen Sündern tröstlich, aber den verstockten Gottes und des Evangelii Feinden schrecklich zu lesen' (Zwickau 1546). Das der 'wolerbauten, ehrlichen und weitberümpten Kauffstadt Leipzig' gewidmete Drama kann als ein protestantisches Tendenzstück bezeichnet werden. Die Reformation sei in Leipzig eingeführt, sagt er in der Widmung, die Wechsler, die Christus aus dem Tempel treibt, seien das Papsttum, das Leipzig entfernt habe, und die Stadt besize jezt manchen frommen, bekehrten und christlichen Zachäus. Noch schärfer tritt Greff in dem 'Unterricht an die Actores' auf: die Wechsler seien als Kurtisanen, Antoni Pfaffen, St. Valtins Boten, Münch und Nonnen darzustellen. Oder man könne auch das ganze geistliche Geschwirre, Papst, Kardinäle, Bischöfe mit allem beschornen Hofgesinde an die Stelle der Verkäufer und Wechsler sezen, da dann der eine einen Sprengkessel, der andere ein Rauchfaß, der dritte etwas anderes in Händen haben soll, alles solch Instrument, wie es zu ihrem Handwerk, zu ihrem Bapsttum und Gößendienst dient und gehört. Den Anlaß zu einer solchen Charakteristik der 'Bebstler' habe ihm der

Verfasser der Aktion vom zutrenten Concilio' gegeben, in welcher sie vom Engel Gabriel über Hals und Kopf gleicherweise vom Himmel weggetrieben werden. Er bemerkt ferner, die gottlosen Baalspfaffen seien nicht zu bekehren, und rügt den jüngst gemachten Versuch der Erneuerung des Ablaßhandels in Löwen. Dem an sich schwachen und in der Hauptsache nicht ausgeführten Stücke folgt ein kurz Summarium des 11. Kap. Joh. von der Auferstehung Lazari, gleich als ein Lied verfasset', das wie andere geistliche und christliche Lieder und Historien einem Christen, namentlich Frauen und Jungfrauen, empfehlenswerter seien, als die weltlichen Lieder von Dietrich von Bern, vom alten Hildebrand, von Herzog Ernst oder vom Ritter aus der Steiermark.

Dieser 'Zachäus' war das leßte in der Reihe von Dramen, mit welchen Greff die dramatische Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts bereichert hat. Wir werden ihm noch einmal in einem späteren Abschnitt begegnen. Aber nun war seine Produktionskraft erschöpft. Außerdem mochte ihn wohl sein mit dem Pfarrer an U. L. Fr. Severinus Star zu Ostern 1543 wegen der geistlichen Spiele in der Kirche geführter Streit etwas zaghaft gemacht haben; Stars Nachfolger, Aegidius Faber, der zu Michaelis 1543 sein Amt antrat, mußte Greff wegen seiner nachlässigen Amtsführung tadeln, und wir vernehmen es nur mit Unwillen, wenn er in einem undatierten Berichte an den Fürsten Georg von Anhalt sagt: 'Auch will ich Euer Gnaden nicht bergen, das fast dy ganze Gemeine auf den Schulmeister klaget, wie er yhre Kinder, so ihm zu treuer Unterweisung befohlen, so jämmerlichen versäumet, und wie ich höre, sy müssen yre Kinder von Dessau anderswohin schicken mit ihrem großen Schaden, die armen Leute; sie gedenken auch Euer Gnaden einträchtig bittlich anzufallen, umb einen andern Schulmeister zu verschaffen, weil dieser so hartsinnig und eigenköpfig ist. Ich habe ihn sonst etliche mal vermanet, seinen Vleiß mit den Knaben in der Schule anzuwenden, aber in die Schule bin ich noch nicht kommen, damit ich ihm nicht verdächtig wäre, als wollt ich ihn vertreiben, denn ich kenne etlichermaßen seinen Argwohn wol; wenn aber eine ganze Gemeine von einem abfällt, ists nicht möglich, das er etwas Gutes schaffen mag; solches will ich auf Euer Fürstlichen Gnaden Bedenken auch zu gestellen

haben, auf daß E. F. Gn. ein gnädig Einsehen haben. Es ist zwar viel mehr gelegen an einer vleißigen Kinderzucht, denn an den übrigen unnüßen Gesängen ym tempel.'')

Von Greff hören wir noch in einem Briefe Melanchthons an Kaspar Cruciger (2. Januar 1547): 'Als wir neulich zu Dessau waren und dort zugleich der Joachim war, träumte mir, ich bäte den Herzog Moriz, er möge unser Sarepta (Wittenberg) verschonen. Im Bette teilte ich Joachim und Erasmus den Traum mit.' 2) Auch beim Abzug des Pfarrers Faber nach Liegniß (1548) war Greff noch im Amte; Faber vermochte eben den tapferen Greifen3) nicht wegzubeißen. Und noch 1549 war er nach dem in diesem Jahre verfaßten Landbuche von Urbanus Parys im Amte, dagegen ist 1550 Thomas Arnoldi Schulmeister in Dessau. Wir werden also seinen Tod in das Jahr 1549 oder 1550 zu sezen haben.

In demselben Jahre, in welchem Greffs ‘Zachäus' erschien wurde, wie uns Felix Platter berichtet, in Basel (am 2. Juni 1546) bei Gelegenheit des Rektoratswechsels der Philargyrus des Basler Heinrich Panthaleon aufgeführt: Comoedia nova et sacra de Zachaeo publicanorum principe.

Das Schicksal der Jünger des Herrn wurde von der dramatischen Kunst ebenfalls verherrlicht. Von Judas Ischariot schrieb Thomas Naogeorg ein Drama mit einer Widmung an den Rat zu Straßburg (1552), von dem Johann Mercur aus Morsheim eine deutsche Ueberseßung machte (Straßb. 1556). "Der Junger Gefengknuß' (Apg. 5) behandelte Sebastian Wild (1566) und 'Petri Gefengnuß' Adam Pölman (Cöln 1601). Das Ende des Stephanus, des ersten Märtyrers der christlichen Kirche, dramatisierten Michael Sachse aus Meiningen, Schulmeister zu Remda (1564), Sebastian Wild ("Die Versteinigung Stephani' 1566), Zacharias Zahn, Pfarrer zu Avenshausen ("Tragoedia lapidati Stephani' Mülhausen 1589, aber nach der gereimten Zuschrift an alle getreuen Prediger schon 1584 entstanden, den Grafen Johann und Antonius zu Oldenburg und Delmenhorst gewidmet), und Melchior Neukirch, Pastor zu St. Petri zu Braunschweig 1) Herzogl. Anhaltisches Gesamtarchiv zu Zerbst.

*) Corp. Ref. 6, 339.

3) Greffs Siegel zeigt unter dem Monogramm IG einen Greifen. Holstein, Die Reformation.

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(Magd. 1592). 'Pauli Bekehrung' stellte Valentin Bolz in einem Drama dar, das am 6. Juni 1546 auf dem Kornmarkte in Basel gespielt und ebendaselbst 1551 gedruckt wurde. Bei der betreffenden Aufführung war, wie Felix Platter erzählt, der Himmel, aus welchem Gott seinen Blig sandte, oben am Pfauen angebracht; 'der Bürgermeister von Brun war Saulus, Balthasar Han der Herrgott in einem runden Himmel, der hieng oben am Pfuwen, daraus der Strol schoß, ein furige Racketen, so dem Saulo, als er vom Roß fiel, die Hosen anzündet'. In Dortmund wurde am 24. Juni 1593 die deutsche Tragicomödia des Schulmeisters Arnold Quiting von der Enthauptung St. Jacobi und Errettung St. Petri gespielt. Endlich ließ Johannes Brummer aus Hoya in Hannover, Rektor der lateinischen Schule zu Kaufbeuren, am Montag in den Pfingstfeiern 1592 eine Tragicomoedia Actapostolica d. i. die Historien der heiligen Aposteln Geschicht' durch die Bürgerschaft zu Kaufbeuren aufführen und im folgenden Jahre zu Lauingen drucken. In dieser 'weitläufigen großen Action', mit welcher die äußerste Grenze des Undramatischen erreicht ist, treten 246 Personen auf. Der Verfasser hatte, wie er in der Vorrede sagt, während seiner schon zwanzigjährigen Thätigkeit in Kaufbeuren viele Komödien spielen lassen, darunter drei von ihm verfaßte, welche die ganze evangelische Geschichte von der Geburt dem Leben, Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi behandelten. Diese drei Dramen sind, wie es scheint, nicht zum Druck gelangt.

Das Drama vom verlornen Sohn mag diesen Abschnitt beschließen.) Kein biblischer Stoff war so sehr im stande, einerseits einen größeren Reichtum scenischer Darstellung zu entfalten, andrerseits die evangelische Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben gegenüber der katholischen Lehre von der Rechtfertigung durch die Werke zum Ausdruck zu bringen, als das Gleichnis vom verlornen Sohn. Wir haben bereits von demjenigen lateinischen Dramatiker geredet, dessen Acolastus gewissermaßen eine kanonische Bedeutung erlangte, von Gnapheus, der

1) H. Holstein, Das Drama vom verlornen Sohn. Halle 1880. Goedeke, Gött. gel. Anz. 1880, 655-662.

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