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Stadtschreiber zu Burgheim, einer der thätigsten und vielseitigsten Schriftsteller des Elsaß er ist Meistersänger, Novellensammler, Romandichter, Dramatiker, schrieb außer dem Tobias' die Fastnachtspiele 'Das Narrengießen' (1537) und 'Der treue Eckart' (1538), ein 'evangelisches Spiel von dem verlornen Sohn' (1540) und 'Der jungen Knaben Spiegel' (1554). Unter diesen Stücken fand sein 'Tobias' die größte Teilnahme. Eine durch viele Zusäße vermehrte Ausgabe desselben gab Thomas Schmid aus Meißen, Steinmeß und Bürger zu Heidelberg, heraus, die den im Juli und August 1578 zu Heidelberg veranstalteten öffentlichen Aufführungen zu' Grunde gelegt wurde. Die Wickramsche Bearbeitung diente ferner einer am 11. und 12. April 1580 zu St. Gallen veranstalteten Aufführung, wobei ein neuer Druck erschien. Auch in Schaffhausen fand am 19. und 20. September 1605 eine Aufführung durch die junge Bürgerschaft statt, wozu der Schaffhauser Prediger Johann Yezeler das Wickramsche Stück überarbeitet hatte. Es war in zehn Akte zerlegt und wurde von 123 Personen gespielt. Außer Ackermann und Wickram sind noch mehrere Dramatiker zur Dramatisierung der Geschichte des frommen und gottseligen Tobias angeregt worden: Thomas Brunner (1569), Samuel Sollinger in Landshut (1574), Joh. Wilh. Rosenbach aus Friedberg (1589), Barthold von Gadenstedt, Lehnsherr des Grafen Wolfgang Ernst zu Wernigerode, der einzige adlige Dramatiker unter den Zeitgenossen des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig seine mit einigen Zusäßen aus Wickram versehene Uebersetzung des Schonäusschen Tobaeus wurde 1605 unter Leitung des Rektors Johann Fortmann von den Schülern des Wernigeröder Gymnasiums gespielt') Georg Gotthart, Bürger und Eisenkrämer zu Solothurn (1617) – sein Spiel, eins der umfangreichsten Spiele jener Zeit, erforderte

des sechzehnten Jahrhunderts: ein Konrad Wickram war Schultheiß und Obristenmeister, Peter Wickram war der Neffe Geilers von Kaisersberg und sein Nachfolger im Straßburger Pfarramt, aus welchem ihn das Domkapitel vertrieb, als er die lutherische Lehre im Münster zu predigen begann. (Zeitschrift f. deutsches Altertum 23, 205.)

1) Ed. Jacobs in der Zeitschrift des Harzvereins 1, 84-87. 6, 375. Scherer, Deutsche Studien 3, 3—11.

145 Personen am ersten Tage der Aufführung, 95 am zweiten - und Martin Böhme (1618). Außerdem wissen wir von Aufführungen des 'Tobias' zu Schwerin (1561), Schaffhausen (1575), Speier (1577) und Windsheim (1619); in Windsheim spielte der Rektor Christoph Cellarius den alten und jungen Tobias, es wurde eine Einnahme von 4 Gulden 23 Kreuzer 1 Heller erzielt. Außer Schonäus, dessen Drama 1585 im akademischen Gymnasium zu Straßburg aufgeführt wurde, lieferten noch Balthasar Crusius (1585) und Johannes Ment (1586) lateinische Dramen. Zu den Tobiasdramen gehört auch Georg Schwanbergers, Pfarrers zu Rodersdorf, geistliche Komödie vom Engel Raphael wider Asmodeum den Eheteufel (1615), in der ebenfalls der Ehestand verherrlicht werden sollte.

Aus 2. Maccab. 7 zog Matthäus Scharschmid, Vikarius im Domstift zu Zeit, den Stoff für seine Tragödie 'von den sieben Märtyrern und ihrer Mutter' (1589), indem er die Glaubenstreue der sieben Brüder pries, die mit ihrer Mutter unter dem syrischen König Antiochus IV. den Märtyrertod erlitten.

Einen sehr dankbaren Stoff bot den Dramatikern die Geschichte der Esther, jener schönen Jüdin, die infolge ihrer Erhebung zur Gemahlin des Perserkönigs Ahasverus die Retterin ihres unterdrückten Volfes wurde. Nach Hans Sachs (1536) verfaßte 1537 Valten Voith 'ein lieblich, nüßlich und tröstlich Spiel aus dem Buche Esther',1) um anzuzeigen, wie Gott allezeit die Hoffahrt und den Eigenwillen der bösen, die Demut und Gottesfurcht der frommen Männer und Weiber gestraft und belohnet hat. Er widmet sein Spiel dem Mag. Georg Major, den er als den Beförderer seiner dramatischen Studien bezeichnet, und spricht sich in der Vorrede und im Beschluß über den ethischen Zweckt seines Spieles aus: Vasthi und Haman werden zur Warnung, Esther und Mardachai zur Nachahmung hingestellt. Daran schließt sich eine symbolische Deutung: Das Mahl, das der König Ahasverus zu Susan bereiten will, gleicht dem Gastmahl, zu welchem Gott die Menschen einladet; Esther vertritt die Menschen, die der Einladung folgen, Vasthi die, welche sie verschmähen;

1) Neudruck von H. Holstein. Stuttgart. Litterar. Verein Nr. 170.

Mardachai bedeutet Christus, Haman die Judenschaft, die Christus verwirft. Dann folgen noch acht Mahnungen, die teils an die Frauen, teils an die Fürsten und Herren, teils an die Knechte 2c. gerichtet sind. Entsprechend der Aufgabe des Dramas der Reformationszeit sollte Voiths Spiel die Predigt unterstüßen, und zwar die Predigt vom großen Abendmahl des Herrn. Von dieser Tendenz war der Schreib- und Rechenmeister Markus Pfeffer in Braunschweig so erfüllt, daß er 1621 in seiner ‘Esther', ohne seine Quelle anzugeben, Voiths Drama an den meisten Stellen wörtlich auszuschreiben keinen Anstand nahm.') Das lateinische Drama des Thomas Naogeorg Hamanus (1543), in welchem die Verleumdungen und die Tyrannei der Mächtigen getadelt und ein frommes und gottesfürchtiges Leben gelobt wird, fand in Johannes Chryseus (1546) sowie in Johann Mercur aus Mörsheim und dem Mag. Johann Posthius aus Germers= heim (um 1570) Ueberseßer. Der erstere lieferte seine Uebersezung mit Vorwissen des Autors. Deutsche Bearbeitungen der Esther lieferten noch Andreas Pfeilschmidt aus Dresden, Geiger und Buchbinder zu Corbach, wo das Stück 1555 von der Bürgerschaft gespielt wurde, Wolfgang Künzel (1564), Josias Murer (1567), Damian Lindtner der ältere (1607) und Georg Mauricius (1607). Josias Murer, dessen Spiel am 11. Februar 1567 in Zürich aufgeführt wurde, wollte zeigen, wie Gott sein Volk durch Hester von dem mördlichen Auffah Hamans erlöst und ihn gestürzt und gestraft hat, zur Lehre, daß niemand seine Gewalt oder Wohlstand mißbrauche, sondern demütig sei. Auch in den Komödien der englischen Komödianten (1620) erscheint eine Komödie von der Königin Esther und dem hoffährtigen Haman, vermischt mit modernen Einflüssen durch Hinzufügung des Clown und des Hans Knapkäse zur Belustigung des Publikums. Aufführungen der Esther fanden 1552 in Biel, 1561 in Windsheim, 1575 in Dortmund und noch 1654 in Schiltach statt. Von der Windsheimer Aufführung meldet der Chronist: 'Heute ist auf unserm Rathause vor einem ehrbaren Rat, den sämtlichen hiesigen Eheweibern und ihren Kindern die Komödie vom König Ahas

1) Archiv f. Litteraturgesch. 12, 46.

verus und der Esther agieret worden, hernach den 21. desselben Monats (Februar), als ein hochedler Rat dies Schauspiel mit sattsamem Content genossen, hat derselbe großgünstig erlaubt, dasselbe auf dem Rathause auch vor einer ganzen Gemeinde zu geben'.

Das ganze Jahrhundert hindurch gehörte die Geschichte von der Susanna) zu den bevorzugtesten Stoffen des deutschen Dramas; ihre Keuschheit, ihre Tugend sollte den Frauen als Vorbild dienen, der buhlerische Sinn der beiden Alten, die der Susanna weibliche Ehre beflecken wollen, die Bestrafung derselben wird den Männern zur Warnung hingestellt. So stehen die Susannadramen gewissermaßen auch im Mittelpunkt derjenigen Dramen, in welchen die fromme Ehe gefeiert wird. Die aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammende Wiener Susanna verrät keine Spur von Komposition, keinen Ansaß zur Charakteristik und ist überaus roh in Sprache und Versbau. Die erste im Reformationszeitalter entstandene Bearbeitung von Sixt Birck ist zugleich das erste von einem gelehrten Schulmann verfaßte Drama. Es wurde 1532 von den jungen Bürgern zu Basel aufgeführt und wurde für andere wie Kolroß und Rebhun vorbildlich, besonders wegen der metrischen Vorzüge richtige Jamben mit stumpfem Ausgang - und wegen der in Form der sapphischen Ode angereihten Chorgesänge. Die Frische der Darstellung zeigt sich besonders in den Gerichtsscenen, in denen Birck ein Bild der damaligen Rechtspflege liefert. Als das Stück nach zwölf Jahren auf dem Fischmarkt zu Basel eine neue Darstellung erlebte, war seine Wirkung eine ebenso großartige als das erste mal. Bircks Susanna, von welcher 1538 eine lateinische Bearbeitung erschien, die aber mit der deutschen nichts weiter gemein hat als die Einrichtung des Stoffes, ist ein Muster von Sauberkeit, in gewandter und schmiegsamer Sprache geschrieben, mit leicht angedeuteter, aber kräftiger und angemessener Charakteristik'. Ihr folgte die anonyme Susanna, welche zuerst als Anhang zur zweiten Ausgabe des Magdeburger Spieles von Jakob und seinen

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1) Pilger, Zeitschrift für deutsche Philologie 11, 129–217. Goedeke, Gött. gel. Anz. 1880, 641–655.

zwölf Söhnen 1535 erschien. Sie entstand in Magdeburg die Nürnberger Ausgabe ist nur ein veränderter Nachdruck der Magdeburger Susanna 1) - Es war ein eigentliches Schuldrama, was aus dem Prolog ersichtlich ist:

Wolweise, achtbare Herren,

Euer Weisheit und Würden zu ehren,

Sind wir ißund herauf [auf das Rathaus] kommen,
Nach altem Brauch fürgenommen

Ein deutsch Spiel euch fürzutragen,

Damit man nicht möchte sagen,

Wir wären undankbar eurer Weisheit,
Welch mit großer Fürsichtigkeit

In guten Künsten und Tugend
Uns Kinder jgt in der Jugend

Zu unterweisen verschafft hat,

Welchs ist das beste Kleinod der Stadt.

Dieser Eingang läßt nicht nur auf die hergebrachte Sitte der Aufführung deutscher Dramen in Magdeburg, sondern auch auf die mit der Errichtung des altstädtischen Gymnasiums in Verbindung stehende Einführung der sogenannten Schuldramen schließen.

Dann versezt uns der Prolog nach dem Orte der Handlung:
Nu zu Babylon dies geschicht,

Das ist zu einem Spiel gedicht,
In eim Garten sich begeben hat,
Wie im Daniel beschrieben stat,
Hie ist nu Babylon behend,
Doch so das Spiel erreicht sein End,
Magdeburg es wieder werden soll,

Gott mach sie aller Gnaden voll.

Magdeburg wird in dem Nürnberger Nachdruck in Nürnberg geändert. Die Scenerie ist eine sehr einfache: die wohlweisen, achtbaren Herren mußten sich den Garten hinzudenken, während in Basel große Zurichtungen gemacht und selbst das Bad nicht gespart war. Darum heißt es:

Das ist auch der schöne Garten,

In dem die zween Alten warten,

1) E. Schmidt, Anz. f. deutsch. Altert. u. deutsch. Litt. 5, 145. Scherer, Deutsche Studien 3, 21. Pilger a. a. D. 11, 151. Hülße in den Geschichtsbl. f. Stadt und Land Magdeburg 16, 271.

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