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Blepfidemus den beiden Freunden Daniels, Hanania und Michael. Der erstere von ihnen bricht darüber in Klagen aus:

Du lieber Gott, wol ists ein Ding,
Wie acht die Welt dich so gering,
Daß auch die müssen Keßer sein,
Die glauben wollen dem Worte dein,
Die Gößendiener, die gottlosen Leut,
Verdammen uns zu dieser Zeit,

Mich trügen denn gar die Sinne mein,
Ich wolt erraten schier, wer sie sein.

Sie raten darauf wechselsweise und nennen unter verdecktem Namen den von Luther 'Hans Worst' benannten großen Feind der Protestanten, Herzog Heinrich von Braunschweig, unter leiser Andeutung des romantischen Liebesbundes desselben mit der schönen Eva von Trotha, und den wegen seines unreinen Lebens berüchtigten Kardinal Albrecht, Erzbischof von Mainz, die beide nach bekannten Thatsachen von Blepfidemus also geschildert werden: Gewis, wenn mans mit Fleiß sol wählen,

Sie sind gleich in Leben und Lehr,

Ihr keiner tracht nach Bidermanns Ehr,

Der ein sein Hure zur Erden bestet,
Noch lebendig herrlich begeht
Mit allen Exequiis, geleich

Als wer sie ein verstorben Leich,

Die doch hernach viel Kinder trägt,
Wie solchs die Zeit uns hat entdeckt.
Der ander aber als ein geistlich Mann
Hats wahrlich weislich griffen an;
Daß Hurerei nicht würd verdacht,
Hat er die Mezen ehrlich bracht
In einem Sarg für Heiltum groß
Mit Kerzen und Fahnen in sein Schloß,

Ja vollend gar in die Schlafkammer sein.

Zur Erklärung diene eine Stelle aus Luthers Schrift 'Wider Hans Worst', die zu Anfang des Jahres 1541 erschien. Du speiest', so redet Luther zu dem Herzog Heinrich von Braunschweig, 'eitel Teufel aus deinem ganzen Leibe in allen deinen Werken und Wesen mit Gotteslästern, Fluchen, Lügen, Ehebrechen, Wüten, Schinden, Mordbrennen 2c., daß man deinesgleichen in keiner

Historien findet. Dazu kannst du deinen schändlichen Ehebruch nicht vollbringen, mußt es mit des göttlichen Namens Schmach und Schande thun und die arme von dir verführte Person als verstorben mit deinem heiligen Gottesdienst, Messe und Vigilien lassen verbergen. Das hast du von deinem Gesellen zu Mainz gelernt, der auch seine Ehebrecherei unter dem Schein des Heiligtums treiben mußte; doch kannst du wohl von dir selbst solche Tugend erdenken'.1)

Auch andere öffentliche Schäden rügt Chryseus. Ein unglücklicher Prozeß des Dystyches giebt ihm den Anlaß, den tiefen Verfall der Reichsjustizpflege, den Eigennuß und die Herzenshärtigkeit der Richter, die Plagen der Sachwalter und das ganze Verderben des gerichtlichen Verfahrens zu schildern. Der Epilog läßt noch einmal die Tendenz des Stückes erkennen: die Frommen sollen einen Trost daraus gewinnen; denn Gott errettet die Seinen und zerstört die Anschläge seiner Feinde, wie man am Daniel sieht.

Drum keiner soll

Verzagen, obgleich der Teufel und Welt

Mit Türken und Papst sich greulich stellt.

Mit einer eindringlichen Mahnung zum treuen Festhalten am Worte Gottes schließt der fromme Chryseus sein Spiel. Außer dem Hofteufel' verfaßte Chryseus noch eine Uebersetzung des Hamanus des Thomas Naogeorg. Seine dramatischen Werke erschienen zu Wittenberg im Druck; die Vorreden datieren aus Allendorf. Ob er der Johannes Chryseus aus Fraustadt ist, der 1544/45 in Wittenberg studierte,2) ist mit Sicherheit nicht festzustellen.

Im Jahre 1545 spielte die ehrsame Bürgerschaft zu Freiburg im Uchtlande die Geschichte des Propheten Danielis', ein Drama, dessen Verfasser der Schulmeister Georg Brun ist. Spätere Aufführungen des Daniel in der Löwengrube fanden in Stralfund (Anno 1553 des Donnersdages vor Marien Magdalenen do wurt de tragedie up deme olden marckede gespelet von dem Daniel, dat dede Johannes von S. Jacobs'), in Schaffhausen

F. Koldewey, Heinz von Wolfenbüttel. Halle 1883. S. 28.

2) Album 222.

(vor dem Gasthause zum Schwert am 13. Juli 1575 — in Scene gesezt vom Glasmaler Hieronymus Lang), in Hildesheim (am 21. Februar 1576 'up dem Markede up einem gebuweten Pallaste ageret von den Schülern tho Sankt Andreas; der Rektor was Georgius Jünglinghusen; it gieng fien to unde was overuth veel Volkes, dat tosach; de Staddore stunden de Speelthed over to'), in Rostock (1576 auf dem Hopfenmarkte zu Ehren des Königs von Dänemark), in Güstrow (1576 im Schlosse unter Leitung des Schulmeisters Franciscus Omichius, der übrigens in seiner Komödie von Damon und Pythias manches aus Chryseus' Hofteufel entlehnte), in Annaberg (1579), in Rottenburg (1592) und in St. Gallen (1609 auf dem Rathause) statt.

Auch den Apokryphen wurde eine Reihe von Dramen entlehut, die hauptsächlich Luthers warmer Empfehlung der betreffenden Stoffe ihre Entstehung verdankten. Zuerst die Geschichte der frommen Judith, die durch ihren Heldenmut ihre von Holofernes belagerte Vaterstadt Betulia befreite. Der erste, der Luthers Mahnung, den für eine Dramatisierung empfänglichen Stoff zu behandeln, folgte, war Joachim Greff; er widmete sein 1536 zu Wittenberg erschienenes Drama den Fürsten von Anhalt, die die Reformation in ihren Ländern bereits eingeführt hatten. Fürst Wolfgang von Anhalt, dem der eine Landesteil mit der Stadt Köthen gehörte, war schon früh der Reformation geneigt; er gehörte zu den Fürsten, die dem Reichstage zu Speier die Protestation vorlegten. Seine Neffen Johann, Joachim und Georg wandten sich, als sie nach dem Tode ihrer Mutter 1530 die Regierung der anderen Gebiete mit der Stadt Dessau antraten, der evangelischen Lehre zu und beriefen 1532 Luthers Freund Nikolaus Hausmann als ihren Hofprediger. Indem Greff die Tyrannei, unter der jezt das göttliche Wort leide, mit der des gottlosen Holofernes vergleicht, hofft er, daß die papistische Tyrannei ebenso untergehen werde, wie einst durch Judith der Feind umgebracht sei. Sixt Birck behandelte den Stoff lateinisch und deutsch (1539); die deutsche Bearbeitung wurde in einem anonymen Straßburger Stück, das 1564 von der jungen Bürgerschaft zu Straßburg gespielt wurde, erweitert. Dann folgten Wolfgang Schmelzl 1542 in getreuer Nachbildung des biblischen Textes, Samuel

Hebel aus Hirschberg 1566 mit einer Widmung an den Rat der Stadt Iglau und einem geistlichen Liede im Ton des Reformationsliedes Ein feste Burg ist unser Gott', Cornelius Schonäus 1580 und 1618 Martin Böhme, Oberpfarrer in Lauban, der sein Drama nach Sixt Birck bearbeitete. In Hildesheim ‘agerede 1555 am lütfen Fastelavendsdage de Rector van St. Andreas Lorenz Möller ut dem olden testamente dei historia Judith; gieng fien to; dei rat schenkede öm 10 fl. münz unde hadde up dem markede einen pallast laten buwen, dat of veel kostede'; am 26. September 1593 wurde die Tragödie vom Holofernes auf freiem · Markte in Baußen von dem Rector Gerlach agiert, und 1601 spielten die Schulknaben im Katharinenkloster zu St. Gallen die Historie von der Judith. Als in Basel der Hamanus 1546 durch Studenten aufgeführt wurde, blieb, wie Felix Platter erzählt, ein Sohn des Haman, welcher gehenkt ward, durch einen Fehltritt wirklich hangen, und ‘hätte Humelius der Henker nit gleich den Strick abgeschnitten, so wäre er erwürgt; hat davon einen roten Striemen um den Hals bekommen'.')

Tobias galt als das Vorbild eines frommen Ehemannes, und in den Tobiasdramen wird der Ehestand als von Gott geordnet gegenüber der katholischen Verherrlichung der Ehelosigkeit gepriesen. So sagt Hans Ackermann in der Widmung seines 'Tobias' an Paul Rebhun, den Verfasser eines Dramas von der Hochzeit zu Cana (Zwickau 1539): 'Der Tobias ist gar ein tröstlich Vorbild eines frommen Ehemannes und zeiget gewaltig an, wie wunderlich Gott die Eheleut unter dem Kreuz hindurch führet und endlich mit Freuden erlöset und tröstet... Weil Ihr dem gottseligen Stand zu Ehren Euer Hochzeitsspiel habt gestellet, will ich Euch zu demselben meinen wolgeplagten und doch unverzagten. Ehemann den Tobiam schenken, der des, so Ihr in Eurem Spiel lehret, nicht ein gering Exempel ist, auf daß wir den gottverordneten Ehestand auf allerlei Weise und Weg Gott zu Ehren und uns zu Nuß preisen, gleichwie wir sehen, daß das Papst= tum dem Teufel zu Ehren und ihm zu Nuß bisher mit mancherlei Lügenden den unehelichen geistlosen Stand gepreiset und bis an

1) Thomas und Felix Platter von H. Boos. S. 144.

den Himmel hat erhoben'. Die polemische Tendenz springt hier klar in die Augen. Der Verfasser, der in Zwickau lebte, war von Paul Rebhun zu seinen dramatischen Versuchen angeregt; schon 1536 hatte er sein geistliches Spiel vom verlornen Sohn verfaßt und in Zwickau erscheinen lassen; nun hatte Paul Rebhun, sein 'günstiger Herr und Freund', damals Prediger in Plauen, ihn, 'den Ungerüsteten und Ungewappneten, abermals auf die Bahn gereizet' und ihm gezeigt, wie viel ehrlicher einem ehrliebenden Bürger, und wie viel gebührlicher einem Christen wäre, sich in solch geistlicher Spiel Dichtung zu üben, denn mit Spielen und Saufen und andern ungebührlichen Kurzweilen Leib und Seel zu betrüben'. Sein Tobias solle allen frommen und christlichen Eheleuten zu Trost und Besserung dienen. Die Darstellung ist zwar einfach und schmucklos, aber treuherzig und nicht ohne Erfassung des wirklichen Lebens. In dem Beschluß' erscheint die christliche Mahnung, daß alle zuerst des Tobias festen Glauben und starkes Gottvertrauen ansehen möchten, dann seine Liebe, Treue und Barmherzigkeit, die er ausgeübt, ohne sich an das Gebot der Menschen zu kehren, und endlich seine Geduld, mit der er das Unglück des Erblindens ertrug. Und den jungen Gesellen, die in den Ehestand treten wollen, solle der junge Tobias als Vorbild dienen.

Dann seht, wie's dem Tobia geht
Und wie Gott allzeit bei ihm steht,
Schickt ihm sein Engel unbekant,
Der ihn muß fürn in frembde Land,
Und ihm helfen zu Gut und Ehr,
Do man meint, das unmöglich wer,
Auf daß ihm wolgeht in der Eh.1)

Nach Hans Sachs, der bereits 1533 eine Komödie von "Tobias und seinem sun' verfaßte, blieb Hans Ackermann lange der einzige, der diesen Stoff behandelt hatte. 1551 wurde Jörg Wickrams 'Tobias' von Bürgern zu Colmar gespielt; der ersten Ausgabe folgte 1562 eine zweite zu Straßburg, wo ebenfalls die Bürgerschaft die Rollen übernahm. Jörg Wickram aus Colmar 2),

1) Neudruck von H. Holstein, Stuttgart. Litterar. Verein Nr. 170. 2) W. Scherer, die Anfänge des Prosaromanes und Jörg Wickram. Straßb. 1877. Der Name Wickram erscheint öfter in der elfässischen Geschichte

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