Das vierzehnte und fünfzehnte Jahrhundert.
Pierzehn Tage nach Ostern, an einem Sonnabend des Jahres
1322, führten Kleriker und Schüler im Tiergarten zu Eisenach das Spiel von den zehn Jungfrauen, den fünf klugen und den fünf thörichten, vor dem Landgrafen Friedrich dem Freidigen von Thüringen auf. Als das verdammende Urteil über die thörichten Jungfrauen, welche troß der Fürbitte der Maria keine Gnade vor Gott fanden, gefällt wurde und ihr Schlußgesang in der Tiefe verhallte:
Wy vordinet gotis czorn,
Des sy wy ewiclichen vorlorn!
da rief der Landgraf in flammender Erregung: 'Was ist der Christen Glaube, wenn sich Gott nicht über uns erbarmet um der Fürbitte der Maria und aller Heiligen willen?' Der Ausgang dieses Spieles hatte den Fürsten so bewegt, daß er, von einem Schlagflusse getroffen, den Rest seines Lebens in Schwermut und Siechtum verbrachte. Ist auch historisch nachgewiesen, daß der Landgraf schon 1320, also zwei Jahre vor der für ihn so verhängnisvoll gewordenen Aufführung, hinfällig und nicht fähig war, die Regierung zu führen, so ist doch anzunehmen, daß der Eindruck des Eisenacher Spieles dazu beigetragen hat, seinen krankhaften Zustand zu steigern.
Das Spiel ist von einem Hauch erhabener Poesie durchweht. Und vielleicht wohnt demselben eine reformatorische Tendenz inne, wenn es richtig ist, daß die Dominikaner, die es nach