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Recht im weitern Sinne (d. h. mit Einschluss des Criminalrechts und Processes) wie für das Staatsrecht im engern Sinne gebrauchen, ist es zweckmässig, im deutschen Sprachgebrauche, das Wort »öffentliches Recht« blos für den allgemeinern Begriff, das Wort »Staatsrecht« lediglich für den engern Begriff zu verwenden 1.

§. 3.

Das Verhältniss des Staatsrechts zum Völkerrechte.

Das Staatsrecht betrachtet den Staat in seiner Existenz an und für sich. Der Staat erscheint bei dieser Betrachtungsweise als ein selbstständiger, in sich abgeschlossener Organismus, welcher den Schwerpunkt seiner Verhältnisse in sich selbst trägt.

Aber die Menschheit erfüllt ihre staatliche Aufgabe nicht in der Form des Universalstaates, sie gliedert sich vielmehr nach Völkern und Staaten. Der Staat ist Aufgabe und Erzeugniss der geistigen Volksgemeinschaft. Die naturgemässe Gliederung der Menschheit nach Völkern begründet somit auch die Mehrheit von Staaten.

Staaten und Völker stehen völlig selbstständig, ohne jede rechtliche Unterordnung, nebeneinander; sie selbst, wie ihre einzelnen Glieder, treten indessen mit einander in Verkehr. Damit sind internationale Beziehungen mannigfacher Art gegeben. Für diese giebt es ursprünglich keine andere Norm, als Sitte und politische Convenienz. Erst allmählich und langsam entsteht unter verschiedenen Völkern eine Gemeinschaft des Rechtsbewusstseins, wie sie in Einem Volke das positive Recht erzeugt. Die Grundlage einer solchen internationalen Rechtsentwickelung ist gegeben durch Stammesverwandtschaft, gleiche Civilisationsstufe und gemeinsame religiöse Anschauung der Völker. Das internationale Leben ist uralt, das internationale Recht ist wesentlich ein Erzeugniss der Neuzeit. Es heisst europäisches Völkerrecht, weil es namentlich unter den Staaten christlicheuropäischer Gesittung (auch ausserhalb Europa's) besteht.

Das Völkerrecht ist seinem Umfange nach die grossartigste Verwirklichung der Rechtsidee im Leben der Völker, indem es ganze Staaten und Völker zu einer rechtlichen Gemeinschaft verbindet; aber es ist zu gleicher Zeit auch eine unvollendete

1) Savigny, System B. I. §. 9. S. 27.

Rechtsbildung, weil ihm, in Ermangelung einer gesetzgebenden Gewalt über den Völkern, die Bestimmtheit des Inhaltes seiner Rechtssätze, in Ermangelung einer höchsten richterlichen Gewalt, die Sicherheit der Anwendung abgeht.

Die Gemeinschaft der Staaten und Völker darf nicht als civitas maxima gedacht werden. Nur in der Form eines freien Staatensystemes können unabhängige und souveräne Staaten eine Rechtsgemeinschaft bilden.

Während alle übrigen Zweige der Rechtsordnung innerhalb eines Staates ihre Verwirklichung finden, steht das Völkerrecht über den einzelnen Staaten und somit auch ausserhalb des Staates. Es steht als das ausserstaatliche, internationale Recht allen übrigen Rechtsdisciplinen gegenüber und nimmt somit eine ganz besondere Stellung im Systeme der Rechtswissenschaft ein.

§. 4.

Gliederung des Rechtssystemes.

Das gesammte Rechtssystem gliedert sich in folgender Weise:
I. Recht innerhalb des Staates.

A. Privatrecht,

B. Oeffentliches Recht:

1. Staatsrecht im engern Sinne,

2. Criminalrecht,

3. Criminalprocess,

4. Civilprocess.

II. Recht ausserhalb des einzelnen Staates, unter den selbstständigen Staaten in der Staatengemeinschaft (Völkerrecht).

Zu keinem dieser Rechtstheile gehört das Kirchenrecht; es ist vielmehr ein eigenthümliches und selbstständiges Rechtsgebiet, es tritt als geistliches Recht dem gesammten weltlichen Rechte in diesem Sinne gegenüber1.

1) Aemilius Ludwig Richter, Lehrbuch des Kirchenrechts §. 5. Savigny, a. a. O. Bd. 1. §. 9. S. 27. Ludwig Arndts, jurist. Encyclopädie §. 93 ff. Das Kirchenrecht ist weder öffentliches, noch Privatrecht. Anders war die Stellung des geistlichen Rechts bei den Römern; ihr jus sacrum gehörte zum öffentlichen Rechte und war der Staatsgewalt in jeder Beziehung

Zweites Kapitel.

Eintheilungen des Staatsrechts.

§. 5.

Im Allgemeinen.

Die in der Wissenschaft gebräuchlichen Eintheilungen des Staatsrechts sind entweder im Wesen des Staatsrechts überhaupt begründet und ganz allgemeingültiger Natur, oder sie hängen mit der concreten geschichtlichen Entwickelung und den besondern staatlichen Zuständen Deutschlands zusammen. So kann überall zwischen allgemeinem und besonderem Staatsrechte unterschieden werden. Dagegen beruht der Begriff des gemeinen Rechts auf der eigenthümlichen Staatsentwickelung Deutschlands. Deshalb ist auch die für uns so wichtige Eintheilung des Staatsrechts in gemeines und partikulares Staatsrecht keineswegs eine allgemein gültige, überall anwendbare, sondern eine specifisch deutsche.

§. 6.

I. Allgemeines und besonderes Staatsrecht,

jus publicum universale et speciale.

Nach der wissenschaftlichen Behandlungsweise theilen wir das Staatsrecht in besonderes und allgemeines.

Das besondere Staatsrecht setzt einen bestimmten Staat voraus, den es behandelt. Es ist ein Theil des positiven Rechts, welches die gesammte Rechtsordnung eines Staates ausmacht. So giebt es ein Staatsrecht der grossbritannischen Monarchie, des Königreichs Preussen, des Königreichs Bayern, der schweizerischen Eidgenossenschaft, der freien Stadt Frankfurt, des Fürstenthums Liechtenstein. Auch der kleinste Staatskörper hat sein besonderes Staatsrecht, wenn es auch nicht immer eine wissenschaftliche Darstellung gefunden hat.

Das allgemeine Staatsrecht dagegen beschäftigt sich nicht mit der Betrachtung eines einzelnen Staates, sondern des Staa

untergeordnet. L. 1. §. 2. D. de just. et jure (I, 1.) : »Publicum jus in sacris, in sacerdotibus, in magistratibus consistit.« Die christliche Kirche dagegen ist keine Staatsanstalt, ihr eigenthümliches Recht kein Staatsrecht.

tes überhaupt. Es behandelt den Staat als eine universalgeschichtliche Erscheinung, es entwickelt das Wesen, den Rechtsgrund und den Zweck des Staates überhaupt, aber es lehrt nicht, was in einem bestimmten Staate jetzt wirklich Rechtens ist. Das allgemeine Staatsrecht ist wichtig für die Einsicht in das Wesen des Staates überhaupt, wie für die wissenschaftliche Begründung auch des besondern oder positiven Staatsrechts. Dagegen kann das allgemeine Staatsrecht niemals wirklich rechtsverbindliche Normen für den Richter und die Unterthanen schaffen, welche bei Beurtheilung rechtlicher Fragen unmittelbar zur Entscheidung dienen könnten. Es hat nicht einmal Anspruch auf subsidiäre Gültigkeit, wo das positive Recht keine Auskunft giebt. Vielmehr muss in solchen Fällen die bestehende Lücke durch Analogie, durch Rücksichtnahme auf den ganzen Geist und die Richtung des concreten positiven Staatsrechts ergänzt werden 1.

Dagegen kann das allgemeine Staatsrecht grossen praktischen Einfluss auf die Weiterbildung des positiven Rechts haben und hat denselben, besonders in der neuern Zeit, wirklich vielfach ausgeübt. Je tiefer die Menschen die rechtliche Natur des Staates ergründen, je klarer sie seine Zwecke und endlichen Beziehungen begreifen, um so mehr werden sie sich bemühen, ihre positiven Rechtsnormen vernünftig fortzubilden. Also liegt nicht blos in der wissenschaftlichen Aufklärung, sondern auch in der praktischen Einwirkung auf die Fortentwickelung des Positiven, besonders durch die Gesetzgebung, die Bedeutung des allgemeinen Staatsrechts 2.

§. 7.

II. Gesammtstaatsrecht und Staatsrecht der Einzelstaaten. Seit dem spätern Mittelalter war das deutsche Reich kein Einheitsstaat mehr, sondern ein Staatensystem oder Staaten

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1) Die frühern Staatsrechtslehrer vertreten unter dem Einflusse älterer naturrechtlicher Anschauungen meistens die entgegengesetzte Ansicht, Pütter, inst. jur. publ. §. 2., K. E. Schmid, Lehrbuch des Staatsrechts §. 99. S. 182. J. L. Klüber, öffentl. Recht §. 67. S. Jordan, Lehrbuch §. 4. und 6. Unter den neuern vertheidigt die subsidiäre Anwendbarkeit des allgemeinen Staatsrechts besonders H. Zöpfl Bd. I. §. 74. Dieselbe bestreiten dagegen R. Maurenbrecher, Grundsätze §. 7. und H. A. Zachariä, deutsches Staats- und Bundesrecht §. 4.

2) Johann Christoph Krause, über den Einfluss der verschiedenen Schu

staat. Bei dieser staatsrechtlichen Gestaltung Deutschlands unterschied man einen Oberstaat, Gesammtstaat, nämlich das Reich, und Unterstaaten, Einzelstaaten, nämlich die Territorien. Danach theilte man zu Reichszeiten das deutsche Staatsrecht in das Reichsstaatsrecht und das Territorialstaatsrecht ein, eine durchaus sachgemässe Eintheilung, die sich bei allen Reichspublicisten findet.

Mit der Auflösung des Reiches ist dieser Gegensatz hinweggefallen oder hat wenigstens eine andere Bedeutung gewonnen. Die deutschen Territorien sind durch Wegfall der Reichsgewalt wirkliche Staaten, die Landesherren Souveräne geworden. Weder der Rheinbund noch der deutsche Bund hat einen staatsrechtlichen Charakter. Ersterer war eine Einigung der meisten, letzterer ist eine Einigung aller deutschen Staaten auf völkerrechtlicher Grundlage. Streng genommen können wir daher nicht von einem Staatsrechte des deutschen Bundes reden, da der Bund nicht, wie das Reich, einen Gesammtstaat, sondern einen völkerrechtlichen Verein bildet. Weil aber die Grundsätze der deutschen Bundesverfassung vielfach in das Staatsrecht der Einzelstaaten herübergreifen, so ist es zweckmässig und methodisch richtig, die eigentlich mehr dem Völkerrechte angehörende Lehre vom deutschen Bunde mit dem deutschen Staatsrechte in Verbindung zu setzen 1.

Die Methode für die Bearbeitung des Bundesrechts muss eine andere sein, als für das Staatsrecht der Einzelstaaten. Für das Bundesrecht liegt die Sache sehr einfach, da in den Quellen des

len der deutschen Staatsrechtsgelehrsamkeit auf Gesetzgebung und Verfassung, in dessen Abhandlungen aus dem deutschen Staatsrecht. Halle 1797. No. I. S. 1-75.

1) Eine solche Verbindung des Bundesrechts mit dem Staatsrechte der deutschen Staaten wird daher von allen deutschen Staatsrechtslehrern vorgenommen. Gewiss mit Recht; nur sollte man nicht von einem deutschen Bundes staats rechte reden. So sagt H. A. Zachariä: »>Wenn wir dessenungeachtet in den vorhandenen Systemen das deutsche Bundesrecht mit dem Staatsrechte der deutschen Staaten zu einem Ganzen verbunden finden, so liegt der Grund dafür in der engen Beziehung und Wechselwirkung, in welchen beide zueinander stehen, indem nicht blos eine Reihe von öffentlichen Verhältnissen der deutschen Staaten durch das Bundesrecht normirt, sondern auch umgekehrt wieder bundesrechtliche Satzungen durch das Staatsrecht der Einzelstaaten bedingt werden.« Staatswörterbuch B. I. S. 738.

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