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deskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung derselben wird die im Art. 60 interimistisch festgestellte Friedenspräsenzstärke so lange festgehalten, bis sie durch ein Bundesgesetz abgeändert ist.

Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Bundesheer und dessen Einrichtungen wird durch das Etatgesetz festgestellt.

Bei der Feststellung des Militärausgabeetats wird die auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Bundesheeres zu Grunde gelegt«.

Der erste Satz sichert den Bundesfeldherrn gegen eine, nach Ablauf der Uebergangsperiode eintretende etwaige Renitenz der Partikulargewalten und stellt das Budgetrecht des Reichstages in Betreff der Einnahme ganz auf gleiche Linie mit dem Rechte des preussischen Landtages, indem auch nach Art. 109 der preussischen Verfassung ebenfalls die bestehenden Steuern und Abgaben forterhoben werden und in die Staatskasse fliessen, ohne dass es dazu der Bewilligung des Landtages bedarf.

Der zweite Satz wahrt das volle Ausgabebewilli gungsrecht der Volksvertretung auch in Betreff der Militärausgaben, in ganz gleicher Weise, wie die preussische Verfassung; vom 31. December 1871 kann keine Ausgabe ver fassungsmässig gemacht werden, die nicht in den Etat aufgenommen und vom Reichstage bewilligt ist.

Der dritte Satz ist nichts, als eine selbstverständliche Konsequenz des richtig aufgefassten konstitutionellen Princips; denn das Budgetrecht ist nicht, wie der vulgäre Liberalismus lehrt, das Recht der Volksvertretung, zu streichen und einseitig zu reduciren, wo es ihr beliebt, ja vielleicht einmal alle Ausgaben zu verweigern, um ihren Willen durchzusetzen. Ein solches angebliches Recht der Volksvertretung hiesse die Kontinuität der Verwaltung, den Kredit, ja die ganze Existenz des Staates in Frage stellen. Das konstitutionelle Finanzrecht jeder Volksvertretung hat viel mehr seine Grenze an bestehenden Gesetzen; keine Volksvertretung darf das verweigern, was zur Ausführung bestehender Gesetze erforderlich ist2.

2) Dieses gesunde und allein staatlich durchführbare Princip ist geltend gemacht worden von Twesten S. 601 und in der epochemachenden, vielleicht entscheidenden Rede von Gneist, S. 630. Vergl. auch dessen neueste

Da in der Verfassung des norddeutschen Bundes die Heeresorganisation mit der allgemeinen Wehrpflicht, mit der bestimmten Dienstzeit der Mannschaften bei den Fahnen, in der Reserve und der Landwehr als gesetzliche Einrichtung anerkannt ist, so steht auch die Grundlage der ordentlichen Geldbewilligung ein für allemal fest. Das dem Reichstage vom 31. December 1871 verfassungsmässig zustehende volle Budgetrecht wird demnach diese gesetzlichen Heereseinrichtungen nie gefährden; wohl aber kann die Volksvertretung, innerhalb dieser Schranken, mitbeschliessen über die gerechte und zweckmässige Vertheilung grosser, vom Volke aufzubringender Geldsummen und durch die öffentliche Diskussion den heilsamsten Einfluss üben auf die einheitliche Ordnung des Staatshaushaltes und die Entwickelung eines gesunden konstitutionellen Lebens in dem neuen Bundes

staate.

§. 144.

XIII. Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen.

Die Artikel 68 und 69 (jetzt 74 und 75) des Entwurfes enthalten Strafbestimmungen gegen Verbrechen, welche gegen den Bund und seine Behörden gerichtet sind. Einem Antrage des Abgeordneten Twesten verdankt die norddeutsche Bundesverfassung ihre Reinigung von dem » berüchtigten Hass- und Verachtungsparagraphen « der preussischen Gesetzgebung, einem Amendement des Abg. Dr. Schwarze die juristische Präcisirung der Stellung des Oberappellationsgerichts zu Lübeck, als eines höchsten Bundesstrafgerichtshofes, welche durch den Entwurf im Unklaren gelassen worden war.

Auffallend musste es erscheinen, dass dem Entwurfe diejenige

Schrift, Budget und Gesetz nach dem konstitutionellen Staatsrechte Englands mit Rücksicht auf die deutsche Reichsverfassung. Berlin 1867. Ueberhaupt ist es ein grosses Verdienst von Gneist, zuerst dargethan zu haben, dass ein solches Budgetrecht, wie es der französisch-belgische Liberalismus behauptet, niemals in England bestanden hat, dass vielmehr sämmtlicher Staatseinnahmen und die Hälfte der Staatsausgaben für alle Zeiten feststehen. Selten hat ein theoretisches Missverständniss praktisch so bedeutende Folgen gehabt, wie die Unkenntniss der englischen Verfassung in diesem Punkte. Ueber die deutsche staatsrechtliche Auffassung vergleiche die Rede des Abg. v. Gerber S. 654.

Bundesinstitution fehlte, auf welche gerade die preussische Regierung bei allen ihren früheren Reformbestrebungen so hohen Werth gelegt hatte das Bundesgericht. Es lässt sich nicht verkennen, dass ein Gerichtshof des öffentlichen Rechtes von höch ster Autorität, als Wahrer der Verfassung und des gesammten öffentlichen Rechtszustandes, den Schlussstein jedes Rechtsstaates bilden muss, mag derselbe sich in Form eines Einheitsoder eines Bundesstaates darstellen, denn das Entscheiden wahrer Rechtsfragen nach blosser politischer Konvenienz zeigt immer von einem gesetzlich unausgebildeten Staatszustande. Es wurde daher principiell der Werth eines höchsten Bundesgerichtes von keiner Seite verkannt, aber die Majorität konnte sich der Einsicht nicht verschliessen, dass bei der Unfertigkeit unserer Staatszustände die augenblickliche Niedersetzung eines Bundesgerichts unmöglich', die blosse Verheissung eines solchen für die Zukunft eine ziemlich werthlose Phrase sei. Man acceptirte in dieser wichtigen Frage den Standpunkt, welchen der preussische Bundeskommissär von Savigny mit folgenden Worten vertrat: »Es hat dabei die Absicht nicht zu Grunde gelegen, diese hochwichtige Materie damit ein für allemal zu erschöpfen oder zum Abschlusse zu bringen, sondern wir sind davon ausgegangen, dass auch hier die Regierungen nur das bieten wollten, was sie zu gewähren im Stande sind und zwar sofort « (S. 664).

In diesem Sinne entschloss sich die Majorität, ohne längere Diskussion die allerdings unvollkommenen, zum Theil sogar nicht unbedenklichen Bestimmungen des Entwurfes Abschnitt XIII anzunehmen und alle entgegenstehenden Anträge abzulehnen.

Nur ein auf Schutz der Bundesangehörigen gegen Justiz

1) Richtig bemerkte der Abg. Schwarze: »Ich meine, dass die Bundesverfassung, wie sie uns jetzt vorliegt, in ihrer eigenthümlichen Natur bedingt durch ihre Entstehung, gewiss einige Zeit brauchen wird, um sich vollständig zu entwickeln, dass namentlich schon viele Bestimmungen in derselben enthalten sind, welche sich erst werden abklären und läutern müssen, um durch sie das Material zu erlangen, auf welche hin die gewünschte neue Rechtsinstitution, besonders das Bundesgericht, aufgebaut werden könne. Es ist zweckmässiger, wenn wir erst diese Erfahrungen abwarten, um dann einen realen und sichern Boden für die neue Rechtsinstitution zu gewinnen, um dann mit Sicherheit bestimmen zu können, wie weit das Bedürfniss geht und der Umfang der Rechte zu bemessen ist, die durch die neue Institution geschützt werden sollen«<.

verweigerung gerichteter Antrag des Abg. Wiggers-Rostock, welcher den Art. 29 der Wiener Schlussakte wörtlich rekapitulirte, fand eine genügende Majorität.

§. 145.

XIV. Verhältniss zu den süddeutschen Staaten.

Der Entwurf hatte nur eine vertragsmässige Regelung der Verhältnisse des norddeutschen Bundes zu den süddeutschen Staaten in Aussicht gestellt. Der Majorität des Reichstages lag es jedoch am Herzen, ausdrücklich Zeugniss dafür abzulegen, dass man den förmlichen Eintritt der süddeutschen Staaten in den neuzugründenden Bundesstaat als ein unabweisbares Bedürfniss betrachte, dass man sich für die Zukunft nicht blos mit Einzelverträgen begnügen könne, dass die volle bundesstaatliche Einigung des Südens mit dem Norden eine geschichtliche Nothwendigkeit, ein berechtigtes Postulat der deutschen Nation sei; dagegen verkannte man nicht, dass es allseitiger politischer Erwägungen bedürfe, um zu bestimmen, wann die Zeit gekommen sei, wo dieser nationale Wunsch sich verwirklichen lasse, ferner dass der Eintritt eines oder aller süddeutschen Staaten wesentliche Modifikationen in der Verfassung nöthig machen werde. Man verwarf daher das Amendement der Linken, welches dahin ging, dass jeder süddeutsche Staat in den Bund und die bestehende Verfassung aufgenommen werden müsse, wann er wolle, man nahm dagegen den Antrag Miquèl-Lasker an, welcher, bei vorsichtiger Fassung und taktvoller Berücksichtigung der Verhältnisse, doch dem grossen Gedanken der nationalen Einigung einen entschiedenen Ausdruck gab, indem man in einem Zusatze zu den Worten des Entwurfes aussprach :

>> Der Eintritt der süddeutschen Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt auf den Vorschlag des Bundespräsidiums im Wege der Gesetzgebung".

Einerseits wird dadurch die Entscheidung der Opportunitätsfrage in die Hände der preussischen Regierung gelegt, welche allein die diplomatisch-politischen Verhältnisse hinreichend beurtheilen kann, um den richtigen Augenblick des Eintritts eines oder aller süddeutschen Staaten zu bestimmen; andererseits wird dieser Eintritt dadurch erleichtert, dass man denselben in den

leichtern Formen der blossen Gesetzgebung vor sich gehen lassen kann. Dass auch von Seiten der verbündeten Regierungen diesem Antrage kein Hinderniss in den Weg gelegt wurde, ja dass sich der Präsident der Bundeskommission für die Berechtigung des darin enthaltenen nationalen Gedankens mit beredten Worten aussprach2, giebt uns das Vertrauen, dass aus den gegenwärtigen Anfängen des norddeutschen Bundes ein staatlich geeinigtes Gesammtdeutschland erwachsen wird.

C. Staatsrechtlicher Abschluss der Verfassung des norddeutschen Bundes. §. 146.

Die Schlussberathung vom 15-17. April.

Am 15. April begann die Schlussberathung über die definitive Annahme der in der Vorberathung im Plenum des Reichstages gefassten Beschlüsse; gleich am Anfange der Sitzung vom 15. April erklärte der Vorsitzende der Bundeskommission, dass die Regierungen 40 von der Majorität beschlossene Amendements annähmen, dass sie dagegen in zwei Punkten nachzugeben nicht im

1) Vergleiche die Ausführungen von Miq u èl S. 638 und Lasker S. 685. Letzterer bemerkte: »Wir wollen durch unser Amendement ausdrücken, dass wir den Beitritt der süddeutschen Staaten nicht für eine Veränderung der Bundesidee halten, dass dieser Beitritt nichts weiter ist, als eine innere Angelegenheit, welche geregelt wird nicht durch Aenderung der Verfassung, sondern das Gesetz.<<

2) Bedeutsam in dieser Rede ist besonders die Auslegung, welche Graf Bismarck dem Art. 4 des Prager Friedens giebt: »>Es ist in dem Artikel 4 nicht von einer Neugestaltung Norddeutschlands blos die Rede, welcher die österreichische Regierung ihre Zustimmung gegeben hat, sondern von einer neuen Gestaltung Deutschlands. Der Begriff wird dadurch erläutert, dass der Nachsatz folgt: »>»Deutschlands ohne Betheiligung des österreichischen Kaiserstaats.<<<< Also es ist zugestimmt zu einer Neugestaltung derjenigen Bestandtheile des frühern deutschen Bundes, welche nach dem Ausscheiden der österreichischen Theile des Bundesterritoriums übrig war. Es ist ferner in der dritten Zeile vor dem Schlusse des Artikels von der nationalen Verbindung Süddeutschlands mit dem norddeutschen Bunde gesprochen, also nicht von einer internationalen, welches Wort ausdrücklich in demselben Artikel auf die Beziehungen Süddeutschlands zum Auslande seine Anwendung gefunden hat. Dafür, dass der norddeutsche Bund gewissermassen schon virtuell als ein deutsch-nationaler angesehen wird, spricht auch die, im Eingange enthaltene Zweck bestimmung, welche » die Wohlfahrt des deutschen (nicht blos des norddeutschen) Volkes« ins Auge fasst.

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