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mit den Grundgesetzen des Bundes nicht vereinbar ausser Wirksamkeit setzte und den Kurfürsten aufforderte, »eine den Verhandlungen der Bundeskommission entsprechende Verfassung ohne Zögerung als Gesetz zu publiciren«<.

Schon am 13. April 1852 verkündete die kurfürstliche Regierung, ermächtigt durch den B.-B. vom 27. März, eine s. g. Verfassungsurkunde, welche aber niemals die Zustimmung irgend einer hessischen Volksvertretung erlangen konnte; ebenso erging es einer andern, von Seiten der kurfürstlichen Regierung vorgelegten Verfassung vom 30. Mai 1860; selbst die auf Grund eines, von neuem oktroyirten Wahlgesetzes vom 30. Mai 1860 berufenen Ständeversammlungen erklärten sich, trotz verschiedener Auflösungen, immer wieder für inkompetent und verlangten die Wiederherstellung der alten, rechtswidrig beseitigten Verfassung vom 5. Januar 1831. Bald darauf stellte die badische Regierung am 4. Juli 1861 den Antrag: »die Verfassung vom 5. Januar 1831, sammt den in den J. 1848 und 1849 gegebenen Erläuterungen und Abänderungen und dem Wahlgesetze von 1849, im Ganzen und namentlich in Bezug auf die zu berufende Landesvertretung, als rechtskräftig und in Wirksamkeit bestehend zu betrachten 12. Diesen Antrag nahmen dann Oesterreich und Preussen am 8. März 1862 wieder auf und sein Inhalt wurde am 24. Mai 1862 zum Bundesbeschlusse erhoben, worauf durch landesherrliche Verkündigung vom 21. Juni 1862 die Verfassung vom 5. Januar 1831 nebst den abändernden Gesetzen von 1848 und 1849 wieder ins Leben gerufen wurde 13. Es muss dieser B.-B.

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11) Solche Bundeswidrigkeiten sind aber niemals nachgewiesen worden. Der erste Kenner des deutschen Bundesrechts, H. A. Zacharia, sagt mit vollem Rechte: »Die Behauptung von den vielen Bundeswidrigkeiten der kurhessischen Verfassung von 1831 ist in ihrer völligen Bodenlosigkeit ans Licht getreten. Der B.-B. vom 24. Mai bezeichnet ausdrücklich nur eine Verletzung des Bundesrechts und diese trifft blos das Wahlgesetz vom 5. April 1849, insofern es die bundesrechtlich verbürgten Standschaftsrechte der Mediatisirten und der Reichsritterschaft ignorirte. Eine Verletzung des monarchischen Princips in der Fassung des Art. 57. der W. Schl. - A., bundeswidrige Theilung der Gewalten, ein Hinderniss in der Erfüllung der Bundespflichten vermögen wir in keiner ihrer Bestimmungen zu erkennen.«<

eine

12) Die Erklärung der badischen Regierung findet sich im Staatsarchiv, B. I. 1861. No. 34. S. 93. Meisterhaft ist auch die Denkschrift des grossherzoglichen Bundestagsgesandten (R. von Mohl) vom 23. Jan. 1862, wodurch dieser Antrag staatsrechtlich gerechtfertigt wurde.

13) Die Protokolle und Bundesbeschlüsse über die kurhessische Verfas

vom 24. Mai 1862 als ein erfreuliches Zeichen dafür gelten, dass man selbst im Schoosse der Bundesversammlung endlich doch den wahren Rechtsgrundsätzen sich nicht länger verschliessen konnte, wie sie vom hessischen Volke mit Ausdauer und männlicher Energie festgehalten waren 14. Nachdem so, nach zwölfjährigem harten Kampfe, die kurhessische Frage zum Abschlusse gekommen war, trat im Herbste 1863 eine zweite politisch viel wichtigere Frage, die schleswig-holsteinsche, in den Vordergrund, von deren Beantwortung, nach dem Bewusstsein des Volkes wie der Kabinete, auch die endliche Lösung der deutschen Frage abhing.

Siebentes Kapitel.

Die deutsche Krisis des Jahres 1866.

§. 119.

Der schleswig-holsteinsche Konflikt.

Am 15. November 1863 erlosch mit König Friedrich VII. der von dem ersten Erbkönige Friedrich III. herrührende Mannsstamm des Gesammthauses Oldenburg auf dem Throne von Dänemark.

sungsangelegenheiten finden sich bei G. v. Meyer, B. III. S. 277 ff. Die B.-V. beschloss in Erwägung, dass die endliche Herstellung eines gesicherten und allseitig anerkannten Rechtszustandes in Kurhessen im dringenden Interesse des Landes, wie des gesammten Deutschlands liegt die kurfürstliche Regierung aufzufordern, die im J. 1852 ausser Wirksamkeit gesetzte Verfassung vom 5. Januar 1831 wiederherzustellen, vorbehaltlich der auf verfassungsmässigem Wege zu vereinbarenden nothwendigen Abänderungen«. Die landesherrliche Verkündigung vom 21. Juni 1862 findet sich in Zacharia's deutschen Verfassungsgesetzen. Forts. II. S. 84.

14) Sehr richtig sagt H. A. Zacharia: »Die Wahrheit des ächt deutschen Spruches: Recht muss doch Recht bleiben, hat sich hier einmal wieder glänzend bewährt. Die B.-V. hat für die unheilvolle Theorie der plenitudo potestatis in Betreff des verfassungsmässigen Rechts der Unterthanen ein Sühnopfer gebracht und sich endlich zu einer von der Gerechtigkeit gebotenen Umkehr entschlossen. Dass es dahin kam, ist Preussens unverkennbares Verdienst«. Verfassungsgesetze; Forts. II. S. 2.

System des deutschen Staatsrechts.

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Nach dem alten Landesrechte, sowie nach den oldenburgischen Hausgesetzen und den Principien der gemeinrechtlichen Lehenfolge hätte nun allerdings für die Herzogthümer SchleswigHolstein die deutsch-agnatische Succession eintreten müssen, wodurch die alte unheilvolle Personalunion der Herzogthümer mit der Krone Dänemark für immer gelöst worden wäre. Allein am 8. Mai 1852 hatten die europäischen Grossmächte zu London mit Dänemark einen Vertrag geschlossen, worin sie das ewige Zusammenbleiben aller bisher zur dänischen Krone gehörigen Lande für »ein europäisches Bedürfniss« erklärt und eine Neuordnung der dänischen Thronfolge im voraus aner kannt hatten, kraft deren der Prinz Christian von Schleswig. Holstein-Sonderburg-Glücksburg und dessen Mannsstamm aus seiner Ehe mit Prinzessin Luise von Hessen in dem Königreiche und den drei Herzogthümern Schleswig, Holstein und Lauenburg succediren sollte1. Auf Grundlage dieses Vertrages, des s. g. Londoner Protokolles, wurde dann das dänische Thronfolgegesetz vom 31. Juli 1853 erlassen und auch für die Herzogthümer publicirt, ohne jedoch den Landesvertretungen derselben verfassungsmässig vorgelegt zu werden; trotzdem hatte sich auch hier der Nachfolger Friedrich's VII. auf dem dänischen Throne, Christian IX., gleich nach dem Tode seines Vorgängers, thatsächlich in Besitz gesetzt.

Das Verhältniss der beiden deutschen Grossmächte zu diesem Monarchen war ein anderes, als das des deutschen Bundes. Oesterreich und Preussen hatten beide den Londoner Vertrag unterzeichnet und waren dadurch, wenigstens Dänemark gegenüber, verpflichtet, König Christian IX. als Thronfolger in dem ganzen Umfange aller bisher vereinigten Theile der Monarchie anzuerkennen. Der deutsche Bund hatte dagegen den Londoner Vertrag niemals unterzeichnet, wohl aber andere Verabredungen anerkannt, welche mit dem Londoner Vertrage im engsten Zusammenhange standen. Auf Grund völkerrechtlicher Verhandlungen mit Oesterreich und Preussen war vom Könige von Dänemark ein Manifest, die auf Holstein und Lauenburg bezügliche Gesammtstaatsordnung betreffend, am 28. Januar 1852 erlassen und am 29. Juli 1852 vom deutschen Bunde » als den Rechten und

1) Staatsarchiv Bd. VI. S. 32.

Interessen des Bundes entsprechend« genehmigt worden 2. Obgleich dieses Manifest und die den beiden vermittelnden deutschen Grossmächten gemachten Zusagen von 1852 die Rechte der Herzogthümer nur sehr unvollkommen wahrten, so wurden doch nicht einmal diese Versprechungen von Dänemark gehalten, sondern vielmehr fortwährend aufs schreiendste verletzt.

Es wurden nun langwierige, resultatlose Verhandlungen zwischen dem Bunde und Dänemark geführt3, bis endlich der zur Ausführung reife Bundesexekutionsbeschluss am 1. Oktober 1863 gefasst wurde, welcher durch Beschluss vom 7. December 1863 auch unter den, seit dem 15. November wesentlich veränderten, Verhältnissen aufrecht erhalten wurde. Am 23. December rückten die Exekutionstruppen ein, die Dänen räumten ohne Schwertstreich Holstein und Lauenburg. Darauf nahmen Preussen und Oesterreich, lediglich als europäische Grossmächte, die Sache Schleswigs in die Hand. Nachdem die deutschen Grossmächte vom Könige Christian IX. die Zurücknahme der mit den Verabredungen von 1852 im Widerspruch stehenden Massregeln in Betreff Schleswigs vergeblich gefordert hatten, schlossen sie am 16. Januar eine Konvention über die zu ergreifenden Massregeln ab, worauf die verbündeten Armeen der beiden Grossmächte noch im Januar 1864 die Eider überschritten. Anfangs beabsichtigten sie blos eine » Pfandnahme « Schleswigs; durch den bewaffneten Widerstand Dänemarks wurde dieser Exekutionszug indessen zum Kriege. Erst mit Eintritt des wirklichen Kriegszustandes glaubten Oesterreich und Preussen ihrer frühern völkerrechtlichen Vertragsverbindlichkeiten gegen Dänemark entbunden zu sein und sich vom Londoner Protokoll lossagen zu dürfen; sie konnten deshalb andere politische Kombinationen ins Auge fassen und offen auf den Londoner Konferenzen aussprechen: » dass der Erbprinz von Augustenburg in den Augen Deutschlands (» dans les yeux de l'Allemagne «) des deutschen Bun

2) Diese Aktenstücke finden sich in Zacharia's Verfassungsgesetzen, 1. Fortsetzung S. 139 ff.

3) Die Bundesverhandlungen finden sich im »Urkundenbuche zur Geschichte der holstein-lauenburgischen Angelegenheit 1851-1858«, Frankf. 1858, und in »den Aktenstücken zur deutsch - dänischen Frage 1861-1863«, Hamburg 1863.

4) Staatsarchiv Bd. V. S. 421.

des und der ungeheuern Mehrheit der Bevölkerung der Herzogthümer das beste Recht auf dieselben habe«.

Die Londoner Konferenzen vom 25. April bis zum 22. Juni 1864 gingen resultatlos auseinander. Der Krieg begann aufs neue und dauerte bis zu der zu Christiansfelde verabredeten Einstellung der Feindseligkeiten am 20. Juli, den Wiener Friedenspräliminarien und dem Waffenstillstande vom 1. August, welcher durch den Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864 bestätigt wurde 7.

Im Art. III desselben verzichtete der König von Dänemark: » à tous ses droits sur les duchés de Slesvic, Holstein et Lauenbourg en faveur de Leurs Majestés le Roi de Prusse et l'Empereur d' Autriche, en s'engageant à reconnaître les dispositions, que Leurs dites Majestés prendront à l'égard de ces duchés".

Nachdem darauf die am 7. December 1863 beschlossene Exekution durch Bundesbeschluss vom 5. December 1864 für beendigt erklärt worden war und die sächsischen und hannöverischen Truppen Holstein verlassen hatten, kamen die Grossmächte in den alleinigen Besitz aller drei Herzogthümer. Allerdings war die Rechtsfrage damit keineswegs entschieden, vielmehr blieb der Anspruch des Erbprinzen von Augustenburg, nach der Ansicht der ersten staatsrechtlichen Autoritäten, der am besten begründete auf die Herzogthümer Schleswig-Holstein, wäh rend die lauenburgische Successionsfrage, bei der Unmasse widerstreitender Prätensionen, sehr zweifelhaft lag. Preussen stellte das augustenburgische Erbrecht, welches Oesterreich früher aufs heftigste bestritten hatte, keineswegs in Abrede; nur konnten bei einer für Deutschlands Zukunft und Preussens Machtstellung so unendlich wichtigen Frage privatfürstenrechtliche Gründe nicht allein den Ausschlag geben. Neben den alten Diplomen und Hausgesetzen mussten auch politische Erwägungen der gewichtigsten Art in Betracht kommen. Lag doch in dem Besitze der

5) Sämmtliche auf die Londoner Konferenzen bezüglichen Aktenstücke finden sich im Staatsarchiv Bd. VII. S. 1-131.

6) Staatsarchiv Bd. VII. S. 145 ff.
7) Staatsarchiv Bd. VII. S. 322.
8) Staatsarchiv Bd. VII. S. 344.

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