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und kraft des Vertrags vom 15. Febr. 1806 noch durch den Besitz von Hannover vergrössert, machte nach Auflösung des Reiches den Versuch, die norddeutschen Staaten zu einem norddeutschen Reichs bunde zu vereinigen 2. Preussen, Sachsen und Hessen sollten das Direktorium bilden, Preussen sollte, als Bundesoberhaupt, die Kaiserwürde annehmen und »alle Vorrechte des Kaisers in den ständischen Ländern« erhalten 3. Dieser Plan scheiterte jedoch an der geringen Bereitwilligkeit von Sachsen und Hessen und den Intriguen Frankreichs.

Im Oktober brach der Krieg zwischen Frankreich und Preussen aus. Der Sieg der französischen Waffen bei Jena und Auerstädt am 14. Oktbr. 1806, bei Friedland am 14. Juni 1807, nöthigte Preussen zu dem unglücklichen Frieden von Tilsit am 9. Juli 1807 5. Durch Artikel VII. verlor Preussen alles, was es zwischen Rhein und Elbe, unter was immer für Titeln besessen, ausserdem noch Danzig und den grössten Theil seiner polnischen Besitzungen, woraus für Sachsen das Herzogthum Warschau gebildet wurde. Selbst Russland bereicherte sich noch mit den Spolien seines Verbündeten (durch den Grenzdistrikt Bialystock). Von 6053 Quadratmeilen verblieben Preussen nur 2882 6. Durch Art. IV. musste der Rheinbund und der Besitzstand seiner Mitglieder anerkannt, sowie die Anerkennung künftig noch aufzunehmender Mitglieder im voraus ausgesprochen werden. Damit war Preussen von jeder Einwirkung auf die deutschen Angelegenheiten ausgeschlossen und der

2) Diese Projekte zu einem norddeutschen Bunde zuerst gründlich erör tert zu haben, ist das Verdienst von Adolf Schmidt. Siehe seine beiden Schriften: Preussens deutsche Politik. Berlin 1850, und Geschichte der preussisch-deutschen Unionsbestrebungen. Berlin 1851. Zu vergleichen ist auch Kaltenborn a. a. O. B. I. S. 39-58. Klüpfel, die deutschen Einheitsbestrebungen in ihrem geschichtlichen Zusammenhange. Leipzig 1853. Häusser, B. II. S. 709.

3) Art. XIII. der »vorläufigen Grundlinien «< eines Verfassungsentwurfes bei A. Schmidt, Preussens deutsche Politik, S. 89.

4) Preussisches Kriegsmanifest vom 9. Okt. 1806. Siehe darüber Gentz, Tagebuch in seinen Schriften, II. S. 237. Häusser, II. S. 735. Das Manifest selbst findet sich bei G. v. Meyer, B. I. S. 150-162.

5) Der Frieden von Tilsit und zwar sowohl der » traité de paix entre S. M. l'Empereur des Français et S. M. l'Empereur de toutes les Russies le 7 Juillet 1807«, als der »traité de paix entre S. M. l'Empereur des Français et S. M. le Roi de Prusse conclu le 9 Juillet 1807 findet sich bei Meyer a. a. O. I. S. 93–100. 6) A. Schmidt, Preussens deutsche Politik. S. 137.

napoleonischen Politik freie Hand gelassen, das Netz ihrer rheinbündnerischen Klientel bis zu den Ufern der Nord- und Ostsee auszuspannen.

Nach schnellem Abfalle von der preussischen Alliance trat Sachsen, als Königreich, in dem Posener Frieden, am 11. Dec. 1806 dem Rheinbunde bei. Als besondere Gnade mussten es die übrigen kleinern norddeutschen Staaten ansehen, dass ihnen die Aufnahme in den Rheinbund zugestanden wurde 8. Die Herzöge von Sachsen-Weimar, Gotha, Meiningen, Hildburghausen und Koburg, von Meklenburg-Schwerin und Strelitz, von Oldenburg, die Fürsten, nunmehrigen Herzöge von Anhalt-Dessau, Bernburg und Köthen, die Fürsten von Lippe-Detmold und Schaumburg, von Reuss älterer und jüngerer Linie, von SchwarzburgRudolstadt und Sondershausen und von Waldeck wurden Mitglieder des Rheinbundes. Hessen-Kassel, BraunschweigWolfenbüttel und der mit Fulda entschädigte Fürst von Oranien wurden ihrer Lande entsetzt.

Aus den abgetretenen preussischen, aus den hessen - kasselschen und braunschweig - wolfenbüttelschen Ländern und einigen andern Gebietstheilen wurde das neue Königreich Westphalen für Napoleon's jüngsten Bruder Hieronymus gebildet, welches durch Dekret vom 7. Dec. 1807 ebenfalls für einen Bestandtheil des Rheinbundes erklärt wurde 9.

Der Rheinbund umfasste nun alle deutschen Staaten, mit Ausnahme von Oesterreich und Preussen, Schwedisch-Pommern und Holstein; sein Gebiet betrug im Jahre 1810 5703 Quadratmeilen mit 14,935,265 Einwohnern 10.

7) Traité de paix et d'accession à la confédération du Rhin, conclu avec S. M. le Roi de Saxe à Posen le 11 Dec. 1806. Meyer, S. 89.

8) Ueber die Aufnahme dieser Fürsten in den Rheinbund ist besonders zu vergleichen: Gagern, Antheil an der Politik, B. I. S. 151-168, und Friedr. von Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten. 1851. Die fast gleichlautenden Accessionsurkunden dieser Staaten finden sich bei Meyer a. a. O. S. 90.

9) Auszug aus der dem Königreiche Westphalen durch S. M. den Kaiser der Franzosen d. d. Fontainebleau le 15 Nov. 1807 gegebenen und durch ein königl. Dekret vom 7. Dec. 1807 publicirten Konstitution, wodurch das Königreich für einen Bestandtheil des rheinischen Bundes erklärt wurde, bei Meyer a. a. O. S. 92.

10) Kaltenborn a. a. O. I. S. 74.

Hauptinhalt der Rheinbundsakte, insbesondere die Verfassung des Bundes'. Die Rheinbundsakte rstreckte sich nicht nur auf die 16 urSpringlich unterzeichnenden Fürsten selbst, sondern auch auf zahlreiche andere deutsche Reichslande, welche, ohne Wissen und Willen hrer Landesherrschaft, zu dem Bunde gezogen und den einzelnen Bundesgliedern zugetheilt wurden. Es waren dies die reichsritterschaftlichen Gebiete, die Reichsstädte Nürnberg und Frankfurt, die Besitzungen des deutschen und des Johanniterordens md lie Lande von 72 reichsständisehen Firsten and Grafen. Hatte man 1803 nur geistliche Staaten und Reichsstädte vernichtet, so wurden hier zum erstenmal auch erbliche und weltliche Landesherra, ohne jeden Rechtsgrund. ihren beutelustigen Nachbarn und hisherigen Mitständen reopfert. Es war dies ein neuer Gewaltak lieser dynastischen Revolution, wodurch abermals eine grosse territoriale Ungestaltung Deutschlands herbeigeführ

wurde.

Die Rheinbundsakte bestimmte Art. XXVI. die in der Souveränetät enthaltenen vier Hauptrechte: legislation, juridiction suprėme, haute police, conser prion nilitaire. Allen Bundesgliedern gebührte die volle Souveränetât, aber den unterworfenen Reichsständen wurden umfassende grundherrliche Rechte, droits seigneuriaux et féodaux non essentiellement inhérens à la souceraineté, und wichtige persönliche Vorrechte3 zugestanden.

1 Die wichtigsten Werke über das öffentliche Recht des Rheinbundes von Zacharia, Behr und Klüber sind oben, S. 92 ff., aufgeführt. Klüber's Staatsrecht des Rheinbundes giebt die beste und vollständigste Darstellung des Staatsrechts jener Zeit. Unbedeutend ist Joseph Zintel's Entwurf eines Staatsrechts für den rheinischen Bund nach den Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts. München 1807. Reiches Material bietet die Zeitschrift von P. A. Winkopp, der rheinische Bund, 69 Hefte in 23 Bänden und 1 Suppl.Fft. 1806-18H. Daselbst finden sich auch die staatsrechtlichen Urkunden der damaligen Zeit; die Rheinbundsakte ist sehr oft abgedruckt, so als Anhang zu Klüber's Staatsrecht und bei G. v. Meyer a. a. O. S. 79.

2. Dies sind die s. g. Mediatisirten. Die Rh.-B.-A. braucht diesen zwar üblichen, aber allerdings nicht genauen Ausdruck selbst niemals, sondern bezeichnet sie durch: »les princes ou comtes actuellement régnans «, und ihre Länder durch: les principautés, comtés ou seigneuries, qui doivent en vertu du present traité passer sous la souveraineté de l'un des états confédérés. «

Art. XXVII-XXXII. Die reichsständischen Gebiete wurden nur »>en toute souveraineté «, die reichsstädtischen und geistlichen Besitzungen »en toute souveraineté et propriété« unterworfen. Nur die souveränen Fürsten waren Mitglieder des Bundes, die unterworfenen Standesherrn dagegen nur hochprivilegirte Unterthanen der einzelnen Rheinbundsfürsten.

Der Rheinbund, confédération du Rhin3, war ein blos völkerrechtlicher Verein souveräner Staaten, kein Reich oder Bundesstaat. Er war eine völlige Neuschöpfung, keine Fortsetzung des deutschen Reiches. Angeblicher Zweck des Bundes war: >> die Sicherung des äussern und innern Friedens von Süddeutschland «<. An der Spitze des Bundes stand als Protektor der Kaiser der Franzosen, er stand als solcher nicht in dem Bunde, sondern über dem Bunde. Er übernahm die Initiative des zu entwerfenden Fundamentalstatutes, ernannte den Nachfolger des Fürsten-Primas (Art. XII.) und konkurrirte vorzüglich bei der Aufnahme neuer Bundesgenossen (Art. XXXIX.), sowie in Kriegsverhältnissen des Bundes. Obgleich Napoleon jeden Gedanken an eine wirkliche Oberherrlichkeit zurückwies, so fand doch thatsächlich die

3) Bei der Abgrenzung der Rechte der neuen Souveräne und der unterworfenen Reichsstände soll man als Vorbild die »lettres patentes d'Alsace« benutzt haben, wodurch das staatsrechtliche Verhältniss deutscher Reichsstände im Elsass zur Krone Frankreich geordnet wurde, s. z. B. die lettres patentes für den Fürstbischof von Strassburg vom J. 1723. Winkopp, B. I. S. 8.

4) Urkunde über die Zuweisung der durch die rheinische Bundesakte mediatisirten Stände und ihrer Gebiete an die betreffenden Souveräne oder »Conditions sous lesquelles les possessions assignées par le traité de Paris sont remises aux états confédérés par les commissaires de S. M. l'Empereur des Français bei Meyer a. a. O. S. 85. Die Besitzergreifungspatente finden sich bei Winkopp, B. I. S. 91-109. S. 142 ff. S. 149 ff. u. s. w.

5) Selbst der Name »Rheinbund« war nicht neu; auch das in seiner Tendenz verwandte Bündniss Frankreichs mit den westlichen Reichsständen vom 14. Aug. 1658 war Rheinbund oder rheinische Alliance genannt worden. Heinrich's deutsche Reichsgeschichte. Abth. IX. S. 67.

6) Ueber den Entwurf des Fundamentalstatutes siehe besonders das Cirkularschreiben des Fürsten - Primas an die übrigen Rheinbundsfürsten vom 13. Sept. 1806 bei Meyer, S. 87.

7) Wichtig über das Verhältniss des Protektors ist besonders: Lettre de S. M. l'Empereur des Français, Roi d'Italie, Protecteur de la Confédération du Rhin à S. A. S. le Prince-Primat, le 11 Sept. 1806, bei Meyer, S. 86: »Nous n'entendons en rien nous arroger la portion de souveraineté, qu'exerçait l'Empereur d'Allemagne comme suzerain. Les affaires intérieures de chaque état ne nous regarLes princes de la confédération du Rhin sont des souverains, qui n'ont

dent

pas.

drückendste Abhängigkeit statt, besonders verfügte Napoleon über die Kontingente ganz nach Willkühr 8.

Die Bundesfürsten entsagten für sich und ihre Nachfolger allen Rechten (à tout droit actuel), welche sie auf die Besitzungen anderer Mitglieder kaben könnten, mit alleiniger Ausnahme der Erbfolgerechte, droits éventuels, Art. XXXIV., erklärten alle Reichsgesetze für sich und ihre Lande für unverbindlich (S. 22, Art. II., und legten alle auf die deutsche Reichsverfassung bezüglichen Titel ab. Der Kurerzkanzler wurde Fürst-Primas. Er war als solcher Präsident der Bundesversammlung. Diese, »la diète de Francfort, sollte das einzige verfassungsmässige Organ des Bundes sein und aus zwei Kollegien bestehen, dem königlichen, wozu auch der Fürst-Primas und die Grossherzöge wegen ihrer >> königlichen Ehren « gehörten, und dem fürstlichen. Nicht nur das allgemeine Präsidium in dem Plenum der Bundesversammlung gebührte dem Fürsten-Primas, sondern auch. das besondere in dem königlichen Kollegium, in dem fürstlichen dem Herzoge von Nassau, Art. X. Die Bundesversammlung war zugleich bestimmt, als Bundesgericht alle Streitigkeiten zwischen den Bundesfürsten zu entscheiden, Art. IX. Aber weder die Organisation dieser Bundesbehörde ist je ins Leben getreten, noch ist das versprochene Fundamentalstatut erlassen worden. Das ganze Bundesverhältniss blieb ein Werkzeug französischer Willkühr und war keiner weitern rechtlichen Entwickelung fähig, doch sind manche Grundzüge der spätern deutschen Bundesverfassung der Rheinbundsakte entlehnt.

§. 99.

Innere staatliche Entwickelung der Rheinbundsstaaten '.

Durch den R.-D.-H.-Sch. vom 25. Febr. 1803 und durch die Rheinbundsakte war der ganze althergebrachte Territorialbe

point de suzerain. Ce ne sont point des rapports de suzeraineté, qui nous liest à la confédération du Rhin, mais des rapports de simple protection.<< 8) Streng aber wahr charakterisirte Gentz » diese Schimpf- und Spottkonstitution«<, sie sei gebildet »aus drei köstlichen Bestandtheilen, einem Sklavenvolke unter einem doppelten Herrn, Despoten in erster Potenz, selbst Sklaven eines höhern Gebieters, und einem selbstgeschaffenen, alles verschlingenden Oberdespoten.<<

1) Das reichste Material in Bezug auf die Verfassung und Verwaltung, die

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