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alle diese Verluste erhielt Oesterreich nur Salzburg und Berchtesgaden, Art. X. Der Kurfürst von Salzburg (ehem. Grossherzog von Toskana) bekam dafür Würzburg als Kurfürstenthum, Art. XI. Die Besitzungen und die Würde des Hoch- und Deutschmeisters sollten in der Linie eines österreichischen Erzherzogs erblich sein, Art. XII. Die freie Reichsstadt Augsburg wurde Bayern überlassen, Art. XIII.

Ausser diesen grossen territorialen Veränderungen machte der Pressburger Friede ein neues Loch in die Reichsverfassung. Oesterreich musste die neukreirten Königskronen von Bayern und Würtemberg und die volle Souveränetät dieser Staaten, sowie Badens, anerkennen. Dass man trotzdem die fortdauernde Zugehörigkeit dieser Länder zum deutschen Bunde » confédération germanique « aussprach, zeigte, wie völlig das Bewusstsein der Reichsordnung den damaligen Machthabern abhanden gekommen war, welche an dieser Stelle absichtlich vermieden, noch von einem deutschen Reiche zu sprechen ".

Neben dieser neugeschaffenen Souveränetät blieb für die Reichsordnung kein Raum mehr. Hatte der Kaiser im Frieden von Pressburg ausdrücklich versprechen müssen, dass er, weder als Reichsoberhaupt, noch als Mitstand, die Vollziehung irgend eines Aktes hindern wolle, wozu jene Fürsten in Folge ihrer Souveränetät schreiten würden, so zog man daraus bald die weitgehendsten Konsequenzen, welche zur völligen Auflösung des Reiches und zum Rheinbunde führten.

Am 17. Juli 1806 unterzeichneten die Gesandten von 16, deutschen Fürsten zu Paris die vom 12. Juli datirte Rheinbundsakte, worin sie sich vom deutschen Reiche lossagten ". Am 1. Au

A

5) Art. VII.: » Les Électeurs de Bavière et de Wurtemberg, ayant pris le titre de Roi, sans néanmoins cesser d'appartenir à la confédération germar anique, S. M. l'Empereur d'Allemagne et d'Autriche les reconnait en cette qualité. Art. XIV.: L. M. les Rois de Bavière et Wurtemberg et N. A. M. l'Électeur de Bade jouiront, sur les territoires à eux cédés, comme aussi sur leur anciens états, de la plénitude de la souveraineté et tous les droits qui on dérivent et qui leur ont été garantis par S. M. l'Empereur des Français, on d'Italie, ainsi et de la même manière, qu'en jouissent S. M. l'Empereur d'A magne et d'Autriche et S. M. le Roi de Prusse sur leurs états allemands. b l'Empereur d'Allemagne et d'Autriche, soit comme chef de l'empire, soit comes co-état, s'engage à ne mettre aucun obstacle à l'exécution des actes, qu'ils mura cu faits ou pourraient faire en conséquence.«<

6) Mit der Angabe Gagern's, B. I. S. 149, dass der vom 12. Jus do

gust erklärte der französische Geschäftsträger Bacher dem Reichstage zu Regensburg, dass » der Kaiser der Franzosen das deutsche Reich nicht mehr anerkenne «7 an demselben Tage übergaben die neuen Rheinbundsfürsten zu Regensburg ihre officielle Lossagungsakte.

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Darauf legte K. Franz II. am 6. August 1806 die römischdeutsche Kaiserkrone nieder, erklärte das Band, welches ihn an den Staatskörper des deutschen Reiches gebunden, für gelöst und die reichsoberhauptliche Würde für erloschen, entband alle Kurfürsten, Fürsten, Stände und Reichsangehörigen, insbesondere die Mitglieder der Reichsgerichte und die übrige Reichsdienerschaft, von ihren Pflichten gegen das Reichsoberhaupt und entzog seine sämmtlichen deutschen Erblande dem Reichsverbande 9. Damit

Vertrag erst am 17. Juli unterzeichnet und vollzogen ist, stimmen alle Berichte in der Reichstagskorrespondenz überein. Häusser, B. II. S. 691.

7) G. v. Meyer a. a. O. S. 68. Charakteristisch ist die Motivirung: >>>Depuis longtemps, des altérations successives, qui, de siècle en siècle, n'ont été qu'augmentant, avaient réduit la constitution germanique à n'être plus qu'une ombre d'elle même. Le temps avait changé tous les rapports de grandeur et de force, qui existaient primitivement entre les divers membres de la confédération entre chacun d'eux et le tout, dont ils faisaient partie. La diète avait cessé d'ailleurs d'avoir une volonté qui lui fut propre. Les sentences des tribunaux suprémes ne pouvaient étre mises à exécution. Tout attestait un affaiblissement si grand, que le lien fédératif n'offrait plus de garantie à personne et n'était entre les puissans qu'un moyen de dissension et de discorde. Les événemens de trois coalitions ont porté cet affaiblissement à son dernier terme; le traité de Presbourg a attribué à L. M. les Rois de Bavière et de Wurtemberg et à S. A. S. l'Électeur de Bade la plénitude de la souveraineté, prérogative, que les autres Électeurs réclameraient sans doute et seraient fondés à réclamer, mais qui ne peut s'accorder ni avec la lettre, ni avec l'esprit de la constitution de l'empire. S. M. l'Empereur et Roi est donc obligé de déclarer, qu'il ne reconnait plus l'existence de la constitution germanique, en reconnaissant la souverainété entière et absolue de chacun des princes, dont les états composent aujourd'hui l'Allemagne.<<

8) G. v. Meyer a. a. O. S. 70. Diese Note der deutschen Reichsbundsfürsten schlägt denselben Ton an; sie klagt: »dass das Band, welches bisher die verschiedenen Glieder der deutschen Staatskörper miteinander verbinden sollte, für diesen Zweck nicht mehr hinreiche, oder vielmehr, dass das Reich in der That schon aufgelöst sei... Bei dem Drange dieser wichtigen Betrachtungen haben die Souveräns und Fürsten des mittäglichen und westlichen Deutschlands sich bewogen gefunden, einen neuen, den Zeitumständen angemessenen Bund zu schliessen. Vergeblich aber würden sie sich geschmeichelt haben, den gewünschten Endzweck zu erreichen, wenn sie sich nicht zugleich eines mächtigen Schutzes versichert hätten, wozu sich nunmehr der nämliche Monarch, dessen Absichten sich stets mit den wahren Interessen Deutschlands übereinstimmend gezeigt haben (!), verbindet.<<

erreichte das tausendjährige Reich Karl's des Grossen, »das heilige römische Reich deutscher Nation«, sein Ende 1o.

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Zweiter Abschnitt.

Der Rheinbund.

§. 96.

Die Gründung des Rheinbundes1.

Seit die Zwietracht und Schwäche Oesterreichs und Preussens die mittlern und kleinern Reichsstände des südwestlichen

9) Die Erklärung Sr. Maj. des Kaisers Franz II., wodurch er die deutsche Kaiserkrone und das Reichsregiment niederlegt, die Kurfürsten, Fürsten und übrigen Stände, wie auch alle Angehörigen und Dienerschaft des Reiches, ihrer bisherigen Pflichten entbindet, datirt Wien, den 6. Aug. 1806, steht bei Meyer a. a. O. S. 71.

10) Nach den Grundsätzen des Reichsstaatsrechts konnte weder die völlig rechtswidrige Lossagung einzelner Fürsten vom Reichsverbande, noch die Entsagung des Kaisers auf die Krone, das Reich selbst aufheben. Der staatsrechtlich korrekte Weg nach Abdikation des Kaisers wäre gewesen, dass der Kurfürst von Sachsen das Reichsvikariat angetreten hätte und dass eine neue Kaiserwahl veranlasst worden wäre, dass der Reichsfiskal einen Process wegen Felonie resp. Hochverraths gegen die Rheinbundsfürsten angestrengt hätte u. s. w. Aber die Macht der Thatsachen spottete solcher juristischlegitimistischen Konsequenzen. Die Rheinbundsstaaten, also der ganze Südwesten Deutschlands, die österreichischen Lande, waren dem Reichsverbande thatsächlich entzogen, Preussen nahm die Reichsauflösung sofort als eine vollendete Thatsache an, der König von Dänemark inkorporirte am 9. Septbr. seine deutschen Besitzungen der dänischen Krone, der König von Schweden, als Herzog von Pommern, zog sich schon am 3. Januar vom Reichstage zurück und unterstellte Pommern und Rügen am 26. Juni der schwedischen Reichsverfassung. Die dänische und schwedische Erklärung findet sich bei Meyer a. a. O. S. 72 ff.) Nur der König von England, als bisheriger Kurfürst von Hannover, erkannte die Auflösung des Reiches nicht an, obgleich auch er damals nicht öffentlich protestirte. (Hannoversche Erklärung vom 25. Novbr. 1914. Klüber, Akten, B. I. Heft 1. S. 84.) Da in Deutschland also nirgends Widerspruch erhoben wurde und niemand auftrat, die Fortexistenz des Reiches geltend zu machen und seine Verfassung zu vertheidigen, so muss mit der Abdankung Franz II. auch das Ende des deutschen Reiches angenommen werden. Freilich bleibt dabei das unvertilgbare Recht der deutschen Nation auf eine staatliche Reichsverbindung fortbestehen. » Vor allen Traktaten haben die Nationen ihre Rechte «. (Preuss. Erklärung vom 9. Okt. 1806.)

1) Marchese Lucchesini, sulle causse e gli effetti della confederazione Renana. II Tom. 1819. Deutsch von B. J. F. von Halem. Leipzig 1821.

Deutschlands dem französischen Einflusse immer mehr in die Arme getrieben hatte, war der Gedanke eines engern Anschlusses dieser dritten deutschen Staatengruppe an Frankreich eine feststehende Tradition der französischen Politik geworden. Die Separatverträge von 1796, die französische Protektion in der Zeit der Auflösung von 1802 und 1803 enthielten bereits die Ansätze zu einer solchen deutsch-französischen Verbindung. Eine bestimmtere Richtung gewannen diese Bestrebungen besonders seit dem Jahre 1804, wo sich der neue Imperator zuerst in Mainz von den süd- und westdeutschen Fürsten huldigen liess. Der Krieg von 1805 zeitigte diese Ideen. Man dachte wohl in Deutschland daran, ein solches Bündniss selbstständig, ja in formellem Anschlusse an die Reichsverfassung eingehen zu können 2. Aber Napoleon wollte den Bund als ein reines Geschöpf und Gnadengeschenk seiner Hand erscheinen lassen. Schon im März 1806 hatte er zu München den Bevollmächtigten von Bayern, Würtemberg und Baden den vorläufigen Entwurf eines Bündnisses vorgelegt 3. Aber erst im April wurden die Pläne zu Paris wieder aufgenommen. Von gemeinsamen Unterhandlungen mit der Gesammtheit der deutschen Bevollmächtigten war nicht die Rede *. Talleyrand, und durch ihn Napoleon, blieb allein Meister der Situation. Die kleinern Staaten erfuhren den Inhalt der Bundesakte erst am Tage der Unterzeichnung. Es blieb ihnen indessen

Frhr. von Gagern, Mein Antheil an der Politik. Theil I. Stuttgart 1823. L. Häusser, deutsche Geschichte. B. II. Abschnitt V, besonders S. 65 bis 700. Karl von Kaltenborn, Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse und Einheitsbestrebungen von 1806-1856 unter Berücksichtigung der Entwickelung der Landesverfassungen. I. Th. Berl. 1857. S. 3-38. Klüpfel in Bluntschli's Staatswörterbuch, B. VIII. S. 610, unter dem Art. Rheinbund.

2) So vor allem der Kurerzkanzler, welcher noch am 19. April 18th Napoleon aufforderte, als ein zweiter Karl der Grosse Kaiser des Abendlandes zu werden, »um die Keime deutscher Wiedergeburt zu entwickeln«. »>Werden Sie, Sire, der Regenerator unserer deutschen Verfassung«. Häusser, B. II. S. 579.

3) Hierüber siehe bes. Klüber, Uebersicht der diplom. Verhandlungen. S. 120. Kaltenborn a. a. O. S. 18.

4) Lucchesini, B. I. S. 368 ff. Gagern, B. I. S. 149–153.

5) Ausser Talleyrand war besonders ein Beamter im Ministerium, Labesnardière, thätig, dieser konsultirte wieder den alten achtzigjährigen Strassburger Publicisten Pfeffel, früher »Jurisconsulte du Roi«. Gagern, I. S. 142-144. Kaltenborn, S. 28. Dem alten Pfeffel verdankt man gerade die schonendsten und für die deutschen Verhältnisse rücksichtsvollsten An

keine andere Wahl, als die » Acte de la confédération du Rhin ou traité entre S. M. l'Empereur des Français et les membres de l'empire germanique denommés, conclu à Paris le 12 Juillet 1806« zu unterzeichnen. Am 25. Juli fand die Auswechselung der Ratifikationen zu München statt. Die 16 ursprünglichen Mitglieder des Rheinbundes waren: der König von Bayern und Würtemberg, der bisherige Kurerzkanzler, nun Fürst-Primas 6, der bisherige Kurfürst, nun Grossherzog von Baden, die Grossherzöge von Berg und Hessen-Darmstadt, der Herzog von Nassau-Usingen und der Fürst von Nassau-Weilburg, die Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen und Hechingen, von Salm-Salm und Salm-Kyrburg, von Isenburg-Birstein, der Herzog von Aremberg und der bisherige Graf, jetzt Fürst von der Leyen, der Fürst von Liechtenstein 8.

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§. 97.

Weitere Ausdehnung des Rheinbundes.

Der erste Fürst, welcher zu den 16 ursprünglichen Mitgliedern hinzutrat, war der Erzherzog-Grossherzog von Würzburg1. Aber dieser Bund, ursprünglich nur dazu bestimmt, »den innern und äussern Frieden des südlichen Deutschlands zu sichern«, sollte noch ganz andere Dimensionen annehmen.

Preussen, seit dem Frieden von Basel in neutraler Stellung

ordnungen der Rheinbundsakte, besonders in Betreff der s. g. Mediati

sirten.

6) Dies war der bekannte Karl Theodor Anton Maria Frhr. von Dalberg, geb. 1744, seit 1803 Kurerzkanzler, 1806 Fürst-Primas, 1810 Grossherzog von Frankfurt, 1813 seiner Regierung verlustig, † 1817. Ueber ihn besonders Perthes, Politische Zustände. S. 307–325.

7) Die von Preussen und Bayern abgetretenen Herzogthümer Kleve und Berg hatte Napoleon auf seinen Schwager, den Prinzen Joachim Mürat, am 15. März 1806 übertragen. Décret de S. M. l'Empereur des Français par lequel il transfère les duchés de Cleves et de Berg à son beau-frère le Prince Joachim, en date du 15 Mars 1806, bei G. v. Meyer a. a. O. S. 75.

8) Letzterer wurde sogar ohne sein Zuthun zum Rheinbundsmitgliede gemacht; deshalb hat er weder die Rheinbundsakte, noch die beim Reichstage am 1. Aug. übergebene Erklärung unterzeichnen lassen. Klüber's Uebersicht, S. 250. G. v. Meyer a. a. O. S. 79, Anm. 2. Oertel, Staatsgrundgesetze. S. 651 und 654.

1) Traité d'accession de S. A. R. l'Archiduc Grand-duc de Wurzbourg le 25 Sept. 1806, bei Guido von Meyer, I. S. SS. Winkopp, der Rheinische Bund, B. II. S. 291 ff.

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