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sollten << 16. Damit war der längst von den Franzosen erstrebte Grundsatz der Säkularisation deutlich genug ausgesprochen. Die Dynastien wurden entschädigt, das Reich verlor.

Am 24. Aug. 1802 trat die ausserordentliche Reichsdeputation zu Regensburg zusammen 17, um das Entschädigungsgeschäft, unter Vermittelung von Frankreich und Russland, zur Ausführung zu bringen. Alle Hauptpunkte waren bereits durch die vermittelnden Mächte, besonders durch Frankreich entschieden, dessen durch Mittel aller Art erkaufte Gunst die Loose sehr ungleich vertheilte 18. Frankreichs diplomatische Kommission (Laforest, Matthieu, Bacher) gab in allen wichtigen Sachen den Ausschlag; die Reichsdeputation bereitete für sie eigentlich nur das Material vor und verfügte höchstens über untergeordnetere Angelegenheiten mit einiger Selbstständigkeit. Der Entschädigungsentwurf, den die fremden Mächte am 24. Aug. übergaben und die Deputation am 8. Septbr. angenommen hatte, der dann in einer neuen Gestalt am 9. Okt. wieder vorgelegt und mit wesentlichen Zusätzen und Veränderungen zur Annahme gelangt war, dieser dreifach modificirte Plan wurde am 25. Februar 1803 in seiner vierten Redaktion von der Reichsdeputation zum Abschlusse gebracht 19. Es ist dies der eigentliche Reichsdeputations hauptschluss, welcher durch Reichsgutachten vom 24. März und durch kaiserliches Ratifikationsdekret vom 27. April 1803 zum Reichsgesetze erhoben wurde (s. g. jüngster Reichsschluss 20).

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16) Dieser berühmte Art. VII. lautet: »Et comme par suite de la cession, que fait l'empire à la république française, plusieurs princes et états de l'empire se trouvent particulièrement dépossédés, en tout ou en partie, tandis que c'est à l'empire germanique collectivement à supporter les pertes résultantes des stipulations du présent traité, il est convenu entre S. M. l'Empereur et Roi, tant en son nom, qu'au nom de l'empire germanique et la république française, qu'en conformité des principes formellement établis au congrès de Rastadt, l'empire sera tenu de donner aux princes héréditaires, qui se trouvent dépossédés à la rive gauche du Rhin, un dédommagement, qui sera pris dans le sein du dit empire, suivant les arrangemens, qui d'après ces bases seront ultérieurement déterminés. «<

17) Dieselbe war zusammengesetzt aus den Gesandten von Mainz, Bōhmen, Sachsen, Brandenburg, Bayern, Würtemberg, Hoch- und Deutschmeister und Hessen-Kassel. Dazu kam die kaiserliche Plenipotenz.

18) Häusser, II. S. 393 ff.

S. 117, 119.

19) Häusser, B. II. S. 399.

Gagern, Mein Antheil an der Politik, I.

§. 94.

Letzte Umgestaltung des deutschen Reiches durch den Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 1.

Kurz vor seinem Untergange erlebte das deutsche Reich noch eine durchgreifende Umgestaltung seiner ganzen Verfassung.

Das geistliche Fürstenthum, dieser charakteristische Zug der mittelaltrigen Reichsphysiognomie, wurde fast gänzlich beseitigt, die Reichsstädte gingen bis auf 6 verloren, indem aus diesen Elementen der Entschädigungsfonds für die erblichen Fürsten gebildet wurde 2.

In dem Kurfürstenrathe erloschen Köln und Trier, der Stuhl zu Mainz wurde auf Regensburg übertragen; der ex jure

20) Der Reichsdeputations hauptschluss ist sehr oft abgedruckt; zusammengestellt mit dem Reichsgutachten, dem Ratifikationsdekret u. s. w. findet er sich im Anhange zu Leist's Staatsrecht, S. 28-83.

1) Ueber denselben handeln speciell Adam Christian Gaspari, der Deputationsrecess, mit historischen, geographischen und statistischen Erläuterungen und einer Vergleichungstafel. 2 Bde. Hamburg 1803. Von demselben: der französisch-russische Entschädigungsplan. Regensburg 1802. K. E. Ad. von Hoff, das deutsche Reich vor der französischen Revolution und nach dem Frieden von Lüneville, 2 Thle. Gotha 1801 und 1805. Karl Wilhelm von Lancizolle, Uebersicht der deutschen Reichsstandschaftsund Territorialverhältnisse vor dem französischen Revolutionskriege, der seitdem eingetretenen Veränderungen und der gegenwärtigen Bestandtheile des deutschen Bundes und der Bundesstaaten. Berlin 1830.

2 Oesterreich erhielt: Trient und Brixen, der Grossherzog von Toskana: Salzburg, Berchtesgaden, den grössten Theil von Eichstädt und Theile von Passau, der Herzog von Modena: Breisgau und Ortenau, Pfalzbayern: die Bisthümer Würzburg, Bamberg, Freisingen, Augsburg, Passau, viele Abteien und Reichsstädte, Preussen: Hildesheim, Paderborn, Erfurt, das Eichsfeld, den grössten Theil von Münster, die Städte Nordhausen, Mühlhausen und Goslar, Braunschweig-Lüneburg: Osnabrück, Baden: Konstanz, die Reste der Bisthümer Speier, Basel, Strassburg, die pfälzischen Aemter Ladenburg, Bretten und Heidelberg, viele Reichsstädte und Abteien, Würtemberg: Ellwangen, Zwiefalten, viele andere Abteien und Reichsstädte, Hessen-Kassel: die mainzischen Aemter Fritzlar, Naumburg, Amöneburg, die Stadt Gelnhausen, Hessen-Darmstadt: das kölnische Herzogthum Westphalen, viele mainzische Besitzungen, den Rest des Bisthums Worms, die beiden Linien Nassau-Usingen und Weilburg erhielten mainzische Aemter, das pfälzische Amt Kaub, Theile des Kurfürstenthums Köln und Trier, die Linie Nassau-Dillenburg Oranien): Fulda, Corvey, Weingarten, die Reichsstadt Dortmund u. s. w. An diese reichen Ausstattungen, welche den Verlust weit überwogen, schlossen sich dann die kleinern Entschädigungen, welche zum Theil nur in Renten bestanden.

novo dotirte Kurerzkanzler war nun der einzige geistliche Kurfürst, dagegen wurden vier neue weltliche Kurwürden begründet für Würtemberg, Baden, Hessen - Kassel und Salzburg, d. h. den ehemaligen Grossherzog von Toskana. Es gab somit 10 Kur

fürsten.

Der Städterath schmolz auf 6 Mitglieder zusammen: Augsburg, Lübeck, Nürnberg, Frankfurt, Bremen und Hamburg; 45 Reichsstädte wurden aufgehoben 3. Den noch bleibenden Reichsstädten wurde in allen Reichskriegen unbedingte Neutralität und Befreiung von allen Kriegslasten zugestanden, aber auch jedes Stimmrecht in Kriegs- und Friedensangelegenheiten ent

zogen.

Im Fürstenrathe erloschen alle geistliche Stimmen bis auf drei Regensburg, Hoch- und Deutschmeister, Johannitermeister, die vier Kuriatstimmen der Grafen wurden beibehalten.

Gegen eine neue Kreirung von Virilstimmen im Fürstenrathe, wie sie der R.-D.-H.-Sch. §. 32. vorgeschlagen hatte, legte der Kaiser sein Veto ein, wozu er allerdings vollkommen berechtigt, aber keineswegs, durch die Reichsverfassung und den im westphälischen Frieden festgestellten Grundsatz der Religionsparität, verpflichtet war. Diese neuvorgeschlagenen Virilstimmen traten daher, in Ermangelung der reichsoberhauptlichen Sanktion, nie ins Leben. Dagegen waren die Stimmen der säkularisirten Stifter, welche als Entschädigungslande auf die Erbfürsten gekommen waren, unmittelbar aktive, vollgültige Stimmen, deren Führung keiner kaiserlichen Genehmigung mehr bedurfte. Trotz der kaiserlichen Anzweifelungen gingen diese Stimmen ohne weiteres auf die weltlichen Fürsten über und der Fürstenrath bestand auf dieser Grundlage bis zum Ende des Reiches. Durch den Wegfall von 18 überrheinischen Stimmen sank die Zahl von 100 auf 82, von denen 53 resp. 52 evangelisch, 29 resp. 30 katholisch waren. Die Eintheilung in eine geistliche und weltliche Bank wurde zwar beibehalten, aber nicht als eine organische Einrichtung, sondern als

3) G. W. Hugo, die Mediatisirung der deutschen Reichsstädte, 1835. 4) In Betreff der Umgestaltung des Fürstenrathes verweisen wir auf die gediegene und scharfsinnige Schrift von Karl Ludwig Aegidi, der Fürstenrath nach dem Lüneviller Frieden. Berlin 1953.

blosser Abstimmungsmodus, denn auch auf der geistlichen Bank bildeten die drei geistlichen Fürsten eine Ausnahme.

§. 95.

Das Ende des >> heiligen römischen Reiches deutscher Nation«.

Dieser Umsturz aller Besitzverhältnisse in Deutschland, diese dynastische Revolution, welche sich nur zum Scheine noch in die Formen des Reichsrechts gekleidet hatte, erschütterte den mittelaltrigen Bau des deutschen Reiches in seinen Grundfesten. Nur noch eine kurze Zeit konnten die staatsrechtlichen Organe des Reiches: der Kaiser, der Reichstag zu Regensburg, das Reichskammergericht zu Wetzlar eine Scheinexistenz führen. Die organischen Gesetze, welche der Reichsdeputationshauptschluss nothwendig gemacht hatte, kamen nicht mehr zu Stande, die Organisation des Reichsfürstenrathes blieb unvollendet; die Kreisverfassung, das Reichsmatrikularwesen, tieferschüttert durch die politischen Umgestaltungen, wurde nicht mehr berichtigt. Die Reichsritterschaft, deren Rechte Kaiser und Reich noch 1803 ausdrücklich gewahrt hatten, wurde von ihren landesherrlichen Nachbarn immer mehr bedrängt 1; nicht nur die grössern Fürsten, wie Bayern und beide Hessen, auch die kleinen, selbst bald dem Untergange gewidmeten Dynasten, wie Isenburg, Hohenlohe, Leyen und Salm - Reiferscheid, übten gegen diese Kleinsten wieder ihre Faustrechtspolitik, um dadurch » die nothwendige Konsolidirung ihrer Territorien « durchzuführen. Ein s. g. »kaiserliches Konservatorium des Reichshofrathes vom 23. Januar 1804« rettete jetzt noch einmal die Reichsritterschaft wenigstens vor völliger Vernichtung.

Dieser anarchischen Krisis im Innern entsprach die Schutzlosigkeit des Reiches nach aussen. Die Besetzung des Reichslandes Hannover (Kapitulation von Suhlingen am 3. Juni 1803), die schnöde Gebietsverletzung durch die Gefangennahme des Herzogs von Enghien konnte den Reichstag nicht aus seinem lethargischen Schlafe aufrütteln 2.

1) Ueber diese Bedrängnisse der Reichsritterschaft siehe bes. Häberlin's Staatsarchiv, B. XI. XIV. Merkwürdig ist auch der klassische Brief Stein's, der, als rheinischer Reichsritter, auch von derartigen Uebergriffen bedroht war, an den Fürsten von Nassau-Usingen. Pertz, B. I. S. 257.

2) Um allen diesen Verlegenheiten zu entgehen, desertirten die Reichs

Im Gefühle der sich immer mehr auflösenden Reichsordnung und um Napoleon's erblichem Kaiserthume eine gleichberechtigte Würde gegenüberzustellen, nahm Kaiser Franz II. am 14. August den erblichen Titel eines Kaisers von Oesterreich an. Diese neue Kaiserwürde stand mit der alten römischdeutschen in keinem staatsrechtlichen Zusammenhange. Es fand daher von 1804-6 nur eine blos zufällige Personalunion der alten und der neuen, der auf Wahl beruhenden und der erblichen Kaiserkrone statt. Erst vom 14. August 1804 gab es einen österreichischen Kaiserstaat 3.

Im Jahre 1805 kam es zwischen Russland, England und Oesterreich zu einer neuen Koalition gegen Frankreich. Im Herbste dieses Jahres begann der Krieg zwischen Oesterreich und Frankreich, in welchem bereits Bayern, Würtemberg und Baden auf Seiten Frankreichs fochten und das deutsche Reich sich mit der Versicherung Napoleon's begnügte, dass Frankreich den Krieg für die Unabhängigkeit Deutschlands « und »>zum Schutze der deutschen Reichsverfassung « begonnen habe «<!

Die Kapitulation Ulm's am 17. Oktober, die Eroberung Wien's am 13. Nov. und die Schlacht bei Austerlitz am 2. December nöthigten Oesterreich zum Frieden von Pressburg am 26. Dec. 1805 4. Oesterreich musste in diesem Friedensschlusse alle die Uebergriffe anerkennen, welche Frankreich seit dem Vertrage von Lüneville gemacht hatte, namentlich die Veränderungen in Holland, der Schweiz und Italien; es musste das venetianische Gebiet an das neue Königreich Italien (Art. IV.), die Markgrafschaft Burgau, Vorarlberg, die Grafschaft Hohenembs, ganz Tirol mit Brixen und Trient, die ihm 1803 zugefallenen Theile von Passau und Eichstädt an Bayern, die Städte Ehingen, Munderkingen, Riedlingen, Mengen, die Grafschaft Hohenberg, die Landgrafschaft Nellenburg an Würtemberg, den Breisgau, die Ortenau, die Stadt Konstanz und Meinau an Baden abtreten, Art. VIII. Für

tagsgesandten zu Ende Juli in Masse. Für den Reichstag traten damit vor der Zeit Ferien ein und die gefürchtete Berathung war abgewendet. Häusser, II. S. 504.

3) Siehe meinen Art. Habsburger in Bluntschli's Staatsw. B. IV. S. 620.

4) Der Friedenstraktat von Pressburg findet sich bei G. v. Meyer a. a. 0. No. IV. S. 65.

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