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Uebergehung der untern Instanzen, sogleich bei dem R.-K.-G. geklagt werden konnte und hier ein kurzer schleuniger Process stattfand. Dahin gehörten die Landfriedensbruchsachen, die Fiskalsachen u. s. w.

Das R.-K.-G. sollte jährlich durch Reichsdeputationen visitirt werden 13. Die ordentlichen Visitationen hörten aber seit 1588 auf. Die ausserordentlichen kamen nur selten zu Stande; die letzte dauerte von 1767-1776 und ging ohne Beendigung ihres Geschäftes auseinander

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Gegen die Erkenntnisse des R.-K.-G. waren die Rechtsmittel der Restitution 15, der Revision 16, des Rekurses an den Reichstag 17, unter bestimmten Voraussetzungen, zulässig, doch hatten sie meistens keinen Suspensiveffekt.

von ihrer Art und Eigenschaft wegen, ungeachtet ob sie mit oder ohne Mittel dem Reiche unterworfen, in erster Instanz an das R.-K.-G. gehörig «), Religionsfriedensbruchsachen, J. P. O. XVII. §. 4. J. R.-A. 1654. §. 193. Fiskalsachen, wegen streitigen Besitzes (Konc. Th. II. Tit. 22.), wegen Arresten und Repressalien, wegen Sachen, wo s. g. mandata sine clausula statthaft waren. K.-G.-O. von 1555, Th. II. Tit XXIII. Selbst gegen Mittelbare konnte der Reichsfiskal wegen Landesfriedensbruch und Uebertretung der Reichsgesetze sogleich in erster Instanz beim R.-K.-G. klagbar werden, wenn solche Klagen sich auch schwer praktisch durchführen liessen. Häberlin, B. II. S. 451. Auf diesen Ausnahmsfällen gerade beruhte die Hauptbedeutung des Reichskammergerichts. Hier konnte es den Besitz schützen, der Gewalt steuern. Thudichum a. a. O. S. 214.

13) Moser, Justizverf. II. B. 728. Malblank, B. II. Häberlin, B. II. S. 357. G. H. von Berg, Darstellung der Visitationen des K.- und R.K.-G.-R. Gött. 1794.

14) Pütter, wahre Bewandtniss der am 8. Mai 1776 erfolgten Trennung der bisherigen Visitation des K.- und R.-K.-G. Gött. 1776. 4. Thudichum a. a. O. S. 203.

15) Das Restitutionsgesuch musste binnen vier Jahren angebracht werden; es fand nur statt, wenn neue erhebliche Thatsachen vorgebracht werden konnten, ex capite novorum.

16) Dies seit 1532 eingeführte Rechtsmittel hatte Devolutivkraft und brachte die Sache an die Visitationsdeputation, welche dadurch zugleich zu einem Revisionsgerichte gemacht wurde. Da die ordentlichen Visitationen ausser Uebung kamen, so entzog der J. R.-A. §. 124. diesem Rechtsmittel die Suspensivkraft. Gegen aussergerichtliche Dekrete des R.-K.-G. fand auch ein Rekurs an die Visitation, als solche, statt. K.-G.-O. von 1555, Th. I. Tit. 50. §. 5.

17) Durch Rekurs an den Reichstag suchte eine Partei Abänderung eines beschwerenden reichsgerichtlichen Erkenntnisses durch die höchste Reichsstaatsgewalt herbeizuführen; es war dies kein ordentliches Rechtsmittel, weder an Fatalien, noch Formalien gebunden und hatte keinen Suspensiveffekt. Es fehlte über den Rekurs an festen reichsgesetzlichen Bestimmungen (Wahlk.

Da der Kaiser keine unmittelbare exekutive Macht im Reiche hatte, so wurde die Exekution rechtskräftiger reichsgerichtlicher Urtheile im Ungehorsamsfalle gegen einen reichsunmittelbaren Verurtheilten regelmässig den kreisausschreibenden Fürsten, gegen einen mittelbaren seiner ordentlichen Obrigkeit durch ein mandatum de exequendo übertragen

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§. 85.

Der Reichshofrath 1.

Durch die Errichtung des Reichskammergerichts fiel keineswegs das Recht des Kaisers auf Entscheidung von Streitsachen fort und wurde ihm für einzelne Sachen sogar reichsgesetzlich vorbehalten, besonders wo es sich um die Aberkennung. von Fürstenthümern und Grafschaften handelte (R.-A. von 1512, §. 10. Neue Samml. II. S. 138, R.-A. von 1521. §. 12. das. S. 174). Für die reichs- wie die erbländischen Sachen hatte bereits Maximilian I. 1501 ein Hofrathskollegium bestellt, welchem er auch die Vorbereitung der an ihn gelangenden gerichtlichen Berufungen zuwies. Ferdinand I. entzog diesem Kollegium 1559 alle erbländischen Angelegenheiten, sodass es seit dieser Zeit lediglich als Reichshofrath erschien. Gleichwohl weigerten sich die Reichsstände, die Gerichtsbarkeit dieses Kollegiums anzuerkennen, bis der westphälische Frieden endlich diesen Streit beendigte, und den Reichshofrath als oberstes

XVII. §. 3.) und selten hatte derselbe Erfolg. Uebrigens war der Rekurs von der durch Gesetz vorgeschriebenen Verweisung an den Reichstag durchaus verschieden.

18) Die wichtigsten Bestimmungen über die Exekution sind enthalten in der Exekutionsordnung von 1555, Schmauss, I. S. 322, und der K.G.-O. von 1555, Th. III. Tit. 48. und 49., im J. R.-A. von 1654, §. 159 ff., im J. P. O. V. §. 51. (Religionsgleichheit) XVII. §. 7. XVI. §. 12. Wahlk. XVI. §. 16. Unter allen Mängeln der Reichsjustiz war die Schwerfälligkeit und Schwierigkeit der Exekution der schlimmste. Thudi chum a. a. O. S. 214.

1) Von dem Werke von Malblank kommt hier der III. Theil in Betracht. Wichtig wegen der darin mitgetheilten Urkunden ist besonders Johann Christoph von Uffenbach tractatus de Consilio Caesareo-imperiali aulico. Viennae et Pragae 1700. Fol. Das Hauptspecialwerk über den R.-H.-R. ist Johann Christian Herchenhahn, Geschichte der Entstehung, Bildung und gegenwärtigen Verfassung des kaiserlichen Reichshofraths, nebst der Verhandlungsart der darauf vorkommenden Geschäfte. Mannheim 1792. 3 Thle. Moser, deutsche Justizverfass. Th. II. Pütter, inst. §. 275 ff. Häberlin, B. II. S. 371 ff.

kaiserliches Gericht reichsgrundgesetzlich anerkannte, J. P. 0. V. §. 55. und 56. Der Reichshofrath sollte bei seinem gerichtlichen Verfahren die Kammergerichtsordnung beobachten, J. P. O. V. §. 54., doch gab es auch besondere Reichshofrathsordnungen, welche der Kaiser allein erliess, freilich immer unter Widerspruch der Stände; die erste ist von 1559, die letzte von 1654 2.

Der Kaiser, als höchster Richter im deutschen Reiche, war des Reichshofraths oberstes und einziges Haupt 3. Wegen dieser engen persönlichen Verbindung wurde mit dem Tode jedes Kaisers der R.-H.-R. aufgelöst. Das Kollegium bestand aus einem Präsidenten, einem Vicepräsidenten und Reichshofräthen (regelm. 18), welche sämmtlich vom Kaiser ernannt wurden; wenigstens 6 Reichshofräthe sollten evangelisch sein. Der Präsident und der Vicepräsident sollten gräflichen oder freiherrlichen Standes sein, die Räthe theilten sich in die Herrn- und Gelehrtenbank (W.-K. XXIV. §. 1., 2. und 11. XXV. §. 5. J. P. O. V. §. 54). Die 20-30 Reichshofrath sagenten wurden von dem Präsidenten ernannt, der Reichshoffiskal unmittelbar vom Kaiser. Zur Besorgung ihrer gerichtlichen und aussergerichtlichen Angelegenheiten durften indessen die Reichsstände eigene Anwälte ernennen. Der Reichshofrath musste immer im vollen Rathe verhandeln, jede Theilung in Senate war ausgeschlossen 3, W.-K. (1742) XXIV. §. 13. Der Präsident hatte nicht nur bei Stimmengleichheit eine entscheidende Stimme, sondern er hatte auch das

2) Sämmtliche Reichshofrathsordnungen sind abgedruckt bei Uffenbach a. a. O. Mantissa I. p. 5-80.

3) R.-H.-O. Tit. I. §. 1.: »Unser kaiserlicher R.-H.-R., dessen oberstes Haupt und Richter allein Wir und ein jeder römischer Kaiser selbst ist«. Der Reichshofrathspräsident als Stellvertreter des Kaisers wird das nachgesetzte Haupt« genannt. R.-H.-O. I. §. 4. Danz, Justizverf. S. 74: »Sowie das Kammergericht mehr von dem aristokratischen Theile der Regierungsform Deutschlands abhängt, so hängt hingegen der Reichshofrath mehr von dem monarchischen Theile dersel

ben ab«.

4) Mit Ausnahme des Reichshofvice kanzlers, welcher von Amtswegen darin Sitz und Stimme hatte. Ihn ernannte der Reichserzkanzler, wie er auch die Reichshofkanzlei besetzte.

5) Ueber die Verschiedenheit des Verfahrens beim R.-H.-R. und beim R.-K.-G. siehe besonders Benjamin Ferdinand Mohl, historisch - polit. Vergleichung der beiden höchsten Reichsgerichte in ihren wichtigsten Verhältnissen. Ulm 1789.

Recht, die Sache in einem Gutachten dem Kaiser zur Entscheidung vorzulegen (votum ad imperatorem), wenn die Mehrheit nicht überwiegend war und beide Meinungen auf >> stattlichen, grundfesten Ursachen « beruhten 6. W.-K. XVI. §. 15. R.-H.-0. 1654. §. 18. 20. Uebrigens konnte auch beim R.-H.-R. eine fingirte Stimmengleichheit eintreten, wenn die sämmtlichen evangelischen Räthe anderer Meinung waren, als die katholischen. Bei einer solchen Itio in partes sollte die Sache an den Reichstag verwiesen werden (J. P. O. V. §. 55. R.-H.-R. von 1654 V. §. 22.).

Der R.-H.-R. hatte (abgesehen von seiner Eigenschaft als Conseil oder Regierungskollegium des Kaisers in allen ReichsStaats-Lehen und Gnadensachen), als Gerichtshof, regelmässig eine konkurrirende Gerichtsbarkeit mit dem R.-K.-G. Der Kläger oder Appellant hatte somit die Wahl, an welches von beiden Gerichten er sich wenden wollte. Die Prävention gab den Ausschlag. Beide höchste Reichsgerichte hatten gleiche Rechte, keines war dem andern untergeordnet, doch gab es Fälle, wo der R.-H.-R. nach Gesetz oder Herkommen eine ausschliessliche Jurisdiktion ausübte: dahin gehörten: 1) alle italienischen Sachen, 2) ganze Reichslehen in petitorio betreffende Processe 8, 3) die Kriminalsachen der Reichsunmittelbaren.

Wenn es sich jedoch um die Achtserklärung eines Reichsstandes oder um Entsetzung eines solchen von der Reichsstandschaft oder Landeshoheit oder um Suspension von ihrer

6) Diese »vota ad imperatorem « und die dadurch veranlassten kaiserlichen Entscheidungen waren den Reichsständen, besonders den evangelischen, sehr zuwider, doch gelang es nie, dieselben zu beseitigen. Nur das Verfahren wurde dabei näher bestimmt durch Wahlkapit. XVI. §. 12. und 15. Siehe besonders Malblank a. a. O. B. III. S. 241. Häberlin, B. II. S. 394.

7) Eine Ausnahme fand nur bei solchen Reichsständen statt, welche als Beklagte das Privilegium der Wahl des Gerichtsstandes, electionis fori, hatten, wie die Krone Schweden für ihre deutschen Besitzungen. J. P. O. X. §. 12., das Gesammthaus Braunschweig-Lüneburg.

8) Kammergerichtsordnung von 1555, Th. II. Tit. VII.: »Ob auch Sachen fürfielen, Fürstenthum, Herzogthum, Grafschaften u. s. f. belangend, so vom Reich zu Lehen rühren, so einem Theil gänzlich und endlich abgesprochen werden sollten, derselbigen Erkenntniss wollen Wir der Kaiserl. Maj. vorbe halten haben«<. Streitigkeiten über die Ausdehnung dieser Bestimmung siehe bei Leist, §. 150.

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Ausübung handelte, so konnte ein Erkenntniss nur durch einen förmlichen Reichsschluss zu Stande kommen (Wahlk. Art. I. §. 3. und 4.).

Gegen die Erkenntnisse des Reichshofraths waren dieselben Rechtsmittel zulässig, wie gegen die des Reichskammergerichts, nur war hier statt der Revision die »Supplikation « gebräuchlich, wodurch die Sache vom Reichshofrathe einer neuen Prüfung, mit Annahme eines andern Referenten und Korreferenten, unterzogen wurde 10

Das dem Kurerzkanzler zustehende Visitationsrecht 11 wurde niemals ausgeübt.

§. 86. Austräge1.

Als die monarchische Gewalt, insbesondere die königliche Gerichtsbarkeit in Deutschland, immer mehr an Ansehen verlor, suchte man sich auf dem Wege der Einigung die Sicherheit der Rechtspflege zu verschaffen, welche die schwache Staatsgewalt zu gewähren nicht vermochte. Der wahrhaft schöpferische Einigungstrieb des deutschen Mittelalters rief zahllose Verträge ins

9) Insofern konnte auch der Reichstag als gerichtliche Instanz in Betracht kommen, ebenso wie dann, wenn es sich um die Entscheidung eines an ihn gelangten Rekurses oder einer an ihn wegen itio in partes verwiesenen Rechtssache handelte.

10) J. P. O. V. §. 55. : »ne partes ibidem litigantes omni remedio suspensivo destituantur, loco revisionis in camera usitatae licitum esto parti gravatae, a sententia in judicio aulico lata, ad caesaream majestatem supplicare, ut acta judicialia denuo adhibitis aliis gravitati negotii paribus. . . consiliariis et qui concipiendae et ferendae priori sententiae non interfuerint, aut certe referentium et correferentium partes non sustinuerint, revideantur«. R.-H.R.-O. von 1654. Tit. V. §. 7.

11) J. P. O. V. §. 55.: »Visitatio consilii aulici fiat ab electore moguntino, quoties opus fuerit«. Wahlk. XXV. §. 6., 7.

1) H. Ch. Senckenberg, flores sparsi ad jus austraegarum tam legalium quam conventionalium. Giess. 1739. Johann Jacob Prehn, von den Austrägen, insb. von dem, einem Kläger geringern Standes vortheilhaftesten Wege, einen Fürsten zu belangen. Halle 1779. J. J. Moser, von der deutschen Justizverf. I. 46. Malblank, IV. 420 ff. Pütter, inst. §. 280 fl. Leist, S. 144. Häberlin, II. S. 398. Von neuern Schriften ist zu nennen: Fr. W. Frh. von Leonhardi, das Austrägalverfahren des deutschen Bundes. Frkf. 1838. S. 16-87, woselbst auch eine vollständige Literaturangabe und ein sehr übersichtlicher Aufsatz von L. K. Aegidi, Staatswört. B. I. S. 533 ff.

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