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2) Die bedeutenden Worte Leibnit' sind bereits oben, § 97 angeführt. Die nicht minder bedeutenden Worte des Kanzlers Ludewig in seiner »Dissertatio de auspicio regum« (Halle 1701) verdienen in extenso wiedergegeben zu werden: »Gentium jure innixi sumus omne fundamentum dissertationis... Utinam vero systema juris gentium nobis esset, e consuetudinibus ac voluntatibus populorum plene et rationibus adjectis contextum. Sed haec philosophia aulica hactenus fuit, quae nondum venit ad umbras scholarum.<<

3) Bynkershoek, geb. 1673 zu Middelburg, war in Franeker Ulrich Huber's Schüler, dann Advokat im Haag; 1703 trat er in den hohen Rath für Holland, Seeland und Weftfriesland ein, welchem er seit 1724 bis zu seinem Tode (1743) vorstand. Auch als Civilist muß sein Name unter den ersten der großen Niederländischen Schule genannt werden, neben Huber, J. Voet und Noodt. »Quaestiones juris publici« 1737.

4) Ueber Schmauß: Pütter, Academische Gelehrtengeschichte, Bd. 1, S. 50. Von Schmauß ist auch u. A. das „Neue Systema des Rechtes der Natur“, Göttingen 1754, worin eine „Historie des Rechtes der Natur“, und eine werthvolle „Einleitung zu der Staatswissenschaft“, Leipzig 1741 -- 1747.

5) Ueber Struve: Ompteda, S. 302, 315.

6) Heffter hat richtig gesehen, als er Réal unter die Realisten einordnete. Kaltenborn meint zwar, der Einfluß des Wolff'schen Jus gentium auf Réal sei unverkennbar. Doch erwähnt Réal Wolff's mit keinem Worte, während er Pufendorf über Grotius stellt, und Barbeyrac ungemein lobt; allerdings spricht er von der Société générale des nations, doch wie mir scheint, nicht im Sinne der Civitas gentium maxima. Die Behandlung sämmtlicher Materien ist vorwiegend realistisch Moser scheint er übrigens ebensowenig zu kennen als Wolff Der achte Band enthält eine Uebersicht der Schriftsteller über Staatsrecht, mitunter mit scharfer Kritik. Réal will »donner une idée juste des principaux ouvrages composés sur la Science du Gouvernement.« Ueber 380 Schriftsteller aus allen Zeiten werden besprochen, am ausführlichsten natürlich die Franzosen. Burlamaqui erwähnt er nur mit wenigen Worten, und sehr allgemein, Struve's Jurisprudentia heroïca fennt er nicht, Wolff auch nicht, von Mably und von Kahle's Repreffalien“ (1746) spricht er als von Novitäten: Kahlius vient de publier u. s. w. Dies ist zur Beurtheilung der Stellung zu Wolff nicht unwesentlich, und läßt vermuthen, daß der lette Band bereits einige Jahre vor Réal's Tode vollendet war.

Voltaire schrieb an Chauvelin, 18. September 1763: »Avez-vous entendu parler d'un sénéchal de Forcalquier, qui, en mourant, a fait un legs au roi de l'Art de gouverner, en trois volumes in 40? C'est bien le plus ennuyeux sénéchal que vous ayez jamais vu. « Heute noch wird Réal von seinen Landsleuten nicht nach Gebühr gewürdigt.

7) Auszug bei Ompteda, S. 335.

$ 102.

Johann Jakob Moser.

Literatur: Hauptsächlich zu vergleichen: „Die beiden Moser", von Moser's Urenfel Robert Mohl, in ,,Zwölf Deutsche Staatsgelehrte". Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. II, S. 401 Dann H. Schulze, Johann Jakob Moser, der Vater des Deutschen Staatsrechts. Leipzig 1869.

Autobiographie: Lebensgeschichte J. J. Moser's, von ihm selbst beschrieben, 1777-1783. Weidlich, Zuverlässige Nachrichten, Bd. VI. Ompteda, S. 352. — Kaltenborn, Kritik, S. 91, und in Bluntschli's Staatswörterbuch.

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Johann Jakob Moser entstammte einer alten Württembergischen Staatsdiener- und Pfarrerfamilie. 1) Geboren zu Stuttgart 1701, studirte er in Tübingen, und schrieb schon mit achtzehn Jahren seine,,Tübinger Gelehrten-Geschichte“; damals schon Licentiat der Rechte, wurde er außerordentlicher Professor und Regierungsrath; mit dreiundzwanzig Jahren war er im Reichsstaatsrechte bereits eine solche Autorität, daß ihm in Wien eine ehrenvolle Anstellung als Consulent zu Theil wurde; nach einem Jahre aber wurde er in Stuttgart wirklicher Regierungsrath. 1727 ging er wieder als Professor nach Tübingen, 1733 kehrte er nach Stuttgart zurück. 1736 folgte er einem Rufe nach Frankfurt a. D., als Geheimrath, Ordinarius der Rechtsfacultät und Director der damals ziemlich herabgekommenen Hochschule. Die Berufung war motivirt durch Moser's,,notorische Gelehrsamkeit und besondere Verdienste in jure publico und in der Reichsgeschichte."2) Aber schon 1739 reichte er, durch die Haltung des Königs ihm und der Universität gegenüber tief verlegt, sein Entlassungsgesuch ein, und zog sich nach Ebersdorf zurück, wo er die „acht glücklichsten Jahre seines Lebens", in der Nähe des mit ihm religiös harmonirenden Grafen Reuß still und fleißig seiner Familie und der Wissenschaft lebte. Einzelne Vertrauenssendungen unterbrachen seine Einsamkeit. Verschiedene Berufungen schlug er aus, so 1743 nach Göttingen an Schmauß' Stelle.

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1747 endlich trat Moser als Geheimrath und Chef der Kanzlei in die Dienste des Landgrafen von Hessen-Homburg und 1749 stiftete er in Hanau die bekannte Staats- und Canzlei-Academie, 3) zu deren Unterrichtszwecken er die Grundsätze des jetzt üblichen Europäischen Völkerrechts in Friedenszeiten“ 615 Seiten (Hanau 1750, Frankfurt 1763) verfaßte, worauf 1752 zu Tübingen die Grundsätze des jezt üblichen Europäischen Völkerrechts in Kriegszeiten" (364 Seiten) folgten. Doch schon 1751 glaubte Moser, troß dem guten Gedeihen der Academie, einem ehrenvollen Rufe als Landschafts - Consulent nach Stuttgart folgen zu müssen. Mehrere Jahre lang vertrat er das ,,rechtliche Gewissen" des Landes gegenüber skandalösen Mißbräuchen. Am 12. Juli 1759 wurde er ohne Urtheil, ohne Verhör, auf Hohentwiel eingesperrt, und fünf Jahre in strenger Haft gehalten, die er mit ungebeugtem Sinne ertrug. 1764 auf Fürbitte Friedrichs des Großen wieder frei gewor den, lebte er in seiner früheren Stellung als Landschafts-Consulent fort, und hatte 1770 die Freude, den Erbvergleich zwischen dem Herzog und dem Volke zu Stande zu bringen. Nun hielt er es für erlaubt, sich zurückzuziehen und brachte die fünfzehn letzten Jahre seines Lebens in überaus fleißiger Muße zu. Er starb 1785.

Von Moser's erstaunlich zahlreichen Schriften sind außer den bereits erwähnten Anfangsgründen",,,Entwurf einer Einleitung",,,Anmerkung",

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vorzugsweise hierher gehörig: Vermischte Abhandlungen aus dem Europäischen Völkerrecht, wie auch von teutschem und anderer Völker Staatsrecht, desgleichen in Canzleysachen, zum Gebrauch der Hanauschen Staats- und Canzleyacademie." Drei Stücke. Hanau 1750. ,,Versuch des neuesten Europäis schen Völkerrechts in Friedens- und Kriegszeiten: vornehmlich aus denen Staatshandlungen derer Europäischen Mächte, auch anderen Begebenheiten, so sich seit dem Tode Kaiser Karls VI., im Jahre 1740, zugetragen haben." Zehn Theile. Frankfurt 1777 1780. ,, Teutsches auswärtiges Staatsrecht". Frankfurt und Leipzig 1772.,,Erste Grundlehren des jezigen Europäischen Völker-Rechts in Friedens- und Kriegszeiten". Nürnberg 1778. Auf Befehl des Herzogs von Württemberg für dessen Militär-Academie abgefaßt. — ,,Beiträge zu dem neuesten Europäischen Völkerrechte in Friedenszeiten". Tübingen 1778-1780. Fünf Theile. ,,Beiträge zu dem neuesten Europäi schen Völkerrechte in Kriegszeiten". Tübingen 1779-1781. Drei Theile.

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Diese sämmtlichen Schriften, die sich auf einen Zeitraum von fünfzig Jahren vertheilen, sind in einem und demselben Geiste geschrieben.

In den Gesammtdarstellungen ist von systematischer Behandlung keine Spur; sie sind durchweg nach folgendem allgemeinen Schema eingetheilt: Vorläufige Abhandlung: von den Normen darnach sich die Souveräne zu richten pflegen, und von dem Werthe der Beispiele im Völkerrecht. Von Europa, foferne es einen einigen Staatsförper ausmacht. Von der Souveränen Person und Familie. Von dem Ceremoniell. Von Gesandtschaften. Von der Souveränen Landen und Meeren. Von der Souveränen Bedienten und Unterthanen. Von Religionssachen. Von Staatssachen. Von Justizsachen. Von Militärsachen. Von Cameralsachen. Von Gnadensachen. Von Handlungs- und Münzfachen. Von Polizeisachen. Von Tractaten und Bündnissen. Von Ansprüchen, Beschwerden, Streitigkeiten und Vermittelungen. Von der Selbsthülfe, Retorsion, Arresten und Repressalien. Vom Krieg. Von Alliirten, Hülfsvölkern und Subsidien. Von der Neutralität. Von Waffenstillständen. Von Friedensschlüssen.

Dem philosophischen Völkerrechte, dem Naturrechte gegenüber verhält sich Moser nicht sowohl feindselig als gleichgültig. Er läßt es durchaus unberücksichtigt. Für ihn ist das Völkerrecht rein positiv, practisch, eine neue, actuelle Wissenschaft. Das positive Material der Verträge und des Herkommens, woraus er schöpft, ist wesentlich neu, aus der neuesten Zeit, aus der Gegenwart. Diese Richtung ist schon in seinen „Anfangsgründen“ bewußt und gereift; den damals entworfenen Plan der Gründung der positiven, practischen Völkerrechts-Wissenschaft vermochte er, wegen der riesigen staatsrechtlichen Arbeiten, die sein langes Leben erfüllten, erst im hohen Alter auszuführen. „Erst der 76 jährige Greis“ fand Muße, das neue Werk zu beginuen, und er begann es dann auch mit der Kraft und der Ausdauer eines Jünglings. Im „Versuche“ und in den „Beiträgen“ führte er den schon in seinen Jugendschriften ausgesprochenen Gedanken durch, lediglich die Ergebnisse der positiven

Verträge und Gewohnheiten der Europäischen Staaten in kurzen Säßen zusammenzufassen, und dieselben mit möglichst zahlreichen und ausführlichen Beispielen zu belegen.")

Zu einem wirklichen wissenschaftlichen System indessen hat er sein Völkerrecht nicht gestaltet: diese Aufgabe war dem allgemeiner und höher durchgebildeten Martens vorbehalten.

Moser's Gelehrsamkeit war, wenn auch vielleicht nicht sehr tief, so doch jedenfalls ungemein ausgedehnt. Mit sämmtlichen Thatsachen und Ereignissen der neueren Zeit, mit den kleinsten Einzelheiten des Staatsrechts und des Staatswesens war er durchaus vertraut. Seine Belesenheit war wunderbar, wie seine Arbeitskraft, die im höchsten Alter ungeschwächt blieb. 5)

1) Moser von Filsed und Weilerberg.

2) Er hatte bereits viel geschrieben. Die Liste seiner Schriften bei Weidlich zeigt bis 1736 61 Nummern.

3) Ueber die Staats- und Kanzlei-Academie: „Wiederholte Noth von einer Staatsund Tanzley - Akademie oder Einer näheren Anleitung und Zubereitung junger, von Universitäten oder Reisen kommender Prinzen, Grafen, Kavaliers und anderen Personen, zu der Europäischen, besonders der Teutschen Staatsklugheit, zu dem jeßt üblichen Europäischen Völkerrechte in Friedens- und Kriegszeiten, zu den neuesten Europäischen, insonderheit der Teutschen Staatsangelegenheiten, zu allen Arten von Staats- und Canzley-Auffäßen, und zu der in einem wohlgeordneten Canzley Collegio, auch bey Congreffen, Conferenzien u s. w. üblichen Handelsweise". Hanau 1749. Dann noch drei Schriften vom selben Jahre als „Nähere Anzeigen" der „Teutschen Staatssachen', der „Europäischen Staatssachen“, und der ‚Canzleysachen“, welche in der „Moserischen Staats- und Canzley-Academie“ (1, 2, 3. Klasse) abgehandelt werden.

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Die Academie überlebte Moser's Abgang nicht. Mit dieser Schöpfung lassen sich vergleichen die Academie, welche Torcy in Paris gegründet hatte, und theilweise die in Straßburg von Koch und in Göttingen von Martens geleiteten Anstalten zu practischen Uebungen. Andere, entfernt verwandte Zwecke verfolgt die achtungswerthe jegige École libre des sciences politiques in Paris.

4) Mohl, Bd. II, S. 413.

5) Gute Charakteristik von Moser bei Ompteda, S. 356; bei Kaltenborn, S. 91. Ueber Moser's System oder Systemlosigkeit, Bulmerincq, Systematik, S. 41.

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Einige jüngere Zeitgenossen von Moser sind hier zu nennen, welche in ihren völkerrechtlichen Leistungen mehr oder minder unter seinem Einflusse standen. Vorerst der berühmte Vater der Statistik, Moser's Schwiegersohn, Gottfried Achenwall, 1719 1772, 1746 Privatdocent in Marburg, 1748 Professor zu Göttingen, - und zwar nicht sowohl wegen seiner berühmten, seit 1750 acht mal aufgelegten »Elementa juris naturae et gentium«, obschon er schon in diesem Werke, worin er Pütter zum Mitarbeiter hatte, neben dem Innehalten, im allgemeinen, des Thomasianischen rechtsphilosophischen Standpunktes die Existenz des positiven Völkerrechts bestimmt ausspricht, als wegen seines erst nach seinem Tode, 1775 veröffentlichten kurzen Grundrisses >> Juris gentium Europaearum primae lineae. Leider ist es nur ein Bruchstück, enthaltend außer einer Abhandlung über jus gentium practicum generatim einige Stücke aus dem jus pacis, nämlich die observantia gentium circa conservationem et libertatem rei publicae, circa dignitatem rei publicae, circa territorium rei publicae, circa maria. Es soll practisches Völkerrecht sein, beruhend auf consuetudines communes plurimis gentibus receptae. Sehr begreiflicher Weise ist Achenwall dem philosophischen Elemente nicht so fremd als Moser. Er erkennt vielmehr an, daß die Philosophie auf das positive Völkerrecht einen Einfluß ausüben soll ad meliorem communium consuetudinum intelligentiam, confirmationem atque illustrationem. Wie für Moser, datirt für ihn das Völkerrecht erst seit dem Westfälischen Frieden.

In dem für höhere Publicistik damals so günstigen Braunschweig erschien einige Jahre später, 1783, ein übrigens auch unvollständiges Werk: »Principes du droit des gens Européen, conventionnel et coutumier, ou bien Précis historique, politique et juridique des droits et obligations que les Etats de l'Europe se sont acquis et imposés par des conventions et des usages reçus, que l'intérêt commun a rendu nécessaires «. (Octav, 272 Seiten mit Chiffrirtafel.) Der Verfasser, Pierre Joseph Neyron, geboren in Alt-Brandenburg 1740, aus einer Familie Französischer Réfugiés, gestorben 1806, wirkte, nachdem er in Berlin und Göttingen Theologie und Rechtswissenschaft studiert und den Erbprinzen von Braunschweig auf Reisen begleitet hatte, als Profeffor des Civil- und Staatsrechts und als Syndicus am 1745 gestifteten Carolinum. 1) Das Buch enthält nur Friedensrecht, und zwar mehr Vertrags- als Gewohnheitsrecht. Verdienstlich ist, wie Kaltenborn, der den Titel prätentiös (?) findet, doch zugiebt,,,das Aufweisen juristischer Grundsäge in vielen Völkerverträgen, die Neyron als Belege anführt." Ompteda erblickt in dem Buche die erste systematische Ausführung des praktischen Völkerrechts, die allerdings mangelhaft ausgefallen sei; er bezeichnet den Verfasser als seinen sehr geschäßten Freund", verkennt aber die Mängel des Buches keineswegs, und kritisirt dasselbe in freimüthiger Weise. Es enthält nach ihm ,,hauptsächlich nur eine historische Erzählung, theils der Regierungsform und politischen Beschaffenheit der Europäischen Staaten, theils des Verhältnisses und Verkehrs, in welchem dieselben unter einander in Ansehung ihrer Unter

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