Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

nommen in peinlichen Sachen, Sicherung gegen Uebervortheilung durch Fest= stellung von Lohntaren für die den Gilden geleisteten Dienste, das Recht des Waffentragens, zollfreier Bezug von Lebens- und Genußmitteln. 5) Schwerer zu erlangen war das Recht eigener Wage, das manche Städte, wie Brügge, hartnäckig verweigerten. 6)

Selbstverständlich war der Inhalt solcher Freibriefe in den einzelnen Ländern verschieden. An ihrer Beschaffenheit erkennt man die Culturstufe der jeweiligen Zeit und der betreffenden Länder. So befreite Heinrich II. von England (1176) die Kaufleute Lübischer Herkunft von der Unterwerfung unter das Strandrecht, „so lange noch ein lebender Mensch sich auf dem gescheiterten Schiffe befand“.

Gerade England war im Mittelalter hinter der wirthschaftlichen Leistungsfähigkeit der Niederländer und der Deutschen zurückgeblieben. Unter der Unsicherheit der Rechtspflege, die von den Einflüssen des Römischen Rechts unberührt geblieben war, litt Handel und Verkehr, daher ein Freibrief von Eduard I. verordnete, daß Rechtssachen fremder Kaufleute nach kaufmännischem Recht binnen fürzester Zeit erledigt und nach dem Orte des Vertragsschlusses beurtheilt werden sollten.7) Durch Geldnoth in Kriegszeiten bedrängt, ertheilten Englische Könige auf Kosten der eigenen Landesangehörigen dem Hansabund Bevorzugungen mannigfacher Art.

Der Verfall des Hansabundes beruhte auf dem Zusammenwirken zahlreicher Thatsachen, die sich vereinigten, um die Kräfte zu zerstören, aus denen das Wachsthum jener mächtigen Conföderation entsprungen war, zumal politischer oder wirthschaftlicher Ereignisse mannigfachster Art, die schon in den letzten Abschnitten des XV. Jahrhunderts wahrnehmbar wurden, nachdem zu Anfang desselben Jahrhunderts die Deutsche Hansa ihre höchste Blüthe erreicht gehabt hatte.

Als äußerliche Vorgänge fielen ins Gewicht: die Zerstörung der am weitesten oftwärts gelegenen Niederlassungen von Nowgorod (1494), zunehmende Selbständigkeit der Nordländer, die von den Hanseaten die Technik des Handels in Wisby, Bergen und Schonen gelernt hatten, die Erstarkung der Landesherrschaften in Westeuropa, die sich die Förderung der Handelsinteressen ihrer eigenen Unterthanen angelegen sein ließen.

Dazu kam die innere Zwietracht der mit einander nur durch Handelsintereffen verbundenen Städte, die durch keinerlei feste Verfassungsnormen mit einander vereinigt werden konnten, weil nur der jeweilige nächstliegende Vortheil für ihr Verhalten maßgebend zu sein pflegte. Zwischen den Holländischen Genossenschaften und den Baltischen Städten einerseits und Lübeck andererseits traten Collisionen vielfach deswegen ein, weil die Hamburger und Lübecker Handelsherren ihre Stapelrechte aufrechtzuerhalten bedacht waren und die directen Handelsbeziehungen in westöstlicher Richtung zu hemmen trachteten.

Die Privilegien, deren Nothwendigkeit für den Handel im XII. Jahrhundert Niemand bestritt, hatten sich gegen Ende des XV. Jahrhunderts überlebt, nachdem die verkehrsfeindliche Macht des Landadels von den Fürsten

gebrochen worden war. Sie waren geradezu schädlich geworden, als die Han seaten den Grundsaß der Gegenseitigkeit gegenüber den Engländern verlegten und danach strebten, den gesammten Handel thunlichst zu monopolisiren Es war daher der inneren Gerechtigkeit und der Cultur entsprechend, daß Elisabeth von England die alten Privilegien der Deutschen Hansa beseitigte; damit war der Untergang der alten Hansa nicht sowohl verursacht als besiegelt. Die Trümmer des ehemals aus neunzig Stadtgemeinden zusammengefeßten Bundes versammelten sich im Jahre 1669 auf dem letzten Hansatage. 8)

1) So bereits 1210 und 1241 auf Grund von Verabredungen zwischen Hamburgern und Lübeckern. 1255 findet sich eine erste Münzeinigung in Verbindung mit einem dreijährigen Schußbündniß.

2) So z. B. die Sächsische, Westphälische, Wendische und Preußische Gruppe, woraus hervorgeht, daß im Mittelalter das landschaftliche (territoriale) Interesse stärker war als das national-sprachliche und andererseits das mercantil städtische mächtiger als beide.

gewerblich:

3) Lübeck und Danzig besaßen im XIV. und XV. Jahrhundert die berühmteften Schiffswerfte und lieferten Schiffe nach Portugal und Spanien. S. Falke, Die Hansa, S. 66.

4) Im Landverkehr galt die sog. „Grundruhr“ der Landesherren, die auf den Straßen jeden gescheiterten Wagen beanspruchten, wenn dessen Achsen den Boden berührt hatten, sowie die herabgefallenen Waarenstücke.

5) So beispielsweise in den Flandrischen Privilegien des Grafen Robert von 1307. 6) Vgl. die Wageordnung von Brügge vom Jahre 1282.

7) Wegen der Englischen Privilegien disponiren auch die Parlamentsacte aus den Jahren 1335 und 1350. Die Zinnbergwerke von Cornwallis waren 1347 einem Hanseaten zur Ausbeutung überlassen.

8) Die letzten aus dem XVII. Jahrhundert herrührenden Vertragsschlüsse der Hansa sind der Spanische Vertrag vom Jahre 1607 (originaliter Lateinisch und Spa= nisch); desgleichen 26. Januar 1648, worin der Staatstitel der Confederacion de la Hansa Teutonica gebraucht wird und je ein Vertreter von Bremen, Lübeck und Hamburg unterzeichnet ist. Der Französisch- Hanseatische Vertrag vom 10. Mai 1655 (originaliter Französisch). Als Deutsche Contrahenten sind bezeichnet: les villes et cités de la Nation et Hanse Teutonique dits Osterlins. Der Französische Tractat vom Jahre 1716 (originaliter Französisch), worin als Contrahenten nur Lübec, Bremen und Hamburg bezeichnet sind und Ludwig XV. sich derselben Affection für die Hansestädte rühmt, wie sein Vorfahre Ludwig XI.

§ 79.

Neue Handelswege und geographische Entdeckungen im Ausgange des Mittelalters.

Literatur: A. H. L Heeren, Versuch einer Entwickelung der Folgen der Kreuzzüge. Göttingen 1808. Saalfeld, Geschichte des Portugiesischen Colonialwesens. 1810. Kapp, Vergleichende allgemeine Erdkunde. 2. Ausg. 1868,

S. 351 ff. Wappä us, Geschichte Heinrich's des Seefahrers. D. Peschel,
Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. 2. Auflage 1877, S. 61 ff.
O. van Rees, Oorsprong en Karakter van de Nederlandsche Nyverheids-
politick der zeventiende ceuw. (Utrecht 1865.) S. 233 ff.

Zwar waren auch den Römern durch ihre Beziehungen zu Gallien und Britannien die angränzenden nördlichen Meere bekannt geworden. Dennoch aber hatten sie kein deutliches Bild von der geographischen Gestaltung Europas gewonnen. Die alten Phönicischen und Griechischen Handelswege hatten sich unter ihrer Herrschaft wenig verändert. Nach dem Sturz des Weströmischen Kaiserreichs waren es vermuthlich die Normannen, die zum erstenmale wieder eine Seefahrt von dem Scandinavischen Norden in die Mittelländischen Meerestheile wagten, ohne daß die friedlichen Handelsverbindungen irgend einen Vortheil daraus gezogen hätten. Lange Zeit hindurch, jedenfalls bis zum Aufkommen der Hansa, erhielten sich Römische Traditionen auch darin, daß die internationalen Beziehungen zwischen Italien und Britannien sich vornehmlich auf der Rheinstraße über Mainz und Cöln durch die Niederlande oder über Trier und Flandern bewegten. 1)

Mehr als tausend Jahre vergingen nach Christi Geburt, bevor man Kenntniß von den östlichen Theilen der von Slaven damals eingenommenen Gestade der baltischen Meere gewann und dann in Nowgorod einen Stapelplatz erreichte, der unabhängig von Constantinopel eine Berührung des Europäischen Westens mit dem Orient ermöglichte, während bis dahin die Handelsverbindungen der Russen und Ostslaven nur füdwärts gegangen waren.

Der Eintritt der um das Becken der Baltischen See gelagerten Ländermassen und Städte in den allgemeinen Europäischen Verkehr eröffnete daher einen wichtigen Abschnitt in der mittelalterlichen Geschichte der internationalen Beziehungen; gleichviel ob man dabei mehr die materielle Cultur oder die Ausdehnung des Römisch-kirchlichen Einflusses ins Auge fassen will.

Die internationale Bedeutung solcher neuen Auffindungen von Seewegen liegt nämlich überall darin, daß die Gewinnsucht weiter vorgeschrittener Handelsvölker zur Lehrmeisterin uncivilisirter Völker wird, der reiche Lohn der Handelswagnisse alsdann andere Nationen anlockt und endlich die erwachende Eifersucht rivalisirender Seefahrer dem Gedanken der Gleichberechtigung der minder Mächtigen Förderung gewährt. Das Mittelalter hat daher, und zwar gerade nach dem Ausgange der Kreuzzüge, durch Mehrung der handeltreibenden Gemeinwesen, sei es, daß sie auf Grund ihrer Bündnisse conföderirt waren, sei es, daß sie selbständig (wie die Italienischen Stadtrepubliken) Handel trieben, zur Entwickelung der völkerrechtlichen Gleichberechtigungs- Ideen erheblich beigetragen.

Weitergehende Entwickelungsprozesse bereiteten sich vor, als seit Anfang des XIV. Jahrhunderts der Compaß unter den Seefahrern in allgemeineren Gebrauch kam und die Gefahr, verschlagen zu werden oder in unbekannten

Gegenden Schiffbruch zu leiden, so weit vermindert wurde, daß man sich ge= trauen konnte, ohne Besorgniß den Rückweg zu verlieren, von der Regel der Küstenschiffahrt abzugehen. 2) Der Atlantische Ocean und der Biscayische Meerbusen entkleideten sich ihrer Schrecknisse. So geschah es, daß zwischen dem Mittelländischen und Nordischen Handelsgebiete das lange Zeit hindurch fehlende oder doch unzulänglich entwickelte Mittelglied des Spanisch-Portugiesischen Handelsverkehrs auf dem Atlantischen Ocean eingeschoben werden konnte.

Einmal angeregt, weitere Fernen aufzusuchen, wagte sich der Unterneh mungsgeist der Portugiesen und Spanier an die Aufsuchung von Ländern, von denen die Mythe ältester Phönicischer Zeiten gefabelt hatte, und die Ueberlieferung des Volkes an den südlichen Gestaden der Iberischen Halbinsel nacherzählte. Die Canarischen Inseln wurden (1330) aufgefunden, und (1418) von Portugiesen colonisirt. Ihre Fruchtbarkeit lockte zu weiteren Fahrten längs der Africanischen Küsten.

Eine Reihe glänzendster Entdeckungen war der Lohn dieser Portugiesi= schen Seefahrten. Der Weg um das Kap der Guten Hoffnung eröffnete die Seestraße nach Ostindien, die theilweise, so weit das Rothe Meer in Betracht kam, bereits von alten Orientalischen Völkern benutzt worden war.3) Die Folgen dieser Entdeckung waren von unermeßlicher Bedeutung und bewirkten im Verlaufe des XVI. Jahrhunderts, nachdem Portugiesen den directen Seehandel nach Ostasien eröffnet hatten, eine Verschiebung des in Europäischen Angelegenheiten leitend gewesenen Einflusses. Langsam, aber unaufhaltsam fortschreitend, vollzog sich der Verfall des Italienisch-Deutschen und Flandrischen Ueberlandhandels um so mehr, als kurz vor der Auffindung des neuen Seeweges das Vordringen der Türken und der Untergang des Oströmischen Kaiserreichs die Verkehrsbeziehungen zwischen Süd-Europa und Vorderasien erschwert hatte. Deutschland und Italien sahen ihre wirthschaftlichen Kräfte schwinden, ohne im XVI. Jahrhundert den Grund dieser Erscheinung zu ahnen und ohne zu begreifen, daß die Auffindung neuer Wege auch ihnen neue Ziele gestellt hatte. Mit Zähigkeit klammerten sich Venedig und Genua ebenso wie die Deutschen Mitglieder der Hansa an ihre alten Handelsverbindungen.

Mit Recht bezeichnet die Entdeckung Americas einen Abschnitt in der Periodisirung der Weltgeschichte. Was für die Abgränzung der wissenschaftlichen Grundanschauungen das Copernicanische Sonnensystem, für die pers sönliche Freiheit der Gedankenwelt die Reformation, dasselbe bedeutet für die Umwandelung der internationalen Beziehungen die Landung der Spanier unter der Führung des großen Genuesen auf Americanischem Boden. Die Tradition des Römisch-rechtlichen Imperiums, die Einheit des aus der biblischen Geschichte geschöpften Weltbildes, die Anwendbarbeit der theologischen Scholastik auf die Gesammtheit aller Lebensverhältnisse war gebrochen; ein Feld war gefunden, das für Europa größere Aufgaben stellte, als das ungelöst gebliebene Programm der Wiedereroberung der an den Islam verloren gegangenen Ostländer.

Wäre die Entdeckung Americas zwei Jahrhunderte früher erfolgt, so hätte es nichts den Zeitgenossen Auffallendes gehabt, wenn Römische Päpste die neuen Erdtheile an das weltliche Schwert des Römisch - Deutschen Kaisers zu verschenken und zu verleihen ebenso bedacht gewesen wären, wie sie Sardinien und andere Länder verschenkt hatten.

Am Ende des XV. Jahrhunderts war dagegen die Freiheit der Weltauffassung und die fürstliche Macht schon so weit gestiegen, das Ansehen der Kirchengewalt so weit zurückgegangen, daß sich das dominium mundi auf unbekannte Continente nicht mehr übertragen ließ. Die päpstliche Verleihung eines neuen Welttheils an die Krone Spaniens blieb den katholischen Mächten gegenüber ebenso wirkungslos, wie der Versuch der Spanier und Portugiesen auf Grund eines ins Maßlose ausgedehnten Entdeckungsrechtes die neu gefun= denen Seewege zu nationalen Monopolen zu erheben.*)

Bald genug zeigte sich, daß in vergleichungsweise kurzen Zeiträumen die Ueberspannung nationalen Eigennutzes auf Kosten der allgemeinen Völkerinteressen und die Verkennung menschlicher Gemeinschaftsrechte zum Verderben monopolistisch gesinnter Seeherrschaftsstaaten gerade so ausschlagen sollten, wie die mittelalterlichen Traumgebilde territorialer Weltherrschaft dem Kaiser Deutscher Nation nachtheilig geworden waren. Spanien und Portugal verloren den durch Glückszufälle gewonnenen Vorsprung der colonialen Neugründungen nach Verlauf eines Jahrhunderts an die Holländer, die im Ausgang des XVI. Jahrhunderts, nachdem der Seehandel von Antwerpen an Amsterdam übergegangen war, den Rang einer Vormacht zur See gewinnen, um ihn dann ihrerseits im XVIII. Jahrhundert an die Engländer abtreten zu müssen. 5)

Es ist natürlich, daß solche Ereignisse, wie die Einbeziehung Americas, Ostindiens und Chinas in die bis dahin nur Europäischen Interessen der alten Culturstaaten, nicht ohne erhebliche Störungen von Statten gehen konnten. Im Zusammenhang mit den wirthschaftlichen Bedürfnissen neu besiedelter zunächst tropischer Weltgegenden vollzog sich die Wiederbelebung der aus der christlichen Gesellschaft während des Mittelalters verschwunde nen Sclaverei in Gestalt der Negerverschiffungen nach America.

Sodann bewirkte der Nußen aus der Ausbeutung neuer durch ihren Reichthum an Edelmetallen oder, was Ostasien anbelangt, durch die Production von Gewürzen unvergleichlicher Art ausgezeichneter Landstriche, zumal nachdem sich die Kraft Spaniens im Kampfe gegen die Niederlande erschöpft hatte, eine die Feindschaften zur See steigernde, zu Kriegführung anreizende Nebenbuhlerschaft und Eroberungssucht der Westeuropäischen Staaten.

Die rechtlichen Uebergänge des Mittelalters in die neuere Zeit vollzogen sich daher auf dem Gebiete der internationalen Handelsbeziehungen langsamer als sonst wahrscheinlich der Fall gewesen wäre. Während in den vorausgegangenen Jahrhunderten zwar städtische Interessen mit einander um fürstliche Privilegien und Monopole gekämpft hatten, die Territorien im Großen und Ganzen aber als solche keinen Antheil an den Bewegungen des Handels

« ZurückWeiter »