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Landsmannschaften ein. Waren es dagegen kaufmännische Corporationen, die unabhängig von ihrem heimischen Stadtregiment in der Fremde Handelsniederlassungen gründeten, so war die selbständige Erwählung der Consuln nach dem Muster heimathlicher Stadtrichter oder Gildenvorsteher von Hause aus überall nahegelegt.

Das Verhältniß der Consuln zu ihren Landesangehörigen und Schußbefohlenen richtete sich also nach einem doppelten Maßstabe: nach den Statuten, welche in handeltreibenden Landsmannschaften für deren Mitglieder die Pflicht zur Unterwerfung unter eine gemeinsame Ordnung und den Anspruch auf Schuß regelten; sodann nach Privilegien oder Gewohnheiten, welche dem Fremden eigene Justizpflege verstatteten, was meistentheils mit einer gewissen durch Zusammenwohnen gewährleisteten Erkennbarkeit ihrer Rechtsstellung zusam= menhing. Die Consulate waren daher in alter Zeit weniger eine Anstalt handelsgerichtlicher Jurisprudenz3), als eine auf Rechtsschuß im Allgemeinen und Leitung gemeinschaftlicher Angelegenheiten abzielende Einrichtung, in deren Ermangelung es auch an irgend welcher Sicherung des Fremden gefehlt haben würde.

Im Consolato del mare ist die damals übliche Jurisdictionscompetenz der Consuln genau beschrieben. 6) Sie bezog sich nach der Praxis des vierzehnten Jahrhunderts auf folgende Gegenstände und Verhältnisse: auf Havarie, Schiffsheuer, Schiffsantheile, Seewurf, die Haftung des Schiffers auf Bodmereiverträge), Verfrachtungen, die Anschaffung des Schiffsbedarfs und alle in den Seeverkehr einschlagenden Geschäfte.

Im Norden führten die Consuln den Titel der Altermänner. Andere Titulaturen waren außerdem in verschiedenen Ländern gangbar. Unleugbar haben die Consuln zur Gleichmäßigkeit in der Entwickelung des Seerechts gerade dadurch viel beigetragen, daß sich in großen Seehandelspläßen verschiedene Nationen durch dieselbe Magistratur nebeneinander vertreten fanden und vielfach miteinander in Streitfällen zu vereinbaren hatten.

Verändert wurde die Sachlage erst dann, als einerseits die Territorialität in der Anwendung der Geseze überall in Europa zum Durchbruch kam, die erstarkende Staatsgewalt die Jurisdiction in ihrem Gebiete centralisirte, der Rechtsschuß der Fremden von den Landesherren übernommen ward und das ständige Gesandschaftswesen einen Theil der Functionen an sich zog, die früher zu den Obliegenheiten der Consuln gehört hatten.

1) Das älteste urkundliche Privileg von Genua rührt aus dem Jahre 958 her. S. Lastig (a. a. D.) S. 42.

2) Nach ihrem vollständigen Titel hießen sie consules de communi oder consules de communi et de plateis. Auch die herrschenden Parteien und der Stadtadel waren von Einfluß. Lastig (a. a. D. S. 71) sagt von Genua: „Die Compagna communis ist das wohl überlegte Bündniß der Viscontilen Partei von ganz Genua.“ (Vgl. auch Heyd, Verfassungsgeschichte Genua's bis zur Einführung des

Podestats in der Tübinger Zeitschrift für die ges. Staatswissenschaft X, 3—47.) Das Collegium der Genueser Consuln, Anfangs durch Cooptation, dann durch Mitwirkung des Rathes gewählt, war dessen Executiv- Commission. Die Amtsperiode, zuerst vierjährig, war seit 1122 einjährig. Im Jahre 1130 versuchte man zuerst die Aussonderung eines eigenen Gerichtsconsulats neben dem Verwaltungsconsulat.

3) Ueber die Rechte der Lateiner in den Syrischen Handelspläßen berichtet 1243 ein Venezianischer Bailo an den Dogen (in den Fontes Rerum Austriacarum Tom. XII, herausgegeben von Tafel und Thomas). Die Venezianer erlangten ihr ältestes Privilegium im Orient 1100. Die erste Consularernennung datirt von 1117.

Die wichtigsten Orientalischen Privilegien der Genueser find folgende: Antiochien (1098 und 1108), Jaffa und Täsarea (1105), St. Jean d'Acre (1105). S. Tanucci, Storia dei tre celebri popoli maritimi. Tom. I, 142. 162. 165.

4) Auch in den Heerescontingenten der Genueser, z. B. während der Kreuzzüge, finden sich Consules electi. (Ueber den Kreuzzug von 1270 berichtet der Chronist Oberti Stanconi: Hoc enim habuerunt proprium Januenses ut in quibuscumque locis existant babeant de se ipsis consulem vel rectorem (Laftig, a. a. D. S 184.)

5) Dies nimmt v. Martens an. S. denselben (a. a. D.) S. 46, 48, 100 ff. und dagegen Lastig, S. 156, welcher für Genua nachweist, daß die „Consularcon= suln" niemals Handelsrichter waren, ihnen vielmehr die gesammte Gewalt der heis mischen obersten Staatsbehörde delegirt wurde. Während in Genua noch 1190 nur gelehrte Juristen urtheilten, judicirten in den Consularhöfen der Colonien Laien. Unter den Quellen dieser Rechtseinrichtung verdienen die von Vincenzo Promis zu Turin 1821 herausgegebenen Statuten der Genuesischen Colonie zu Pera Beachtung. 6) Kapitel 1–42, die nur äußerlich dem Consolato als Einleitung vielleicht nachträglich hinzugefügt zu sein scheinen und das Privileg Peters III von Arragon vorausseßen, wodurch Valencia besondere Seegerichtsbarkeit erhalten hatte.

7) Unmittelbar ist davon nicht die Rede, doch ergiebt sich aus dem Zusammen. hange, daß Bodmereigeschäfte vorausgesezt wurden.

§ 78.

Der Hansabund.

Literatur: Koppmann, Recesse und andere Acten der Hansetage von 1256– 1430. 4 Bde. Leipzig 1870 -- 1875. - Codex diplomaticus 1.ubecensis. I. Abth. Lübeck 1843-1873. Hohlbaum, Hansisches Urkundenbuch. I. II. Halle 1876-1879. Koppmann, Handelsrecesse. 1. II Leipzig 1870. Jus Maritimum Hanseaticum studio Kuricke. Hamburgi 1667. Sartorius, Urkundliche Geschichte des Ursprungs der Deutschen Hansa, herausgegeben von Lappenberg Hamburg 1830. Barthold, Geschichte der Deutschen Hansa 1854. Gallois, Der Hansabund von seiner Entstehung bis zu seiner Auflösung. Leipzig 1868. Altmeyer, Des causes de la décadence du Comptoir Hanséatique de Bruges. Bruxelles 1843. M. Baumann, Die Handelsprivilegien Lübecks im XII., XIII. und XIV. Jahrhundert. (Göttinger Doctordissertation). J. M. Lappenberg, Urkundliche Geschichte des

Ursprungs der Deutschen Hansa. 2 Bde. 1830. J. M. Lappenberg,
Urkundliche Geschichte des Hansischen Stahlhofes in London. Hamburg 1851.
N. G. Riesenkampf, Der Deutsche Hof zu Nowgorod bis zu seiner
Schließung durch Zwan Wassiljewitsch III. im Jahre 1494. Dorpat 1854.
3. Falke, Geschichte des Deutschen Handels. 1859. G. Handelmann,
Die leßten Zeiten Hansischer Uebermacht im Norden. Kiel 1843.
Der Hansische Stahlhof in London. Bremen 1856. M. Neumann, Ge
schichte des Wechsels im Hansagebiete bis zum 17. Jahrhundert Erlangen 1863.

R. Pauli,

D. Schäfer, Die Hansastädte. Hansische Geschichte bis 1376. Jena 1879. Mantels, Beiträge zur Lübisch - Hansischen Geschichte. Jena 1881. Worms, Histoire commerciale de la ligue Hanséatique. Paris 1864.

Als dritte Culturmacht neben der Kirche und dem Adel stehend und schließlich beide zuweilen überflügelnd, wirkte im Mittelalter das freie Genossen, schaftswesen in den Städten. Während dasselbe in denjenigen Städten, die in den Römischen Provinzen oder auf den alten Lagerpläßen Römischer Legionen am Rhein und an der Donau emporgeblüht waren, die alten Ueberlieferungen Römischer Municipalverfassungen festzuhalten suchte, erhob es sich in Italien zu neuer Blüthe.

Ganz anders war die Lage der Städte im nördlichen Europa. Aus der Ungunst der Verhältnisse neu erwachsen, ohne Ueberlieferungen eines älteren municipalen Rechtes begründet, von einem gewaltthätigen Landadel und ehr geizigen Fürsten umgeben, hatten die Altgermanischen Stadtschöpfungen an der Elbe, Weser und Saale die doppelte Aufgabe, sich feindlicher Slavenstämme und der fast beständigen Bedrohungen des inneren Landfriedens zu erwehren.

Noch mehr als in anderen Gegenden war die Lösung dieser Aufgabe an den Gestaden der nordischen Meere erschwert. Hier galt es nicht nur, sich gegen Slaven zu behaupten. Die Gränzen der großen Germanischen und Slavischen Stämme bezeichneten gleichzeitig auch für Jahrhunderte die Scheide der christlichen und heidnischen Religionen. Handels- und Missionsgebiete berührten sich an der Ostsee noch im späteren Mittelalter.

Normannen und Dänen plünderten während dieser Epoche die nörd licher gelegenen Städte Europas um die Wette. Selbst zu schwach, um die Gebietsgränzen der Gesittung im nördlichen Europa auch nur nothdürftig zu schirmen, mußte das Fürstenthum, das sich unter weitaus günstigeren Verhältnissen nicht einmal an den Küsten des mittelländischen Meeres räuberischer Normannenschaaren zu erwehren vermochte, gerade in der Nähe der gefährlichsten Einbruchstellen am unteren Stromlaufe der nördlicheren Wasserwege den Städten ihre Selbstvertheidigung überlassen.

In dieser gefahrvollen Lage entstand der größte und bedeutsamste Städtebund des Mittelalters: die Hansa. Gemeinwesen wie Bremen, Hamburg und das von Heinrich dem Löwen im XII. Jahrhundert begründete

Lübed waren nicht in der glücklichen Lage, wie Venedig, Genua oder Pisa, auf sich selbst und die eigene Kraft vertrauend, in vergleichungsweise sicheren Meeren ihren Handel lediglich nach den Gesichtspunkten einer mit gleichartigen Genossen rivalisirenden Handelspolitik zu betreiben. Denn bürgerliches Gewerbe und Handelsunternehmungen waren auf rein Germanischem Boden von weitaus feindlicheren Gegensäßen bedrängt, als in jenen Romanischen Ländern, die von Germanischen Eroberern nur vorübergehend oder doch ohne völlige Umkehr der gesellschaftlichen Lebensbedingungen heimgesucht worden waren.

Aus diesen Zuständen entsprang die Aufgabe dauernder Wehrhaftigkeit und Befestigung für Handel und Gewerbe, der beständigen Kriegsbereitschaft hinter Wällen, Thürmen und Gräben, der Verbündung mit anderen städtischen Gemeinwesen zu Schuß und Truz. Solche Schutzbündnisse werden in nordischen Ländern und zwar auf Niedersächsischem Boden zuerst um die Mitte des XIII. Jahrhunderts urkundlich bezeugt.

Das Waffenrecht des freien Mannes auch in den städtischen Corporatio= nen begründet von selbst auch sein Bündnißrecht. Als erstes derartiges Bündniß ist uns dasjenige von Hamburg und Lübeck erhalten, auf welches andere zwischen Braunschweig und Stade (1249), Bremen und Braunschweig (1256), Hamburg und Braunschweig (1258), Hannover und Dortrecht folg= ten. Vier nordwestdeutsche Städte (Münster, Dortmund, Soest und Lippe) schlossen 1253 einen ewigen Verein gegen alle Feinde und Räuber mit der bemerkenswerthen Clausel,,,Schädigern ihrer Sicherheit niemals ein Darlehn geben zu wollen."

Nebenher verfolgten solche Städtebündnisse dann auch gleichzeitig privatrechtliche Gemeinschaftszwecke, in denen beispielsweise zur Sicherung der Schuldbeitreibungen gegen Flüchtige Vorsorge getroffen ward. 1)

Nicht zufällig geschah es, daß die Zahl solcher Schußverträge sich gerade während der kaiserlosen Zeit des Interregnums in Deutschland mehrte.

Ebenso entsprach es der Natur der damaligen Verhältnisse, daß Hamburg und Lübeck, deren Waarenverkehr durch Binnenkanäle in Verbindung gesezt war, allmälig an die Spitze der im Norden Handel treibenden Städte gelangten. Ein unvollkommener Zustand der Nautik bedingte die Bevorzugung der Küstenschiffahrt auf dem Litoral der nördlichen Meere, die Furcht vor Seeraub der Dänen die Vermeidung des Seewegs durch die Baltischen Meerengen und eine Concentration des Umtausches auf der langen VerkehrsLinie zwischen Nowgorod im Osten und Flandern oder England im Westen. Das Gleiche galt für den Verkehr zwischen den weiter vorgeschrittenen Reichsstädten Süddeutschlands oder gar Norditaliens mit den Skandinavischen Reichen.

Aus Einzelbündnissen isolirter Stadtgemeinden, die meistens nur auf Zeit geschlossen und dann erneuert wurden, entstanden nach und nach landschaftliche Gruppen vereinigter Gemeinwesen, 2) und aus diesen zuleßt Conföderationen. der Gesammtheit, deren kriegerische Spiße sich vornehmlich gegen die Nordischen

Reiche kehrte. Von besonderer Wichtigkeit für die Folgezeit ward die Cölnische Conföderation vom Jahre 1367. Ein gemeinsames kriegerisches Handeln nach Außen schloß aber keineswegs aus, daß wiederum engere Bündnisse unter einzelnen Hansastädten zur Wahrnehmung besonderer Interessen zu Stande kamen.

Die Darstellung der politischen Kämpfe des Hansabundes kann hier auf sich beruhen bleiben. Von bleibender völkerrechtlicher Bedeutung erscheint jedoch die Thatsache, daß der Eintritt des Nordens in die Culturbeziehungen des mittleren Europa wesentlich durch die Hansa vermittelt wurde. Die Seeschiffahrt lernte sich auf Gebieten bewegen, die ihr bis dahin verschlossen waren. Unter dem Drucke gemeinsamer Gefahr gewöhnte man sich im Laufe der Jahrhunderte, die freie Bewegung auf den Nordischen Meeren als eine Angelegen= heit zu betrachten, die troß zuwiderlaufender Interessen einzelner Gemeinwesen mit bewaffneter Hand geschüßt werden mußte.

Nach und neben den Kreuzzügen bieten die Seekriege der Hansa eines der bedeutsamsten Beispiele für die Verfechtung einer in damaliger Zeit als Europäisches Interesse zu erachtenden Angelegenheit durch freie Vereinigung zahlreicher von einander unabhängiger Gemeinwesen.

Für den internationalen Verkehr bleibende Ergebnisse der Hansa waren: die wirthschaftliche Assimilation der Verzehrungsgegenstände und Handelsbedürf= nisse im mittleren und nördlichen Europa, die Festigung gesicherter Münzordnungen, die Vervollkommnung der Schiffsbautechnik3), Belebung des Ackerbaues in den neu besiedelten Gebieten durch Organisation des Getreidehandels, Bekämpfung des Strandrechts), Herstellung regelmäßiger, ehemals im frühen Mittelalter völlig fehlender Seeverbindungen zwischen der Nordsee und den Baltischen Küsten einerseits und Westfrankreich oder Spanien andererseits. Zu einem nicht geringen Theile verdankten Wisby, Bergen, London, Brügge und Sluys ihr Aufblühen der Hansa. Ihr vornehmlich ist es zuzuschreiben, daß der Gewerbefleiß des Nordens in den Wettkampf mit Südeuropa einzutreten vermochte und für Italien, Spanien und Südfrankreich nach dem Rückgange anderweitiger Handelsbeziehungen neue Absaßgebiete eröffnet wurden. Brügge insbesondere erhob sich zum Haupthandelsplat für das nordwestliche Europa

Die Basis dieser Handelsblüthe lag, abgesehen von dem Unternehmungs. geist tüchtiger Seefahrer, in dem System der corporativen Privilegirungen, die sich die Hanseaten in fremden Städten oder von mächtigeren Landesherren zu sichern wußten, also in Verleihungsurkunden und Freibriefen. War der fremde Wanderer in Mitteleuropäischen Ländern ein,,Elender", so erschien er in den Seestädten bevorrechtet und erimirt, berechtigt insbesondere zur Selbstverwaltung und Selbstbeschirmung, weil ohne Rückhalt an irgend welche Staatsmacht.

Als Hanseatische Privilegien fielen ins Gewicht: eigene Gerichtsbarkeit, Versammlungs und Vereinsrecht, Befreiung von der Gefängnißhaft, ausge

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