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franken (1157) verkündeten Frieden beschränkte er sogar selbst auf nur zwei Jahre. Auch die Treuga Henrici VII. (1224) beschwor man. Im Vergleich dazu erscheint es als ein höchst bemerkenswerther Vorgang, daß der Landfriede Friedrichs II. (1235) weder eine Beschwörung anordnet, noch auch eine zeitliche Beschränkung der Dauer enthält. Uebrigens war es selbstverständlich, daß der Landfriede nur darauf berechnet war, den ungebührlichen Auswüchsen der Privatgewalt zu steuern und somit zahlreiche Ausnahmen und Zuwiderhandlungen immerhin vorkamen.

Wie im Römischen Recht allmälig im Anschluß an den Eigenthumsbegriff Jus publicum und Jus privatum sich von einander abgesondert hatten, so schied sich im Germanischen Mittelalter die staatlich-weltliche, christlich-kirchliche und persönlich-genossenschaftliche Idee des Rechts vornehmlich in der Art der Gruppirung der Gedanken um den Cardinalpunkt des Friedens, dessen weiteste Vorstellung ursprünglich die noch ungetheilte Gesammtmasse des Rechtslebens umspannt hatte. Wir sahen: Nachdem durch Befriedung von Personen, Richtern, Gerichten, Sachen, Ortschaften, Häusern ein Anfang zur Sicherstellung der Privatrechtspflege gemacht worden war und alsdann die religiöse Vorstellung einerseits im Asylrecht und andererseits im Gottesfrieden die allgemeinsten menschheitlichen Postulate der Rechtssicherheit für sämmtliche menschlichen Lebensbeziehungen geschaffen hatte, trat der Landfriede gleichsam in den Mittelpunkt der weiteren Entwickelung. Alle anderen Befriedungen und Waffenverbote werden schließlich gegen den Ausgang des Mittelalters durch das in Deutschland erst 1495 mit dem ewigen Landfrieden gewonnene Definitivum besiegelt. Allerdings waren die politischen Constellationen, die nach Jahrhunderten eines hartnäckig geführten Kampfes für den innern Frieden zu einer Neugestaltung der bürgerlichen Gesellschaft führten, in den einzelnen Europäischen Ländern sehr verschieden. Im Allgemeinen aber zeigte sich die Interessengemeinschaft zwischen der königlichen Gewalt und der städtischen Corporation in ihrem bald gemeinsamen, bald selbständigen Handeln gegen die friedensfeindliche Macht des Grundadels siegreich, während das Deutsche Kaiserthum aus dem Kampfe gegen seine Großvasallen geschwächt hervorging.

1) Das Recht des Sachsenspiegels untersagt (gegen die Mitte des XIII. Jahrhunderts) nur den Pfaffen und Juden das Waffentragen ganz allgemein.

2) Sohm, Altdeutsches Recht und Gerichtsverfahren I, 312.

3) S. Pland, Waffenverbot und Reichsacht (in den Sizungsberichten der Münchener Academie 1884, Heft I, S. 139).

4) So Pland, ebendaselbst S. 143.

§ 74.

Das Ritterthum und die Kreuzzüge.

Literatur: Büsching, Ritterzeit und Ritterwesen. 2 Bde. 1823.

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Das Ritterthum und die Templer, Johanniter u. s. w. 3 Bde. 1822-1824. Biedenfeld, Geschichte und Verfassung aller geistlichen und weltlichen Ritterorden. 2 Bde. Weimar. 1841. B. Kugler, Geschichte der Kreuzzüge. 1880. - H. Prus, Culturgeschichte der Kreuzzüge (1883), S. 89 ff., 181-213, 435 ff. (Literaturnachweisungen S. 499ff.) — Nißsch, Geschichte des Deutschen Volkes, III, 202 ff., 327. Perrot, Collection historique des ordres de chevallerie. Paris 1820. F. Laurent, Histoire du droit des gens VII, 179–194. Michaud, Histoire des croisades. 7. ed. 4 vol. (von Huillard Breholles) 1854. A. Pierantoni, Trattato di Diritto Internazionale I,

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510-555.

Wo die Wehrverfassung kriegerischer Völker auf taktischer Gliederung des Fußvolkes und der Reiterei sich gründet, erscheint es natürlich, daß der Heerdienst zu Roß einen politischen Vorrang begründet. Denn in solchen Fällen bedeutet die Zugehörigkeit zur Reiterei gleichzeitig ein höheres Besizmaß, wovon bei Gebirgsvölkern, deren Gebiet eine wirksame Verwendung der Reiterei ausschließt, oder bei Steppenvölkern, wie den Scythen, Mongolen, Hunnen und Tartaren, weil sie organisirter Truppenkörper zu Fuß entbehren, nicht die Rede sein kann. Aus diesem Grunde nahm auch bei den Römern der Ritterstand (equites), eine in der späteren republicanischen Periode vielfach bevorzugte gesellschaftliche Stellung ein.

Bei keiner Nation erlangte jedoch der Reiterdienst eine so weit reichende Bedeutung wie in den Germanischen Staatsbildungen des Mittelalters: ein Vorgang, der sowohl in den Ueberlieferungen der Wanderzeit, welche vornehmlich von der Nordischen Götterfage ausgingen als auch in dem alten Gefolgschaftswesen der Heerführer und in den militärischen Bedürfnissen des Angriffs und der Vertheidigung begründet war. In leßterer Hinsicht wurde insbesondere einflußreich, daß bei Angriffen der Sarazenen und Araber der Reiterei die entscheidende Rolle zufiel und den oft plötzlich hereinbrechenden Sturmfluthen der Hunnen, Magyaren und Slaven nicht anders wirksam begegnet werden konnte als durch schleunige Versammlung einer im Voraus gerüsteten Reiterei, während dem gemeinen Fußvolk die Aufgabe überlassen werden mußte, geschüßte Pläge und Burgen, die Zufluchtsstätten unmittelbar bedrohter fahrender Habe, zu vertheidigen. 1)

Wenn die im Lehnswesen begründete Waffenpflichtigkeit das reale und immobiliare Element der mittelalterlichen Wehr- und Gesellschaftsverfassung repräsentirt, so offenbart sich im Ritterthum die personale und bewegliche Seite des ständigen aber frei erwählten Kampfberufes.

Lehnsbesiz, Vasallität, Ministerialität, Grundadel und Ritterthum fallen

also trop mannigfacher rechtlicher Verwandtschaftsverhältnisse nicht zusammen. Der lehnspflichtige Vafall konnte zeitweise oder wie bei Weiberlehn dauernd verhindert sein, dem Heerbann in Person zu folgen und dadurch zur Stellvertretung veranlaßt werden, und dienstthuende Ritter brauchten nicht nothwendiger Weise Vasallen zu sein.

Seit dem 11. Jahrhundert erlangte, vornehmlich durch die Macht französischen Herkommens emporgehoben und im Zeitalter der Kreuzzüge zur Blüthe gediehen, das Ritterthum (militia) sowohl in den Germanischen als in den Römischen Staaten eine so universale Wichtigkeit, daß man ihm die Potenz einer international wirkenden Culturkraft ohne Bedenken neben der Kirche und dem Grundadel, mit welchem es seit dem 14. Jahrhundert verschmolz, zuerkennen muß.

Seinem inneren Gehalte nach gewürdigt, bedeutete das mittelalterliche Ritterthum: ideelle Vereinigung der Altgermanischen Waffenehre und Waffenfreude mit den christlichen Vorstellungen universaler Mission für die Menschheit. Ausgeprägt ist diese Vereinigung in der gesammten äußeren ritter: lichen Symbolik, in dem gleichsam weltlichen Ritual, in dem sich der ritterliche Geist verkörpert: in dem Schutz der Wehrlosen und Schwachen, in der Uebernahme eines Kampfgelübdes, zur Zeit der Kreuzzüge in der Weihe des Ritterschlages, der der Verleihung einer unzerstörbaren Priesterwürde entspricht; in dem Frauendienste, der die Verehrung der Madonna auf weltlichem Gebiete wiederspiegelt, in dem gleichsam bewaffneten Bußacte des Kreuzzuges als einer Wallfahrt nach dem gelobten Lande und seinen heiligen Stätten, in den die Ritterschaft christlicher Länder zu gleichsam öcumenischen Kampfspielen versammelnden Tournieren, 3) vor allem Anderen aber in der geistlich-weltlichen Uebergangsformation jener Ritterorden, die durch feierliches Gelübde auf Lebensdauer die Vertheidigung des Kreuzes gegen die Ungläubigen und die Bekehrung der Heiden im Nordosten Europas übernahmen und mit dem Schwerte verfochten.

Dieser innige Zusammenhang des Ritterthums mit der katholischen Kirche und ihrem mittelalterlichen Gedankeninhalt bewährte sich denn auch nothwendiger Weise in dem Schicksale gemeinsamen Verfalles seit dem vierzehnten Jahrhundert.

Mit dem offenen, seit dem Zeitalter Gregors VII. ausgebrochenen Kampfe zwischen den beiden Universalherrschaften des Papstthums und des Kaiserthums, in welchem leßteren auch die weltliche Spiße des Ritterwesens gefolgt war, ergriff der für Deutschland und Italien in der Beziehung der Ghibellinen und der Guelfen bezeichnende Dualismus kirchlich-politischen Parteihaders auch die ritterliche Kampfgenossenschaft der Edeln.

Dem allgemeinen Ansehen der Kirche und dem Glanz der Ritterschaften im gleichen Maße nachtheilig erwies sich das endliche Scheitern der Kreuzzüge nach beinahe zweihundertjährigem Ringen. Beiden Mächten, der Kirche und dem ritterlichen Adel, erwuchs während der Kreuzzüge dieselbe Gegnerschaft in

der Kraftentfaltung des bürgerlichen Berufes und der städtischen Gemeindefreiheiten. Und endlich kam dann Ausschlag gebend hinzu, daß die militäris schen Bedingungen, denen das Ritterthum seit seiner Entstehung praktische Wichtigkeit im Gesammtgefüge der Gesellschaft verdankte, seit der Erfindung des Schießpulvers und der dadurch bedingten Werthsteigerung des Fußvolks wiederum wegfielen. Mögen daher auch die Ritterschaften, die mit dem niederen Adel vielfach verschmolzen, nachdem das personale Moment der Ritters würde gleichfalls durch den Grundsaß der ständischen Erblichkeit überwältigt worden war, in einzelnen Ländern eine politisch erhebliche Rolle seit dem Niedergange des Lehnswesens gespielt haben jedenfalls hörten sie auf, das öffentliche Leben der Europäischen Welt in dem Maße zu beeinflussen, wie dies im Zeitalter der Kreuzzüge unter dem Uebergewicht des französischen Ritter, standes der Fall gewesen war. Vielmehr bildeten sich, als dem ritterlichen Leben seine ideale Richtung auf die Morgenländischen Glaubenskämpfe ge= nommen und auch in Spanien der Islam in die Stellung mühsamer Vertheis digung zurückgedrängt war, jene bekannten Zerrbilder fahrender Ritter, von welchen die Aufsuchung von Abenteuern aller Art ebenso ernsthaft betrieben wurde wie von den fahrenden Sendboten des Dominicanerordens die Glaubensinquisition, wenn diese auszogen, um Keßereien in der gesammten Christenheit ausfindig zu machen und als Verbrechen gegen die göttliche Majestät zu bestrafen. Selbst die Deutschen Kaiser, die einer ständigen Residenz immer entbehrten, machen nach der Staufischen Periode den Eindruck fahrender Ritter. Der mit der Erhebung der städtischen Gemeindefreiheit augenscheinlich gewordene Rückgang des Ritterwesens darf aber Niemand über dessen höchst bedeutsamen, im internationalen Verkehr bleibende Nachwirkungen täuschen.

Zunächst bewirkte das Ritterthum für alle Folgezeiten die Aufstellung einer eigenen Art weltmännischer Bildung in den Umgangsformen der höheren Gesellschaftskreise, die keineswegs nur als äußerliche Verfeinerung der Sitten genommen werden darf, sondern auf einen selbständigen ethischen Kern zurückgeführt werden muß. Das Grundwesen aller Ritterlichkeit wurzelt in dem Princip der Ehre, der hingebenden, demüthigen Treue, in dem Ges danken der Dienstpflicht für die Ziele des Rechtsschußes gegenüber Schwachen und Bedrängten, in dem Zugeständniß derselben Ehrenhaftigkeit auch an den Gegner, in dem Anerkenntniß der Gleichberechtigung der Waffenübung, das man selbst der Tapferkeit des Arabers nicht versagen mochte.4)

Neben den universalen Principien der Rationalität, der Philosophie, die in der antiken Hellenischen Welt von den Schranken der civitas absah, und des christlich-kirchlichen Glaubensgefeßes repräsentirt das mittelalterliche Ritterthum einen selbständigen, an den Ehrbegriff anknüpfenden Grundsaß kosmopolitischer Ethik. So lange die Ritterwürde jedem freigeborenen Manne zugänglich war, wegen Unwürdigkeit wieder entzogen werden konnte, also durch Erblichkeit nicht zur ständischen Geschlossenheit einer Kastenbildung entartete, übte dieser Gedanke einen mächtigen Reiz auf den gesammten Vor

Handbuch des Völkerrechts I.

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stellungskreis der mittelalterlichen Welt. Oder hätte Treue aus dem Grunde persönlicher Ehrenpflicht keinen Werth zu solchen Zeiten gehabt, in denen feierlich beschworene Eide troß der Macht der Kirche den Verträgen der Fürsten keinerlei Sicherheit zu verschaffen vermochten? Knüpfte doch selbst der Clerus bei der Verkündung des Gottesfriedens nicht an biblische Ausdrücke oder lateinische Formeln, sondern an die Germanisch-Fränkische Wortbedeutung, an die Verpflichtung der Treue (treuga) an, weil die Erinnerung an göttliche Gebote ihm nicht ausreichend zu sein schien.

Nach der international anerkannten Rangfolge dieser ritterlichen Ethik hatte die menschheitliche Ehrenpflicht der Mächtigen und Großen den Vorrang vor den Postulaten der Glaubenspflicht und der Gesetzespflicht der Rechtsordnung. Mag es auch unmöglich sein, dauernd gesellschaftliche Ordnungen auf ein so subjectiv wandelbares Fundament gleich demjenigen des Ehrgefühls zu begründen, so lag in der starken Betonung desselben doch immerhin der Hinweis auf die Unverbrüchlichkeit einer sittlich standesgenossenschaftlichen Lebensvorschrift, von der es keine Lossprechung und keine kirchlichen Dispense oder Abfolutionen gab.

Hätte man im Mittelalter ein allgemein wirkendes Institut zur praktischen Geltendmachung des Ehrbegriffes zu schaffen vermocht, so wäre man zur Herstellung einer internationalen Censur gelangt, die sich zur öffentlichen Ordnung des völkerschaftlichen Lebens wahrscheinlich eben so ergänzend verhalten hätte, wie das censorische Amt der Römer eine Vermittelung darstellte zwischen Volksfitte und Volksgesetz.

Das wesentlichste Product dieser mittelalterlichen, im Ritterthum wurzelnden Ehrbegriffe kann man als eine der wüsten Massenvernichtung entgegen= gesetzte Kampfmoral bezeichnen. Sie gipfelte in dem Gedanken, daß Beschimpfung des überwundenen Feindes, Plünderung aus Gewinnsucht, Mißbrauch physischer Ueberlegenheit, plöglicher Ueberfall und Wortbrüchigkeit den Sieger entehren. Wenn auch das ritterliche Ceremonial- und Formelwesen, das vornehmlich in Frankreich entstanden war, späterhin vielfach. dem Spott und der Satire anheimfiel, so darf troßdem nicht übersehen werden, daß in jenen ritterlichen Gebräuchen Keime besserer Kriegsgebräuche geboten waren, die durch Epigonen in die Officiercorps späterer Armeeorganisationen verpflanzt wurden und sich als entwicklungsfähig erwiesen. International gewordene Ehrenbegriffe wurden zur Grundlage einer keineswegs unpraktischen Völkermoral in den Beziehungen der Fürsten, die darauf bedacht waren, sich den Ruhm der Ritterlichkeit durch ihr Verhalten in auswärtigen Staatshändeln zu sichern. Freilich gilt dies nur unter gleichzeitiger Beachtung der Kehrseiten. Weil das Ritterthum, vergleichbar den Erscheinungen des heroischen Zeitalters der Griechen, die großen Gegenfäße des Völkerlebens in Einzelkämpfe aufzulösen trachtete und darum den Zweikampf als ideale Gestaltung jeglichen Streites auch auf die Privatrechts-Beziehungen der Individuen, ohne Rücksicht auf Staatsfeindschaften, also unmittelbar in das bürgerliche Gemeinleben übertrug, und indem

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