Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

4) Siehe den Triumphgesang Deborah's (IV-V) worin der Meuchelmord am Feinde verherrlicht wird.

5) So läßt es sich erklären, warum David's Gesandte von dem Ammoniterkönig Hanum als Kundschafter angesehen und beschimpft wurden. (Maspero a. a. D. S. 315.)

6) Maspero (a a. D.) S. 317.

7) Siehe die Nachweisungen bei Movers, Phönicier; Bd. II, Th. 2, S. 427. Maspero (a. a. D.) S. 293.

8) Von Maspero werden die Philister für eingewanderte, von Kreta herübergekommene Pelasger gehalten, die nach ihrer Niederlaffung Sprache und Sitten der einheimischen Semitischen Urbevölkerung angenommen hätten.

§ 48.

Das Israelitische Volksthum und das alte Testament.

Literatur: Ewald, Die Propheten des alten Bundes. 2. Aufl. Bd. I. 1867. C. Twesten, Die religiösen, politischen und socialen Ideen der Asiatischen Culturvölker und der Aegypter. I. Bd. 1872. F. Lenormant, Les origines de l'histoire d'après la bible et les traditions des peuples orientaux 2. vol. Paris 1884. Müller-Jochmus, Geschichte des Völkerrechts im Alterthum S. 58 ff.

-

In demselben Maße, wie die politisch nationale Grundlage des jüdischen Staatswesens durch siegreiche Feinde erschüttert ward und zahlreiche Israeliten, freiwillig oder gezwungen, von Palästina aus, zunächst über Nordafrica, Syrien, Kleinasien und die Euphratländer, späterhin über Europa zerstreut wurden, wuchs die innere Macht der von den Propheten verkündeten messianischen Idee, die als Wiederherstellung einheitlicher königlicher Macht mit ihrem Mittelpunkte in Jerufalem aufgefaßt wurde. Unvermeidlich war dabei jedoch die gleichzeitige Abschwächung der alten Gottesvorstellungen, nachdem man im Exil und in der Diaspora wahrgenommen, daß monotheistische Ideen auch anderwärts, insbesondere unter dem Einfluß Griechischer Philosophie Bestand ge= wonnen hatten, zumal nach der Zerstörung des Tempels die Verehrung Jehovahs ihre ehemalige örtliche Basis verloren hatte. Gerade in zunehmender Berstreuung concentrirte sich das jüdische Volk religiös und gesellschaftlich. Der Gegensatz, in den es gegen andere staatlich organisirte Nationen gerieth, hörte auf ein politisch-theokratischer zu sein. An seine Stelle trat ein gesellschaftlicher Gegensah, wurzelnd in der überall bewährten Anhänglichkeit an ein heilig gehaltenes Schriftthum, zu dessen eigenartiger, welthistorischer Bedeutung es gehörte, daß ein vermeintlich vorstaatlicher Gesetzgebungsact Mose's, nachdem er auf mannigfachste Weise während des Bestandes eines nationalen Staatswesens erschüttert und verlegt worden war, als nach staatliches Gesetz in der ihm schließlich gegen das Jahr 600 v. Chr. gewordenen endgültigen

Feststellung höhere Lebenskraft in dem individuellen Gewiffen der Juden gewann, als zu einer Zeit, wo ihm die königliche Gewalt zur Seite stand.

Einzelne Propheten hatten bereits unter den Königen den Boden des alten Staatsthums wanken gefühlt. Zur Zeit des Usias, Jotham, Achas und Hiskias um die Mitte des achten Jahrhunderts weissagte Jefaias in tief bewegenden Worten die Erneuerung des altjüdischen Geseßes, die Unterwerfung der Heiden unter den reinen Glauben, der von Zion ausgehen sollte, ein geistiges Weltreich in der Menschheit und den ewigen Frieden. 1) Es war unvermeidlich, daß einsichtige Männer in den kriegerischen Beziehungen `mit Aegypten, Assyrien und Babylonien die Unzulänglichkeit derjenigen äußeren Machtmittel einsahen und begriffen, über welche Israel und Juda verfügten.

=

Alle jene Todesdrohungen für Verlegungen der religiösen und rituellen Verbote, woran das alte mosaische Recht so reich gewesen war, mußten unter den in der Zerstreuung lebenden Juden, insbesondere nach dem endlichen Untergang Zions, politisch genommen, unanwendbar werden. Um so bedeutungsvoller ist es für alle späteren Zeiten, daß das seiner strafrechtlich wirkenden Organe und seines Zwangscharakters entkleidete Geseß sich als Gewissens- und Glaubensregel um so viel wirksamer erwies. In dem Zustande der Volksunterdrückung und auf fremdem Boden erlangte es eine ideale Macht, die ihm gefehlt, so lange Könige und Hohepriester im gelobten Lande ihres Amtes gewaltet hatten.

Man kann daher für die Epoche nach der Austreibung der Juden aus Kanaan von ihnen sehr wohl sagen: sie seien in Gestalt gesellschaftlich festgeschlossener Gemeindebildungen in einen internationalen oder intercommunalen Zustand gerathen, der uns über zahlreichen örtlich weit von einander getrennten und in ihrem wechselseitigen Verhältniß zu einander völlig selbständigen Volksgruppen eine herrschende, Gemeinschaft wirkende Idee erkennen läßt. Die formale Vorbildlichkeit für spätere Organisation des internationalen Rechts liegt eben darin, daß Recht und Gesetz, wo sie in ungetrenntem historischen Zusammenhange mit sittlich-religiösen Vorstellungen wohnen, als eine von territorialer Bedingtheit und politisch organisirten Zwangsmitteln durchaus unabhängige Macht wirksam werden können.

Dächte man sich als lebendiges und anerkanntes Oberhaupt der zahlreich über die Erdoberfläche zerstreuten Judengemeinden die Person eines HohenPriesters gebietend, so würde innerhalb des Judenthums die theokratische Weltherrschaft in demselben grundsäßlichen Sinne verwirklicht gewesen sein, wie innerhalb des mittelalterlichen Papstthums.

Ohne solchen einheitlichen persönlichen Abschluß erscheint dagegen während des Mittelalters und in der Mehrzahl der Länder sogar bis in die neueste Zeit herab die Totalität aller jüdischen Gemeindewesen als eine international wirkende Potenz, vorwiegend in dem negativen Gemeinschaftszustand der politi schen Unterdrückung, aber mit einer den Verfolgungen der Jahrtausende ent gegengestemmten Gesammtkraft des gemeinsamen religiösen Duldens. So auf

gefaßt, ist das international durch Päpste und Könige innerhalb des Christenthums älterer Zeit geächtete jüdische Gemeindethum gleichsam das Gegenbild zu dem international als herrschend anerkannt gewesenen universalen Papstthum, das gleichfalls die weltliche Macht unter dem Banne des Glaubensgesetzes practisch ebenso beugte, wie das jüdische Gesetz nach der ihm gewordenen Auslegung und Interpretation bürgerlicher und gesellschaftlicher Beziehungen der Juden ohne directen 3wang zum Gehorsam nöthigen konnte, wo dem Abfall von ihrem Glauben jede mögliche Belohnung winkte.

Kein Volk der Erde hat in gleicher Weise gerade wegen seiner ureigenen Ausschließlichkeit so wenig Allgemeines von anderen Nationen seinem histori= rischen Dasein einverleibt und, wiederum troß derselben Ausschließlichkeit, so viel in den Lebensgang allgemein menschlicher Gesittung zu übertragen vermocht, obwohl es seine staatliche Existenz und die Sprache der heiligen Schrift in den Gräbern der Schriftgelehrten zu den todten Sprachen bestattet hatte. Diese ungeheure Nachwirkung des Israelitischen Volkswesens hat ihren Grund in der Thatsache, daß das Christenthum selbst seine Weltmission nicht anders beglaubigen und beurkunden konnte, als durch Verweisung auf die Ankündigungen und Verheißungen der altṭestamentarischen nationalen Propheten. Während die Bekenner des alten mosaischen Glaubens von der mittelalterlichen Welt gerichtet wurden, entwickelt sich das priesterliche Ceremonialrecht mit seinem kirchlichen Ritual im strengsten Zusammenhang mit den Schriften des alten Testamentes.

Keine Urkunde und Schrift hat für die Herausbildung internationaler Gemeinschaftszustände bleibender oder rechtlicher Art im Wechsel der Zeiten und unter völlig verschiedenen Thatumständen so weitreichende Ergebnisse hervorgerufen, wie gerade die Gesammtheit der alttestamentarischen Satzungen. Wollte man nämlich davon absehen, daß der für das Mittelalter so wichtig gewordene Gegensaß des Priesterthums zum Laienthum, der Begriff der sichtbaren Kirche und ihrer Weihen, des Opfers und zahlreicher anderer kirchlicher Verhältnisse, einschließlich der Vorzugsrechte der Hierarchie in den alttestamentarischen Schriften wurzelt, so müßte man doch daran festhalten, daß die Zusammenhänge des kirchlichen, religiösen, politischen Gesammtlebens, wie solche sich in Europa nach und nach herausbildeten, ohne Kenntniß des alten Testaments gar nicht erfaßt und begriffen werden können.

Der Dekalog mit seinen lapidaren Geboten bildet die Verfassungsurkunde der gesitteten Welt, die universalste und volksthümlichste Pflichtenlehre der Menschheit, die Grundlage moralisch practischer Volkserziehung, großartig in ihrer einfachen, bedingungslosen Kürze. 2) Die ihn ergänzenden Strafdrohungen der Schrift haben die Criminalgesetzgebung der weltlichen und geistlichen Gewalten beherrscht. Nicht minder haben christliche Republikaner ebenso wie christliche Monarchisten im alten Testament Rechtfertigungsgründe für ihre Lehren gesucht, jene indem sie auf die vorkönigliche Zeit der Juden, diese indem sie auf die Vorbilder der königlichen Theokratie zurückgriffen.

Noch in der Gegenwart erörtern Parlamente, unter Berufungen auf alttestamentarische Sagungen, die der Eheschließung entgegenzustellenden Hindernisse. Das gesammte Eherecht der mittelalterlichen Kirche ward von mosaischen Vorschriften beeinflußt.

Unerschöpflich ist der Reiz, den die Geschichte des heiligen Landes nach der Verbreitung des Christenthums auf die Einbildungskraft der Menschen. ausübte.

Die Erzväter der Juden wurden zu Erzvätern der Menschheit erhoben. An den Lebensschicksalen des jüdischen Volks bildete der primitivste Elementarunterricht in der Geschichte die am weitesten verbreiteten Vorstellungen von Recht und Unrecht im öffentlichen Leben der Menge. Erzählungen der Genesis, Dichtungen der Psalmen boten der mittelalterlichen Kunst eine unerschöpfliche Fülle von Stoffen und vermittelten so den Anschauungsunterricht von Ereignissen, die in der Entfernung der Zeiten an Größe noch zugenommen hatten.

Die im Steuersystem der mittelalterlichen Kirche durchgeführte und für die staatlichen Dinge so wichtig gewordene Privilegirung der Geistlichkeit, beruhend auf der Pflicht, den Zehnten zu entrichten, entstammt der jüdischen Ueberlieferung. Ihr war die Herrschaftsstellung der kirchlichen Macht in gesellschaftlichen und wirthschaftlichen Dingen während der Kindheit christlicher Staatsbildung ebenso zuzuschreiben, wie die Entwickelung der jüdischen Bannung und Ausschließung der geistlichen Strafgewalt über die Gewissen un= widerstehlichen Nachhalt gab.

Wie wenig daher immer die Geschichte Israelitischer Könige im Vergleich zu dem Glanz und zur Dauer anderer orientalischer Monarchien zu bedeuten haben mochte, wie gering die Begabung der Israeliten für die Herstellung großer architectonischer Monumente und für die Verwirklichung politischer Ideen auch gewesen, in der sittlichen Energie feiner heiligen Schriftwerke steht das Judenthum unvergleichlich da. Sie erscheint als die gleichmäßig durch die Jahrtausende waltende Macht eines in gemeinsamen Culturinstitutionen ausgeprägten Geistes, der gleichsam wider den Willen seiner ursprünglichen Schöpfer fortzeugend sich bethätigte, ohne jedoch darum den geschichtlichen Gegensatz zwischen ihnen und später entstandenen Nationen ausgleichen zu können.

Alle Culturvölker haben die tief in das bürgerliche Leben eingreifenden Institutionen eines wöchentlichen Ruhetages aus dem alten Testament empfangen, aber der nicht auszulöschende Unterschied zwischen uralter Sabbathfeier und späterer Sonntagsfeier blieb bezeichnend für die Zähigkeit, womit das Judenthum im Wandel der Zeiten seine Ueberlieferungen gegenüber verwandtschaftlichen Einrichtungen zu vertheidigen wußte. Eben diese Wahrnehmung gestattet einen Rückschluß auf die Stärke des Gegensaßes, der zu Zeiten ihrer staatlich selbständigen Existenz die Israeliten von den polytheistischen Glaubensvorstellungen der ihnen benachbarten Völker trennte. 3)

1) Jesaias II, 2-4: Denn von Zion wird das Geseß ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und strafen viel Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugschaaren und ihr Spieße zu Sicheln machen Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert aufheben und werden fort nicht mehr kriegen lernen. Theilweise wörtlich damit übereinstimmend Micha, 4, 2-5.

2) Daran kann auch durch die Thatsache nichts geändert werden, daß die zehn Gebote inhaltlich an das Aegyptische Todtenbuch anknüpfen. S. Twesten (a. a. O) S. 347, der geneigt erscheint, die Bedeutung der originalen Israelitischen Bestandtheile des Dekalogs zu sehr herabzumindern

3) Ueber die Beurtheilungsweise, welche die Juden von anderen Völkern des Alterthums erfuhren, siehe: Tacitus Hist 5, 5. Philostr. Apoll. 5, 33. Diodor. Ecl. 34, 1. 40, 1. Justin. 36, 2. Alle diese Schriftsteller bemerken das gesellschaftswidrige Verhalten der Juden im Verkehr mit Andersgläubigen (μóĘɛvol).

Zweites Kapitel.

Hellas und das Hellenenthum.

$ 49.

Die Griechische Culturanlage.

Literatur: Curtius, Griechische Geschichte. 3 Bde. 5. Aufl. 1880.

Dunder, Geschichte des Alterthums. Bd. V-VIII.
geschichte I, 155-375. II, 1 — 222.

12 vol. London 1846 - 1856.

[ocr errors]
[blocks in formation]

2. v. Ranke, Welt

G. Grote, A History of Greece

Keines der älteren oder neueren Culturvölker hatte eine so kosmopolitisch universale und gleichzeitig in der Mannigfaltigkeit ihrer Einzelbildung so unerschöpfliche Naturanlage empfangen wie die Hellenen. Sie er scheinen uns im Lichte der Weltgeschichte strahlend, als Menschheitsvolk, nicht als einheitlich organisirte Nation.

Die Mannigfaltigkeit ihrer geistigen Hervorbringungen wurde bedingt durch die Beschaffenheit der Bodengestaltungen und Gebietsformationen auf dem von ihnen eingenommenen Gebiete: Geschieden gegen die nördlicheren nicht hellenischen Völkerstämme durch jene Reihe paralleler, im Balkan gipfelnder Gebirgszüge, die sich während des Zeitalters höchster griechischer Culturblüthe als sichernder Wall gegen den Ansturm der Barbaren bewährten, offenbarte die Eigenartigkeit des Landes sich in allmäligen Uebergängen zwischen Thal-. senkungen und vielfach sich kreuzenden oder durchschneidenden Höhenlinien.

« ZurückWeiter »