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mit benachbarten Völkern, den Triumph des Siegers, das Gottesbewußtsein der Herrscher.) Die Königsbauten find gleichzeitig Tempelbauten der Selbstverherrlichung des Monarchen.

Wie lange und seit wann das Babylonisch-Chaldäische Staatswesen in der Entwickelung begriffen gewesen war, bevor nachweisbar eingewanderte Urvölker östlicher Herkunft zur Gemeinschaft staatlichen Lebens und des sprachlichen Verständnisses sich zusammenfügten, wird Angesichts einer höchst unficheren Chronologie voraussichtlich noch lange unaufgeklärt bleiben. Nächst Aegypten erscheint Chaldäa als zweitältestes Gemeinwesen der Vorderasiatischen und Africanischen Gruppe. In Babylon trat das Verhängniß der Sprachentrennung als einer Scheidung der Menschheit zuerst in das Bewußtsein der Völker.

Wie weit sich die Wirkungen Chaldäischer Gesittung von Babylon aus erstreckten, wird sich mit Sicherheit schwerlich ermitteln lassen. Nicht zu be= zweifeln aber ist, daß der Mittelpunkt des Baaldienstes durch seinen großstädtischen Glanz keinesweges nur auf dessen Gegner, wie die Israeliten, sondern auch auf die unreiferen Völkerstämme am oberen Euphrat und Tigris imponirend einwirkte und mit den nationalen Gottheiten kleinerer, unabhängiger Staatswesen, die im 10. und 9. Jahrhundert vor Christus im Quellenlande jener Ströme noch zahlreich bestanden, auch deren kriegerische Widerstandskraft herabseßte. Ackerbau, Viehzucht, Bewässerung und Bauwesen müssen sich von dort aus schneller und weiter verbreitet haben, als von Aegypten aus möglich war.

Babylon ward die Vorgängerin und späterhin die Dienerin von Ninive. Das Verhältniß beider Metropolen erscheint abwechselnd bald als ein internationales, bald als wechselseitige Unterjochung der einen durch die andere. Jedenfalls erkennt man in Babylon und Assyrien die ersten Anfänge internationaler Geistescultur als Verbindungsglied zweier zeitweise unabhängig zu einander gestellter Länder. Aus unabhängig neben einander wirkenden Fürstenthümern nördlich und nordöstlich Mesopotamiens bildeten sich die Ländergebiete Assyriens, und seiner gewaltigen Königsmacht, deren erste Anfänge an den mythischen Namen des Ninus geknüpft sind, in Wirklichkeit jedoch auf Affurnasiohabal zurückgeführt werden müssen (gegen 860). 5)

Unter den großen erobernden Weltmächten der Geschichte war Assyrien, zeitlich genommen, die erste. Nicht nur jene kleineren Fürstenthümer am oberen Lauf des Euphrat und Tigris, nebst den umwohnenden Gebirgsstämmen, auch die größeren Reiche Vorderasiens, und schließlich selbst Aegypten unterlagen dem Schwerte Assyrischer Eroberung, deren Ziele weniger in der Vergröße rung des Staatsgebiets, als in der Bereicherung königlicher Schaßkammern oder in der Verherrlichung kriegerischen Ruhmes zu erkennen sind.

Gleich den Aegyptern verpflanzten die Assyrer ganze Volkstheile durch Massendeportation in entlegene Gegenden. König Sargon († 705) rühmte

sich nach der Einnahme von Samaria 27 280 Israeliten nach Affur gebracht zu haben.

Des Assyrischen Reiches abgesonderte Entstehung fiel in die Epoche zwischen der Spaltung des jüdischen Staatswesens und der Erhebung des Perserthums. Wie in anderen orientalischen Großstaaten bestand vor dem vollendeten Abschluß Assyrischer Königsmacht auf ihrem Gebiete eine größere Anzahl kleinerer, sich in fortwährender Fehde bekämpfender, theils ansässiger, theils nomadisirender Stammesfürstenthümer. Die Unmöglichkeit internationale Rechtszustände unter solchen sich selbst nicht genügenden Fürstenthümern, tro mancherlei unter den semitischen Völkerschaften vorhanden gewesener Verwandtschaften, herzustellen, liefert den Erklärungsgrund für die Schnelligkeit in dem Prozeß altorientalischer Großstaatsbildung; diese Schnellfertigkeit der durch die Hand glücklicher Eroberer geschaffenen Staatswerke wirkt aber auch als Ursache beschleunigten Verfalles. Denn im Orient zeigte sich nirgends die Fähigkeit staatlicher Neubildung auf Grundlage einheitlicher, allmäliger Verschmelzung verschiedener Culturgestaltungen.

,,Die Altassyrischen Denkmäler, die in unseren Tagen aufgefunden und dem Verständniß angenähert worden sind, enthüllen uns die Thatsache, daß im 10. und 9. Jahrhundert vor unserer Aera, in welche die Macht von Tyrus und das Aethiopische Pharaonenthum in Aegypten, zugleich aber die Spaltung des Reiches Israel in zwei Stammesgruppen fällt, noch eine Anzahl unabhängiger kleiner Reiche diesseits und jenseits des Euphrat und des Tigris, sowie in dem Quellenlande der beiden Ströme bestanden, alle blühend, reich und wohlbegründet. Ueberall finden wir Fürsten und einigermaßen befestigte Städte, volksthümliche Streitkräfte und angesammelte Schätze."6)

Zur Erklärung des Verschwindens solcher Staatsbildungen, die dem Anprall herannahender Eroberung schnell erlagen, mag man darauf verweisen, daß die im Alterthum weitverbreitete Sitte der Anhäufung von Tempelschätzen das Fortschreiten wirthschaftlicher Entwickelung ebenso sehr hemmte, wie sie die Begehrlichkeit fern wohnender Barbaren reizte.

Welche Bedeutung den Assyrern in dem allgemeinen Entwickelungsgange der internationalen Cultur zukomme, das läßt sich nicht leicht abschäßen. Maspero urtheilt von ihnen:,,Sie waren ein mörderisches Volk, voll Gewaltthat und Lügen, sinnlich, stolz bis zum Uebermaß, schurkisch und verrätherisch aus Verachtung gegen ihre Feinde. Wenige Völker haben so, wie die Assyrer das Recht des Stärkeren gemißbraucht. Auf ihrem Wege verwüsteten oder verbrannten sie die Städte, die Häuptlinge der Empörer pfählten sie oder schunden sie bei lebendigem Leibe. Trotz des Glanzes und der Verfeinerungen ihrer äußeren Gesittung blieben sie immer Barbaren. Im Namen Assurs begingen fie diese Scheußlichkeiten, denn im vollsten Sinne des Wortes waren sie ein religiöses Volk."")

Anders urtheilt Ranke über ein Reich, das den Semiten den ersten Rang unter den altorientalischen Mächten erkämpfte: „Assyrien ist die erste welt

erobernde Macht, der wir in der Weltgeschichte begegnen. Das wirksamste Mittel, das sie in Anwendung brachte, um die Unterwürfigkeiten zu befestigen, bestand in der Wegführung der vornehmsten Einwohner aus den bezwungenen Landschaften nach Assyrien und der Ansiedelung von Assyrern in den neu erworbenen Gebieten. In Ninive besaß das Assyrische Reich eine Kapitale, in welcher alle Elemente des damaligen Völkerlebens sich begegneten und noth= wendig einen gegenseitigen Einfluß ausübten. Die wichtigste Einwirkung Assyriens auf die Welt möchte darin zu suchen sein, daß es die localen Selbständigkeiten und die localen Gottesdienste in Vorderafien einengte und brach.")

Nur wenige Jahrhunderte währte die Herrlichkeit der Assyrer. Auch sie erlag dem Ansturm minder civilisirter Nationen. Der Bestand des Volksthums war lediglich an das Kriegsglück des Monarchen geknüpft, mit welchem die abergläubische Verehrung der Menge untrennbar zusammenhing.

Ueber den Untergang von Ninive (606) weiß man nichts genaues. 9) Auf den Trümmern Assyrischer Herrschaft erhob sich das Medisch - Persische Reich, unmittelbar nachdem eine einbrechende Horde von Kimmeriern durch ihren zehnjährigen Erfolg die Schwäche des Assyrischen Reiches blosgelegt hatte.

Den in das Jahr 606 v. Chr. gefeßten Untergang Assurs überlebte das mit dem Meder Kyarares wahrscheinlich verbündet gewesene Babylon um ein halbes Jahrhundert, bis es in die Hände des. Kyros fiel. Die Schickfale von Chaldäa und Assyrien waren auf das Engste in einander verflochten gewesen. War Assyrien, nachdem es sich geistig an der älteren Culturarbeit Babylons aufgerichtet hatte, in der Mehrzahl kriegerischer Zusammenstöße dem südlichen Nachbarstaate überlegen gewesen, so hatte es sich doch regelmäßig unfähig gezeigt, ihn anders als durch halbsouveräne Statthalter zu regieren, durch deren Unbeständigkeit und Untreue sehr wechselvolle Zustände herbeigeführt wurden.

Auf den Denkmälern von Ninive, Chalah und Babylon gewahrt man, wieweit altorientalische Könige davon entfernt waren, andere Herrscher im Verkehr als gleichberechtigt anzusehen. Eigenthümlich erscheint diesen Zeiten, daß fremde Gesandtschaften herkömmlich nicht als Verkehrsvermittelung zwischen Staaten, sondern als Verherrlichungen und Ehrungen des empfangenden Königs, als Unterwürfigkeitsgepränge fremder Nationen aufgefaßt wurden. Aus dieser Anschauung mag zum Theil die den Gesandten gewährte Schonung erklärt werden. Unbefugte Gewaltthat gegen Sendboten konnte als ein Eingriff in die königlichen Ehrenrechte desjenigen erscheinen, der sich selbst in dem Empfang auswärtiger Gesandtschaften verherrlicht fah.

Würdigt man innerhalb der kriegerischen Beziehungen der Babylonier und Assyrier die im Allgemeinen Ausschlag gebenden Gründe von Sieg und Niederlage auf den Schlachtfeldern, so gewahrt man, daß, in Ermangelung natürlich fester Gränzlinien zwischen mehreren Staatswesen, eine vom ständigen Raube lebende Barbarenhorde, auch wenn sie in der Minderzahl

kämpft, fast immer solchen Völkerschaften überlegen ist, die zwar in ihrer Gefittung weiter fortgeschritten sind, aber wegen unvollkommener Arbeitstheilung zwischen Kriegsdienst und Ackerbau oder Gewerbe zu keiner festen Organisation ihrer Machtmittel gelangt sind. Geographische und historische Unkenntniß, wie sie durch Griechische Berichte für den Orient noch im 6. Jahrhundert als vorhanden und in bunten Mythenbildungen hervortretend bezeugt wird, wirkt neben den bereits angedeute= ten Verhältnissen als ein Grund der Lähmung wirklich vorhandener Staatskräfte. Unbeachtet gebliebene Streifzüge beuteluftiger Stammeshäuptlinge konnten leicht zu Unterjochungen blühender Gemeinwesen führen, weil organisirte Gegenwehr oft erst dann versucht wurde, wenn es zu spät war.

Die Assyrer waren in kriegerischer Hinsicht ein hochbegabtes, tapferes, unternehmungslustiges Volk, voll Verachtung gegen minder kräftige Nationen, in strengster Unterordnung unter ihre Könige Entscheidend für ihre Machtstellung war der Anfall von Ninive gewesen, das als Stapelplag des Karawanenhandels zwischen dem fernen Osten und Phönicien längst, bevor die Sage ihre Stadterbauer erdichtete, von Bedeutung gewesen sein muß. Ebenso verschwand Assyriens Macht mit dem Untergange von Ninive. Das Schicksal dieser Nation war dasjenige seiner Hauptstadt und seiner Könige. Bei den seßhaften Nationen Asiens, in Assyrien und Babylonien war der Belagerungskrieg mit seinen Erfolgen und Fehlschlägen in der Mehrzahl der Fälle entschei dender, als der Ausgang einer Feldschlacht.

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1) K. Bezold (Ueber Keilinschriften, Berlin 1883) giebt als Fundorte der Keilinschriften an die größeren Städte des Persischen, Babylonischen und Affyrischen Reiches. Doch sind auch bei Suez Keilinschriften gefunden. Derselbe Forscher meint, daß die Literatur der Babylonischen Monumente sich an Alterthümlichkeit mit der Aegyptischen und Chinesischen vergleichen lasse. Doch reicht die Mesopotamische Chronologie immerhin nur bis in die Anfänge des dritten Jahrtausends v. Chr. Ueber die neue Keilschriftenliteratur s. daselbst die Nachweisungen desselben Autors S. 30. 2) Die Zahl der Schriftwerke ist erstaunlich groß, wenn man die gewaltsamen Zerstörungen durch Menschenhand und Naturereignisse bedenkt. Bezold (a. a. D.) S. 6 schäßt den Vorrath des Britischen Museums (außer 15 000 numerirten Thontafeln) auf ebensoviel nicht numerirte Stücke, und mindestens 150 000 Stücke im Stromland selber liegend, d. h. blosgelegte.

3) Neuerdings werden die Chaldäer als Sumarier oder Akader bezeichnet. Im engeren Sinne bedeutet mat Chaldu bei den Afsyrern das südlich von BabyIon nach dem Meere belegene Gebiet; im weiteren Sinne schließt es Babylon in fich. Schrader (a. a. D.) S. 132.

4) Als typisches Beispiel solcher monumentalen Berichte mag die Inschrift des Sanherib (705 – 681 v. Chr.) dienen, welche seinen Feldzug gegen die Kaschgi erzählt.

5) S. Ranke (a. a. D.) S. 92.

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9) Die biblische Todtenklage des Propheten f. Ezechiel, 31, 11-16. 32, 22. 23.

§ 45.

Das Medisch-Persische Reich.

M. Dunder, Geschichte

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Literatur: Spiegel, Die Altpersischen Keilinschriften. 2. Aufl. 1881. - Oppert, Le peuple et la langue des Mèdes. Paris 1882. des Alterthums (5. Aufl. 1879). Bd. IV, S. 205 ff. Ed. Meyer, Ges schichte des Alterthums. Bd. I, 497-619. L. v. Ranke, Weltgeschichte. Bd I, S. 120 ff. G. Maspero, Geschichte der Morgenländischen Völker im Alterthum. (Deutsch von R. Pietschmann, 1877.) S. 504–600. F. Laurent, Études sur l'histoire de l'humanité. Bd. 1, 425–464.

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Die Meder hatten das Verdienst, die semitische Gesittung von der gefähr= lichen Bedrohung durch skythische Horden zu erretten. Ihrerseits erlagen fie bald den Persern. 1)

Das Persische Reich, dessen Dasein unter Kyros um die Mitte des VI. Jahrhunderts v. Chr. begann, überdauerte kaum den Zeitraum von zwei Jahrhunderten. Auf der Grundlage der von Kyaxares begründeten Medischen Herrschaft erwachsen, vereinigte es unter der Gewalt seiner Könige der Reihe nach Lydien, erhebliche Theile Kleinasiens, Phönicien, Cypern, Aegypten, Syrien, Assyrien und Babylonien, sowie die östlichen Ländergebiete bis an die Gränzen Indiens, im Norden die Kaspischen Nachbargebiete bis an die Steppenränder Centralasiens mit den Gebieten der Skythen. Reines der vorangegangenen und vor Begründung der Persischen Herrschaft wieder zerfallenen Reiche konnte sich auch nur eines annähernd gleichen Umfanges rühmen.

Die Größe dieser durch Eroberung gewonnenen Erfolge beruhte vornehm lich auf innerer Erschöpfung der früher thätig gewesenen nationalen Culturkräfte, nächstdem auf schneller Beweglichkeit eines kriegerischen Nomadenstam= mes, dessen Stärke besonders in der Ueberlegenheit der Reiterei und berittener, ferntreffender Bogenschüßen bestand.

Allen anderen Nationen gegenüber war der Persische Volkscharakter durch eine Reihe negativer Merkmale gekennzeichnet. Ihm fehlte der Grundzug religiöser Ausschließlichkeit und theokratischer Priesterherrschaft, sowie die dadurch bedingte Unterwerfung unter geheimes Ceremonialwesen oder abergläubische Gößenverehrung. Unzweifelhaft trägt sogar die Religionslehre Zoroafters mehr als irgend welches andere alte Glaubenssystem der Orientalen allgemein menschliche Reime eines universalen Ethos in sich, die späterhin vielleicht nur deswegen entarteten, weil sie vorzeitig, ehe sie sich hinlänglich be

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