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der vier Weltgegenden dachte, die gleichsam in seiner Person ihren Ausgang haben sollten.

Das älteste geographische Bildniß der Erde, als einer vom Okeanos umströmten Scheibe, wie es sich bei Griechen der ältesten Zeit vorfindet, wurzelt in Phönicischen Berichten und übertrifft, troß seiner Unvollkommenheit, die Vorstellungen, welche die Könige Aegyptens und Syriens sich selbst vorgefabelt hatten.

Daß ein Volk von so gewaltigem Unternehmungsgeist für die internatio= nalen Verkehrsbeziehungen der alten Welt vornehmlich im Bereich materieller Bedürfnisse der Genußmittel und des Lurus, der Kunstindustrie, zumal der textilen, hinsichtlich der technischen Vorrichtungen des Schiffsbaues, in Beziehung auf die Ueberlieferung fester Handelsgebräuche und seerechtlicher Uebungen viel mehr gethan haben muß, als im Einzelnen in der Erinnerung nachfolgender Geschlechter erinnerlich blieb, scheint eine vollkommen berechtigte Annahme zu sein. Denn der Handel documentirt seine Siege und Errungenschaften nicht, wie die auf dem Schlachtfelde erfolgreichen Feldherren, durch Selbstverherrlichung. Daher die vergleichungsweise geringe Anzahl von Phönicischen Schriftdenkmälern, die auf dem weiten Erdraume zwischen Ninive und Marseille gefunden wurden. Immerhin wird dadurch bezeugt, daß Maße und Gewichte des Handels durch die freiwillig angenommene Autorität Phönicischer Grundmaßstäbe ausgeglichen wurden. Manche ihrer Kenntnisse mögen die Phönicier andererseits aus Eifersucht und handelspolitischer Vorsicht vor anderen Völkern geheim zu halten bemüht gewesen sein, was insbesondere von der Behandlung der Purpurschnecke anzunehmen ist.

Vornehmlich den Phöniciern wird es zuzuschreiben sein, daß die roheren Urformen des Tauschhandels zu einem auf dem Edelmetallverkehr beruhenden Kaufhandel umgestaltet wurden. Sie waren, auf eifrig betriebenem Bergbau gestüßt, die Verbreiter der ältesten Silberwährung, die gleichmäßig zur Zahlung des Kaufpreises wie zur Sühnung verbrecherischer Schuld in Asien lange Zeit verwendet wurde, bevor Griechen, Römer und Perser den Gebrauch der Edelmetalle fennen lernten. In ältester Zeit scheint der Umlauf des Silbers auf Phönicien und die Nachbarländer beschränkt gewesen zu sein. 3)

Movers unterscheidet drei Perioden in der Entwickelung der Phönicischen Handelsblüthe Die älteste reicht bis 1600 v. Chr. und findet ihren Stüßpunkt in der Städteblüthe von Byblus, Barytus und Arvedus. Die Hauptrichtungen der Colonisation bewegten sich damals in nördlicher Richtung nach den Küsten von Thracien und Macedonien. Während der zweiten Periode (von 1600 bis 1100 v. Chr.) führte Sidon die Hegemonie in einem Handel, der sich in westöstlichen Richtungen von dem silberreichen Tartessus und den Säulen des Herkules bis an die Euphratländer, Südarabien und Indien erstreckte. Die dritte Periode gruppirt sich um Tyrus (1100 bis 750 v. Chr.). Ihren Beginn bezeichnet die Stiftung von Gades und die Colonifirung der Africanischen Nordküste, ihren Niedergang das siegreiche Vor

dringen der Assyrer in Vorderasien. Während dieses weiten Zeitraumes von beinahe tausend Jahren blieben die Phönicier ohne gefährliche Nebenbuhlerschaft Herren der Meere.

Wie die Phönicier ihrerseits fremde Gestade aufsuchten, so gestatteten sie auch den Angehörigen anderer Nationen den Gewerbebetrieb in ihren Seehäfen. In Sidon und Tyrus befanden sich zu Zwecken des Handels Chaldäer, Assyrer, Juden und auch Mager, die Plato dort aufsuchte, um ihre Kunststücke kennen zu lernen.

Reinerlei Wagniß umgiebt die Vermuthung, daß das Handelsrecht von Rhodos Phönicischen Ursprungs gewesen. Nach der Sage machte Minos der Phönicische Kretafürst, dem Seeraube ein Ende.

Daß die Phönicier die Lehrmeister der Ostgriechen gewesen, bezeugt einer der gründlichsten Kenner des Griechischen Alterthums. Curtius fagt:,,So verschieden ihr (der Kleinasiatischen Griechen) Verhalten den Phöniciern gegen= über gewesen ist, so hatten sie doch alle das gemeinsam, daß sie sich die Cultur des vorangeschrittenen Volkes aneigneten und ihm mit klugem Sinne seine Künste ablernten. Mit Fischerei seit alten Zeiten vertraut, fingen sie nun an, ihre Kähne mit den Kielbalken zu versehen, die sie zu kühnerer Fahrt befähigten; sie lernten Segel und Ruder verbinden und vom Steuerplaße aus nicht mehr nach den wechselnden Gegenständen des Ufers, sondern nach den Gestirnen den wachsamen Blick richten. Die Phönicier sind es gewesen, die am Pol den unscheinbaren Stern ausfindig gemacht haben, den sie als sicherften Führer ihrer nächtlichen Fahrt erkannten; die Griechen haben das glänzende Sternbild des großen Bären zu ihrem Schiffahrtsgestirne gewählt.*)"

Nicht das Geringste unter den Verdiensten der Phönicier ist die Umbildung Altägyptischer Schriftzeichen zu einem dem Handelsverkehr dienlichen, leicht begreiflichen Alphabet, dessen Grundzüge auch der Arischen Völkerfamilie gemeinsam geblieben sind.

Durch neue wissenschaftliche Forschungen ist dargethan, daß die ursprünglich von Aegyptischen Hieroglyphen abstammende Cursivschrift unter der Herrschaft der Hirtenftämme über Aegypten von Cananäern auf diejenigen Schriftzeichen reducirt wurde, die den Bedürfnissen und Grundlauten der Syrischen Sprachen dienlich sein konnten. Auf dem Wege solcher Vermittelung entstand das aus zwei und zwanzig Schriftzeichen bestehende Phönicische Alphabet, dessen Verwandtschaft mit dem Aegyptischen Vorbilde in zwanzig Buchstaben unverkennbar hervortritt. 5)

Das zunächst in Kanaan zur Anwendung gekommene ursemitische Alphabet veränderte sich je nach der Dertlichkeit, so daß daraus das Aramäische, Palmyrenische und Hebräische Alphabet hervorging.,,Von den Sidoniern und Tyriern wurde es überall hingeführt, wo sie durch ihren Handel hinkamen und so zum gemeinschaftlichen Stamme, von dem sich alle Alphabete der bekannten Welt vom Indus und der Mongolei bis nach Gallien und Spanien hin abzweigten."6)

Am wichtigsten für die Folgezeit ward der frühzeitige Uebergang des Phōnicischen Alphabets auf Griechenland; ein Abstammungsverhältniß, dessen sich die Bewohner hellenischer Landestheile stets bewußt geblieben sind, wenn sie auch in ihren Sagen bald Kadmos, 7) bald Orpheus, Linos, Palamedes oder andere als Ueberbringer der Schriftzeichen gefeiert haben.

Mochte das Priesterthum der Aegypter und Chaldäer die Urschrift der Menschheit erfunden haben, jedenfalls hat das Priesterthum seine Erfindung nicht verbreitet. Es war ein Handelsvolk, durch welches diese Culturgabe der Welt mitgetheilt wurde; denn erst durch das Vorhandensein der Schriftzeichen konnte sich der Handel über die einfachste und roheste Form des Tauschhandels zur Möglichkeit eines beweisfähigen Handelsgeschäftes emporheben. Handeltreibende Phönicier hatten also ein sehr bedeutendes Interesse, die Kunde der Schriftzeichen zu pflegen und auszubreiten. Bei der Würdigung der den Alphabeten zukommenden Bedeutung, darf in der Betrachtung des allmäligen Fortschreitens internationaler Gesittung auch niemals übersehen werden, daß ein Schriftbild gegeben sein muß, bevor dem Münzzeichen irgend eine allgemein gültige Autorität ohne Handhabung der Wageschale beigemessen werden kann.

Längere Zeit hindurch scheint der Wettstreit zwischen ursprünglich Aegyptischen und Babylonischen Schriftzeichen geschwankt zu haben; denn auch die Keilschrift gelangte durch Sidonier nach Cypern, und Griechen bedienten sich derselben für Handelszwecke noch im fünften Jahrhundert v. Chr. auf Münzen. 8)

Die neuerdings durch Cesnola's Ausgrabungen angeregten Cyprischen Studien ergaben, daß die Cyprischen Schriftzeichen als Vereinfachungen der Keilschrift aufzufassen sind und erst später verdrängt wurden. Cypern, das auch in mannigfachsten Berührungen mit Aegypten stand, dürfte daher gleichfalls als eines der historischen Bindeglieder zwischen Asiatischer, Aegyptischer und Hellenischer Cultur aufgefaßt werden, und im Seeverkehr dieselbe Rolle erfüllt haben, die im Landverkehr den Lydiern und Lykiern zugefallen war.

Ein neues Metall, das in den prähistorischen Forschungen als Epoche machend angesehen wird, das Kupfer, scheint nach den Cyprischen Ansiedelungen seine Namen empfangen zu haben und von den Phöniciern in den großen Weltverkehr gelangt zu sein.

Je geringer die Landmacht war, über welche Hauptstädte wie Sidon und Tyrus verfügten, desto näher liegt die Annahme, daß sie die Ueberlandsverbindungen ihres Karawanenhandels durch Verträge mit den Asiatischen Binnenfürsten oder Arabischen Stammeshäuptlingen erfolgreich zu sichern wußten und gewisse Grundregeln des internationalen Verkehrs in ihre Colonien verpflanzten, von denen auch das 846 gegründete Karthago Gebrauch gemacht haben muß, als es sich nach sechshundertjährigem Wachsthum mit Unterstüßung seiner Landesnachbarn in den Entscheidungskampf mit Rom einließ, dessen Ausgang über die politische Stellung der semitischen Welt endgültig entschied. Am allgemeinsten bekannt ist der Vertrag, den Hiram, König von

Tyrus (1001-967) mit Salomo um den Verkehr mit Ophir über Elam schloß. 9).

Jedenfalls bestanden zwischen den Phönicischen Städten unter einander und, an die göttliche Verehrung Melkart's angeknüpft, im Verkehr mit ihren Colonien feste Rechtsregeln, die in Wirklichkeit als internationale bezeichnet werden mögen. 10) Mindestens galt dies für diejenigen Zeiten, wo man sich durch Conföderationen zu sichern suchte. Noch nach der Unterwerfung unter Affyrien (713), Babylon (573) und Persien (538) wird eines Congresses ge= dacht, auf welchem Phönicische Städte ihre gemeinsamen Angelegenheiten ordneten. Doch mußte eine gedeihliche Organisation des Bundes an der unüberwindlichen Eifersucht zwischen Sidon und Tyrus scheitern, zwischen denen die Hegemonie und die wirthschaftliche Blüthe hin- und herschwankte.

Auf Jahrhunderte hindurch fortschreitenden, durch das Aufstreben Griechen= lands verursachten Verfall, folgte schließlich der Untergang der alten Handelsmacht, nachdem Alexander der Große (332) Tyrus erobert und in Alexandrien einen neuen Mittelpunkt des Weltverkehrs geschaffen hatte.

1) In Phönicien vollzog sich zuerst eine bautechnische Sonderung zwischen Hans delsmarine und Kriegsmarine. Die Fahrzeuge der letteren waren entweder auf den Stoß eingerichtete Schnabelschiffe oder auch Geleitsschiffe zur Begleitung der Handelsfahrzeuge in unsicheren Gegenden. S. Movers, (a. a. D.) II, 3, S. 172.

2) Die Küsten von Hellas erreichten die Phönicier um das Jahr 1200. M. Dunder (a. a. D.) II, 43.

3) Movers (a. a. D.) II, 3. S. 28.

4) Curtius, Griechische Geschichte. Bd. I, S. 37-38.

5) Ueber den Phönischen Cult des Sonnengottes Baal Zeus auf Rhodos siehe Dunder (a. a. D.) II, 47.

6) Maspero (a. a. D.) S 593 ff.

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7) Kadmos, der sich in Theben niederließ, heißt der Mann des Ostens. Mo vers, Phönicier I, 517. Ueber den Namen „Europa" s. Duncker (a. a. D.) Lenormant, Le legende de Cadmus et les établissements phéniciens en Grèce in dessen premières civilisations II, 313.

I, 328.

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8) Brandes, Monatsberichte der Berliner Akademie. 1873 S. 643 ff.

9) Daß die Phönicier in der Auslegung der Verträge Meister der Zweideutigkeit gewesen, scheint aus der übereinstimmenden Beurtheilung der Römer und Griechen hervorzugehen. Jene sprachen von Punica fides, diese von Powvizwv ovvdyrai.

10) Nicht zufällig geschah es, sondern von tiefer sinnbildlicher Bedeutung war es, daß die Griechen die ältesten Stadtrechte von Kreta auf Minos d. H. den Abkommen des Phönicischen Sonnengottes zurückführten, denn auch Kreta lag im nächsten Wirkungsbereiche desselben Plato läßt Minos die weisen Geseße vom Zeus-Baal empfangen. S. Platon, Minos p. 262 ff. u. Aristot. Polit. 2, 8. 1. 2. 7, 9, 2. Handbuch des Völkerrechts I.

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§ 44.

Babylonien und Assyrien.

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Ménant,

Literatur: G. Rawlison, The five great Monarchies. Bd. II. S 73. Sayce, Babylonian Literature. G. Smith, Discoveries. Babylone et la Chaldée. E. Schrader, Keilinschriften und das alte Testas ment. 2 Aufl. 1883. Derselbe, Die Affyrisch-Babylonischen Keilinschriften. 1872. C. Bezold, Kurzgefaßter Ueberblick über die Babylonisch-Affyrische Literatur. 1885. Maspero, Geschichte der morgenländischen Völker im Alterthum. S. 127-179, 273-303. M. Dunder, Geschichte des Alterthums (5. Aufl.) Bd. II. Eduard Meyer, Geschichte des Alterthums. Bd. I, 405 ff. F. Laurent, Études sur l'histoire de l'humanité. Bd. I, 410 A. Pierantoni, Trattato di Dir. Internaz. I, 153–163.

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Aehnliche Erscheinungen ältester Culturentwickelung, wie Aegypten, liefern die Landschaften am unteren Laufe des Euphrat und Tigris, wo beide fich ihrer Mündung im Persischen Meerbusen annähern. Ein uraltes Schriftwesen, 1) beruhend auf einem eigenartigen System von Zeichen, das vielleicht minder bildungsfähig, jedenfalls zur Verbreitung und Nachahmung minder geeignet erschien als die spätere Aegyptische Priesterschrift, derselbe Sinn für Monumentalität großartiger Bauwerke, Bewässerungsanlagen zur Ausnüßung der Stromniederungen, genauere Gestirnkunde in engster Verbindung mit Cultuszwecken, charakterisiren auch die im Tieflande Mesopotamiens ansässig gewordenen Chaldäer.) Dem geographischen Dualismus beider dies Gebiet durchströmenden Gewässer enspricht jedoch der einer strengen Einheitlichkeit ermangelnde Grundzug babylonischer, aus verschiedenen Völkerelementen hervor gegangener Mischcultur.3) An ihren Gränzen durch natürliche Hindernisse gegen Osten und Westen minder abgeschlossen, als das Volk im Nilthal, waren die Babylonier dem Zuströmen benachbarter Völkerschaften leichter zugänglich, minder vertheidigungsfähig gegenüber plößlichen Anfällen auswärtiger Feinde, andererseits aber auch durch die Natur der Verhältnisse leichter befähigt, auf die umwohnenden Stämme Arabiens, Syriens, Armeniens und Irans nachhaltig einzuwirken.

Das untere Stromland des Euphrat und Tigris besaß in Babylon eine gewaltig ausgedehnte Hauptstadt, in welcher der Seehandel des Indischen Oceans seinen wichtigsten Stapelplaß, der Karawanenhandel der Phönicier und Mittelasiaten seinen ältesten Kreuzungspunkt fand. Nach den bisher gewonnenen Ergebnissen der Keilschriftforschung erscheint es sicher, daß die Ba bylonier ein weit vorgeschrittenes, auf sorgfältig gepflegter Urkundlichkeit der Verträge beruhendes Rechtswesen besaßen. Zahlreiche Inschriften auf den aus Schutt und Sand im 19. Jahrhundert exhumirten Mauerresten bezeugen die Kriegsthaten der Könige und den hauptsächlichen Inhalt von Bündnißverträgen

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