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kunde der Diplomatie bezeichnet hat, gilt der Friedensschluß zwischen Ramses II. (Sesostris) und dem Chetafürsten, wodurch der große syrische Krieg beendigt wurde, dessen Zwischenfälle ziemlich genau bekannt sind. Merkwürdig ist dieser Friedensvertrag in mehrfacher Hinsicht. Er stipulirt zwischen beiden Königen nicht nur ewigen Frieden unter dem Schuße beiderseitiger Staatsgottheiten, sondern auch ein Bündnißverhältniß gegenüber den Feinden jedes Contrahenten. Handel und Industrie beider Völker sollen gesichert werden. Verbrecher, die durch Flucht in das Nachbarland sich der Strafe entzogen haben, sollen in ihren Heimathsstaat zurückgeliefert werden. Das Gleiche gilt von solchen, die, ohne Missethaten verübt zu haben, ausgewandert sind, eine Bestimmung, die vielleicht darauf hindeutet, daß man darauf bedacht war, nationale Industriezweige gegen Uebersiedelung in fremde Länder zu sichern. Am meisten auffallend für jene Urzeiten bleibt das Humanitätsinteresse, das sich in dem wechselseitigen Verzicht auf harte Bestrafung der Zurückgelieferten kund giebt. Dem Ausgelieferten soll keine Strafe wiederfahren, insbesondere wer= den Verstümmelungen, Körperstrafen, die Vernichtung des Hauses, der Gattin und Kinder, die den orientalischen Sitten entsprach, ausdrücklich verboten3): Einschränkungen, die vermuthlich dadurch erklärt werden müssen, daß durch Auslieferungen zum Zwecke der Bestrafung die heilige Sitte des Gastrechts oder die religiöse Weihe des Asylrechts verlegt worden wäre. Dieser Friedensvertrag zwischen Ramses II. und dem Chetafürsten war auf silberner Tafel (ursprünglich in der Chetasprache) eingegraben.“)

Je geringer die Beweglichkeit des eingeborenen Aegypters, je stärker seine Vorliebe für den fruchtbaren Acker des Nilthals und den Tempel seiner Ortsgottheit, je größer die Anhänglichkeit an die Grabstätten seiner Todten, desto natürlicher erschien ihm auch, wo es seinen aus den Erzeugnissen des Inlandes nicht zu befriedigenden Bedürfnissen galt, die Zulassung handeltreibender Fremden. Kein Platz war für frühzeitige Entwickelung des Handels in höherem Maße geeignet, als das Nildelta, wo die Aegyptische Binnenschiffahrt ihren Endpunkt fand, die Handelsschiffe des mittelländischen Meeres sicher ankerten, der erste Stoß einbrechender Nomadenstämme durch leicht zu vertheidigende Binnenkanäle abgewehrt wurde und der Karawanenverkehr mit Vorderasien seinen Haltpunkt nahm. In den Deltastädten zu Janis, Bubastis, Saïs und anderen Ortschaften betrieben Phönicier ihren von den Aegyptischen Königen begünstigten Handel. Selbst in dem uralten Memphis war ihnen ein eigenes Handelsquartier eingeräumt.

Schon in den fern dämmernden Zeiten des vierten Königshauses waren einzelne Libyer in Aegypten eingewandert, um als Tänzer, Fechter und Springer Schaustellungen zu geben. 5)

Die Handelsbeziehungen Aegyptens zu auswärtigen Völkern können zu keiner Zeit unbedeutende gewesen sein. Als eine ihrer ältesten Erschei nungsformen darf der Sclavenhandel vorausgesetzt werden. Die Bibel gedenkt desselben im dem Verkauf Josephs nach Aegypten. Das Bedürfniß

der Sclavenarbeit dürfte, abgesehen von selten unterbrochenen Staatsbauten, wahrscheinlich auch für reiche Grundbesißer ein großes gewesen sein. Nicht felten mag unzulängliche Zufuhr unfreier Arbeitskräfte zur Unternehmung gewaltsamer Hehjagden gegen die Wüstenstämme geführt haben.

Neben dem Sclavenhandel einher ging der Lurushandel, beruhend auf den Bedürfnissen glänzender Opferdienste, königlicher Prachtentfaltung und verfeinerten Lebenssitten hoher Staatsbeamten. Schmuckgegenstände, Edelsteine, Edelmetalle, Weihrauch, Duftstoffe, edle Hölzer, Elfenbein waren, wie monumentale Bildwerke ergeben, hoch geschäßt, stark begehrt und viel gebraucht. Daher die alten Verkehrsbeziehungen zu Arabien, Phönicien, Babylonien, Indien schon aus diesem Grunde erhebliche gewesen sind. Nach alter, noch gegenwärtig gepflegter Sitte orientalischer Höfe war der fürstliche Austausch von Kostbarkeiten sogar ein wichtiger Beweggrund gesandtschaftlichen Vertehrs.

Aegypten war um die Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus als ein in hohem Maße exportirendes Land auch darauf bedacht, seiner in den meisten Stücken überlegenen Kunstindustrie die Abseßwege nicht zu versperren, die der Unternehmungsgeist zuerst Phönicischer und nach ihnen Griechischer Seefahrer eröffnet hatte. Seit der 18. Dynastie standen Phönicier in lebhaften Handelsbeziehungen zu Unterägypten und den Häfen des Nildelta und unter Psammetich bestanden zahlreiche Factoreien und Niederlassungen Griechischer Herkunft, in denen die Jonier zuerst erschienen waren. Nicht gering ist zu veranschlagen, daß durch die Cultur der Papyrusstaude im Nildelta das älteste Schreibmaterial in den menschlichen Verkehr gelangte, womit sicherlich die Verbreitung der Schriftzeichen zusammenhing, denn die Lapidarschrift der Hieroglyphen war unbeweglich und der Papyrushandel mag nicht wenig dazu beigetragen haben, daß die uranfängliche Bilderschrift in die leichteren Formen zuerst des hieratischen und dann des demotischen Systems überging.

Spätere Aegyptische Könige begünstigten handeltreibende Ausländer durch Privilegien. Amasis II. war nach dem Ausdruck Herodots ein Philhellene. Um die fremden, an den Nilmündungen zahlreichen Ausländer, unter denen Griechen und Phönicier am stärksten vertreten gewesen sein mögen, wirksamer gegen Anfechtungen und Störungen schüßen zu können, verpflanzte er einen Theil stromaufwärts nach Memphis. An der kanopischen Flußmündung ward Naukratis gegründet und den Griechen überlassen. Wie Europäische Ansiedler in orientalischen Häfen ausnahmsweise ertheilte Begünstigungen durch Exterritorialität gegenwärtig genießen, ebenso konnte man die Stellung der Griechen in Naukratis eine in internationaler Hinsicht privilegirte nennen. Eigene Behörden (Prostaten und Timarchen) regierten diese halbsouveräne Griechische Republik, deren Sitten, Gebräuche, Götterculte durchaus selbständig in Mitten ägyptischer Umgebung sich erhielten. Naukratis ward zu Gunsten der Griechen der einzige den Ausländern eröffnete Hafen und erhob sich nach kurzer Zeit zu einem der angesehensten Häfen des Alterthums. 6)

Solche Begünstigungen des Handels wirkten allmälig auch Freiheit der Religionsübung und der Niederlassung zum Zwecke des Gewerbebetriebs an anderen Stellen des Binnenlandes. Amasis erlaubte denen, die nicht nach Griechischem Rechte leben wollten, Factoreien an ihnen geeignet scheinenden Stellen einzurichten. Auf dem Boden Aegyptens entstanden Tempel des Zeus (von Aegineten begründet) der Hera (von Samos), des Apollon (von Milet) und das Hellenion Kleinasiatischer Griechen.

Es erscheint nicht unwahrscheinlich, daß manche Erzeugnisse Aegyptischen Kunstfleißes anderwärts nachgeahmt wurden. Unzweifelhaft aber waren solche viel begehrt. Wo irgendwie Phönicischer oder Griechischer Unternehmungsgeist Handel treibend thätig gewesen ist, hat man auch in allerneuester Zeit durch Ausgrabung Ueberreste Aegyptischer Industrie gefunden: auf Corsica, Sardinien und Sicilien in gleicher Weise wie auf Cypern, in Syrien und Mesopotamien.7)

Mit vollem Rechte ist den Aegyptern ein erheblicher Antheil an der ersten Entfaltung des internationalen Culturbedürfnisses zuzusprechen.

1) Ramses III (XX. Dynastie) heirathete sogar eine ihm zur Geißel bestellte fremde Fürstentochter. S Maspero (a. a. D.) S. 269.

2) Die östlich wohnenden Völker hießen amu (Rinderhirten), nach Brugsch ein Ausdruck der Verachtung. Diese Völkergruppe semitischen Charakters war übrigens in der Umgebung des Menzelehsees eine seßhafte.

3) Indirect bestätigt wird diese Milde durch den Gerichtspapyrus (papyrus judiciaris) von Turin. Nach einer gegen Ramses III. unternommenen Verschwörung wurden Hochverräther theils zum Tode, theils nur zur Gefängnißstrafe verurtheilt. 4) Der Wortlaut ist in den Ueberseßungen nicht überall gleichlautend. Siehe Brugsch, Monuments. Bd. I, Taf. 28. Maspero (a. a. D.) S. 222. 5) Brugsch (a. a. D.). S. 11.

6) Herodot I, 178-179.

7) S. Perrot und Chipiez, Geschichte der Kunst im Alterthum (Deutsch von Pietschmann, 1884), Bd. I, S. 780 -782.

§ 43. Phönicier.

Literatur: Movers, Das Phönicische Alterthum. 2 Bde, 1840-1856. Der: selbe, in Ersch und Gruber's Allgemeiner Encyclopädie, Sect 3, Bd 24. (1848) H. Pruz, Aus Phönicien. Geographische Skizzen und historische Studien. Leipzig 1875. Brandis, Münz, Maß- und Gewichtswesen in Vorderasien. 1866. M. Dunder, Geschichte des Alterthums (5. Aufl.), Bd. II, S. 70 ff., IV, 360. V, 240. VI, 646. VII, 205. - Ed. Meyer, Geschichte des Alterthums. 1, 221 233, 336 346. Resglob, Die Phü nicischen Handelswege nach dem Norden 1853. E. Rénan, Mission de Phénicie. Paris 1871-1874. Lenormant, Die Anfänge der Cultur.

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Bd. II. (Deutsche Ausgabe 1875.) F. Laurent, Études sur l'histoire de l'humanité. Bd. I, 469-484. A. Pierantoni, Trattato di Diritto Internaz. Bd. I, 163 – 177.

Der Aegyptischen Gesittung steht die Phönicische Cultur, deren älteste an Sidon geknüpfte Blüthe in die Mitte des zweiten Jahrtausends zu sehen ist, wenn nicht chronologisch so doch politisch genommen, am nächsten. Die Aegyp= tischen Könige wußten, so lange sie mit Syrischen Völkerstämmen zu kämpfen hatten oder in die Euphrat-Gegenden auszogen, die Freundschaft oder den tributpflichtigen Gehorsam der an den Küsten gelegenen Handelsstädte zu schäßen, und die Phönicifchen Städte (Sidon, Tyrus, Byblos, Arved und Berytus) wußten die Vortheile zu berechnen, die ihnen der Friede mit dem Pharaonienreich bei ihren Unternehmungen verhieß. Im Uebrigen bezeichnet die Beweglichkeit Phönicischer Seestaaten auch den stärksten Gegensatz zum Aegyptis schen Agrarstaat.

Durch ihre geographische Lage und ihre wirthschaftlichen Interessen waren die Phönicier darauf hingewiesen, sich der Antheilnahme an den großen Kämpfen Aegyptischer, Affyrischer und Persischer Machthaber so lange als möglich zu enthalten, sich für den Nothfall auf den See- und Belagerungskrieg einzurichten und ihre Macht auf die Flotte zu stüßen, deren Ueberlegenheit Jahrhunderte hindurch unanfechtbar gesichert blieb. Ihre Geschichte ist, staatlich betrachtet, von untergeordneter Wichtigkeit. Sie theilte vielfach die Schicksale der großen orientalischen Monarchien, denen schließlich die Macht der mit einander hadernden Städte unterlag. Desto größer ist die culturgeschichtliche Be= deutung der von Phönicien eingenommenen Stellung.

Die Phönicier waren das erste und mächtigste unter den seefahrenden und zur See colonisirenden Völkern des Alterthums. Sie blieben auf dem Meere so lange vorherrschend, bis sie von der erfolgreichen Nebenbuhlerschaft der Griechen überholt wurden.1) Aber nicht nur zur See haben wir uns die Phönicier als gebietend vorzustellen. Auch den Karawanenhandel auf den großen Verkehrsstraßen zwischen ihren Seehäfen und den Nilmündungen einerseits und den Thälern des Euphrat und Tigris andererseits verstanden sie zu benußen und zu leiten.

Mehr als andere erobernde Völker mögen sie dazu beigetragen haben, die Grundlagen semitischer Volksreligionen im Orient zu zerseßen. Denn der scheinbare Zusammenhang zwischen ihrem Baalsdienste und dem Reichthum von Sidon und Tyrus mußte sowohl den alten Glauben an die ausschließlich göttliche Begnadigung großer Kriegsfürsten, als auch den reineren Glauben an den Gott Israels allmälig erschüttern. Die Bibel bezeugt es, daß die den Phönicischen Handelsstädten zunächst wohnenden Stämme der Israeliten dem Golde Baals weniger lange zu widerstehen vermochten, als dem Schwerte Afsurs.

Phönicien hat neben Babylon am meisten dazu gethan, von Innen aus den alten Nationalgeist der Hebräer zu untergraben, wozu auch die bei

allen Handelsvölkern nothwendig freiere Stellung der Bürgerschaften gegen= über den eigenen Machthabern insofern beitrug, als sie strenge Geltung theokratischer und monarchischer Grundfäße ausschließt. Neben dem minder bedeutenden (vielleicht pelasgischen) Gemeinwesen der Philister an dem südlichen Küstenrande Syriens waren die Phönicier unter den Semiten durch freistaatliche Formen ihres vorwiegend communalen Organismus ausgezeichnet.

Nach Außen hin an den Gestaden des Mittelmeeres colonisirend und über Cypern, das Sidon um 1200 v. Chr. erreicht hatte, westwärts fortschreitend, durften die Phönicier, um ihre Erfolge zu sichern, keinenfalls 2) daran denken, ihre Nationalgötter als allein herrschaftsberechtigte Tyrannen der Erde erscheinen zu lassen. Im Gegentheile sind es wohl Phönicier gewesen, die zuerst in der Staatspraxis eine vergleichende Mythologie handhabten, indem sie ihre Gottheiten mit den Landesgöttern anderer Völker in Verbindung seßten und ein breites Gewebe von Sagen in den Verkehr brachten, nach denen, wie in den Homerischen Gesängen bezeugt ist, griechische Götter vom Olymp sich auf Reisen begaben, um in Aethiopien Opfer zu genießen, oder wie Herakles dieselben Wanderungen zu unternehmen, wie Melkart.

Nicht nur Handelsvermittler, auch Religionsvermittler sind somit die Phönicier gewesen. Sie wußten ihren eigenen Glauben und die uralte Sitte des Menschenopfers, das dem Zeus Atabyrios auf der Burg zu Agrigent noch um die Mitte des siebenten Jahrhunderts dargebracht wurde, den veränderlichen Zuständen ferner Länder anzupassen. Orientalische Theokratie und Seehandel im großen Maßstabe sind ihrem eigensten Wesen nach unvereinbare Dinge, weil jene auf der Idee des hingebenden Opfers, dieser auf der Verdienstlichkeit geschickt wahrgenommener Vortheile beruht. Das Priesterthum spielte, obwohl es die fürstliche Macht in den Phönicischen Mutterstädten einschränkte, in den Colonien keine entscheidende Rolle.

Die geographische Richtung des Phönicischen Seehandels ging nach Norden, Nordwesten und Westen. Während westwärts der Aegyptische Staatsverkehr über die große Dase in der Libyschen Wüste nicht hinausging, gründeten die Phönicier ihre Handelsstationen in Karthago, auf Sicilien, an den Gestaden Hispaniens und Galliens, durchschifften sie die Säulen des Herkules, erreichten sie die Küsten der Zinninseln im Atlantischen Ocean und Senegambien. Ueberdies beherrschten sie die Küsten des Rothen Meeres.

Erschien ihr Länderbesiß an einem 220 Kilometer langen und höchstens an einigen wenigen Stellen zwei geographische Meilen breiten Küstenstreifen im Vergleich zu dem Machtgebiet Aegyptischer, Affyrischer und Persischer Könige unbedeutend, so beherrschte doch kein anderes Volk des Alterthums mit solchem Vorrange der Ausschließlichkeit Land- und Seehandel auf einem Gebiete, das sich vom Westrande Indiens bis an die Ufer des Atlantischen Oceans erstreckte. Durch ihre Erfahrungen und Weltkenntniß berichtigten sie zuerst jene uralten Weltvorstellungen, nach denen jeder Herrscher, ferner Länder unkundig, fich selbst als Alleinherrscher im Mittelpunkt der bewohnten Erde, als Gebieter

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