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an einem solchen Gesez vorgenommen werden, es sei denn durch den König und den Reichstag im Verein." Die Sache war so selbstverständlich, daß die sonst stets zur Opposition geneigte zweite Kammer den Vorschlag damals ohne jede Discussion einstimmig annahm. Nicht so im Herrenhause. Hier war man gewohnt, es anders zu machen als in der zweiten Kammer, und darum verwarf man den Vorschlag der Regierung mit 64 gegen 34 Stimmen. Als Motiv dafür wurde angeführt, daß jene Bestimmung zur Sicherung einer neuen Heeresordnung nicht genügend sei, weßhalb man größere und festere Garantieen dafür aufstellen müsse. Es gieng die Sache daher an den Constitutionsausschuß zurück, damit dieser eine neue Fassung des Vorschlags beantragen könne. Der Ausschuß legte der ersten Kammer den Vorschlag wieder ganz ebenso vor wie das erstemal, und nun erklärten sich 43 Mitglieder dafür, nur 46 dagegen. Zwar war der Vorschlag damit verworfen, es war aber anzunehmen, daß, wenn man zum drittenmal mit demfelben an die Kammer käme, diese ihn dann genehmigen würde. Niemand hätte ein anderes Vorgehen der Regierung erwartet. Diese schlug aber den= noch einen anderen Weg ein. Sie brachte nämlich beim Reichstag in diesem Jahre den veränderten Vorschlag ein, der ein ganz neues Moment in die Sache brachte, nämlich die Feststellung eines Normalbudgets für die Heerausgaben. Mag ein solches auch noch so richtig und zweckmäßig sein, dem Grundsatz der Selbstbesteuerung des schwedischen Volkes, wie dieselbe ein Glaubensartikel bei demselben geworden ist, entsprach eine solche Forderung entschieden nicht.

9. März. (Schweden.) Reichstag: nimmt den Antrag der Commission, welcher ziemlich gleichlautend mit der Regierungsvorlage ist und wonach die Offiziere und Unterofficiere der eingetheilten Ar= mee künftig baar bezahlt werden sollen, an. Der Gesammtgrund= besiß und alle Einnahmen, die bisher zur Lohnbeschaffung dienten, sollen dem Staate zufallen. Dieser Beschluß ist immerhin der erste Schritt zur Abschaffung des Indelta-Systems.

9. März. (Norwegen.) Storthing: genehmigt mit 82 gegen 28 Stimmen den Anschluß Norwegens an die dänisch-schwedische Münzconvention.

15. März. (Schweden.) II. Kammer: Der Ausschuß für die Militärfrage beschließt, darauf anzutragen, daß die Ausbildungszeit für die Soldaten, die der Kriegsminister in seinem Reformplan auf 10-18 Monate angeseht hatte, auf 3 Monate herabgesezt werde. Damit würde das schwedische Heer ein reines Milizheer werden. Der Kriegsminister gibt seine Entlassung ein.

18. März. (Norwegen.) Storthing: lehnt den Regierungsantrag auf Erhöhung der Beamtengehalte mit 69 gegen 39 Stim= men ab. Die Majorität will die Zulage nur für Gehalte bis zu 1000 Speciesthalern gewähren.

7. April. (Schweden.) Reichstag: legt den sogenannten

constitutionellen Dechargerapport ad acta, die I. Kammer ohne Abstimmung, die II. Kammer mit 99 gegen 76 Stimmen unter ausdrücklicher Billigung des in dem Rapport ausgesprochenen Tadels gegen die Regierung.

10. April. (Schweden.) Reichstag: Beide Kammern nehmen den Antrag Wallenberg, betr. die Neuorganisation des Staatsraths und Errichtung einer Conseilspräsidentschaft, an. Der Antrag involvirt eine Verfassungsänderung, und wird deßhalb dem nächsten Reichstage zur definitiven Genehmigung nochmals vorgelegt werden.

17. April. (Norwegen.) Storthing: lehnt mit überwiegender Majorität die sämmtlichen Anträge auf Abänderung der Grundgesetzbestimmungen in Betreff des politischen Stimmrechts ab und beschließt mit 87 gegen 24 Stimmen, einen aus 15 Mitgliedern bestehenden Ausschuß niederzusehen, der einen neuen Antrag in Be= treff des Stimmrechts ausarbeiten und dem nächsten Storthing vorLegen soll.

Von der Rechten des Storthings wird wiederholt darauf hingewiesen, daß das allgemeine Stimmrecht in Dänemark eine Partei zu Tage gefördert habe, welche nicht mit besonders großer Achtung betrachtet werde. Sver drup, der Führer der Linken, erwidert auf diese gegen die dänischen Gesinnungsgenossen gerichteten Angriffe, daß die Vorstellungen, welche man sich in Norwegen über die Linke des dänischen Folkethings mache, durch die fanatische Presse Kopenhagens, welche das achte Gebot vergessen zu haben scheine, hervorgerufen wären. Die Linke, welche auf dem Boden der Verfaffung stehe, habe sich große Verdienste um Dänemark, ja um den ganzen Norden erworben. Redner wünschte, daß seine Worte in Dänemark gehört würden und daß die dortige Linke einen brüderlichen Gruß von Jemandem empfangen möge, der wisse, was es heiße, für eine Sache zu leiden, die man hochhalte.

21. April. (Schweden.) I. Kammer: spricht sich auf einen aus ihrer Mitte gestellten Antrag für Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems auch in Schweden aus.

22. April. (Norwegen.) Storthing: genehmigt die VorLage der Regierung betr. Einführung des metrischen Maß- und Ge= wichtssystems.

1. Mai. (Norwegen.) Storthing: lehnt mit Stimmen= mehrheit alle Vorschläge ab, welche wegen Einführung der obliga= torischen oder facultativen oder wenigstens bei Glaubensverschiedenheit der Verlobten zulässigen Civilehe eingebracht worden sind.

11. Mai. (Schweden.) Modification des Ministeriums:

de Geer wird zum Justizminister ernannt.

12. Mai. (Norwegen.) Schluß des Storthings.

Derselbe hat dießmal ziemlich geräuschlos gearbeitet. Um so wichtiger war die Session für das materielle Wohl des Landes durch die Annahme der dänisch-schwedischen Münzconvention, die Einführung des metrischen Maßund Gewichtssystems und durch ziemlich großartige Bewilligungen zur Anlage von Eisenbahnen. Diejenige Angelegenheit, die in den lezten Jahren Anlaß zum Zwiespalt zwischen dem Reichstag und der Regierung gegeben. hatte, die Frage wegen der Zulassung der Minister zu den Storthingsfizungen, ist dießmal im Storthing gar nicht zur Verhandlung gekommen, weil fie, den gefeßlichen Bestimmungen gemäß, eine „ruhende“ ist. Sie wird also erst im nächsten Jahre vorgenommen werden und dann allerdings, allem Anschein nach, zum Nachtheil der Regierung enden, d. h. es wird beschloffen werden, daß die Minister den Sizungen des Storthing beiwohnen sollen, und weil ein solcher Beschluß dann dreimal gefaßt worden ist, kann die Regierung nicht weiter Einspruch dagegen erheben, wie dieß bisher geschehen ist. Allem Anschein nach wird dieß aber auf die Existenz des Ministeriums Stang weiter keinen schädlichen Einfluß üben, da es schon zu wiederholtenmalen die eclatantesten Niederlagen erlitten hat und ihm mehrere sehr ent= schiedene Mißtrauensvota zugeflossen sind, ohne daß es sich viel daraus ge= macht hätte. Im übrigen haben die Norweger alle Ursache, mit dem Ministerium, welches eine tüchtige Verwaltung führt, zufrieden zu sein.

15. Mai 2. Juni. König Oscar besucht den deutschen Kaiser in Berlin und auf dem Wege dahin den König von Dänemark in Kopenhagen. Der König ist von keinem seiner Minister begleitet; der Besuch ist wesentlich ein bloß persönlicher. Die politische Bedeutung desselben ist trotzdem außer Zweifel: König Oscar neigt in seinen persönlichen Sympathien entschieden zu Deutschland, während sein Vorgänger entschieden zu Frankreich hielt und Deutschland feindlich gesinnt war.

12. Mai. (Schweden.) Schluß der Session des Reichstags.

Die Frage der Reorganisation der Armee ist auch in diesem Jahr wiederum nicht einen Schritt der Lösung näher gerückt, wenn man nicht eine folche darin sehen will: daß es jetzt ziemlich fest stehen dürfte, daß eine befriedigende Lösung dieser Frage überhaupt weder stattfinden kann noch wird, da Schweden nicht die Mittel dazu besigt. Entweder wird also alles beim Alten bleiben, vielleicht mit einigen unwesentlichen Abänderungen, oder Schweden wird mit der Zeit ein reines Milizheer, etwa nach schweizerischem Muster, erhalten, was übrigens dem Charakter seines Volkes und den örtlichen Verhältnissen des Landes am besten entsprechen dürfte.

6.-19. Juli. Der König besucht Rußland und den russischen Hof in St. Petersburg. Es ist klar, daß König Oscar sich dem Dreikaiserbündisse thatsächlich und persönlich so weit anschließt, als die Verhältnisse es nur immer erlauben.

26. August. Zusammenkunft des scandinavischen Juristentages in Stockholm.

September. (Schweden.) Totalerneuerung der II. Kam

mer und Partialerneuerung der I. Kammer.

Man hatte für dießmal eine ganz bedeutende Verstärkung der Landmannpartei in der zweiten Kammer für wahrscheinlich gehalten, sich jedoch in dieser Annahme getäuscht, denn statt einer Vergrößerung hat die Partei eine Verminderung erfahren. Wohl ist dieselbe nur gering, denn während man die Partei früher zu 138 Mitglieder (von 216, woraus die zweite Kammer besteht) anschlug, berechnet man sie nach den letzten Wahlen nur zu 132. Dahingegen ist die Landmannpartei in der ersten Kammer nicht unerheblich verstärkt worden; früher zählte sie nur etwa zehn Stimmen, während sie jetzt auf die doppelte Anzahl angewachsen ist. Das Hauptresultat sämmtlicher Wahlen ist also, daß der Einfluß der Bauernpartei in den drei nächsten Jahren im Reichstag ganz derselbe sein wird wie in der vorigen Wahl= periode. Bei den gemeinschaftlichen Abstimmungen beider Kammern - welche stattfinden, wenn es sich um Bewilligung von Geldsummen handelt, worüber zwischen beiden Kammern keine Uebereinstimmung zu erzielen war wird die Bauernpartei also nach wie vor das Uebergewicht haben, und sie wird dadurch alle Maßregeln der Regierung, welche nicht in ihrem Sinne gehalten find, vereiteln. Es ist daher auch jetzt wiederum nicht die mindeste Aussicht dazu vorhanden, daß die schwebenden großen Fragen, die Reorganisation der Armee und die Ablösung der Grundsteuern, in der nächsten Zeit ihre endliche Lösung erhalten werden.

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October. (Norwegen.) Nachdem der Storthing die Anträge betr. Erweiterung des Stimmrechts abgelehnt hat, greift die democratische Partei zu einem einfachen Mittel, um ihren An= hängern schon zu den im nächsten Jahre bevorstehenden Neuwahlen zum Storthing das Wahlrecht zu verschaffen.

Während nämlich nach § 50 der Verfassung nur diejenigen Stadtbewohner, welche Grund und Boden im Werthe von wenigstens 300 Species besigen, stimmberechtigt sind, verlangt derselbe Paragraph von den Bewohnern des platten Landes nur, daß sie „Land befizen“ oder wenigstens fünf Jahre matriculirten Boden in Pacht gehabt haben, um stimmberechtigt zu sein. Mit Bezugnahme auf diese Verfassungsbestimmung sollen nun überall im Lande unter den besiglosen Leuten Vereine gebildet und durch Zahlung kleiner Beiträge die Mittel zusammengebracht werden, um so viel Land ankaufen zu können, daß jedes Mitglied wenigstens ein Stück erhält, um stimmberech= tigt zu sein.

11. Rußland.

7. Januar. Die Regierung legt dem Reichsrath das Budget für 1875 vor. Die Einnahmen sind auf 559,300,000, die Ausgaben auf 552,100,000 Rubel angeschlagen. Das Budget ergibt also einen Ueberschuß von etwas mehr als 7 Millionen Rubel. Gegen 1874 find die Einnahmen um 191⁄2, die Ausgaben um 181⁄2 Mill. höher angesetzt.

20. Januar. Die englische Regierung lehnt in einer Depesche des Grafen Derby an den englischen Gesandten in St. Petersburg seine weitere Betheiligung an den Berathungen der Brüffeler Conferenz über die Feststellung des internationalen Kriegsrechtes definitiv ab (f. England).

Januar. Die unirten Katholiken der Chelmer Diöcese treten in ihrem lehten Rest, mehr gezwungen als freiwillig, zur orthodoren Kirche über. Die ursprünglich mehrere Millionen zählende griechisch-unirte Bevölkerung der ehemaligen Litthauischen Gouvernements, welche das jezige Generalgouvernement Nordwest-Rußland (Wilna) bilden, ist damit gänzlich wieder von Rom losgerissen und mit der griechischen Kirche vereinigt.

Die erste und zahlreichste Bekehrung erfolgte bekanntlich unter Kaiser Nikolaus. Später kamen die römisch-katholischen Weißruffen an die Reihe, welche auf dieselbe Weise in kurzer Zeit befehrt wurden. Es blieben nur noch die gegen 300,000 Seelen zählenden Unirten in den Gouvernements Siedlec und Lublin übrig, welche die Chelmer Diöcese bilden. Diese stand früher unter dem Metropoliten von Lemberg, wurde aber in neuester Zeit Rom direkt unterstellt. Es war der Regierung des Kaisers Alexander II. vorbehalten, auch diese, die noch in 250 Kirchspiele vertheilt waren, in den Schooß der griechischen Kirche zurückzuführen und zwar namentlich durch die Thätigkeit des Unterrichtsministers Grafen Tolstoi und des aus Galizien berufenen Bischofs Popiel von Chelm. Die meisten dieser Unirten traten noch im Jahre 1874 über. Viele, die erkannten, was ihnen bevorstehe, flohen Die einflußreichsten Leute wurden nach Sibirien, nach Archangelsk und nach

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