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unserer Reichstagsarbeit zusammenführen sollte, hat uns nur als Zuhörer einer Botschaft wegen der Vertagung gesehen. Gleichzeitig hat derselbe uns jedoch auf unserem Plaz in der vereinigten Linken wiedergefunden. Bei den Abstimmungen über das Staatsbudget am 13. Mai dieses Jahres hatte sich ein Unterschied in der Auffassung der damaligen Stellung gezeigt. Da wir indessen gegenseitig nicht bestreiten, daß jeder von uns damals nach seiner Beurtheilung der vorliegenden Verhältnisse für die Durchführung des Zieles der vereinigten Linken gewirkt hat, ist es uns möglich, unter der gemeinschaftlichen Fahne zu verbleiben, gleichwie es uns den Trost eines zukünftigen guten Zusammenwirkens gibt. Für ein solches ist auch ein Bedürfniß! Das gegenwärtige Ministerium, welches lediglich aus Mitgliedern der Rechten des Landsthings besteht, und dessen erste Handlung, die Vertagung des Reichstages ohne die Vorlegung des Staatsbudgets und ohne vorherige Ankündigung, sowohl dem Grundgeseze widerspricht, wie es rücksichtslos gegen die Mitglieder des Reichstages ist, gibt uns keinerlei Anlaß, etwas Gutes von demselben für die Sache des Volkes zu erwarten. Was wir für dieses erreichen, kann nur durch eine kräftige Arbeit erreicht werden. Wann das Volk die Früchte von derselben erhält, hängt einerseits von der Stärke des Widerstandes, welchem unsere Gegner begegnen, andererseits von Eurem wirksamen Beistande ab."

Oktober. (Jsland.) Beide Abtheilungen des isländischen Althings erlassen Adreffen an den König bez. der der Insel von ihm ertheilten neuen Verfassung:

Die untere Abtheilung“ des Althings sagt in ihrer Adresse: „Falls es sich zeigen sollte, daß die Verfassung einer Verbesserung bedarf, dann erwarten wir mit Bestimmtheit, daß Ew. Majestät im Verein mit unserem Thing dieselbe vornehmen werden. Wir halten es für das Richtigste, daß unsere Verfassung so aufmerksam wie möglich geprüft wird, bevor wir die Aenderung einzelner Paragraphen, z. B. derjenigen, welche die Verfügung über die Finanzen und die Verantwortlichkeit der Landesverwaltung betreffen, vornehmen. Ganz besonders bedenklich aber erscheint uns die Einrichtung zu sein, daß der Minister, welchen Ew. Majestät an die Spize der isländischen Angelegenheiten stellen, seinen Platz verlassen muß, weil er nicht dieselben Ansichten über dänische, Island nicht betreffende, Angelegenheiten wie die Mehrzahl der dänischen Volksvertreter hat, während andererseits der Minister so= wohl das Vertrauen Ew. Majestät wie das des Volkes und der Volksvertretung Islands in allen isländischen Angelegenheiten besitzt." Der „obere Theil des Althings drückt sich in der Adresse nicht vollständig so scharf aus, sagt aber im Wesentlichen das Nämliche.

29. November. Der Reichstag nimmt seine Sihungen wieder auf. Der Finanzminister legt das Budget vor und erklärt: die Finanzlage sei eine gute, so daß die außerordentlichen Ausgaben für das Heer, die Flotte und die Vertheidigungswerke ohne neue Steuer= auflagen bestreitbar seien. Die Budgetvorlage weist so wenig Neues auf, daß die Regierung hofft, die Erledigung der Discussion über das Budget innerhalb des durch das Grundgesetz vorgeschriebenen Termins zu erreichen.

30. November. Folkething: Der Kriegs- und der Marine

minister legen demselben ein neues Projekt betr. die Erweiterung des Landesvertheidigungswesens vor.

Seit dem Jahre 1872 ist es das drittemal, daß solche Projecte im Reichstag aufgestellt wurden, und zwar jedesmal unter einer wesentlich andern Form. Die diesjährigen Vorschläge zeichnen sich durch ihre Großartigkeit aus, indem für dieselben nicht weniger als 572 Millionen Reichsmark beansprucht werden. Die Arbeiten sollen in einem Zeitraum von 10-11 Jahren ausgeführt werden. Die wichtigeren Werke sollen jedoch im Laufe von 5-7 Jahren vollendet werden, und dafür, sowie für den Bau von drei großen Panzerschiffen wird die Summe von 37 Millionen Mark gefordert. Alz Hauptgrundsäge für die Landesvertheidigung werden aufgestellt: die Befestigung der Hauptstadt, die Anlegung einer Fløttenstation an der seeländischen Westküste und die Anlegung einiger Batterien am großen Belt, um, wie es heißt, die Verbindung zwischen den Landestheilen" zu sichern. Vorerst soll die Seebefestigung Kopenhagens in Angriff genommen werden, und man meint dieselbe in einer Weise herstellen zu können, daß die Möglichkeit eines Bombardements der Hauptstadt durch feindliche Schiffe völlig ausgeschloffen bleibt. Zu diesem Ende sollen nicht nur die jeßigen - allerdings ungenügenden Forts verstärkt, sondern es sollen auch zwei neue ungemein starke Werke auf der Kopenhager Rhede angelegt, und außerdem mehrere Küstenbatterien erbaut werden. Mit der Befestigung von der Landseite soll noch einige Zeit gewartet werden; sie würde nach dem Entwurf auch nur geringe Bedeutung haben, da sie nur dazu dienen soll, einen feindlichen Handstreich zu verhüten, würde aber immerhin ca 14 Mill. Kronen kosten. Man denkt fich nämlich die Möglichkeit, daß ein feindliches Detachement den Moment benügen könnte, wo das dänische Heer auf irgendeinem Punkt von Seeland damit beschäftigt wäre, einer feindlichen Landung entgegenzutreten, um die unbefestigte, von aller Garnison entblößte Hauptstadt zu überfallen. Der Gefehentwurf will Jütland und Fühnen ganz aufgeben, und er unterscheidet fich darin gänzlich namentlich von den früher aufgestellten Projekten, wonach alle Landestheile nachdrücklich vertheidigt werden sollten. Die Flotte foll verhältnißmäßig sehr stark entwickelt werden, jedoch muß eine Seemacht, die nur drei Panzerfregatten zählt, immer noch als ziemlich unbedeutend ́angesehen werden. Darum soll auch eine Anzahl sehr stark armirter Kanonenboote angeschafft werden.

16. Dezember. Folkething: sezt einen Ausschuß zu Vorbera= thung der Vorlage betr. das Landesvertheidigungswesen ein. Aus der allgemeinen Debatte geht aber bereits hervor, daß die Majorität des Things die neue Vorlage so wenig als die beiden früheren an= zunehmen geneigt ist, jedenfalls nur, wenn die Regierung auf das Princip einer Einkommensteuer eingehen würde, wodurch die außerordentlichen Rüstungen zu bestreiten wären. Der Ertrag einer solchen Einkommensteuer wurde im vorigen Jahre auf ca. 34 Mill. Mt. berechnet, womit freilich kaum die Hälfte der vom Ministerium aufgestellten neuen Pläne ausgeführt werden könnte.

10. Schweden und Norwegen.

18. Januar. (Schweden.) Eröffnung des Reichstags. Thronrede des Königs:

Etwas mehr als ein und ein halbes Jahr ist verflossen, seitdem Sie den Wunsch geäußert, daß das Vertheidigungswesen des Reiches in Zusammenhang mit der Abschaffung der Grundsteuern auf den Grund der allgemeinen Wehrpflicht umgeschaffen und aufgebaut werden möge. Indem ich auf Ihre ernsthafte Mitwirkung zur Erhaltung einer in der Wirklichkeit zufriedenstellenden Heeresordnung rechne, habe ich ohne Verzug die Arbeiten vornehmen lassen, welche zur Entwicklung der beiden, Ihren Wünschen zufolge, vereinigten Fragen unumgänglich erforderlich find; diese Arbeiten sind auch seitdem ohne Abbruch fortgegangen. Verschiedene Vorschläge zu einer neuen Ordnung sowohl für die Land- und Seevertheidigung als auch für neue Geseze über die allgemeine Wehrpflicht sind jezt entworfen und von sachkundigen Männern sorgfältig geprüft. Ein auf meinen Befehl bekanntgemachtes Gutachten über Abschaffung der Grundsteuern ist nach grundgesetzlicher Bestimmung dem betreffenden Amte zur Bereitung überliefert, aber die in hohem Grade verwickelte Beschaffenheit des wichtigen Stoffes hat noch nicht den Abschluß dieser Bereitung zugegeben. Da Sie indessen selbst die Abschaffung der Grundsteuern von einer befriedigenden Lösung der Frage über das Umbilden des Vertheidigungswesens abhängig gemacht haben, und in allen Fällen der jezt vorliegende Vorschlag zu leztgenanntem Zwecke nicht berücksichtigt ist, zur Ausführung gebracht zu werden, ehe die Frage über die Grundsteuern abgemacht ist, so trage ich kein Bedenken, Ihnen schon beim gegenwärtigen Reichstage die vollendeten Theile dieser weitumfassenden Angelegenheit vorzulegen. Mit vollem Vertrauen zu Ihren vaterländischen Gefinnungen und Ihrem aufrichtigen Willen, die Vertheidigung unseres Vaterlandes zu sichern, erwarte ich den Ausgang Ihrer Ueberlegungen. Ein neuer Haupttheil des großen Unternehmens, welches vor 20 Jahren eingeleitet wurde, ist vor Kurzem mit der Eröffnung der östlichen Stammbahn vollendet wor= den, und die bedeutenden Staatszuschüsse, welche ich zur Beförderung des Verkehrs auf den Staatsbahnen von Ihnen verlangen werde, sind eine Folge des vermehrten Geschäftsverkehrs. Mit dem Bedarf des Staates find auch die Mittel zur Erfüllung gewachsen und der ganze Betrag der Staatseinfünfte des leztverflossenen Jahres überschießt bebeutend die von Ihnen berechnete Summe."

Nach der Rede treten nacheinander die Sprecher der beiden Kammern hervor und beantworten die Ansprache des Königs. Der Sprecher der ersten Kammer verbreitet sich ausschließich über die Eisenbahnen und über die glück

liche Entwicklung des Ackerbaues und der Gewerbe; wenn man auch deren ungestörten Fortgang nicht erwarten könnte, so würde doch die schwedische Staatsgesellschaft auf dem unerschütterlichen Grunde der Gottesfurcht und der gesehlichen Freiheit und unter dem Schuße des Bundes zwischen Königsrecht und Volksfreiheit feststehen. Der Sprecher der zweiten Kammer erörtert die Nothwendigkeit, daß jedes friedlicbende Volk, um mit den Segnungen des Friedens sich seine Unabhängigkeit zu bewahren, mehr als früher seine Aufmerksamkeit auf die Zukunft richte und sich die Rüstung der Zeit" zu eigen mache; er begrüße daher die umfassenden Vorschläge des Königs zur Ordnung des Vertheidigungswesens und Beseitigung der Grundsteuern und verspreche die pflichttreue Mitwirkung der zweiten Kammer zur Ausführung dieser Vorhaben.

Aus dem vorgelegten Budget erhellt, daß Einnahmen und Ausgaben zu 79,554,919 Kronen (8 Kronen sind gleich 3 preuß. Thlrn.) berechnet sind. Unter den Einnahmen find die vom Zoll und von der Branntweinproduction, welche sich zusammen auf 33 Millionen belaufen, weitaus die bedeutendsten; die directen Einnahmen stellen sich auf 25,917,000 Kronen, und von der Postverwaltung erwartet man einen Ueberschuß von 3,850,000 Kr. Die ordent lichen Einkünfte belaufen sich zusammen auf 64,790,000 Kronen, so daß ein Deficit von 14,800,000 Kr. zu decken bleibt. Davon übernimmt das Reichsschuldencomptoir 12 Millionen, und der Rest soll durch eine außerordentliche Steuer (allgemeine Bewilligung genannt) aufgebracht werden. Was die Ausgaben betrifft, so werden für das Heer 18,400,000 Kr. und für die Flotte 8,710,000 Kr. beansprucht. Diese Summen betragen über 34 Procent des gesammten Ausgabebudgets. Wenn man nun bedenkt, daß das Heer dem Land außerdem jährlich noch wenigstens 5 Millionen Kronen kostet, welche direct aus der Tasche der Bauern demselben zufließen, und ferner in_Erwägung zieht, daß der militärische Werth der Armee in ihrer jezigen Formation ein äußerst geringer ist, so ist wohl der Ausspruch gerechtfertigt, daß Schweden seine Wehrkraft etwas zu theuer bezahlt. Sollte es aber wirklich einmal zu der projectirten Reorganisation des Heeres kommen was freilich wenig wahrscheinlich ist · so würde das Armeebudget noch um einige Millionen steigen, und Schweden würde dann den wenig beneidenswerthen Vorzug haben, die theuerste Armee in Europa zu besigen.

3. Februar. (Norwegen.) Eröffnung des Storthings. Die Thronrede schlägt demselben den Beitritt zu der schwedisch-dänischen Münzconvention sowie die Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems vor.

4. Februar. (Schweden.) Reichstag: Die Regierung legt demselben einen Gesezentwurf über die neue Wehrordnung sowie den damit in Verbindung stehenden Antrag auf Abänderung des § 80 der Verfassung betr. die „eingetheilte Armee" (Indelmingovaerket). Beide Kammern beschließen, dafür besondere Ausschüsse niederzusetzen. Die vorgeschlagene Abänderung des § 80 des Staatsgrundgesezes soll lauten: Findet der König und der Reichstag es erforderlich, in Verbindung mit einer Abänderung oder Aufhebung des Eintheilungswesens (der jezigen Landwehrorganisation) neue Bestimmungen in Betreff der Organisation der Wehrkraft zu treffen, so sollen diese Bestimmungen sowie die zu ihrer Durchführung nothwendigen Bewilligungen durch Gesetz festgestellt werden, welche

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nicht ohne übereinstimmenden Beschluß des Königs und des Reichstag z abgeändert oder aufgehoben werden können." Der Antrag auf Abänderung dieses Artikels 80 ist jedoch bereits von dem vorigen Reichstage gabelehnt worden, da letterer in demselben eine Beschränkung seines Geldbewilligungsrechtes erblickt.

Die Hauptpunkte der Vorlage gehen dahin: Die Wehrpflicht soll mit dem achtzehnten Jahre beginnen. Die Aushebung zum aktiven Dienst erfolgt mit dem 21. Jahre. Die wirkliche Präsenz dauert nur 10% Mo= nate, doch gehört der Ausgehobene sechs Jahre der Linie, dann sechs Jahre der Landwehr und bis zum 40. Jahre dem Landsturm an. Das Budget für Heer und Marine soll vom Reichstage und der Regierung gemeinschaftlich, statt, wie gegenwärtig auf Grund des § 80 der schwedischen Verfassung, vom Reichstage allein festgestellt werden. Der Kriegsminister erklärt, daß er abtreten werde, falls sein Antrag nicht angenommen würde. Wie indessen aus den Staatsraths-Protokollen hervorgeht, hat eine Minorität im Ministerium den Gesezentwürfen nicht zugestimmt. Der Zweck der Vorlage ist offenbar die Erlangung eines Normal-Militär-Budgets. Die Regierung befürchtet, daß, wenn auch die Kosten der neuen Hecresordnung für jetzt bewilligt würden, die dann unvermeidlichen alljährlichen größeren Geldbedürfnisse heftigen Anfeindungen ausgeseht seien. Nicht ein einziger Abgeordneter tritt indeß für die Vorlage anf, während sich mehrere in den schärfsten Angriffen dagegen ergehen. Das Recht der Selbsteinschäzung, das so hochgepriesene Bollwerk der alten schwedischen Freiheit, würde insofern allerdings einen harten Stoß er leiden, als der Reichstag in guten und schlechten Zeiten Rath zur Deckung der Ausgaben schaffen müßte und jede Reducirung derselben lediglich dem guten Willen der Regierung anheimgegeben wäre. Fast einstimmig wird deßhalb die Hoffnung ausgesprochen, daß der Reichstag nie und nimmer seine Zustimmung zu dieser Vorlage geben möge.

24. Februar. (Schweden.) Erste gemeinsame Abstimmung I. und II. Kammer. Es ergibt sich, daß die sog. Bauernpartei bei solcher Abstimmung über die Mehrheit verfügt.

Es handelt sich um die Frage, ob den Beamten, deren Jahresgehalt den Betrag von 5000 Kronen übersteigt, eine Zulage zu gewähren sei oder nicht. Die Entscheidung dieser Frage ist an und für sich ohne Bedeutung, aber die Abstimmung bot insofern ein besonderes Interesse, als sie die Stärke der Parteien erkennen läßt. Die Zulage wird mit 155 gegen 141 Stimmen verworfen; die Bauernpartei hat somit eine Majorität von 14 Stimmen. Von den 155 Stimmen gehörten 131 der Zweiten und 24 der Ersten Kammer an. Der alte oppositionelle Kern von 16 bis 17 Mitgliedern der Ersten Kammer, verstärkt durch die neuen Wahlen, gibt den Ausschlag.

3. März. (Schweden.) II. Kammer: verwirft den von der Regierung vorgeschlagenen Zusatz zu § 80 des Staatsgrundgesetzes bezüglich das Militärwesen in der neuen Fassung, nimmt dagegen den Antrag in der vorjährigen Fassung neuerdings einstimmig an und die I. Kammer tritt dem Beschluß dießmal mit 75 gegen 38 Stimmen bei.

Diese vorjährige Fassung hatte gelautet: „Wird durch specielles Gesetz unter Aufhebung des Eintheilungswerkes ein neuer Grund gelegt für die Ordnung der Kriegsmacht zu Wasser und zu Lande, so darf keine Aenderung

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