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Gott ist vielleicht über das Feld gegangen, oder er schläft, oder er hat sonst zu schaffen.“ Das sagt der Prophet über den Gott der Baalspriester; hier sagt es der Papst über den eigenen Gott. Wir wissen wohl, daß zugleich die lebendige Bildlichkeit der italienischen Sprache und der bekannte ironische Humor des greifen Kirchenoberhauptes hier Einiges entschuldigen. Auch die der römischen Auffassung des Katholizismus zu Grunde liegende polytheistische Idee erklärt Manches, zumal wo sie so deutlich hervortritt, wie in der anmuthigen familienhaften Darstellung von der Intervention der heiligen Jungfrau. Aber es bleibt noch etwas Anderes zurück, ein gewisses blasphemisches Moment, dessen Hervorwachsen aus der Erhöhung des 18. Juli 1870 für den Psychologen einen besondern Reiz hat."

September. Differenzen mit der neuen spanischen Regierung in Madrid. Diese will wenigstens die seit 1868 bestehende, übrigens sehr beschränkte, Glaubensfreiheit aufrecht erhalten und deßhalb das Concordat mit Rom vom Jahre 1851 nur mit ge= wiffen Modificationen wieder herstellen. Die römische Curie will jedoch von Glaubensfreiheit, wie geartet sie immer sein mag, nichts wissen und beharrt auf der sogen. katholischen Glaubenseinheit für Spanien. (f. Spanien.)

2. Oktober. Die,,Civiltà cattolica", das ausdrücklich aner= kannte Organ der Curie, läßt über die ultramontane Doctrin, wie fie der Vatican verstanden wissen will, kaum mehr einen Zweifel übrig. In dem an diesem Tage ausgegebenen (607.) Heft erklärt sie:

„Jesus Christus ist nicht anderswo als bei dem Papste und im Papste. Der Papst ist Christus auf Erden, und durch die Hingebung an Christus auf Erden müssen wir die Hingebung an Christus im Himmel beweisen.“ Um ein guter Katholik zu sein, heißt es an einer anderen Stelle, müsse man 1) an die Unfehlbarkeit des Papstes glauben, 2) den Syllabus „nicht nur in der Theorie annehmen, sondern auch als Norm des öffentlichen und pri vaten, des bürgerlichen und häuslichen Lebens“, 3) soviel wie möglich die Nothwendigkeit der weltlichen Herrschaft des Papstes behaupten und ver theidigen. Die Bedeutung des Syllabus wird näher noch folgendermaßen ins Licht gestellt: „Der sog. katholische Liberalismus sucht sich jetzt da durch zu retten, daß er die dogmatische Autorität des Syllabus herabsezt und ihn als ein anonymes Aktenstück oder als ein Verzeichniß von Thesen für theologische Erörterungen darstellt. Der Syllabus ist aber a. sicher und notorisch ein päpstlicher Akt, welcher als solcher von dem hl. Vater in andern amtlichen Aktenstücken angezogen wird; er enthält b. eine doctrinelle Regel in Sachen der Sitten und des Glaubens; er ist c. auf Befehl des Papstes von dem Cardinal-Staatssecretär mit einem Rundschreiben allen katholischen Bischöfen übersandt worden; d. der ganze Episcopat hat den Syllabus als ein von dem Papste als dem Oberhaupte der Kirche ausgehendes doctrinelles Aftenstück angenommen und als solches den Gläubigen verkündigt und erklärt; e. alle wahren Gläubigen haben ihn mit religiösem Glauben ange nommen und ihn nach dem Vorgange und der Lehre der Bischöfe und des Clerus als eine Erklärung des Hl. Stuhles angesehen. Wenn diese That= fachen unbestreitbar richtig sind, was verlangt man dann noch mehr, um den Syllabus als an sich authentisch, autoritativ und die Katho:

liken zur Unterwerfung verpflichtend anzuerkennen? Nimmt man vielleicht Anstoß an dem Mangel irgend einer der gewöhnlichen Formalitäten, welche der hl. Vater Pius IX. bei der Promulgation dieses Aktenstückes nicht für nöthig gehalten hat? Aber diese Formalitäten würden nur dann vermißt werden, wenn ihr Fehlen die Authentizität des Aktenstückes zweifelhaft machen könnte. Das ist aber hier gar nicht der Fall. Das gleichlautende und namentliche Schreiben, mit welchem der Cardinal-Staatssekretär auf Befehl des Papstes allen Bischöfen der Kirche den Syllabus übersandt hat, beweist seinen authentischen Ursprung; denn bekanntlich ist der Cardinal-Staatssecretär eines der Organe, deren sich der hl. Stuhl auch bei rein kirchlichen Angelegenheiten bedient.“ An einer dritten Stelle heißt es: „Dem Papste gebührt unbegrenzter Gehorsam, nicht blos bezüglich des Handelns, sondern auch bezüglich des Wollens und Denkens." An einer vierten Stelle wird ausdrücklich hervorgehoben, man müsse nicht blos bezüglich der Glaubenzlehren, sondern in Allem, was das rechte Denken und Handeln betrifft, der Leitung des Papstes folgen. „Wer ihn hört, der hört Gott; wer ihn verachtet, der verachtet Gott." Endlich fehlt auch nicht die Drohung mit der Revolution: „Die geistige Herrschaft der Kirche und ihr socialer Einfluß kann nie aufhören, und wenn die Regierungen denselben zurückweisen, wird er unmittelbar auf die Völker ausgeübt werden. Der Abfall der Regierungen von der Kirche kann nichts anderes bedeuten, als ihre nahe bevorstehende Zerstörung durch eine jener socialen Katastrophen, denen sich die göttliche Vorsehung zu Zeiten bedient, um das Angesicht der Erde zu verändern.""

20. November. Die ultramontanen französischen Blätter be= richten: Es ist positiv, daß eine Nonne vom Hl. Herzen Jesu durch den päpstlichen Segen von einer Lähmung des rechten Arms geheilt worden ist. Damit wäre denn die erste Unterlage gewonnen, um Pius IX. seiner Zeit heilig sprechen zu können.

6. Die Schweiz.

6. Januar. (Genf.) Gr. Rath: beschließt mit großer Mehrheit die endliche Ausführung des Gesetzes vom 2. November 1850, wonach auch für die bisher noch römisch-katholisch gebliebene Kirche Notre-Dame zu Genf ein Kirchenverwaltungsrath ernannt werden soll. Der Staatsrath hatte mit 4 gegen 3 Stimmen den Zeitpunkt dafür noch hinausschieben wollen, um neue Streitigkeiten mit den Römisch-Katholischen zu vermeiden. Muthmaßlich fällt die Wahl des Verwaltungsrathes zu Gunsten der Altkatholiken aus und dann wird die Kirche beiden Theilen, den Römisch-Katholischen und den Alt-Katholischen, zu gemeinsamer Benütung eingeräumt werden.

Kraft jenes Gesetzes vom 2. November 1850 besigen nämlich die Katholiken in Genf eine Kirche, für welche das Terrain vom Staate geschenkt, die Baukosten aber mittels Collekten zum größten Theil vom Auslande aufgebracht wurden. Diese Kirche, welche den Namen „Notre-Dame" erhielt, sollte geschmäßig durch die katholischen Bürger der Stadt Genf verwaltet werden, zu welchem Zwecke eine Commission von 5 Mitgliedern zu ernennen ist, was jedoch seit Erbauung der Kirche nur ein einziges Mal geschah. Jezt aber verlangten die liberalen katholischen Bürger Genfs, welche gegenüber den römisch-katholischen die Mehrheit ausmachen, die Notre-Dame-Kirche auch für sich und nach dem Geseze die Ernennung einer Verwaltungscommission, um dadurch zur Benütung der Kirche, nicht ausschließlich, sondern immerhin nur neben den Römisch-Katholischen, zu gelangen.

15. Januar. (Bern.) Der Bundesrath weist eine Beschwerde von 18 ultramontanen Mitgliedern des Berner Großen Rathes gegen das Dekret der Berner Regierung vom Juni v. J., durch welches die Pfarrgemeinde-Bezirke im bernischen Jura von 79 auf 42 re= ducirt worden waren, ab mit der Begründung:

„daß die Beschwerdeführung sich ausschließlich auf gewisse Vestim mungen der Vereinigungs- Urkunde des bernischen Juras mit dem alten Canton vom 14/23. November 1815 stüßt; daß aber diese Bestimmungen unter der Herrschaft der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 fein besonderes Recht zu Gunsten der Bewohner des bernischen Juras, noch eine Ausnahme vom öffentlichen Rechte der Eidgenossenschaft begründen können.“

Nebrigens haben von den neugebildeten 42 jurassischen Gemeinden bereitz 33 auf Grund der neuen Kirchengesetze Kirchengemeinderäthe gewählt und sich in den Besitz der Kirchengüter gesetzt und sind 25 mit ständigen Seelsorgern versehen, welche fast alle definitiv angestellt sind. Die Berner Regierung kann demnach mit dem Gange der Dinge im Jura zufrieden sein.

25. Januar. (Genf.) Die bisher noch röm.-katholisch geblie= bene Gemeinde Compezières verweigert einem ihrer Bürger die Vornahme einer Tause nach altkatholischem Ritus, was derselbe auf das Gesetz gestützt verlangt hatte, und verhindert die Taufe mit Gewalt. Der Staatsrath läßt die Gemeinde militärisch beseßen, die Taufe vornehmen und überbürdet die Kosten der renitenten Gemeinde.

31. Januar. (Genf.) Gr. Rath: beschließt mit 69 gegen 17 Stimmen die Abschaffung der sog. quorum ( aller Stimmberech= tigten) für die Wahl eines Pfarrers in den katholischen Gemeinden des Kantons. Damit ist der kleinsten Minderheit der Stimmberech= tigten die Möglichkeit in die Hand gegeben, den bisherigen römischkatholischen Gottesdienst durch den altkatholischen zu ersehen, wofern nämlich, wie vorauszusehen, die Römisch-Katholischen sich an der Wahl grundsäglich nicht betheiligen.

1. Februar. (Neuenburg.) Das Volk verwirft in allge= meiner Abstimmung mit 10,358 gegen 3267 Stimmen den vom Gr. Rath. beschlossenen Rückkauf der Eisenbahn des sog. Jura industriel für den Staat.

7. Februar. (Schaffhausen.) Das Volk verwirft die neue, vom Verfassungsrath ausgearbeitete Verfassung in allgemeiner Abstimmung.

7. Februar. (Genf.) Wahl des Verwaltungsraths für die katholische Gemeinde Notre-Dame in Genf: die liberalen Katholiken siegen dabei über die Römisch-Katholischen mit 790 gegen 610 Stimmen.

Mitte Februar. Das Central-Comité des schweizerischen Ver= eins freisinniger Katholiken ersucht in einer Zuschrift die schweizeri= schen Regierungen, der Verfassung der „Christkatholischen Kirche der Schweiz" ihre Genehmigung zu ertheilen und sich darüber auszuspre= chen, in welcher Weise sie bei der allfälligen Wahl eines christkatholischen Bischofs und dessen Dotirung sich zu betheiligen wünschen, Zugleich ersucht es dieselben, zur Mitwirkung bei der Aufstellung einer mehreren Kantonen gemeinsamen Prüfungscommission für Candidaten der katholischen Theologie ihre Geneigtheit auszusprechen.

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In einem Circular an die Gemeinden und Vereine werden dieselben aufgefordert, spätestens bis 1. April d. J. ihre Abgeordneten in die Synode zu bezeichnen.

18. Februar. (Genf.) Der neue Verwaltungsrath der katho= lischen Gemeinde Notre-Dame in Genf beschließt, den Römisch-Ka= tholischen betr. die Benützung der Kirche folgende Anerbietungen zu machen: er läßt ihnen die gewöhnliche Benützung der Kirche und verlangt nur für die Liberalen das Recht, Taufen, Ehen und Be= erdigungen darin zu celebriren, allerdings mit dem Vorbehalte, Weiteres zu verlangen, falls es für nöthig erachtet werden sollte. Die Römisch-Katholischen weisen jedoch jedes Arrangement zurück. Die protestantische Münstergemeinde räumt ihnen die französische Kirche für Abhaltung ihres Gottesdienstes ein, wobei jedoch der Kirchengemeinderath erklärt:

„daß wir der Unduldsamkeit ihrer Kirche die Duldsamkeit der unsrigen entgegensehen sollen, und daß fie als Mitgenossen unseres Gemeinwesens einen Anspruch an unser Entgegenkommen haben, und schließlich, daß er mit der Bewilligung der französischen Kirche durchaus keine Partei für die RömischKatholischen gegen die Altkatholiken genommen habe; aber er glaube, wie er gern bereit gewesen wäre, den Altkatholiken auf ihr Verlangen die französische Kirche zu öffnen, sie auch den in Verlegenheit sich befindenden Römisch-katholischen aus Billigkeitsrücksichten nicht verschließen zu sollen."

20. Februar. (Genf.) Gr. Rath: bewilligt 10,000 Fr. für die Bedürfnisse des altkatholischen Gottesdienstes.

21. Februar. (Tessin.) Allgemeine Erneuerung des Großen Rathes: die Ultramontanen erringen einen entschiedenen Sieg: dieselben werden in dem neuen Gr. Rathe 67, die Liberalen nur 47 Stimmen zählen.

22. Februar. (Bern.) Die Altkatholiken, welche die große Mehrheit der katholischen Gemeinde in Bern ausmachen, verlangen die Mitbenüßung der katholischen Kirche für ihren Gottesdienst. Der römisch-katholische Pfarrer Perroulaz verweigert jedoch die Auslieferung der Schlüssel und muß erst von der Regierung dazu gezwungen werden. Die Römisch-Katholischen verzichten hierauf ganz auf den Gebrauch der Kirche.

25. Februar. (Wallis.) Das Volk verwirft in allgemeiner Abstimmung ein vom Gr. Rath beschloffenes, von der Regierung durch eine eindringliche Proclamation unterstüßtes und sogar vom Bischof empfohlenes neues Steuergesetz mit 9273 gegen 8532 Stimmen. Die meisten Annehmenden weist das ultramontane Oberwallis, die meisten Ablehnenden das liberale Unterwallis auf.

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