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2. Spanien.

1. Januar. In Rom, wo man im Vatikan bisher entschieden. und ausschließlich Partei für Don Carlos genommen hatte, macht sich in Folge des gelungenen Umschwungs in Spanien doch eine gewisse Wendung bez. der spanischen Dinge geltend, zumal nicht we= niger als 28 Bischofssite z. 3. vacant find. Der Papst läßt an die Er-Königin Isabella in Paris folgendes Telegramm gelangen:

„Der heilige Vater sendet aus innerstem Herzen seinen apostolischen Segen für Euere Majestät und Ihre ganze erhabene Familie, und ertheilt mir den ehrenvollen Auftrag, Ihrer Majestät und Ihren königlichen Hoheiten den Ausdruck seines Dankes für Ihre Glückwünsche zum hl. Treikönigstage zu übermitteln. Ta Seine Heiligkeit aus einer Depesche Ihrer Majestät erfahren hat, daß Seine Majestät der König sich auschicke, nach Spanien abzureisen, so sendet der Papst seinem geliebten Pathen feinen Segen und fleht zum Allmächtigen, daß er ihm in dem schwierigen Werk, welches er unternimmt, alles erdenkliche Glück angedeihen laffe.“

2. Januar. Die neue Regierung, die unter dem Präsidium von Canovas del Castillo aus den beiden Parteien der Moderados (Conservativere resp. Absolutisten) und der Unionisten (gemäßigt Libe= ralen) zusammengesetzt ist, gibt Befehl, den jungen König auf einem spanischen Kriegsschiffe in Marseille abzuholen und nach Spanien zu geleiten.

2. Januar. Der Justizminister Cárdenas (Moderado) erläßt ein entschieden ultramontanes Circular an die Bischöfe, in welchem von den Rechten des Staats gegenüber der Kirche auch nicht mit einer Sylbe die Rede ist:

„Nachdem das Regentschaftsministerium gebildet ist, habe ich in amtlicher Weise das glückliche Ereigniß zu Ihrer Kenntniß bringen zu sollen geglaubt, welchem dieses Ministerium seinen Ursprung verdankt. Bei den Beziehungen der katholischen Staaten zur Kirche kann das, was für die ersteren ein glückliches Ereigniß ist, nicht ermangeln, ein solches auch für die letztere zu sein. Wenn die Kirche mit der spanischen Nation die zahllosen Leiden in Folge der politischen Umwälzungen empfunden hat, so darf die Kirche mit der Thronbesteigung eines erlauchten Fürsten, der katholisch, wie es seine erhabenen Vorgänger gewesen, und entschlossen ist, mit allen in seine Macht gestellten Mitteln die erlittenen Leiden wieder gutzumachen, auf beffere und

glücklichere Tage hoffen. Die Ausrufung unseres Königs Don Alfonso XII., welche eben dieser Unordnung ein Ende macht, wird der Ausgangspunkt einer neuen Aera sein, während welcher man die guten Beziehungen zu dem ge= meinsamen Vater aller Gläubigen zurückkehren sehen wird, Beziehungen, welche leider durch die Ungerechtigkeiten und die Ausschreitungen der letzten Zeiten unterbrochen worden sind. Der Staat wird in Allem, was die Feststellung der gegenseitigen Beziehungen betrifft, mit der Einholung des Rathes der weisen Prälaten und in Ucbereinstimmung mit dem hl. Stuhle handeln und der Kirche und ihren Dienern den ganzen Schutz leihen, welcher ihnen von Seite einer so eminent katholischen Nation wie der unsrigen gebührt. Teßhalb zählt die Regierung auf Ihre kräftige Mitwirkung und auf die Ihrer würdigen Amtsbrüder im Episcopate; sie zählt ebenso auf die Unterstützung der großen Körperschaften des Staates und auf den Beistand der guten Katholiken. Ich empfinde die lebhafteste Freude, Ihnen die glückliche Nachricht von dem heilbringenden Wechsel mitzutheilen, der in unserer Lage eingetreten ist und uns glücklichere Tage für die Nation und eine günstigere Aera für die Kirche zu hoffen gestattet."

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Januar. Viele Provinz - Gouverneure geben ihre Entlassung. Dasselbe thun die Gesandten der früheren Regierung in Wien und Paris, die anderen stellen sich sämmtlich der neuen Regierung zur Verfügung.

Ein Dekret der neuen Regierung seht das die Geschwornen= gerichte und das öffentliche und mündliche Verfahren einführende Gesetz vom 22. Dezember 1872 bis auf Weiteres außer Kraft.

3. Januar. Der Minister des Auswärtigen theilt den Ver= tretern Spaniens im Auslande den erfolgten Umschwung der Dinge, die Wiederaufrichtung des legitimen und constitutionellen Thrones unter Alfons XII. und die Constituirung der Minister-Regentschaft mit, die aus folgenden Personen bestehe:

Präsident der Minister-Regentschaft: D. Antonio Cànovas del Castillo; Staatsminister: D. Alejandro Castro; Justiz- und Gnadenminister: D. Fran cisco de Cardenas; Kriegsminister: Generallieutenant D. Joaquin Jovellar; Finanzminister: D. Pedro Salaverria; Minister des Innern: D. Francisco Romero Robledo; Minister für öffentl. Arbeiten und Unterricht: D. Manuel de Orovio, Marquis v. Orovio; Colonienminister: D. Adelardo Lopez de Ayala; Marine- und interimistischer Staatsminister: Marquis v. Molins.

Ueber den Geist der neuen Regierung äußert sich das Circular folgendermaßen:

"....

.. Diejenigen, welche in dem religiösen Princip die große Triebfeder unserer nationalen Geschicke erblicken und sich verlegt fühlten durch die Frevel, welche nach dieser Richtung die Revolution begangen hatte, sezten selbstverständlich ihre Hoffnungen auf Jenen, der, würdiger Erbe katholischer Monarchen, am Glauben seiner Väter unerschütterlich festhielt, ohne jedoch aus demselben ein Werkzeug und Banner seiner politischen Ziele machen zu wollen. In demselben Maße werden auch diejenigen, welche in Vergegen= wärtigung der Geschichte der Nation und mehr noch der berechtigten Forderungen der Jeztzeit eine Regierung für unmöglich halten, die sich nicht auf parlamentarische Grundsäge stüßt, denen unsere alten Cortes zum Vorspiel

ber:

dienten und welche die Nationen der Gegenwart verwirklicht haben, trauensvoll ihre Augen auf den König, den unmittelbaren Abkömmling zweier erlauchter Fürstinnen, welche schon seit mehr als vierzig Jahren in unzertrennlicher Weise die Interessen und den Bestand ihres Thrones mit den Interessen und der Existenz parlamentarischer Grundfähe verknüpft haben..."

3. Januar. Der Finanzminister Salaverria erläßt zwei Defrete, das eine bez. Erhöhung des Budgets für den Clerus, das andere bez. der rückständigen Coupons der Staatsschuld, zu deren Bezahlung 422 Mill. Piaster nominal 3 Proc. ausländische con= solidirte Schuldtitel ausgegeben werden sollen.

Der Art. 1 des ersten Erlasses bestimmt, daß die für den Clerus in dem jüngsten Budget angesezte Summe von 3,251,614 Pesetas auf 41,611,674 Pesetas (Francs) erhöht und dieser erhöhte Betrag nur so weit zur Verwendung gebracht werden solle, als nöthig sei, um die diesfälligen Verpflichtungen vom 1. Januar 1875 an bis zum Schluffe des laufenden Jahres zu decken. Der Artikel 2 set fest, daß die schuldigen Summen in den gebräuchlichen Terminen ausbezahlt werden sollen, soweit die Bedürfnisse des Bürgerkrieges, welche den Vorrang haben, es gestatten werden." Nach dem Artikel 3 bleibt darüber, was aus den vorigen Dienstjahren noch geschuldet wird, genaue Untersuchung und weitere Regelung vorbehalten. Es gilt demnach auch für den Finanzminister Salaverria der entscheidende Grundsaß, daß die Ausgaben für den Bürgerkrieg Allem vorgehen.

3. Januar. Der Generalstatthalter von Cuba, Gen. Concha, hat den neuen König Alfons bereits auf Cuba proclamirt, ohne dabei auf irgendwelchen Widerstand zu stoßen.

4. Januar. Die neue Regierung unterdrückt die protestantische Zeitung,,La Luz", obgleich dieselbe durchaus unpolitisch gehalten ist, und befiehlt, die protestantischen Gotteshäuser in Madrid und Cadir sowie die mit denselben verbundenen Schulhäuser zu schließen. Die Maßregel macht im Auslande gewaltiges Aufsehen. Die an= fänglichen Sympathien desselben für Alfons und den so plöhlichen Umschwung erhalten dadurch einen harten Stoß.

5. Januar. Der neue König richtet an den Präsidenten der Minister-Regentschaft von Paris aus folgende Depesche :

Em. Excellenz, der ich am 23. August 1871 meine Vollmachten anvertraute, theilt mir mit, daß ich durch das tapfere Heer und das heldenmüthige spanische Volk einmüthig zur Besteigung des Thrones meiner Vorfahren berufen worden bin. Niemand kann wie Ew. Excellenz, deren großen Verdiensten ich so viel schulde und verdanke, wie gleichfalls dem Regenschafts-Ministerium, welches Sie kraft der Ihnen übertragenen und heute von mir bestä tigten Befugnisse gebildet haben, meinen Gefühlen des Dankes und der Liebe zur Nation Ausdruck geben, indem ich die in meinem Manifest vom 1. Dez. v. Js. ausgesprochenen Ansichten bestätige und meinen aufrichtigen Entschluß, sie zu erfüllen, bekräftige, wie auch meine lebhaftesten Wünsche, daß der feierliche Akt meines Einzuges in mein geliebtes Vaterland ein Pfand des Friedens, der Einigkeit und des Vergessens vergangener Zwietracht und als Folge deffen der Anfang einer neuen Zeit wahrhafter Freude sei, in welcher wir

durch Vereinigung unserer Bemühungen und unter dem Schuße des Himmelz für Spanien neue Tage der Wohlfahrt und der Größe heraufführen können. Alfonso."

6. Januar. Die neue Regierung veröffentlicht eine Depesche des Königs Alfons, welche die Fueros der baskischen Provinzen bestätigt.

6. Januar. Don Carlos erläßt von seinem Hauptquartier zu Deva aus ein flammendes Manifest gegen den neuen König Alfons, dem er den Namen eines legitimen Herrschers niemals zugesteht.

„Spanier! Die von Lügen lebende Revolution sucht sich mit der Monarchie und der Legitimität zu versöhnen, indem sie ein Mitglied meiner Familie zum König von Spanien ausruft. Die Legitimität bin ich, ich bin der Vertreter der Monarchie in Spanien und kraft dieser Eigenschaft habe ich mit tiefster Verachtung die Vorschläge abgelehnt, welche die September-Revolu= tionäre an mich zu richten wagten, ehe sie ihr von unheilvoller Unredlichfeit eingegebenes Werk vollzogen. Seit jener Zeit weiß die Revolution, daß ich ihr König nicht sein kann. Oberhaupt der erlauchten Familie der spanischen Bourbonen, blicke ich mit innigem Schmerz auf das Beginnen meines Vetters Alfonso hinunter, welcher sich mit der seinem Alter eigenen Unerfahrenheit dazu hergibt, das Werkzeug Derer zu sein, die ihn sammt seiner Mutter der Heimath verwiesen, mit Hohn und Schmähungen überhäuft haben. Ich erhebe aber dagegen keine Einsprache, meine und meines Heeres Würde gestattet mir keine andere Protestation, als die, welche mit unwiderstehlicher Beredtsamkeit im Donner meiner Kanonen laut werden wird. Die Prokla= mation des Prinzen Alfonso, weit entfernt, mir die Thore von Madrid zu verschließen, ebnet mir im Gegentheil den Weg der Wiederaufrichtung unseres theuren Vaterlandes. Nicht umsonst verletzt ein neuer Akt von Prätorianerthum den Stolz des spanischen Volkes. Nicht umsonst auch sind meine unüberwindlichen Freiwilligen, sie, die bei Eraul, bei Alpiens, bei Montegurras, bei Castellollit, Somorrostro, Abarzuza, Castillon, Cordova und Urvieta ge= fiegt haben, bewaffnet: sie werden einen neuen Schimpf von unserem hochherzigen Spanien, einen neuen Scandal vor dem civilisirten Europa abzuwenden wissen. Berufen, die Revolution in unserem Lande zu ersticken, werde ich sie ersticken, möge sie nun die wilde Grausamkeit einer schamlosen Gottlosigkeit an den Tag legen, oder aber sich unter dem Deckmantel einer erheuchelten Frömmigkeit verbergen. Spanier, ich schwöre Euch bei unserem Gott, bei unserem Spanien, daß ich, meiner heiligen Sendung treu, unser ruhmreiches Banner mackellos bewahren werde; es versinnlicht die rettenden Principien, die heute unsere Hoffnung sind und morgen unser Heil sein werden."

7. Januar. Der neue König Alfons schifft sich in Marseille nach Spanien ein.

9. Januar. König Alfons steigt in Barcelona an's Land, wo er mit großen Festlichkeiten empfangen wird. Derselbe erläßt von Barcelona aus ein Dekret, durch welches er „kraft der Rechte, die mir als constitutionellem Könige zustehen", das Regentschafts-Ministerium bestätigt, während ich, wie ich vorhabe, die Armeen des Centrums und des Nordens besuche“.

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10. Januar. König Alfons geht von Barcelona nach Valencia weiter. Der dortige Cardinal-Erzbischof verbietet, daß in seiner Ka= thedrale ein Tedeum für die Thronbesteigung des Königs gesungen werde, so daß der General-Capitain die kirchliche Feier auf einem öffentlichen Plage der Stadt abhalten lassen muß.

12. Januar. Die Regierung hebt die Suspension der beiden protestantischen Blätter in Madrid doch wieder auf und erlaubt auch die Wiedereröffnung der protestantischen Kapelle in Cadix.

Die Maßregel hatte im übrigen Europa den allerschlechtesten Eindruck gemacht und den anfänglichen Sympathien mit der neuen Monarchie, die an die Stelle des schwachen Regiments Serrano getreten war, alsbald einen starken Dämpfer aufgesezt. Jedermann begriff und billigte es, wenn die neue Regierung gegenüber der katholischen Kirche und dem Clerus eine wesentlich andere Haltung einnahm, als dies in den Wirren seit der Thronentsagung Amadeus der Fall gewesen war; aber die ganze nicht-ultramontane Presse ist auch _darüber einig, daß ein specifisch „katholisches" Regiment Spanien neuerdings nur zum Verderben gereichen müsse. Es scheint constatirt, daß sowohl die Regierung des deutschen Reichs, als diejenige Großbrittaniens die neue spanische Regierung darüber nicht im Zweifel ließen und gegen die intoleranten Maßregeln bezüglich der protestantischen Kirchen, Schulen und Zeitungen nachdrücklich remonstrirten.

14. Januar. König Alfons hält seinen feierlichen Einzug in Madrid.

17. Januar. Die Regierung schickt einige Kriegsschiffe nach den von den Carlisten besetzten Küstenorten des biscayischen Meer= busens ab, um den Reclamationen Deutschlands bezüglich der carli= stischen Gewaltthätigkeit gegen die deutsche Brigg Gustav gerecht zu werden.

18. Januar. Benavides wird zum spanischen Gesandten beim Papste ernannt. Der Minister-Präfident Cánovas del Castillo läßt dem Vatican bestimmte Zusicherungen machen bez. Wiederherstellung des Concordats zwischen Spanien und dem Hl. Stuhle.

19. Januar. Der König verläßt Madrid wieder, um die Armee des Centrums und des Nordens zu besuchen, und begibt sich zunächst nach Saragossa und dann nach Tudela.

20. Januar. Die Mächte der Dreikaiser-Allianz, Deutschland, Desterreich und Rußland, find unter sich übereingekommen, König Alfons bedingungslos und zwar möglichst gleichzeitig anzuerkennen.

21. Januar. In einem Kriegsrath zu Tudela wird ein all= gemeiner Angriff auf die Carlisten in Navarra beschloffen und daß der König sich an die Spitze der Operationen stellen solle. Der Plan geht dahin, zunächst das von den Carlisten eingeschloffene

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