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in katholischen Kirchengemeinden bezeichnet den bedeutsamen Wendepunkt, indem die Bischöfe, nachdem das Gesez staatliche Rechtskraft erlangt hatte, sich ungeachtet aller vorherigen Proteste zur vollen und rückhaltlosen Mitwirkung bei der Ausführung des Gefeßes bereit erklärten. Inzwischen sind, Angesichts der entschiedenen Durchführung der staatlichen Gesetze, weitere Anzeichen hervorgetreten, daß die Kraft zum weiteren Kampfe in der katholischen Geistlichkeit und Bevölkerung erlahmt, die Sehnsucht nach dem kirchlichen Frieden im Wachsen ist. Das Beispiel der Oberhirten, unter denen bereits drei sich den drohenden gefeßlichen Strafen durch die Flucht entzogen haben, ist nicht ge= eignet, die Opferfreudigkeit der Geistlichen und des Volkes neu zu beleben. Andererseits scheint unter eifrigen Katholiken immer ernster erwogen zu wer den, wie viel für das kirchliche und sittliche Volksleben bei der Fortdauer bez zerrüttenden Kampfes auf dem Spiele steht. Es ist nicht zu verkennen, daß selbst unter den bisherigen streitbarsten Vorfämpfern der katholischen Sache der Wunsch nach Frieden immer mehr an Boden gewinnt; die Erfüllung wird freilich nur dann möglich sein, wenn die leitenden Kreise sich von der Ueberzeugung durchdringen lassen, daß die Vorausseßung des Friedens die allseitige thatsächliche Anerkennung der Staatsgefeße sein muß."

31. Dezember. (Deutsches Reich.) Der Kaiser ernennt auch die Minister Graf zu Eulenburg und v. Bülow zu Mitgliedern des Bundesraths.

31. Dezember. (Preußen.) In Posen wird der Weihbischof Janizewski verhaftet und dem Kreisgerichte zu Verbüßung der gegen ihn erkannten sechsmonatlichen Gefängnißstraße überliefert. Außer ihm befindet sich auch der Weihbischof Cybichowski, dieser im Kreisgericht zu Gnesen, in Haft; beide wegen Anmaßung bischöflicher Rechte nach Absehung des Erzbischofs Ledochowski.

Ueberhaupt ist es im firchenpolitischen Kampfe gegenwärtig in der Provinz Posen, die vor zwei Jahren den Reigen auf diesem Gebiet eröffnete und wo fast alle Kirchengefeße zuerst zur Anwendung kamen, schon seit einiger Zeit auffallend still. Die polnisch-katholische Geistlichkeit ist sehr vorfichtig geworden und meidet sorgfältig jeden Anlaß, durch den sie mit den Staatsgesehen in Collision kommen könnte. Es werden von ihr die Kirchengeseze zwar nicht im Princip anerkannt, aber wenigstens doch respektirt. Die Anzahl der Geistlichen, welche sich wegen Vergehungen gegen diese Geseze noch in Gefängnißhaft befinden, ist demgemäß gegenwärtig nur noch eine sehr geringe, und neue Verurtheilungen zu Gefängnißstraße auf Grund der Kirchengeseße sind in neuerer Zeit gar nicht mehr vorgekommen. Der ehemalige Erzbischof Ledochowski, der einst so häufig genannt wurde, und gegenwärtig, fast verschollen und vergessen, im Gefängniß zu Ostrowo sizt, hat binnen kurzem, am 3. Februar 1876, seine zweijährige Gefängnißstrafe verbüßt und es werden dann nur noch höchstens sechs Geistliche sich in der Provinz Posen in Gefängnißhaft befinden, während zu der Zeit, als die Wogen des kirchenpolitischen Kampfes am höchsten giengen, die Zahl derjenigen Geistlichen, welche gleichzeitig sich in Gefängnissen befanden, sich bisweilen auf ca. 50 belief.

31. Dezember. (Bayern.) Der Papst protestirt, gestüßt auf das Concordat, gegen die obligatorische Civilehe, die mit dem 1. Ja

nuar 1876 auch in Bayern zur Einführung kommen wird. Es steht bereits fest, daß Bayern darauf gar nicht antworten, sondern den Protest einfach ad acta legen wird.

31. Dezember. (Elsaß-Lothringen.) Das „Elfäff. Journ.“, das nicht nur vollständig unabhängig ist, sondern auch gegen das deutsche Regiment eine gewisse Oppositionsstellung einnimmt, gibt bezüglich der Preßverhältnisse in den Reichslanden folgende Erklä= rung ab:

„Die Bedingungen, welche der gegenwärtige Hr. Oberpräsident zur Gründung oder zum Bestande eines Blattes verlangt, fennen wir und ergreifen mit Vergnügen den Anlaß, fie unsern Lesen kundzugeben: Nach dem, was uns die Behörde wiederholt erklärt hat, können sich die unabhängigen Blätter auf dem Gebiet der lokalen und auswärtigen Fragen frei bewegen und wir haben in der That oft die Erfahrung gemacht, daß die Regierung selbst einer lebhaften und eingehenden Discussion der administrativen Angelegen= heiten des Elsasses und Deutschlands keine Schranken entgegenseßt. Diese Bewegungsfreiheit hat nur eine Grenze: Uns und unseren Collegen ist es untersagt, den Frankfurter Frieden und die Thatsache der Annerion in's Spiel zu ziehen. Das ist die conditio sine qua non, die unerläßliche Bedingung unserer Existenz, Außerhalb derselben haben wir nie eine Einmischung der Behörden empfunden.“

II.

Die österreichisch-ungarische Monarchie.

1. Januar. (Ungarn.) Tisza, der Führer der Linken, benügt den Neujahrsempfang zu einer Art Programmrede, in der er der Deakpartei eine neue, gesündere Parteiorganisirung und eine Coalition mit der Linken vorschlägt, ohne daß weder jene noch diese ihre Principien verleugnen müßten; die Deakpartei scheint jedoch vorerst noch nicht geneigt, auf den Vorschlag einzugehen.

4. Januar. (Oesterreich.) Beginn des Prozesses gegen den gew. Direktor der Lemberg-Czernowiczer Eisenbahn, Victor Ofen= heim, Ritter v. Pont-Euxin, vor dem Schwurgerichte in Wien. Die Anklage sucht 10 verschiedene Betrugsfacten von meist sehr erheb= lichen Beträgen zu constatiren. Der Prozeß erregt von Anfang an das ungeheuerste Intereffe in den weitesten Kreisen, und das um so mehr, als er sofort eine Wendung nimmt, die der Urheber desselben, der Handelsminister Banhans, jedenfalls nicht vorausgesehen hatte und die den Prozeß als ein wahres Unglück für Oesterreich erschei= nen läßt.

10. Januar. (Oesterreich: Krain.) In den Handelskammerwahlen unterliegen die Slovenen nach wochenlangen Agitationen und nach einem sehr erbitterten Wahlkampfe, obgleich beide Fraktionen derselben gemeinsam vorgegangen sind und überdies ein Bündniß mit den Clericalen geschlossen haben, der deutschen Verfassungspartei. Der Nationalismus scheint in Krain an Boden zu verlieren.

11. Januar. (Ungarn.) Unterhaus: Der Finanzminister Ghiczy gibt dem Finanzausschuffe eine vollständige Finanzdarlegung:

Vom Anlehen feien abzüglich der Januarzahlungen von 91% Millionen noch 32 Millionen, ferner 12 Millionen Kassenbestände verfügbar, die

zur Deckung des Deficits hinreichten, doch würden dann mit Rücksicht auf unregelmäßige Steuereingänge für 1876 nur 6 Millionen verbleiben. Er beantrage, zur Deckung des Deficits 12 Millionen aus dem Anlehen zu entnehmen und 13 Millionen durch neue Steuern und Steuerzuschlag aufzu= bringen. Nachdem er erwogen, daß der eingebrachte fünfprocentige Steuerzuschlag zu drückend wäre, ziehe er seine hierauf bezügliche Vorlage zurück und beantrage die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer; hierdurch würde der Uebertrag von 26 Millionen in's Jahr 1876 ermöglicht, und wären mit Hinzurechnung der anderen Einnahmen im Jahre 1876 die Ausgaben ohne ein Anlehen gedeckt.

14. Januar. (Oesterreich.) Prozeß Ofenheim: Schluß des ersten Aktes desselben, indem der Angeklagte nach 8 Verhandlungstagen, an denen öfters zwei Sihungen, Morgens und Abends, ge= halten werden, und in denen er beinahe allein spricht, seine Ver= theidigung zu Ende bringt. Nun beginnt das Zeugenverhör. Inzwischen ist die öffentliche Meinung gespalten und ist es dem Ange= flagten durch die Entfaltung eines in der That eminenten Talentes gelungen, sich zahlreiche Sympathien zu erwerben und seinen Hauptgegner, den Handelsminister Banhans, in ein sehr zweifelhaftes Licht zu stellen.

14.–15. Januar. (Ungarn.) Unterhaus: Der Finanzausschuß lehnt den Antrag des Finanzministers Ghiczy, 13 Millionen des Deficits (von 25 Millionen) durch eine Steuererhöhung zu decken, mit 9 gegen 4 Stimmen ab. Die Majorität kann sich jedoch über einen andern Vorschlag, das Deficit zu decken, nicht einigen; es ergibt sich vielmehr eine völlige Zersplitterung der Meinungen. Ghiczy erklärt darauf bitter, daß er an den Berathungen der Commission nicht mehr Theil nehmen werde, von seinen Vorschlägen aber auch nicht zurückweiche, sondern an das Haus selbst appellire.

17. Januar. (Ungarn.) Der Ministerrath beschließt unter dem Vorsize des Kaisers, in voller Solidarität mit dem Finanzminister Ghiczy an dem Standpunkte festzuhalten, daß die Hälfte des Deficits durch eine Vermehrung der Einnahmen, resp. durch Steuern gedeckt werden müsse. Bezüglich der Höhe des Deficits und der Art der Vermehrung der Einnahmen durch die Besteuerung ist er jedoch bereit, dem Reichstag einen gewissen Spielraum zu lassen.

20. Januar. (Oesterreich.) Abg.-Haus: Eine Zuschrift der Mehrzahl der czechischen Abgeordneten Böhmens (der sog. Altczechen) erklärt: dieselben könnten der Aufforderung, im Reichstag zu er= scheinen, nicht nachkommen, und stüßt sich hiebei auf die „historischen“ Rechte Böhmens. Eine weitere Zuschrift der drei in den Reichstag

wählten Jungczechen macht das Erscheinen derselben im Reichstage von der Entscheidung der Mehrheit aller czechischen Landesabgeord= neten abhängig. Das Haus lehnt es ab, die erste dieser Zuschriften einem Ausschusse zu überweisen. Die Mandate der sämmtlichen Czechen werden wiederum einfach für erledigt erklärt werden.

25. Januar. (Oesterreich.) Herrenhaus: genehmigt den vom Minister Unger ausgearbeiteten Gesetzentwurf betr. Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofs. Derselbe hat einen bloß cassatorischen Cha=

rafter.

27. Januar. (Oesterreich-Ungarn.) Der Kaiser empfängt ́ den spanischen Gesandten und nimmt das Notificationsschreiben des neuen Königs Alfons von seiner Thronbesteigung entgegen.

27. Januar. (Oesterreich.) Abg.-Haus: erklärt sich für UnterHandlungen mit Italien wegen Ausbau der Tarvis-Ponteba-Bahn. Triest widerstrebt dem Plan, der Venedig günstig ist, mit Heftigkeit.

27. Januar. (Ungarn.) Unterhaus: Beginn der Budgetdebatte. Ghiczy entwickelt seinen Vorschlag, die Hälfte des Deficits (13 Millionen) durch neue Steuern zu decken, wodurch die Ausgaben bis 1877 gedeckt werden könnten, und legt zu diesem Ende hin einen Gefehesentwurf betr. eine allgemeine Einkommensteuer vor.

29. Januar. (Ungarn.) Unterhaus: Fortsehung der Budgetdebatte: Sennheh (conservativ) entwickelt ein vollständiges Programm durchgreifender Reformen im Innern, wobei er betont, daß an dem Ausgleich mit Oesterreich von 1867 sowie an dem Parlamentarismus festgehalten und die möglichste Befriedigung der Nationalitäten an= gestrebt werden müsse. Die Steuererhöhung verwirft er, meint viel= mehr, sich mit den Anlehensresten und neuen Anlehen so lange be= helfen zu können, bis die von ihm vorgeschlagenen Reformen die verheißenen Früchte getragen haben würden.

30. Januar. (Oesterreich.) Der Finanzminister contrahirt auf Grund des Gesetzes vom 13. Dezember 1873 zum Zwecke der Förderung des Eisenbahnbaues eine schwebende Schuld im Wege der Emission von Schatzscheinen im Gesammtbetrage von 25 Millionen Gulden Noten. Diese Schatscheine, welche auf den Inhaber lauten, sollen am 1. Mai 1878 im Nominalbetrage eingelöst und mit jähr= lich 5 Procent verzinst werden.

Januar. (Oesterreich.) Troß des wieder versammelten Reichsrathes und trok der Vorgänge in Ungarn, die einen totalen

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