Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

liefern; daß die Vertheidiger lieber, als sich zu ergeben, alles Mögliche wagten, die größte Noth und alle erdenk lichen Drangsalen ertrugen; daß ste, um Abschnitte hin=" ter den angegriffenen Seiten ihrer Festung zu bauen, ihre eigenen Häuser selbst niederrissen, und Weiber und Kinder dazu halfen. Der langwierige Fortgang der das maligen Angriffsarbeiten, und die eingeschränkte Wirkung der Wurfmaschinen gestatteten, den Bau folcher Abschnitte während der Belagerung mit Muße auszuführen.

Obgleich die Umstände jezt im Allgemeinen nicht mehr Diefelben sind, so sind doch noch die Belagerungskriege zwischen Türken und Christen besonders aus dem Grunde Bolkskriege, weil die Türken nach einem Religionsgebot nicht unter der Bothmäßigkeit der Christen leben sollen; daher fie bei dem Verluft einer Festung Haus und Hof ver. lassen, und dem Erooerer Preis geben müssen. Deßwes gen vertheidigten die Bosniaken 1788 und 1789 Dubika, ein elendes Schloß, dann Novi und Czettin, in türkisch Kroatien, die mehr Nester als Festungen sind, mit der größten Hartnäckigkeit. Bei Religionskriegen, wie unter andern jener in Frankreich gegen die Hugenoten war, treibt der Fanatismus die Menschen auch auf das Äußers fte; die Vertheidigung von la Rochelle 1627, welche zwölf Monate dauerte, liefert davon ein Beispiel. Empörungss kriege, wie z. B. jener der Niederländer gegen Spanien, haben auch die hartnäckigsten Bertheidigungen zur Folge; Antwerpen vertheidigte sich 1584 gegen die Spanier bet dreizehn Monate, und Ostende von 1601 an, drei Jahre und 75 Tage. Der Nationalhaß, wie der leßte Krieg in Spanien gegen die Franzosen es beweist, bringt auch die nämlichen Wirkungen hervor. Die Vertheidigung von Sa. ragossa, einer Stadt, die nicht einmal durchaus mit einer Mauer umgeben war, denn es waren hie und da Häuser dazwischen, und worin es fast an allem Nö thigen, besonders an Schießpulver mangelte, übertrifft alle Vertheidigungen der Alten. Was kann mehr als ein fo treffendes Beispiel beweisen, daß die Begeisterung eis nes Volkes und die gute Leitung desselben die Hauptelez mente einer Vertheidigung sind, und daß, wenn man die heutigen Festungen, die ungeachtet ihrer Mängel uns gleich fester als Saragossa sind, nicht lange, vertheidigt, der Hauptfehler nicht in den Festungswerken, sondern in der Leitung der Vertheidigung, also in der Unwissenheit der Kommandanten liege. Aber was thut man, um dies fen den nöthigen Leitfaden zu verfchaffen? Viel zu we nig; denn es mangelt bisher an hinlänglichen und motivies

[ocr errors]

[ocr errors]

ten Verhaltungen bei allen Perioden des Angriffs- und; vor demselben. Statt ein so nöthiges Werk zu verfassen, bestrebt man sich vorzüglich, neue Befestigungs - Urten auszufinden; ein gewiß verkehrtes Bestreben; denn Er- / steres ist weit dringender nöthig; indem der Fall sehrhäufig ist, die bestehenden Festungen vertheidigen zu müss fen, bingegen sehr selten neue zu bauen sind. Philippss burg 1676, Grave 1674, und Turin 1706, welche Festungen sich die erste 97 Tage, und bis nur ein Faß Schießpulver übrig war, die zweite 4 Monate lang, und die dritte 105 Tage nach der Trancheenöffnung vertheidigten,` und die lehte den Feind, die Vorbereitung zur Belage rung mitaerechnet. über vier Monate aufhielt, und das durch dem Prinz Eugen die Zeit verschaffte mit seiner Ars mee den Entsaß zu bewirken, alle diese Beispiele zeigen, daß die bisherige Befestigungs - Art, ungeachtet ihrer Mängel, einem Kommandanten die Möglichkeit verschaffen. kann, eine Armee 3 bis 4 Monate zu beschäftigen.

[ocr errors]

Gleich nach der Erfindung des jeßigen Geschüßes konnte man dasselbe bei den Belagerungen, nicht aber eben so bei der Vertheidigung anwenden, weil es dazu auf den Festungsmauern an Raum mangelte, auch die Brustwehren viel zu schwach waren, um der Kanone zu widerste= hen. Man behalf sich, wie die Vertheidigung von Mek 1552 gegen den Kaiser Karl V. es erweiset, durch Aufwerfen einiger Schanzen über dem Hauptgraben und stellte das Geschüß in dieselben. Dieses Mittel wurde hers nach bei mehreren Festungen, wie unter andern zu Douay, um die ganze Umfassungsmauer. als das geschwindeste und wohlfeilste angewendet, um jede Fronte mit Geschük vertheidigen zu können, auch um zugleich die Haupts Umfaffangsmauer gegen die feindlichen Batterien möglichst zu decken. Nicht allein Douay, sondern auch die Seite ron Straßburg gegen Saverne, sind noch heutigen Tages in diesem Zustande; jedoch sind diese Außenwerke nach der Hand meistens mit Mauer bekleidet worden.

Durch die Erfindung des Geschüßes erhielt der Angriff bedeutende Vortheile; nämlich a) man konnte die Festungsmauern, fo weit als sie vom Felde aus im wirksamen Bereich der Kanonen entdeckt wurden, niederschie. Ben; b) Es waren kein Wandelthurm und Stoßbock, kein Thurm oder Aufwurf nahe an dem Hauptgraben, und höher als die Festungsmauer, I also teine, dieser langwierigen Angriffsarbeiten, um Bresche in gedachte Mauer zu legen, mehr nöthig; dieses konnte fogar in einigen Tagen nach der Ankunft vor der Festung ge.

schehen; c) Endlich wurde der Belagerte des unermeßfte chen Vortheils beraubt, dem Feinde bei einem Ausfall den größten Schaden zuzufügen, indem er diese Angriffswerke in Brand steckte, wodurch vormals die Belagerun gen oft auf einige Monate zurückgefeßt wurden. Die Ans griffswerke der neueren Art bestanden in entfernten Bats terien und in Annäherungsgräben, und wenn es dem Bes lagerten auch glückte, lettere einzuwerfen, so konnten doch diese Gräben in einer Nacht um so leichter wieder hergestellt werden, da nur ein lockerer Grund auszuwerfen war. Sich bis zu den Batterien zu wagen, war schwer, und der Rückzug der Ausgefallenen gefährdet. Das Geschüß war nicht mehr, wie vorher, entzündbar, und der beim Ausfall daran zu verursachende Schaden konnte nicht bedeutend seyn. Demungeachtet blieben den Belagernden doch keine anderen Mittel zur Vertheidigung als, nebst einem heftigen Feuer, häufige Ausfälle, um die Fortschritte des Feindes möglichst zu hindern, und so viel Zeit zu gewinnen, um da, wo Bresche geschossen wurde, Abschnitte, einen hinter den andern in der Eile aufführen zu können.

Da nun die Erfindung der jeßigen Schußwaffen den Angriff ungemein erleichterte und beförderte, die Vertheis Digung hingegen so sehr schwächte, so mußte man dagegen eine Befestigungs- Art erfinden, welche dem Gebrauch der neuen Schußwaffen angemessen war, den möglichsten Schuß gegen die feindlichen Geschüze verschaffte, und dem Ungriff so viele Hindernisse in den Weg legte, um diesen wo möglich das Gleichgewicht zu halten. Daß die Auflöfung so vieler, meistens schwerer Aufgaben nicht gleich, fondern nur in Folge vielfältiger Erfahrungen in Belages rungskriegen zu finden war, beweisen die langsamen Fortfchritte der Befestigungskunst sattsam. Diese Fortschritte fingen ganz natürlich bei der Hauptum faffung an.

Der Hauptgrundsag, worauf die Befestigung seit ih rer Entstehung beruhet, ist: daß die Theile der Haupts umfassung sich und ihren Graben wechselseitig vertheidi gen, und wo dieß nicht möglich ist, andere Wehrmittel angewendet werden sollen. Dieß bewirkten die Alten mit tels der Thürme und der Zinnen. Nach der Einführung des Geschüßes konnte man aber die Zinnen nicht mehe anwenden, weil sie von weiten, also früher, als sie nüße ten, niedergeschossen werden konnten. Daher mußte man auf andere Mittel denken. Die Thürme waren zu engs räumig, um eine hinlängliche Anzahl von Geschüß, wie auch die zu dessen Deckung viel dicker als vorhin nöthigen

Brustwehren zu fassen; auch war an ihrem Vordertheile ein unbestrichener Raum. Daher mußte statt der Thürme ein vierieitiges, hinlänglich geräumiges Werk vor der Courtine hervorspringen, dessen vordere zwet Seiten in einer Spike dergestalt ausliefen, daß sie von den zu beiden Seiten liegenden gleichartigen Werken mit Musketen bestrichen werden konnten. Ein solches Werk wurde Bollwerk, auch Bastion, genannt. Diese Bastions durften also nur so weit von einander entfernt seyn, daß der Musketenschuß aus der Flanke des einen die Spiße des nächsten erreichen konnte. Auf diese Art mußte noth. wendiger Weise der bastionirte Umriß entstehen, der einzig mögliche, um aus dem Walle den Fuß aller Theile der Hauptumfassung bestreichen zu können, welches eben so erweislich ist, als daß der Zirkel der einzige vollständig runde Umriß ist. Daher wurde der bastionirte Umriß allgemein als der beste anerkannt. Nicht eben so einig aber war man über die Länge und Richtung_sowohl der Façen als der Flanken der Bastionen, worüber von Ingenieurs, noch mehr aber von Nicht- Ingenieurs, viel geschrieben und gestritten wurde, weil man diese Haupttheile einseitig, nämlich ohne gehörige Rücksicht auf die Außenwerke, auf die Anlage der Angriffswerke, und auf die beschränkte Richtung des Geschüßes in Schieß. fcharten, wie auch auf dessen noch beschränktere Senkung, betrachtete. Nun aber sind die Meinungen über die Länge und Richtung gedachter Linien, besonders seit der Vers vollkommnung des Angriffs durch Vauban, bei erfahrenen Ingenieurs nicht mehr unbestimmt.

Die Kommunikationen aus dem Innern der Festung mit dem Graben, die sogenannten Poternen, konnten nirgends besser angebracht werden, als in den Theilen der Umfassung, die vom Feinde am weitesten entfernt find: also in den Courtinen. Diese im Grunde einge senkten Poternen waren zwar dadurch der Einsicht vom Felde aus entzogen; sie durften aber auch von dem äußes ren Rande des Grabens aus nicht entdeckt werden, das mit, wenn der Feind mit seinen Angriffswerken bis an diesen Rand vorgerückt war, er die Poterne nicht beschie= Ben, und dadurch diese Kommunikation nicht hindern konn= te. Um dieses zu erzwecken, war es nothwendig, vor der Poterne ein kleines Werk im Graben anzulegen. - Ferner ist es noch bei der Vertheidigung Grundfah, dem Feinde so wenig Angriffspunkte als möglich zu belassen, damit man um so mehr Wehrkräfte und Mittel auf dies sen Punkten vereinigen könne. Dieses hat man mittels

Verlängerung gedachten Deckwerks der Poterne vor der Courtine und beiden Flanken dergestalt hervorgebracht, daß dieses Werk das Bestreichen des Gravens vor den Façen der Bastions aus deren Flanken nicht hemme, hinter sich einen hinlänglichen Sammelplaß für die Aus-fälle verschaffe, und auf beiden Enden zwischen diesen und den Flanken, eine zum Debouchiren hinlängliche Öffnung belaffe, endlich die Futtermauer der Courtine und der Flanken so decke, daß der Feind in diese keine hins längliche Besche schießen könne; daher seinen Angriff auf die Bastions beschränken müsse; wodurch dem Vertheidis ger die Gewißheit verschafft wird, Abschnitte in denselben im voraus mit Nußen anlegen zu können.

So viele Eigenschaften hat also dieses kleine Werk, Tenaille genannt, das noch nüßlicher wird, wenn man ihm die Gestalt einer bastionirten Fronte gibt, und in jeder seiner Flanken Kasematten auf drei Kanonen zur Bereichung des Grabens anbringt, wozu Raum genug gewonnen werden kann, wenn man die Flanken der Bas stionen, ohne Rücksicht auf die Vertheidigungs - Linten, so weit rückwärts verlängert, um einer so organisirten Tes naille Plaß zu machen.

Die Haupt- Kommunikationen der Festung mit dem Felde, nämlich die Haupt. Thöre, wie auch ihre Brücken, die einzigen, wodurch_bei Haupt - Ausfällen Kavallerie und Geschüß geführt werden können, müssen auch vom Felde aus möglichst gedeckt werden; daher einen Brückenkopf erhalten. Das einfachste Werk dazu ist ein Raves Tin vor dem Graben. Ein solches Werk ist um fo nüßlicher, als es zugleich der Brustwehre, der Courtine und den Flanken der Bastion eine ähnliche Deckung, auch ein Flankenfeuer auf die Kapitalen der Nebenbastions, verschafft, und diese ein Kreuzfeuer auf seine Kapitale mas chen können. Diese Thöre werden vorzüglich in den Fronten angebracht, die einem Angriff am wenigsten_ausgesezt sind, und diese mit einem Ravelin versehenen Frons ten gewinnen dadurch an Stärke. Da es aber Grundsak ist, jeder Fronte möglichst gleiche Stärke zu verschaffen; fo folgte um so mehr daraus, daß auch vor den andern Fronten ein Ravelin angelegt werden sollte, da man da. durch ein Kreußfener auch auf die Kapitalen der Bastions erhalten würde, und jeder Kriegserfahrene weiß, daß ein solches Feuer wirksamer als das Frontale ist.

[ocr errors]

Die Raveline erhielten, wie gehörig, einen Graben, und die vor den Thoren eine Brücke. Man mußte aber über diesem Graben einen gedeckten Sammelplaß für die Öst. milit. Zeitschrift. 1820. I.

[ocr errors]
« ZurückWeiter »