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gefühlt, und sie unter dem Namen des Turnen i Aufnahme zu bringen gesucht. Durch Übertreibung, und Beimischung von ganz Fremdartigem, ist dieser Name verrufen. Lassen wir den Namen weg, und behalten wir die Sache. Kann Mißbrauch ein Grund gegen etwas Gutes feyn? Womit hat man nicht Mißbrauch getrieben? —Mit Ausnahme des Ringens, wurde Alles, was auf den Turnpläßen gelehrt wird, unter der Leis tung des hochvertienten Feldzeugmeisters Graf Kinsky in der Neustädter Akademie geübt, und gewiß zum großen Vortheil der Zöglinge. Über so hohe Wände, über so breite Gräben sprangen wahrscheinlich die Tuxner nie, als die geübten Zöglinge. Bedeutende Unfälle erfolgten gar nicht. Wie viele Zöglinge wurden aber in ihrer militärischen Laufbahn durch die erlangte Gewandtheit und Biegsamkeit des Körpers vor Unfällen bewahrt? Erst wenn die Gymnastik, die Bildung und Kräftigung des Körpers, einen Zweig der öffent= lichen Erziehung machen wird, werden die Heere aus Männern bestehen, die den Leistungen und Beschwernissen des Soldatenstandes gewachsen sind. Die Spitäler werden nicht, wie jest, mehr Menschen als die Schlachtfelder dahin raffen. Tausende von Menschenleben werden erhalten, Millionen erspart werden. Der römische Soldat schritt unter einer Last von 60 Pfund tagelang fort. Er verschanzte sein Lager; er mahlte sein Mehl; er buk sein Brod. Nicht die syrische Hiße, nicht die Feuchte der germanischen Wälder zerstörte seinen festen Körper. Nie wurden ihre Heere durch Kranks heiten aufgerieben. Ein Marsch an einem heißen Tag macht in den neuern Heeren oft den vierten Theil der Mannschaft streitunfähig. Der Körper unserer Soldes

ten ist nicht von Jugend auf gebildet, und zur Ertedgung der Kriegsbeschwernisse gewöhnt.

Wir fangen die Bildung unserer Soldaten das mit an ihren schweren steifen, ungelenken Kör pern Haltung, Biegsamkeit und Gelenkigkeit zu ge= ben. Wer Rekruten abgerichtet hat, weiß, was das für ein schweres Stück Arbeit ist, und wie unvollkom men es bei aller Mühe gelingt. Der Ungar, von Natur leichter und besser gebaut, wird schneller gewandt und gelenk. Wie schwer ist es aber, den Wenden, Slaž ven und Deutschen begreiflich zu machen; daß Marschie ren nichts anders heißt, als nach dem Takt leicht und ungezwungen vorschreiten. Wer mit körperlicher Bildung in den Soldatenstand tritt, wird in dem vierten Theil der Zeit zum Soldaten gebildet. Das Gewehr und den Säbel lernt bald gebrauchen, wer Gewandts heit besit. Zum vollkommenen Schüßen gehört freis fich lange Übung; aber die Infanterie braucht nicht aus vollkommenen Schüßen zu bestehen, und die Jäz ger-Bataillone lassen sich großen Theils aus gelernten Jägern und den Gebirgsvölkern ergänzen, die von Jus gend auf mit dem Stußen das Ziel zu treffen lernen. Es würde nicht sehr schwer seyn, wenn man es woll te, die Übungen, die aus dem Tyroler einen trefflic chen Schüßen machen, als Belustigung und Vergnüs gen überall in Gang zu bringen. Wer laden und zielen kann, weiß das Hauptsächlichstes Die für Ehrenbezeigungen und sonst eingeführten Gewehrgriffe lassen sich, gehörig vereinfacht, in einem Lage lernen. Die Bewe= gungen und Stellungen, die Ab- und Aufmärsche von Truppenkörpern, die wirklich nothwendig sind, wird wer einmal marschiren kann, in sechs Wochen erler=

nen. Wiffen nur die eingetheilten Ober- und Unteroffis ziere, was sie zu thun haben, so wird es an den Sol= daten nicht fehlen, und es wird um so beffer gehen, je weniger dieser ängstlich, steif und gezwungen in den Reihen steht. Es braucht wahrlich keine lebenslängliche Dienstzeit, um abgerichtete Soldaten in einem Heere zu haben, wenn man den Soldaten nur in dem wirklich Anwendbaren und Nothwendigen abriätet. Je schneller aber die Abrichtung des Soldaten erfolgt, de sto leichter wird es seyn, den Abgang eines Heeres im Kriege durch Waffengeübte zu erfeßen. Wenn ein Res krut nicht längstens in einem Jahre zu einem vollkom men guten Infanteristen gebildet wird, so lernt man ihn Überflüssiges, oder man unterrichtet ihn schlecht. Bes fißt er Körpergewandtheit, so braucht er nicht die Hälfte dieser Zeit zu seiner Abrichtung.

Ehedem war nur ein alter Soldat ein abgerichtes ter Soldat. Beide Namen waren gleichbedeutend, und es konnte auch nicht anders seyn. Das Gewehr-Exerzitium an und für sich war so zusammengeseßt, daß nach jahrelanger Abrichtung kaum der dritte Theil eis ner Kompagnie alle die Griffe rein auszuführen vers mochte, die vorgeschrieben waren. Mit dem Ladstock, besonders als er noch gewendet wurde, müßte der Mann wahre Kunststücke machen, um fünfmal in einer Mis nute zu laden. Viele ergrauten unter den Waffen, ohne es je zu dieser Vollkommenheit zu bringen. Feuers arten gab es unendliche. Man feuerte im Vorrücken, ohne vorwärts, im Rückzug, ohne rückwärts zu koms men. Wenn so etwas einmal auf dem Ererzierplag vollkommen gelang, kein Zug früher, keiner später feuerte, was felten geschah, so war man von der Vore

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trefflichkeit der Truppe entzückt. — Mit dem Manövries ren war es nicht besser bestellt. Man mühte sich ab, um eine Linie von 10 Bataillons, gleich einem, schnur. gerad vorwärts zu bewegen. Der Soldat sollte wo ans ders hinsehen, und wo anders hingehen. Er wurde mit einem schrägen Schritt geplagt, bei dem er nicht vorwärts Eam. Wenn nach einem Jahrhundert man das frühere preußische oder östreichische Reglement les fen wird; so wird man nicht begreifen, wie Vernünftige, und zum Theil Männer von Talent und Genie, sich mit Armseligkeiten befaffen konnten, die vor dem Feind gar nicht anzuwenden sind. Die bessern Köpfe fühlten zwar schon damals die Unanwendbarkeit der mühsamen Kunststücke, mit deren Erlernung sie die Lez benskraft von Hunderttausenden vergeudeten, und ihs nen ihr Daseyn verbitterten. Sie glaubten indeß, den Soldaten beschäftigen zu müssen, und wußten für ihn keine bessere als eine zeitverderbende Beschäftigung. Die Römer wußten ihre Legionen nüßlicher zu verwenden. · Wie viele noch blühende Städte erwuchsen aus ihren Standlagern? Noch fährt man auf den Wegen, deren unzerstörbaren Grund die Besieger der Welt gelegt. Noch gräbt man aus den Gebäuden, deren Reste unsre Bewunderung erregen, Ziegel, in denen die zehnte Legion, die Tapferste im Römerheere, ihr Zeichen eindrückte. Haben wir nicht Festungen und Straßen zu bauen, Kanäle zu graben, Gebäude aufzüführen ? Soll der europäische Soldat auf oft unnöthigen Wachen, im verderblichen Müßiggang der Wachstuben, oder mit Erlernung von Unnöthigem, einen großen Theil seiner Zeit, nußlos für das gemeine Beste, verlieren? - Arbeit härtet ab, und Ubhärtung bei militärischer Zucht

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macht kriegerisch. Zwar ist bei uns sehr Vieles zur Vers vollkommnung mit bestem Erfolg geschehen. Wir haben in Vereinfachung der Waffenübungen und Beweguns gen in neuerer Zeit Riesenschritte gemacht, und doch bleibt noch einer Seits viel zu vereinfachen und zu vers vollkommnen, anderer Seits Manches, was selten oder nie geübt wird, zu üben. Der Soldat sollte öfters größere Märsche zurücklegen, bei Tag und Nacht, bei Hige und Kälte. Er sollte in Freilagern (Bivouacs) dem Ungemach der Witterung trogen lernen. Er sollte in Gebirg und Wäldern im Vorpostendienst, im Patrulliren geübt, kurz: mehr praktisch zu dem verhalten were den, was im Kriege vorkömmt.Į

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Der Soldat dient bei uns nicht mehr auf Lebenszeit. Die vielfach angefochtene neuere Einrichtung des Kapitulations Systems ist nicht nur ein Akt der Ger rechtigkeit gegen den Einzelnen, sondern auch der größte Vortheil für das Ganze. Die Scheu vor dem Soldatens stande ist vermindert; der Staat erhält in den Ausges dienten, die in die Landwehr treten, einen waffenges übten Rückhalt; er wird nicht mehr ein zweites Heer in den Invalidenhäusern zu ernähren haben; er wird bei eis nem ausbrechenden Kriege nicht Leute ins Feld schicken, die, aus Alter und Gebrechen zum Felddienst untauglich, die Reihen verlassen, um ganz ungebildeten Neulingen Plag zu machen. Die Vortheile werden um so größer feyn, je kürzer die Kapitulationszeit ist. Ist die Kapitu= lationszeit bei dem Fußvolk sechs Jahre, so wird doch immererst nur der sechste Theil der Mannschaft aus Un abgerichteten bestehen. Die längere Dienstzeit bei der Kavallerie und Artillerie ließe sich durch andere Vortheile, welche man den zu diesen Waffen Gestellten bewilliger

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