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die erforderliche Zahl Soldaten aufzubringen vermochte und man durch alle Kunstgriffe aus allen Lantern Leute unter die Waffen brachte, auf die weder Vaters landsliebe noch Nationalehre zu wirken vermochte, und die, heute im blauen, morgen im weißen Rock, für jede Sache mit derselben Gleichgültigkeit fochten, und den, den das Glück verließ, zu Tausenden verließen. Wäre das Offizierkorps noch in dem früheren hohen. Grade technischer Ausbildung geblieben, so würde das Übel viel geringer gewesen seyn; aber auch hier hatten unerfahrene, zum Theil kaum dem Knabenalter ents wachsene Jünglinge die Männer von Mollwig und Sohr großen Theils ersetzt. Man kann leicht ermessen, wie schwer es für Friedrich, der in dem Kern seines Heeres als Offiziere nur Adelige wollte, seyn mußte, den großen Abgang zu ersehen, da wir aus Erfahrung wissen, wie schwer es ist, einen großen Abgang an Offizieren gehörig zu ersetzen, obschon in Ostreich, selbst zu den frühesten Zeiten, selbst in den Zeiten der Religionskriege, dem Verdienste jedes Standes und Glaus bens der Weg zu den höchsten Stellen geöffnet war. Was in Friedrichs Heere im siebenjährigen Kriege nichts verlor, sondern vielmehr gewann, und in jedem Heere gewinnen wird, wo nicht eingewurzelte Vorurtheile der bessern überzeugung den Eingang, der Ere fahrung ihre heilbringende Wirkung verschließen, und fehlerhafte Einrichtungen dem Emporkommen des Lalents im Wege stehen, das waren die Führer. Friedrich ging aus dem siebenjährigen Kriege wenigstens mit eben so guten Generalen, als er in selben gegangen. Sein Bruder Heinrich, Ferdinand von Braunschweig hatten ihr hohes Feldherrntalent entwickelt; Bieten und Seids

lit sich als großer Feldherrn würdige Gehilfen bewährt. Indessen hätte, bei dem so sehr herabgekommenen Zu stand des preußischen Heeres, bei der fast ganz verlores nen früheren Überlegenheit in Ordnung und Übung, weder Zieten, Seidlik und Heinrich, selbst nicht der geniale königliche Feldherr den Staat zu retten, sons dern nur, daß er rühmlich falle, zu bewirken vermocht.

Friedrich ward nur durch die diplomatischen und militärischen Fehler seiner Feinde, durch ihre geringe Eis nigkeit und Zusammenwirkung gerettet. Nichts zwang Soubise, bei Roßbach zu schlagen. Leicht war es, der Schlacht von Leuthen auszuweichen. Daun allein bes folgte im Allgemeinen gegen Friedrich das wahre System; als aber nach der Schlacht von Hochkirch der Aus genblick gekommen war, wo der Schild des Fabius mit dem Schwerte des Marcellus vertauscht werden. sollte, bewährte sichs, daß der östreichische Feldherr mehr aus Naturell und Angewohnheit, als mit weisem Vorbedacht zögere. Dem brittischen Heerführer war es vorbehalten, in der Halbinsel zu rechter Zeit Fabius und Marcellus zu seyn, und in sich vereint zu zeigen, was die Natur nur selten vereint, und den großen Feldherrn bildet.

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Wir wollen nun an der Hand der Erfahrung bes trachten, welche Eigenschaften eines Heeres sich durch den Krieg vervollkommnen, welche sich nothwendig oder gewöhnlich verringern, und aus welchen Gründen ein oder das andere erfolgt.

Die erste und wesentlichste Eigenschaft jedes Sol. daten ist Muth. Mit einem Heer von Feigen würde selbst ein Julius Cäsar nicht über einen schlechten Feldherrn, der Tapfere befehligt, zu siegen vermögen. Es

gibt einen animalischen, und einen moralischen Muth. Der erste kennt in dem Zustand der Aufregung und Leidenschaftlichkeit keine Gefahr; der zweite erhebt sich durch die Kraft innerer Triebe über sie. Der animalische Muth äußert sich am häufigsten in lebhaften Temperamenten, bei leicht entzündbarem, schnell kreisenden Blute; er wirkt am stärksten und anhaltendsten in den schwer aufs zuregenden kälteren Naturen. Die Natur hat keinem Menschen, keinem Volk animalischen Muth versagt; durch Geschlecht, Alter, Körperkraft, Gesundheit Nahrung, Gemüthsstimmung erscheint er jedoch in unendlichen Abstufungen und Arten. Der von den Früch ten der Erde sich nährende Hindus hat davon weit we niger, als der mit ihm unter gleichem Himmel woh. nende, von thierischer Speise sich nährende Muhamedaner; der in der Nähe des Nordpols starrende Samojede weniger, als der über seine brennende Erde frei herumschweifende Araber. Wo immer das menschliche Geschlecht nicht in voller Entwicklung blüht und gedeiht, sondern sich nur nothdürftig und mühsam erhält, ist auch der animalische Muth gering. Dos menschliche Ges fchlecht gedeiht aber nicht bloß nach Breitengraden, nach besserem oder schlechterem Boden mehr oder minder. Seele und Körper stehen in der innigsten Verbindung und Wechselwirkung. Durch moralischen Druck erschlafft der Körper, wie die Spannkraft der Seele erschlafft, wenn der Körper durch Luft und Nahrung, durch Alter und Krankheit in Siechthum verfällt.

Der animalische Muth bedarf, um sich zu zeigen, Reißmittel. Das Gemüth muß entweder durch Zorn oder Haß in Leidenschaft entbrennen, oder Blut und Lebensgeister müssen in erhöhte Thätigkeit gefeßt wer

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ben. Nationalhaß, wenn er wirklich vorhanden, wacht jeden Einzelnen in zwei feindlichen Heeren tapferer. Durch Rachegefühl wird jedes Schwert geschärft. Zwar sucht man den Soldaten gegen den Feind, den er be: kämpfen soll, zu erbittern, seine Persönlichkeit aufzu regen; aber oft geschieht dieses mit sehr geringem oder gar keinem Erfolg. Als die Russen im Jahre 180g die Östreicher, diese im Jahre 1812 die Russen bekämpften, war zwischen den sich Bekämpfenden eigentlich gar keine feindliche Stimmung. Die physischen Mittel® zur Erregung des animalischen Muthes, wie Wein, Branntwein, Opium, stehen nicht immer zu Gebot, werden durch das leicht eintretende Übermaß gefährlich, und haben am Ende eine größere Erschlaffung zur Folge. Als religiöser Fanatismus die Osmanen begeisterte, war der Sieg an ihre Fahnen gefesselt; die durch Opium begeisterten Delis vermögen nicht, ihn bei selben zu erhalten. Man sieht aus allem diesen, daß die Tapfer= keit eines Heeres nicht auf Erregung des animalischen Muthes gegründet werden könne, sondern eines fe= stern und sicherern Grundes bedürfe, den sie in dem moralischen Muthe findet.

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Wir haben gesagt, daß der moralische Muth in der Kraft bestehe, eine erkannte Gefahr nicht zu ach ten, sich über sie zu erheben. Es gibt gar vielerlei, und gar ungleiche Mittel, welche den moralischen Muth wecken, und beleben, als: Religiosität, Pflichtgefühl, Vaterlandsliebe, Nationalehre, Soldatenebre, Ruhm begierde, Ehrgeiß, Habsucht, Furcht vor Schande vt. Je edlere Triebfedern wirken, je stärker sie wirken, desto größer, desto ausdaurender wird auch die Tapferkeit eines Heeres feyn. Die kleine Zahl schlechtbewaff

neter, ungeregelter Schweizer siegte bei Morgarten, Näffels, Sempach und Murten über den Kern der Ritterschaft durch die hohe Kraft begeisternder Vaters Landsliebe. Bei Marignan, als die Schweizer ein ihnen fremdes Interesse verfochten, wurden sie von Franz dem Ersten besiegt. Vaterlandsliebe ist eine weit mächtigere Triebkraft als Nationalehre und Kriegsruhm; aber sie wirkt nur mit voller Kraft, wenn das Vaterland wirklich bedroht, seine Selbstständigkeit, die Freiheit jedes Einzelnen, gefährdet wird. Bei den Urabern unter Muhamed und den ersten Kalifen wirkte die gewaltigste der Triebfedern religiöse Begeisterung. Vor ihren ungeregelten Schaaren zerstoben die kunstgeübten Legionen der griechischen Kaiser. Der Thron der Sassaniden, kaum noch so glänzend, brach, und es erhob sich durch Asien und Afrika auf den Trümmern der Feuertempel und Kirchen, der siegende Halbmond.

Ohne allen moralischen Muth ist kaum ein Heer denkbar. Disziplin, Zwang und Furcht vor Strafe würde nie ein Heer, das ganz oder in überwiegender Mehrzahl aus Feigen bestände, an den Feind zu bringen, im Gefecht zu halten vermögen. Es ist schon sehr übel um ein Heer bestellt, wenn die moralischen Triebfedern so schwach wirken, daß Disziplin, Zwang und Furcht vor Strafe als wesentliche Ergänzungsmittel nothwendig sind, um die natürliche Furcht vor Tod und Verwundung überwinden zu machen. Es ist um ein Heer geschehen, in dem Jeder, der es ungestraft thun kann, sich dem Gefecht entzieht, sobald es nicht. mit einem gleich schlechten zu thun hat.

Wenn die Tapferkeit eines Heeres auf moralischen Muth sich gründet, wenn dieser von den edleren Triebe

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