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1.

Werden Heere durch den Krieg besser oder schlechter, und wann erfolgt das Eine oder das Andere?

Die Frage, mit deren Lösung wir uns beschäftigen wollen, gehört zu den wichtigsten und bedeutendsten, indem aus ihrer Beantwortung das Wesen einer guten Heeresverfassung hervorgeht.

Es scheint auf den ersten Anblick, daß jedes Heer durch den Krieg, durch die Übung seiner Bestimmung, besser werden sollte; aber dem widerspricht, die Erfah rung. Friederich II. gesteht in feinen Werken, daß seine Heere durch den Krieg schlechter wurden. Dage= gen fahen wir in den Feldzügen des Revolutionskrieges, die französischen Heere sich stets mehr vervollkommnen. Die römischen Heere standen sehr oft den Feinden, mit denen sie kriegten, Anfangs an Güte nach, wurden aber immer gar bald diesen überlegen; wie in den Kriegen mit Pyrhus, Perseus, Hannibal. — Wir wollen nun betrachten, unter welchen Umständen und Lagen sich Heere durch den Krieg verbessern, und wann sie von einem anfänglich vollkommenern Zustand herabsinken.

Die Griechen, und, bis in die späteren Zeiten, die Römer hatten keine stehenden Heere. Beide Völker waren jedoch kriegerisch. Ihre Jugend wurde vom Knabenalter an in den Waffen und in allen den Leibesübungen unterrichtet, welche dem Körper zur Ertra= gung der Kriegsbeschwernisse Kraft und Dauer verlei

hen. Gymnastik, Waffenübung gehörte zur öffentli chen allgemeinen Erziehung. Für die Bildung des Körs pers wurde bei den Griechen nicht minder wie fur die des Geistes gesorgt, und bei den Römern war die förs perliche Bildung sogar vorwiegend. Die Geschichte lehrt, wie sehr die eigentlichen Perser vor und zu den Zei ten des Cyrus auf Köperbildung und Abhärtung ihrer Jugend bedacht waren. Baarhaupt mußte sie jeder Witterung trohen; Hunger und Durst mußte sie ers tragen lernen. Nach Jahren konnte man auf einem Schlachtfelde durch den weichen Schädel und die harte Hirnschale den Ägypter von dem Perser unterscheiden. Die weichlichen Meder, die reichen Lydier wurden auch bald diesem abgehärteten Volke unterthan. Es eroberte das üppige Babylon, und verbreitete feine Herrschaft von dem Hellespont bis an die Gränzen der Indier, bis an die Gebiete, in denen der unftäte Nomade sich dem Drucke jeder Herrschaft entzieht. Als Xerres im Drange nach Eroberung gegen die europäischen Griechen auszog, waren die eigentlichen Perser durch den Reichthum, Folge ihrer Siege, verweichlicht, die ihnen unterworfenen Völker durch Knechtschaft entwürdigt. Die Einen wollten das Erworbene genießen; den Ans dern war es sehr gleichgültig, ob der fremde unbekannte Herrscher zu Persepolis neue Reiche erwarb. Das unzählbare Heer zählte wenige Krieger, Wenige, die, in den Waffen vollkommen geübt, zur Ertragung aller Beschwerden geschickt, den Kampf begehrten. Der kleine Haufe, der den Perser Heeren bei Marathon und Platäa entgegen trat, war der Waffen Meister, des Krieges vollkommen kundig. Von Vaterlandsliebe bez feelt, war jeder Streitbare auch ein Kampfbegieriger

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tapferer Mann. Ir Allem, worauf es im Kriege wes sentlich ankommt, waren die Griechen den Persern überlegen, und so diente die Zahl der Lehteren nur ihre Niederlagen größer, die Siege der Ersteren herrlicher zu machen. Als Pyrhus die Römer bekriegte, was ren diese wohl einzeln in Waffen vollkommen geübt, zur Ertragung aller Kriegsbeschwernisse geschickt, und von hoher Vaterlandsliebe beseelt; aber in der Trup. penzusammenstellung und Ordnung in allen Theilen der Kriegskunst standen sie weit dem Heere nach, das der König von Epirus befehligte, in dem die griechische Kriegskunst in vollster Reife sich fand, und Soldatenehre zum Theil die Vaterlandsliebe, die Antheillosigkeit an dem fremden fernen Kriege, aufwog. Die Römer, einzeln an Waffengewandtheit und Körperkraft. wenigstens den Epiroten gleich, durch höhere moralische Antriebe aber ihnen überlegen, fühlten bald, wors an es ihnen gebrach. Sie lernten besiegt, ihre Feinde besiegen, und der epirotische König, der schon nach einer gewonnenen Schlacht den ihm Glückwünschenden versicherte, daß ein zweiter ähnlicher Glücksfall ihn verderben würde, mußte bei dem ersten Unfalle, der ihn betraf, sein kühnes Vorhaben aufgeben.

Das Heer, womit Karl XII. Dänemark zu einem demüthigenden Frieden zwang, den König August entthronte, und die oft zehnmal stärkern Russen schlug, war kriegsgeübt und kriegsgevohnt, und von Soldatenebre mehr als jedes andere beseelt. Bei den Ruffen wirkten damals die moralischen Triebfedern sehr schwach. Durch Zwang und Gewalt mußte die Masse aufgebracht und zusammengehalten werden; aber sie erneuerte sich wie das Haupt der Hydra. Sie wurde kriegsgeübter,

kriegserfahrener, indeß das schwedische Heer durch unte zuerseßende Verluste herabsank, und so mußte, einem ausdauernden Peter gegenüber, irgendwo das verhängnisvolle Pultawa sich finden, von dem Rußlands Macht sich hob, und Schwedens fank. Peters mäch tigste Bundesgenossen in dem Kriege gegen Karl waren Raum und Zeit. Hätte der schwedische König nach dem Siege von Narva seine Vortheile verfolgt, hätte Peter nach der Niederlage bei Holowezin nicht noch unermeßliche Strecken hinter sich gehabt, so stände Rußland nicht auf seiner dermaligen Höhe. Wie groß der kriegerische Geist des schwedischen Volkes damals war, bewährte sich noch später, als unter Stenbok in der Schlacht bei Helsingborg die schwedischen Bouern des Königs von Dännemark Garderegiment nieder-. hieben.

Das Heer, womit Friederich II. Preußens dere malige Größe gründete, war von seinem Vater in Zucht und Übung so weit gebracht worden, daß kein anderes Heer sich mit ihm vergleichen konnte. Es war aus einem Bolke genommen, das kräftig, seinem Regentenstamme ergeben, und seine Befehle unbedingt zu vollziehen bereit war. Die moralischen' Triebfedern, die auf selbes wirkten, waren eben nicht höherer Art, noch bedeutend stärker, als im öftreichischen Heere; aber der preußische Soldat war nicht nur in Waffen beffer geübt, sondern auch mit besseren Waffen versehen; das Heer war in allen Theilen beffer geordnet, und an strengere Zucht gewöhnt. Es hat vielleicht nie ein Heer solche Beweise von Ordnung und Haltung gege ben, wie das preußische in der Schlacht bei Mollwig. Kommandofeuer einem wirksam feuernden Feind ger

genüber sind wohl das Höchste, was Infanterie zu leisten vermag, und wohl auch nur unter ganz beson: dern Umständen leisten wird. Die besondern Umstände waren damals: die durch jahrelange Übung erworbene maschinenmäßige Angewohnheit des preußischen Soldaren, auf die Stimme seiner Vorgeseßten, und auf sonst nichts, zu achten; dann die verhältnißmäßig geringe Wirkung des östreichischen Feuers. Auch das preußische Heer von Mollwit würde unter dem jeßigen Geschüß- und Gewehrfeuer nicht zwei Lagen (Dechargen) mit Peloton nach Kommandowörtern zu geben vermögen; auch hat das Kunststück, solche Kommandofeuer in einer Schlacht auszuführen, an und für sich geringen Werth, und soll hier nur als ein Beweis der hohen Disziplin des preußischen Heeres dienen. Die Übung und Ordnung, durch die das preußische Heer beim Beginne des Erbfolgekrieges das östreichische so weit überwog, mußte im Verlauf des Krieges nothwendig sich mindern. Im Erbfolgekriege, wo die Ver luste nicht so groß waren, und Friedrich von 1742 bis 1744 Beit hatte, die Lücken zu ergänzen, war diese Minderung noch nicht sehr merklich; auch gesteht der König mit der wahrhaft großen Männern eigenen Offenheit, daß bei Sohr, Troß der von ihm gemach. ten Fehler, sein Heer durch Muth und Disziplin den Sieg errungen habe. Anders war es, als im fiebenjährigen Kriege die Schlachten von Lowosis, Prag, Kollin den Stamm der alten Soldaten beinahe aufge rieben hatten; als die Lücken in Schaaren durch Neue finge erseßt werden mußten, die oft keine, oft eine sehr unvollständige Waffenübung mitbrachten; als das eigene Land nach der damaligen Verfahrungsweise nicht mehr

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