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Ein Blick auf die Karte zeigt, dass ein offensiv befestigtes Brugg jenen Vertheidigern der Aar, welchen der Rückzug hinter die zweite Vertheidigungs-Linie der Limmat - Aar vorgezeichnet ist, einen solchen ebenso sehr erleichtert, als es anderseits die offensive Vertheidigung der Limmat-Aar begünstigt.

Hiezu aber genügt nicht die Befestigung Brugg's auf beiden Ufern der Aar, sondern es muss hier ein verschanzter Raum geschaffen werden, welcher durch vollständigste Beherrschung der untersten Wasserläufe der Aar, der Limmat und der Reuss alle von der militärischen Wichtigkeit dieses Raumes geforderten und durch dessen strategisch günstige Situation erniöglichten Offensiv-Manöver in eminenter Weise begünstigt.

Aber nicht nur im Kriege gegen Frankreich, sondern auch gegen Deutschland wird ein in vorgedachter Weise befestigtes Brugg von hervorragender Wichtigkeit sein. Ohne den Erörterungen über die nördliche strategische Front vorzugreifen, soll nur auf die Scheitellage Brugg's an dem gegen Norden ausspringenden Winkel der hinter dem Rhein einzunehmenden zweiten Vertheidigungs-Linie Aar-Limmat-Zürcher See hingewiesen werden. Es wird hieraus aber auch klar werden, dass der Punkt Aarburg-Olten, dessen Wichtigkeit bezüglich eines französischen Angriffes früher schon eingehend besprochen wurde, bei einer Vertheidigung der Limmat-Aar-Linie gegen Deutschland den Pivotpunkt des linken Flügels vorzustellen berufen ist.

Die Vertheidigungs-Linie der Limmat-Aar.

Ist die Schweizer Armee genöthigt, die Linie der Aar zu verlassen, so ist damit wohl ein grosser Theil der Schweizer Hochebene preisgegeben, keineswegs aber die Vertheidigungskraft des Landes erschöpft, da noch das ganze Hochgebirge und der nordöstliche Theil der Hochebenen dem Vertheidiger zur Entfaltung und Nährung kräftigen Widerstandes zu Gebote steht.

Solchen zu ermöglichen, dient die Vertheidigungs-Linie Linth-CanalZürcher See-Limmat-Aar. Da über den Werth des Zürcher See's als Barrière im strengsten Sinne des Wortes (die Zerstörung der Brücke bei Rappeswyl vorausgesetzt) kein Zweifel sein, und es sich beim Angriffe des sehr stark versagten linken Flügels der Vertheidigungs-Linie nur um die Forcirung des Linth-Canales handeln kann, die Erörterung über die dortseitige Vertheidigung jedoch einer speciellen Besprechung des Gebirgkrieges in der Schweiz angehört, so genügt es hier, die Verhältnisse ausschliesslich der Limmat-Aar als Defensions-Linie zu betrachten.

Die Limmat, von ihrem Ausflusse aus dem Zürcher See bis zur Mündung in die Aar hat eine Länge von etwa 4 Meilen, die Aar von Turgi bis zum Rheine etwa 2 Meilen, so dass die Länge der ganzen, bei den Operationen der Hauptarmee in Betracht kommenden Vertheidigungs-Linie bet

6 Meilen beträgt, ein gewiss höchst günstiges Verhältniss, welches umsomehr in's Gewicht fällt, als damit die weniger bedeutende Stärke der Wasserlinie der Limmat ausgeglichen wird. Die Limmat ist bekanntlich nur 60-100 Schritte breit, bei mittlerem Wasserstande 5-8 Fuss, bei niedrigem stellenweise auch nur 3 Fuss tief; die Aar dagegen in ihrem untersten (hier in Betracht kommenden) Laufe 200 Schritte breit und 10-12 Fuss tief.

Neben der Kürze der Linie ist als Vortheil noch zu bemerken, dass sie am linken Flügel wegen der gegen Südosten versagten Strecke des Zürcher See's und wegen des dem Linth-Canale vorliegenden Hochgebirges, welches Operationen mit grösseren Heereskörpern nicht gestattet, sehr zuverlässig gestützt und mit verhältnissmässig wenigen Kräften zu halten ist; ferner, dass sie am rechten Flügel durch den Rhein und die geringe Wegsamkeit der meist mittelbar an diesem Flusse endenden Schwarzwaldfüsse (ganz abgesehen von dem Neutralitäts- oder Allianz-Verhältnisse zu Deutschland) in noch verlässlicherer Weise gegen Umgehung gesichert ist.

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass der westliche Angriff, wie immer er sich nach Forcirung der Aar gestalten mag, auf das durch die Flügelstützen der Limmat-Aar-Linie gebildete strategische Defilé stossen muss, und dass sich hier die Geschicke der Schweiz endgiltig entscheiden werden.

Bezüglich Beschaffenheit der Ufergegend und der taktisch günstigen Übergangspunkte auf die topographische Beschreibung verweisend, soll hier nur hervorgehoben werden, dass die Vertheidigung dieser Linie eine absolute sein, aber potenzirt werden kann und muss durch die Wirkung der im offensiven Sinne zu befestigenden Punkte Brugg und Zürch.

Die Wichtigkeit des ersteren Punktes, resp. des demselben zugehörenden taktischen Raumes wurde schon gelegentlich unserer Würdigung der Aar-Linie erörtert, und es erübrigt daher nur noch, die strategische Bedeutung Zürch's zu besprechen.

Strategische Bedeutung Zürch's.

Zürch ist ein Communications-Knotenpunkt ersten Ranges, indem hier aus allen Gegenden des Landes und der Nachbarstaaten Strassen und Eisenbahnen zusammenlaufen. Wie Genf, Basel und Bern, eine der volkreichsten, wohlhabendsten Städte der Schweiz, Ressourcen jeglicher Art bietend, am sudwestlichen Flügel der Limmat-Aar-Vertheidigungs-Linie und annähernd im Centrum der Schweizer Hochebene gelegen, vermittelt es die Verbindung zwischen dem nordöstlichen und dem südwestlichen Theile derselben und muss daher, der Krieg möge mit welchem immer der Nachbarstaaten geführt werden, eine besondere Attractionskraft auf den Angreifer ausüben, wie aus den späteren ergänzenden Erörterungen über die anderen strategischen Fronten hervorgehen wird.

Mit der Wegnahme Zürch's hört jede weitere Vertheidigung der Österr. militär. Zeitschrift. 1871. (S. Bd.)

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Limmat-Aar auf: es kann daher kein Zweifel darüber erhoben werden, ob Zürch zu befestigen sei oder nicht. Ist dann aber nebst Brugg auch Zürch, und zwar in offensiver Weise, befestigt, und sind längs der Vertheidigungs-Linie die entsprechenden Massregeln getroffen, um den Übergang direct zu verwehren, was bei der Kürze der Linie ein Leichtes ist, so ist kaum abzusehen. wie der Angreifer diese Linie angesichts der dahinter versammelten, durch Ausbruchsthore zur wirksamsten Offensive befähigten schweizerischen Armee sollte forciren können.

Die Terrain-Beschaffenheit um Zürch erfordert keine übermässige Ausdehnung. Am rechten Ufer müssten die Höhen zwischen Höngg und Wipkingen einerseits, der Zürich-Berg und der Adlis-Berg anderseits in die Befestigung einbezogen werden. Am linken Uter müsste die Befestigung weiter hinausgehen und den Ütliberg, resp. dessen Abfälle, und namentlich die Strassen-Übersetzung Zürch-Birmanstorf sichern.

Die strategische Bedeutung Genf's.

Es wurde bereits bei der Erörterung über das Neutralitäts-Verhältniss Nord-Savoyen's hervorgehoben, dass eine wirksame Vertheidigung der Schweiz gegen einen südwestlichen französischen Angriff (sowohl in Bezug auf die ungehinderte Vorrückung gegen den linken Flügel der Aar-Linie, als auch in Bezug auf die Behauptung des Wallis) nur durch Festhaltung der Aar-Linie schweizerischerseits stattfinden könne. Bezieht man diese Annahme auf die Westfront der Schweiz, so sieht man, dass Genf das Verbindungsglied zwischen den beiden Vertheidigungs-Fronten, weil am Scheitelpunkt der correspondirenden Linien liegend, bildet.

In Bezug auf die Arve-Linie dem am Mont Salève und Mont Vuache vorgeschobenen rechten Flügel als Repli dienend und hiedurch mittelbar gedeckt, ist Genf bezüglich der westlichen strategischen Front der in äusserst ungünstiger Weise vorgeschobene linke Flügelpunkt, gegen welchen, von den unmittelbar an den schweizerisch-französischen Grenzen gelegenen Befestigungen Fort l'Ecluse und Fort les Rousses ausgehend, am rechten Rhône-Ufer zwei vortreffliche Strassen (die südliche durch eine Eisenbahn begleitet) führen. Fiele nun dieser Punkt in die Hände des Feindes, so wäre nicht nur die auf les Rousses und Pontarlier basirte, gegen den linken Flügel der AarLinie gerichtete Angriffs-Operation im Rücken vollkommen sichergestellt, sondern es würde auch der Genfer See der feindlichen Operationsbasis einverleibt, und somit nicht nur das wichtige Bindeglied im combinirten Vertheidigungs-Systeme der Westfront und der Arve-Linie dem Feinde überantwortet, sondern auch die Arve-Linie am rechten Flügel umgangen und im Rücken bedroht.

Genf ist zudem eine der reichsten und grössten Städte der Schweiz. sowohl mit dem Innern des Landes als mit Italien und Frankreich durch zahlreiche vortreffliche Strassen, durch Eisenbahnen und Dampfschiffahrt in

directer und bester Verbindung, an politischer Bedeutung kaum hinter einer der andern grossen Städte zurückstehend. Diese hohe politische und miliLärische Bedeutung Gent's hängt ganz besonders mit seiner geographischen Lage zusammen. Bei einer Cooperation Italiens mit der Schweiz, beispielsweise, ist Genf der Punkt, an dessen Besitz weitere Fortschritte gegen die Rhône-Saone Linie geknüpft sind; entstünde eine grosse Conflagration im Centrum und Westen Europas, wo grosse Heeresmassen in Süddeutschland und in Italien aufträten, so wird Genf vermöge seiner centralen Lage eine hervorragende militärische Bedeutung haben u. s. w.

Die Schweiz, wie schon wiederholt betont wurde, wird in keinem Conflicte mit irgend welchem der Nachbarstaaten ohne Bundesgenossen bleiben, und diese könnten nie zugeben, dass ein nicht nur strategisch so werthvolles, sondern auch politisch so bedeutendes, daher bei eventuellem Friedensschlusse schwer in die Wagschale des Besitzenden fallendes Object, a priori und ohne irgend welchen Kampf in des Gegners Hände geriethe.

So lief eingreifende Interessen verlangen ausreichenden Schütz, welcher in sicherer Weise nur durch eine zweckmässig angelegte, der Defensive und Offensive dienliche Befestigung zu erreichen ist. Die Schwierigkeiten, welche das Terrain der Fortification entgegenstellt, sind keineswegs so bedeutend, als von mancher Seite behauptet wird, wenngleich die Ausdehnung der zu verschanzenden Linie ansehnliche Streitkräfte erfordert.

Die Befestigung Gent's erfordert am rechten Ufer des Rhône die Einbeziehung der Höhen von Pregny, Sacconex und Aire; am linken RhoneUfer, und zwar am linken Ufer der Arve, die Krönung der unmittelbar am Mündungspunkte dieses Flusses liegenden Höhen, in Verbindung mit einem gesicherten Debouché bei Carouge; am linken Arve-Ufer die Befestigung des Höhenzuges der von Genf an den Fluss windungen in östlicher Richtung bis zum Seime-Bache geht, welch' letzterer Linie die Verschanzungen bis Chêne zu folgen hätten, um dann in nordwestlicher Richtung über die Höhen von Cologny am See ihren Abschluss zu finden. Ein in solcher Weise befestigtes Genf würde nicht nur den Forderungen der Defensive vollkommen gerecht werden, indem es den wichtigen Punkt unmittelbar vor feindlicher Besitznahme schützt und die Festhaltung der Arve-Linie ermöglicht, sondern auch der Offensive insoferne dienlich sein, als dadurch ein gesicherter Vorstoss sowohl längs des See's gegen Lyon, oder in noch wirksamerer Weise über Gex und den Col de la Faucille einerseits, oder gegen das Dappenthal anderseits geschehen und dadurch der feindliche über den Pass von St. Cergues gerichtete Angriff entweder bedeutend abgeschwächt oder vollends zurückgeworfen werden könnte. Eine Offensive in westlicher Richtung auf der Rhônethal-Strasse fände an der sehr starken Strassensperre des Fort l'Ecluse eine directe Barrière; dagegen würde die Befestigung von Genf der vom Mont Vuache aus möglichen Beschiessung des Fort l'Ecluse den erforderlichen Rückhalt geben, und somit auch hier, wenn auch nur in mittelbarer Weise, dem offensiven Principe Vorschub leisten. (Fortsetzung folgt.)

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Die österreichische Brigade Dienstl in der Schlacht von Solferino.

Der Disposition am Schlachttage des 24. Juni 1859 gemäss, sollte die Brigade Dienstl an jenem Tage um 10 Uhr Früh nebst den andern Truppen des 3. Corps gegen Carpenedole vorrücken.

Die Brigade bestand aus dem Infanterie-Regimente Belgien, der sechspfündigen Fussbatterie Nr. 2/III, dem 13. Jäger-Bataillon und der 6. Escadron

Preussen-Huszaren.

Wie bekannt, griff der Feind um 5 Uhr Früh allseits an und drang um 8 Uhr bereits siegreich bis Rebecco vor. Zu allererst erhielt nun die Brigade die Bestimmung, neben den Truppen des Generalmajors Pokorny als Reserve für das 9. Armee-Corps nach Birbesi zu rücken. Kaum war aber die Avantgarde vor Molinello eingetroffen, als Gegenbefehl ergieng; die Dispositionen erheischten eben wieder schnelle Änderungen, und die genannten Truppen der Division Schönberger hatten Ordre erhalten, nördlich von Guidizzolo aufzumarschiren.

Die Brigade Dienstl kehrte daher um und bewirkte den Aufmarsch rechts neben der Brigade Pokorny in der Weise, dass das 1. und 2. Bataillon Belgien, die Batterie und das 13. Jäger-Bataillon im ersten Treffen, u. z. in Divisions-Colonnen, dagegen das 3. Bataillon Belgien und die Huszaren-Escadron im zweiten Treffen in einfacher Colonne formirt standen. Um 1,11 Uhr Vormittags war dieser Aufmarsch vollführt, und die Brigade rückte nun auf gleicher Höhe mit den benachbarten Truppen unter sehr heftigem feindlichen Granatenfeuer vor.

Bei dieser Vorrückung stiess die Mitte derselben auf die Cavallerie-Division Mensdorff, und es wurde dadurch die Batterie sowie das Jäger-Bataillon von den Massen des ersten Treffens getrennt. Nichts destoweniger ward der Vormarsch in der bezeichneten Direction ununterbrochen fortgesetzt. In ihre Position gelangt, erhielt nun die Brigade den strengsten Befehl, in der erreichten Aufstellung vorerst stehen zu bleiben, fortwährend Fühlung links zu erhalten und den Gang des Gefechtes durch vorgesendete Patrullen schärfstens zu beobachten.

Trotz des heftigen und erschütternden Granatenfeuers hielt das tapfere Regiment Belgien, aufgemuntert durch das Beispiel seines Obersten, Herzog von Württemberg, sehr fest Stand. Das Jäger-Bataillon, das bald wieder bei der Hand war, wurde als Staffel rechts rückwärts aufgestellt, denn die Brigade, den äussersten rechten Flügel der ersten Armee bildend, nahm wahr, dass feindliche Cavallerieangriffe sich vorzubereiten schienen, welchen leider

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