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Nehmen wir nun aber an, die Linie OP wäre einspurig und hätte nur die Leistungsfähigkeit Einer der in sie mündenden Aufmarsch-Linien, dann ist ein Zusammenschieben, wie wir es zuerst durchführten, ganz unmöglich, und bei einer Concentrirung zwischen x und y wäre man gewissermassen nur auf zwei Eisenbahn-Aufmarschlinien, nämlich de und fy gewiesen. Es würden dann die Truppen aus c und e meist nur bis d und ƒ fahren, dann aber marschiren, wodurch die Aufmarschdauer wesentlich verzögert, und der Sammelplatz der Armee, resp. die Angriffs-Richtung, vorzeitig bekannt wird.

In welch' drückender Lage sich ein Land befindet, welches einem doppelspurigen Eisengürtel keine halbwegs ähnliche Sehne entgegen zu setzen vermag, braucht hoffentlich nicht weiter erläutert zu werden.

Wir wollen hier nur bemerken, dass sich die Leistungen einer einspurigen Bahn, wenn man mit günstigen Factoren rechnet, zur doppelspurigen höchstens wie 1:2 verhalten, dass sich also die eine Armee etwa doppelt so schnell als die andere fortbewegen wird.

Hiemit tangiren wir offenbar unsere zweite Frage, welche sich mit der zweckmässigen Benützung der Bahnen beschäftigen soll:

Die unseren Lesern zweifellos bekannten Leistungsfactoren (KreuzungsVerhältnisse, Bahnhofs-Räumlichkeiten, Betriebs-Material, Wasser- und Brennstoff-Versorgung, endlich die Personalzahl) als günstig annehmend, glauben wir, dass die Bahnen jedem Anspruche genügen können, wenn die BetriebsLeitungen und Verwaltungen, sowie deren Bedienstete ernstlich gewillt sind, den meistens schweren Forderungen, welche an letztere gestellt werden, zu entsprechen 1).

Sind die subalternen Beamten einer Bahn vernachlässigt, vermag es die Verwaltung nicht, jedes entfernte Glied innig an sich zu ketten, so kann man weder bei kriegerischen Verhältnissen, noch bei Handels-Conjuncturen auf die Bahn mit Sicherheit rechnen. Sie folgt dann nur mechanisch dem Ganzen, begleitet ohne innere Regung die einzelnen Phasen und kann daher nur in ganz secundärer Weise sich am Gesammterfolg betheiligen.

Man gestatte uns hier einen kurzen Rückblick auf das Jahr 1866, dessen sich unsere Bahnen nicht ohne Stolz erinnern dürfen; denn wir heben wiederholt hervor, dass in jenem Jahre unsere Gegner die Bahnen weniger geschickt als wir verwendeten.

In jenem Jahre betheiligten sich an den Leistungen der österreichischen Bahnen hauptsächlich die Südbahn, österreichische Staatsbahn und Nordbahn.

Erstere zwei Bahnen wurden treffllich geleitet.

1) Die wiederholten Verkehrsstockungen bei günstigen Handels-Conjuncturen mögen nicht allein im Wagen-Mangel ihre Begründung finden, sondern dürfte die Gesammtheit der Leistungsfactoren bei den österreichischen Bahnen keine genügende sein, und nicht selten der Wille der Ausführenden dem Wunsche der Anfordernden nachstehen.

Mr. Bontoux, Director der Südbahn, hatte die Anordnungen der Eisenbahn-Central-Leitung musterhaft ausgeführt, sein Personale durch Bitten. Versprechungen, Belohnungen u. dgl. für ausserordentliche Leistungen gewonnen, und kam, trotzdem mancher Bedienstete mit Italien sympathisirte, kein Fall offener Dienstverletzung oder gar des Verrathes vor.

Bei der Staatsbahn waren mannigfache verdienstliche Leistungen der Energie des Ober-Inspectors Marek zu danken, welcher jeden seiner Untergebenen kannte, der Individualität nach behandelte und verwendete, auch alle Fäden der Linie in seiner Hand wohl zu vereinigen verstand.

Bei der Nordbahn endlich waren es die Manen des verstorbenen Directors Francesconi, welche das Institut beseelten, welche die Bediensteten zu seltener Ausdauer und aufopfernder Pflichterfüllung anspornten.

Wir kannten die Kaiser Ferdinands-Nordbahn nur ihrer Existenz nach, als der ehemalige Genie-Officier Francesconi dieselbe leitete; darin werden uns aber die gediegensten Nordbahn-Beamten beistimmen, dass ein guter Theil des Ruhmes dieser Anstalt ihm gebührt, dass sein Andenken in den Herzen der Bediensteten vielleicht so lange leben wird, als das marmorne Bild des ersten Nordbahn-Directors.

Die drei benannten Männer charakterisiren Verwa ltungsformen, mit welchen Eisenbahnen geleitet werden.

seilen.

Der Träger des letzten, gediegensten Systems würde in unsere Zeit wohl nicht ganz passen, denn wirklich gediegene Betriebsmänner, wie sie die Nordbahn noch in einem Alker, Bühler u. s. w. besitzt, und welche an der Seite Francesconi's wirkten, finden sich heute immer seltener.

Doch wollen wir hoffen, dass sich auch in Zukunft an der Spitze unserer Eisenbahn-Unternehmungen Männer finden werden, welche mit Geschick den Willen vereinen, Grossartiges zu leisten, und an welche die Untergebenen durch die mächtigen Bande der Achtung, Liebe und Dankbarkeit gefesselt sind').

Nachdem wir unsere beiden Fragen zu lösen versucht haben, dürfte die Bemerkung beizufügen erlaubt sein, dass bei einem halbwegs entwickelten Communications - Systeme Armee - Concentrirungen, wie sie z. B. 1866 in Mähren stattgefunden, nicht mehr zeitgemäss sind, ausgenommen, wenn man sich vollkommen defensiv verhalten will, oder wenn besondere Verhältnisse die Angriffsrichtung vorzeichnen.

Wie sich unsere Communications-Verhältnisse im Kriegsfall gestalten, vermag Jedermann selbst zu beurtheilen; wir werfen daher nur einen flüch

1) Dase gegenwärtig in Österreich an der Spitze vieler grösserer TransportsUnternehmungen sich Männer befinden, welche keine oder nur eine geringe technische Bildung besitzen, halten wir für unzweckmässig, und dürfte zu manchen Anständen Veranlassung geben.

tigen Blick auf unsere Nachbar-Staaten, mit dem Wunsche, dass selbe zur Erkenntniss mancher Lücke in unserem Schienen-Netze, und zur endlichen Abhilfe zahlreicher Mängel führen möge.

Italien.

Diese Halbinsel findet in ihren Bahn-Anlagen genügenden Schutz gegen einen Angriff von der Seeseite, denn in nächster Zeit werden die Küstenstriche von Schienensträngen durchzogen sein, die meistens zwar nur einspurig sind, welchem Übelstand jedoch zahlreiche Parallel- und VerbindungsBahnen abhellen, so dass stets die Bahn der einen Küstenseite als das Doppelgeleise der anderen betrachtet werden kann.

Gegen Westen zieht die doppelspurige Rokade-Linie: Turin bis Genua, in welche 4 Aufmarschlinien münden; gegen Norden liegen Parallel-Bahnen, und nur gegen Osten mangelt Italien eine zum Rokiren geeignete Verbindung.

Deutschland

ist gegen Süden, Westen und selbst gegen Norden durch seine trefflichen Bahnanlagen nicht nur gesichert, sondern besitzt besonders in seinen südlichen Bahn-Anlagen ein nicht zu unterschätzendes Offensiv-Mittel, dem man nur durch ähnliche Anlagen begegnen kann.

Im 0-ten allein zeigt sich manche Lücke, welche aber hauptsächlich durch die Linie: Posen-Gne sen-Thorn-Insterburg ausgefüllt wird. Wenn auch diese zumeist im Bau befindliche Linie nur einspurig angelegt wird, ist sie doch im Stande, vereint mit der oberschlesischen Bahn die gegenüberliegende Rokade-Linie Petersburg - Warschau zu paralysiren. Im Bedarfsfall wird übrigens die preussische Linie cher doppelspurig angelegt sein, als die bezeichnete russische Linie.

Russland.

Über den riesigen Fortschritt der Bahnbauten unserer nordischen Nachbarn, über die Drohung, welche in der Anlage jener Linien liegt, wurde so viel und oft gesprochen, von geheimen Plänen gefaselt, dass es sich wohl lohnen dürfte, das gefürchtete Netz einer kurzen Schilderung zu unterziehen.

Den ersten russischen Bahnbauten lag keinerlei militärisches Motiv zu Grunde, selbst die Handels-Interessen dürften anfänglich wenig Berücksichtigung gefunden haben, denn in chronologischer Reihenfolge sehen wir die Bauten mit folgenden Linien beginnen;

Petersburg-Zarskoje-Selo, etwa 3', Meilen lang, im Jahre 1838,
Warschau-Granica im Jahre 1848 (theilweise schon früher),

Petersburg-Moskau 1851,

Petersburg-Oranienbaum 1857,

Petersburg-Warschau 1859-1862,
Warschau-Bromberg 1860.

Nur um der Civilisation, dem Comfort, den Bädern und Spielbanken des Westens näher zu rücken, entstanden die Linien Moskau-Petersburg, Petersburg-Warschau-Wien resp. Breslau oder Bromberg, und selbst der Anwendung verschiedener Spurweiten jener Linien lagen politische Motive nur in so ferne zu Grunde, als man die zollämtliche oder vielmehr politische Controle hiedurch zu erleichtern wähnte. Diese verschiedenartige Anlage der Geleise sollte die Mauer bilden, durch welche Russland sich gegen liberale Einflüsse schützen zu können glaubte. Nachgerade legt man zwar der breiteren Spurweite einen besonderen militärischen Werth bei dieser kommt aber nach den Erfahrungen des letzten Feldzugs nur jenem zu Gute, welcher Bahnen mit schmalen Spurweiten besitzt. Für den russischen Handel ist die Verschiedenheit der Spurweite ein grosser Nachtheil, der sich dann erst besonders äussern wird, wenn Russland mehrere Anschlüsse an fremde Bahnen erhalten hat.

Erst in neuerer Zeit, etwa seit 1860, erkannte Russland den wahren Werth der Bahnen und trachtet nun, die Süd-Provinzen mit den HauptMilitär-Bezirken Warschau, Wilna, Petersburg, Moskau, Kiew, Charkow, das schwarze und azowsche Meer mit dem baltischen in möglichst directe Schienen-Verbindung zu bringen.

Es hat aber auch seither die Aufgabe der Bahnen vollkommen erkannt, und entstanden daher Linien, wie:

Riga-Dünaburg (1862),

Dünaburg-Witebsk (1866),

Witebsk-Orel (1869),

Orel-Griasi-Borisoglebsk 1869-1870,

Borisoglebsk-Zariczin (theilweise noch im Bau, dürfte 1871 vollendet.

werden).

Moskau-Smolensk (1870),

Moskau-Rjäsan-Kozlow (1864-1868),

Kozlow-Saratow (1871),

Rjäsk-Morschansk (1867, wird nach Samara fortgesetzt),

Kozlow Woronesch (1868 wird nach Gruschewsk fortgesetzt, und steht dann in Verbindung mit der Bahn),

Novotscherkask-Rostow (1868),

Verbindungsbahn zwischen Rostow und Taganrog (1871),

Moskau-Orel-Kursk (1868),

Kursk-Taganrog, sogenannte Azow'sche Bahn (1870),

Odessa-Balta-Jelisabethgrad (1865-1868),

Jelisabethgrad - Krementschug - Charkow (1869-1871, Brücke über den Dniepr noch im Bau),

Kursk-Kiew (1868),

Kiew-Balta resp. Birsula (1870).

In all' den bis nun erbauten Linien können wir keine sonderliche Drohung erblicken; sie sind gleich wichtige Handels- wie Militär-Strassen und haben als letztere nur den Werth, dass die Haupt-Militär-Bezirke durchschnitten werden, und Russland nun befähigt ist, so schnell wie die westlichen Nachbarn Truppen an der Reichsgrenze zu versammeln.

Im kommenden Jahr jedoch, mit der Vollendung der Linie BrzescLitewski-Berditschew, einer Linie, welche mehr militärischen als commerciellen Werth besitzt '), ändert sich die Sachlage. Russland verbindet dann seine gegenwärtig vollkommen getrennten und nur einzeln zu benützenden Aufmarschlinien durch eine zur doppelspurigen Anlage vorbereitete Transversale, gelangt hiedurch in Besitz einer RokadeLinie, wie wir sie Eingangs skizzirten, und erlangt hie durch einen militärischen Vortheil, welcher seitens Österreichs nicht unterschätzt, und dem bei Zeiten begegnet werden sollte.

Als Gegenmittel dürfte sich die doppelspurige Anlage der Linie Osviecim-Krakau-Stanislau, oder besser sogar bis Czernowitz, der schleunige Bau mehrerer Aufmarschlinien, namentlich einer gedeckten Verbindung nach Krakau, der Linien Eperies - Tarnow, Przemysl - Szerencs, Munkács - Stry empfehlen.

Der Bau der Linie Munkács-Stry wurde jüngst zwar gesichert, die Vollendung steht aber leider noch in weiter Ferne.

Türkei und die Donaufürstenthümer.

Die Schienen-Netze unserer rumänischen, serbischen, türkischen Nachbarn können gegenwärtig noch nicht in ernste Erwägung gezogen werden, da weder in der Anlage der Linien eine besondere Politik beobachtet, noch der Ausführung der Bauten eine genügende Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wir möchten an dieser Stelle nur einzelne Momente berühren, z. B. dass man einen Donau-Übergang nicht etwa bei Belgrad, sondern an anderer, für Österreich günstigeren Stelle bewerkstellige; oder dass man sich zuerst

1) Die Producte Süd-Russlands suchen, so ferne sie sich nicht am Continent zerstreuen, zumeist drei Punkte: Riga, Stettin, Hamburg (auf die Weichsel- und BugSchiffahrt reflectirt man nämlich noch wenig; baut man darauf, so ist die Linie Brzesc-Berditschew auch aus Handelsrücksichten gerechtfertigt); für den Handel hätten somit Anschlüsse an die österreichischen Bahnen genügt.

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