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Reichs den ihnen tief eingeprägten Stempel der Länder an sich tragen, aus welchen sie stammen, worin sie ernährt und erzogen werden, und während sie darin der Erde die Eigenschaft einer Mutter und Amme alles tellurischen Lebens zuspricht, beraubt sie diefelbe aller ihrer Kinder, durch die Weise, wie sie die ver schiedenen Klimate derselben konstruirt. Nur unter der Bedingung, daß die Erde ihre Klimate an oberste r und erster Stelle aus ihrem eigenen Leibe entwikkelt und variirt, kann sie Mutter ihrer Kinder heisen, und nur so kann es begriffen werden, daß sie diese hier gleichviel zu welcher Zeit, dann, wie es sich von selbst versteht, auf Gottes Geheiß, womit ihr eine solche Natur Einrichtung verliehen wurde und keine andere aus ihrem Schoose gebar. Statt auf diese nothwendige Bedingung einer, wenn auch nur relativ in sich geschlossenen Groß-Welt zu achten, zwångt unsere Geographie die Erde in einen Plan der Wirthbarkeit, der ihr an oberster Stelle aus den Verhält nissen ihrer Ober-Fläche zu den Sonnen - Strahlen, sodann aus einigen Lokal: Verhältnissen stamme, nicht ahnend, daß diese Verhältnisse, ihrer unverkennbaren Mitwirkung ohnerachtet, doch nur erst an zweiter und dritter Stelle zum Wort kommen dürfen.

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Auf solche Weise hat die Erde in unserer Geographic aufgehört ein mittels beharrlicher Selbst-Entwikkelung in ihrer Art lebendiger Schau-Plaz des Lebens zu seyn, und sie ist ein bloser Tummel - Plaz allerlei ihr

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gleichsam aus den Wolfen gefallenen Lebens geworden. Ja der ganze, so beliebte Ausdruk,, Er ds Organismus“ ist ein völlig leerer, so lange unsere Geographie blos weiß wozu der Mensch (als der erste Ring dieser organischen Kette) der Erde (als des lezten Rings dieser Kette) bedarf, nicht umgekehrt die Erde des Menschen. Ein organisches Verband ist ein nothwendiges! Wer diese Worte ohne Koms mentar, oder nach dem der in diesem Werk geliefert wird, gehörig versteht, weiß, daß mit ihnen unserer bestehenden Geographie aller Anspruch auf eine Naturs Wissenschaft wegfällt, so lange bis ihr eine groffe und wahre, sich in der Wahrnehmung beståtigende. Idee, aufgegangen seyn wird, nach welcher der erste und lezte Ring ihres Ganzen organisch, d. h. so ineinandergreifen, daß erkannt werde, wie jeder, in dem er den anderen bindet, von diesem zugleich gebunden wird. Es ist aber der Geographie, durch unsere Biotomie, diese einfach grosse, das Ganze des Erd - Organismus zugleich umfassende und durchdringende Idee gefunden, in dem Saz: „Die Erde und der Mensch verhalten sich wie Naum und Zeit!"

welche noth

In richtiger Anwendung dieser Idee wendig abstrakt, und nach falschen Theorien des Raums und der Zeit sogar absurd klingt — ist das Ganze unserer Geographie genau in eben der Art höchst vortheilhaft umgebildet, wie einst durch die einfache Idee von Kos pernik das Ganze der Astronomie umgebildet wurde

und seine heutige Gestalt gewann. Das, worin diese beiden Ideen zusammen treffen, läßt sich auf Folgendes zurükführen :

a) Beide Ideen können nie aufhören Hypothes sen zu seyn, doch hat die der Geographie zugewandte unter diesem Gesichts-Punkte nicht unbedeutende Vorzüge.

b) Beide Ideen bewähren sich dadurch, daß sie in höchster Einfachheit eine Menge thatsächlicher Ersch:inungen leicht und vollständig erklären, die man vor ihnen und ohne sie zu Hülfe zu nehmen bald gar nicht, bald nur höchst gezwungen und unvollständig erklären kann.

c) Beide Ideen lassen dem Scharfsinn und der betreffenden Gelehrsamkeit, welche vor ihrem Aufgehen aufgeboten wurden, um die vorgefundenen Erscheinungen, unter einer falschen Haupt- Pråmisse, dann möglicher Weise blos nothdürftig zu erklären, volle Gerechtigkeit wiederfahren. Erscheinen nicht die Erklärungen so mancher astronomischen Thatsachen, vers sucht unter der Prämisse des Systems von Tycho de Brahe, gerade um so scharfsinniger, als diese an sich falsch war? Und wie möchte überhaupt dieses System, nem irrigen Wesen nach bekanntlich das Ptolomäische dem schon Pythagoras, Aristoteles, Hipparch und Archimedes angehörten, und welches, wie Lichtenberg als Koperniks würdiger Biograph sagt, zu dessen Zeit aus einem Produkt menschlicher Organisation und aus einer blosen Phrase ein Gottes Urtheil gewor sich in so langem Laufe der Zeiten gehalten

den war

sei=

haben, wenn sich nicht nach ihm so viele Erscheinungen am Firmamente in eben der Art hätten erklären lassen, in welcher unsere heutigen gelehrten Geographen nach dem bestehenden System die klimatologischen Erscheinungen gelehrt und scharfsinnig, aber gezwungen und falsch erklären?

d) Beide Ideen åndern nichts Wesentliches an den vorgefundenen Bruchstükken, und verherrlichen sich zunächst nur an deren besserer wissenschaftlicher Einreihung in das System. Manigfaltiger, praktischer Nuzzen ergibt sich daraus von selbst. *)

e) Beide Ideen sezzen die Erd- Welt wieder in den, keiner Verjährung unterworfenen, Besiz ihrer Rechte, einer relativ in sich geschlossenen, des eigenen Lebens erfüllten Groß- Welt, die selbstthätig für die ihr angehörigen Erzeugnisse höheren Lebens eins schreitet.

f) Wenn die der Astronomie durch Kopernik heimgefallene Idee, unsere Erd- Welt in ihrem unmittelbaren Verkehr mit der Sonnen-Welt auf der grössesten ihrer Bahnen ergreift und in so fern extensiv bez deutender ist, so ist die der Erde in der Biotomie des Menschen zugewendeten Idee intensiv bedeutender, indem sie in dem ganzen Bereiche tellurischer NaturWissenschaft, oder für die inneren Verhältnisse der Erde Wahrheit voraussezt! die unbezweifelbar erste

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*) In Beziehung auf Geotomie ist dieser Nuzzen besonders für Seefahrende und ausser - europäisde Kolonien befizzende Nationen gewiß sehr groß. (M. vergl. S. 529.)

Stelle einnimmt. Von ganz besonderer Bedeutung ist in dieser Hinsicht die Höhen-Stellung des Menschen nach der biotomischen Haupt-Lehre der nothwendig vier Haupt Formen tellurischen Lebens.

So weit ich heute, in meinem 57ten Lebens-Jahre, zurükblikken kann, lag mir ein ungemein reges Interesse für die Gesezze der zeitlichen Ent wikkelung des Menschen Lebens von den ersten Zeiten meiner sehr früh begonnenen wissenschaftlichen Bildung stets besonders nahe. Die Entwikkelung der bestimmten Ansicht, daß die menschliche Wissenschaft an dieser Stelle eine grosse Lükke habe, fällt jedoch erst in die Zeit, wo ich meine Statistik als Wissenschaft (Landshut 1807, erschienen 1808) bearbeitete. Beschäftigt mit der Anfertigung von Muster: Tabellen für die Aufnahme und belehrende Uebersicht der Volks-Masse, erkannte ich, daß die reale Ungleichheit der Geschlechts-Jahre der Individuen beider Geschlechter, bei nominaler Gleichheit der Lebens-Jahre, einen durchaus schiefen Blik in den Thatbestand der Bevölkerung gåbe. Die in physiologischen Werken gesuchte Auskunft schlug fehl, und ich entdekte bald, daß darin kaum cine Spur der nothwendigen Trennung der Skalen des Gattungs-Lebens und des GeschlechtsLebens in seinem zweifachen Verlaufe zu finden sey. Der Zusammenhang der neuen Wissenschaft (der ich keinen passenden Namen zu finden wußte) mit den Natur Eintheilungen der Erde übera

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