Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

zwar innerlich tief bewegt, blieb, troß aller dieser drohenden Aussichten, unerschütterlich, und sezte den Rüstungen Rüstungen entgegen. Suworow mußte, wie wir sahen, die Schwedische Gränze befestigen; gegen die Preußen war Rumänzow bestimmt; und gegen das Englische Geschwader, das die Ostsee heimsuchen sollte, wurden alle Vorsichtsmaßregeln genommen und die Flotten in Reval und Kronstadt unter Admiral Tschitschagoff, der sich im lezten Kriege so rühmlich bewährt hatte, in Bereitschaft gesezt. Nie schwankte die Kriegeswage drohender, aber auch nie zeigte sich die Festigkeit ehrenvoller und mit befferem Erfolg.

Ein Krieg mit Rußland war beim Englischen Volk nicht beliebt und die Minister hatten die heftigsten Parteikämpfe im Parlament zu bestehen. Schon seit einem Jahr drang der König von Preußen auf einen entscheidenden Entschluß, um weitere Gefahren von der Pforte abzuwehren. Die Englischen Minister zauderten. König Friedrich Wilhelm, aus alter Zeit grollend, weil er bet seinem Besuch in Petersburg sich nicht genug ausgezeichnet glaubte 1o); dazu gespornt durch kurzsichtige Minister, die sich weniger durch Landesintereffen als kleinliche Leidenschaften lenken ließen, wie von einem engherzigen Bruderhaß gegen Destreich, Neid und Unwillen gegen Rußland, weil es Destreichs Bündniß dem ihrigen vorgezogen, König Friedrich Wilhelm, sagen wir, betrieb mit dem vollen Eifer der Leidenschaft den Krieg

10) Ueber die unangenehme Rolle, die er dort spielte, vgl. Core, Geschichte des Hauses Oestreich. IV, 408-9 (der deutschen Uebersezung von Tippold und Wagner).

gegen die Kaiserin, und stellte dem Englischen Ministerium die Wahl, entweder seinem Bündniß zu entsagen oder mit ihm gemeine Sache zu machen. Die Entscheidung über Krieg und Frieden lag sonach im Englischen Ministerium, oder, da dieses selbst gespalten war, und die eine Partei, den König Georg an der Spize, Krieg, die andere, für die im geheim selbst Pitt war, den Frieden wollte, im Parlament, im Englischen Volk. Ein drohender Antrag ward der Kaiserin gestellt: Frieden auf den frühern Besigstand mit der Pforte, oder Krieg mit England und Preußen. Sie antwortete mit Würde: „Beherrscherin eines unabhängigen Staats, stehe sie niemanden zu Rede; sie werde thun, was sie für zweckgemäß erachte, und überlasse Gleiches zu thun auch andern.“ Dieses Wort schien die Losung zum Krieg, einem schweren, verhängnißvollen Krieg mit fast allen Nachbarn, und den Meerbeherrschern dazu. England rüstete sofort eine Flotte von 30 Linienschiffen, 75 Fregatten und kleineren Fahrzeugen unter Admiral Hood, um im Baltischen oder Schwarzen Meer mit Nachdruck aufzutreten; dazu sollte noch Holland 12 Linienschiffe stellen. Der Würfel schien geworfen, der Krieg vor der Thür. Doch da legte das Englische Volk seine Meinung in die Wage; For und Burke lichen ihre Stimme; und Katharina, Drohungen nicht weichend, standhaft bei ihrem Wort beharrend, behielt zulezt Recht. In der Politik wie im Kriege ist es die Standhaftigkeit, wenn Klugheit sie begleitet, die zum Erfolg führt.

Doch ward der Sieg über die gegenstrebenden Meinungen in England nicht leicht. Mächtig war die Kriegs

partei, da sie selbst den König für sich hatte. Jedoch das Volk im Lande ruhte nicht; sein Murren, seine zahlreichen Petitionen gegen den Krieg, fielen ins Gewicht; den Ausschlag jedoch gab die Kunst der Rede eines Burke, eines For. For, nachdem er die Sachlage dargestellt, rief: „Man behauptet, der Krieg der Türken gegen die Russen sei auf unsere Anhegung geschehen. Es ist wahr oder nicht. Ist es wahr, so frage ich: ist es billig, ist es redlich, zu verlangen, daß das angegriffene Rußland für die schweren Kosten eines zur Vertheidigung geführten Kriegs durch nichts entschädigt werde? — Ift es unwahr, haben wir die Türken nicht angereizt, nun so haben die Minister schwer gefehlt, daß sie einen solchen Kampf, dessen Ausgang uns nicht gleichgültig sein kann, nicht verhindert haben. Rußland soll alle seine Eroberungen herausgeben, verlangen wir; - und doch bestehen wir zu gleicher Zeit in Indien darauf, daß Tippo Sahib, als Urheber eines Kriegs gegen uns, nicht allein den Schaden erseze, sondern zur Strafe auch noch erlaube, ihm so viel Länder abzunehmen, als uns beliebt. Welcher Fürst, der eine Seele, der Ehre im Leibe hat, und Kraft zum Widerstehen, sollte nicht mit tiefem Unwillen die Unverschämtheit einer Forderung zurückweisen, die gerade das Gegentheil unserer eigenen Forderungen in Indien ift? Der Zusammenfluß günstiger Umstände, fuhr er fort, kann Staaten zu gewissen Zeiten große Macht geben, wollen sie aber diese Macht, wie der 14te Ludwig, stolz mißbrauchen, so erwäge man, ob es nicht in der Natur der Dinge, in dem Hange der Menschen liege, sich gegen Ungerechtigkeit und Uebermuth zusammenzunehmen. Nie

[ocr errors]

war in der sittlichen Welt, wer sich überhob, lange glück lich; nie wird ein solcher, so lange die Menschen bleiben, was sie sind, es fünftig sein." Dritthalb Stunden sprach For mit einem Feuer, einer Beredsamkeit, wie noch nie zuvor, und schloß dann mit einem eindringlichen Aufruf an alle Patrioten der Versammlung, sich einem dem Staate so schädlichen Unternehmen aufs äußerste zu widerseßen 11).

Nach ihm trat Burke auf, sein Lehrer, sein Meister; noch gewaltiger, einschneidender. Er verwünschte die Türken sammt ihrem Anhang in Europa. Was sollen diese Barbaren unter Europa's Völkern, rief er, etwa, und besseres verstehen sie nicht, um Mord und Mordbrand, Pest und Verheerung unter sie zu bringen? Mit Schaudern nur habe ich vernommen, daß man den Römischen Kaiser gezwungen, dieser verabscheuenswerthen Macht die schönen Donauländer wiederzugeben, wahr scheinlich, damit Barbarei und Pestilenz für immer ihren Aufenthalt dort nehmen" 12). Zuleßt wies er staatsmän

11) Tief fühlte sich die Kaiserin For verpflichtet und befahl dem Grafen Woronzow, ihrem Gesandten in London, dessen Marmorbüste vom berühmten Bildhauer Nollekens ihr zu übersenden. Nach dieser ließ sie eine andere von Bronze anfertigen, und auf der Kolonnade zu Zarskoje Selo zwischen den Büsten von Cicero und Demosthenes aufstellen. „Er hat durch seine Beredsamkeit, sagte sie, einen Krieg Englands gegen mich abgewandt, wie soll ich ihm anders meine Dankbarkeit ausdrücken." – Es sollte zugleich eine Demüthigung für Pitt sein, die, wie man aus seinen ironischen Aeußerungen schließen möchte, stark gefühlt ward.

12) Wir citiren buchstäblich die Worte Burke's, deren Verantwortlichkeit wir ihm überlassen, ohne sie weiter vertreten zu wollen. Ohnehin haben die 66 Jahre, die seitdem verflossen, manches geändert und gebessert.

nisch nach, daß ein Bündniß mit der Russischen Monarchin unter allen, wie die Dinge lägen, das vortheilhafteste für England sei.

Unter dem Gewicht dieser machtvollen Redner, die um so kräftiger auftraten, als sie die öffentliche Meinung für sich wußten, hatte das Ministerium einen schweren Stand, und war zulezt genöthigt, einzulenken und noch einen Friedensversuch zu machen. Es schickte einen Vertrauten, Fawkener, nach Petersburg ab; und es dauerte nicht lange, so ward man einig. Fawkener blieb als außerordentlicher Botschafter am Russischen Hofe, und das Englische Ministerium willigte in Rußland's Forderung, Otschakow mit der linken Seite des Dniestrs als Kriegsentschädigung zu behalten. Dieß sollte die Grundlage des fünftigen Friedens sein. Würden die Türken nicht einwilligen, so sollten sie ihrem Schicksal überlassen bleiben. Wiederholte Siege aber zwangen sie bald nachzugeben, da jener Halt, den sie bisher an den Rußland feindseligen Mächten gehabt, ihnen entzogen ward.

Schlag auf Schlag fielen die schwersten Schläge auf fie; Sieg auf Sieg erfreute Rußlands Monarchin, und bewegte schmerzlich des verbannten Suworow's Brust. Fürst Sergei Födorowitsch Galizün 13), Gemahl von Potemkin's Nichte, der Suworow's ehemalige Division befehligte, ging Ende März mit diesen Tapfern bei Galaz über die Donau, zerstörte mehrere Schanzen vor Matschin und Braila, und schlug die Haufen, die ihn daran hindern wollten. Ein Gleiches that im April Kutusow;

13) Derselbe, der späterhin die Ruffische Armee 1809 in Galizien befehligte, wo er auch im folgenden Jahre starb.

[merged small][merged small][ocr errors]
« ZurückWeiter »