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zwar einige Unruhe geäußert, doch selbige bei weitem nicht so gefährlich geglaubt. Desto schmerzlicher, ja unerwarteter traf sie jener Schlag. Was er ihr in den lezten funfzehn Jahren gewesen, die Macht seines Geistes, die Kraft seines Willens, seine Ergebenheit, seine Anhänglichkeit an sie, seine auf die Hebung des Reichs berechneten Entwürfe traten vor ihre Seele; sie erwog, wenn sie ihre Umgebungen mit der Kraft jenes Mannes verglich, wie unmöglich es ihr fallen würde, die Lücke, die er gelassen, auszufüllen, und fühlte sich aufs innerste, schmerzlichste bewegt. „Schwer ist's, wehklagte ste, Potemkin zu erseßen, er war Edelmann im wahren Sinne des Worts, klug und unbestechlich." Lange gedachte sie seiner; der kleinste Umstand erinnerte sie an ihn. Als fie sechs Wochen später ein Schreiben aus Jassy erhielt, stiegen ihr die Thränen in die Augen, aber gleichsam, als schämte sie sich ihrer, rief fie: „Meine Freunde find es nur, die mir Thränen entlocken, nie meine Feinde 16)."

Sein Tod unterbrach die Unterhandlungen ganz, die er zögernd hinausgezogen. Graf Besborodko erbot sich, fie zu Ende zu führen und ging am 44 Oktober nach Jassy ab. Man hätte nun einen raschen Friedensschluß erwarten sollen, da der, der ihn am meisten gehindert, von der Bühne getreten. Das Gegentheil geschah. Die Türken sahen in dem Abscheiden des Mannes, der so lange ihre Ruthe gewesen, eine Wendung ihres Geschicks zum bessern. Eine ansehnliche Partei forderte daher Er

16) Vgl. Chrapowizki's Tagebuch, October und December.

29. Dec. 1791
9. Jan. 1792

neuerung des Kriegs, einen abermaligen Versuch des Waffenglücks. Doch hier traten die befreundeten Mächte besänftigend und abrathend ein. Die Türken verlangten wenigstens bessere Bedingungen, regten sogar die Frage wegen der Krimm an. Besborodko machte allen Bedenklichkeiten ein kurzes Ende, indem er die Abgeordneten mit Römerkürze fragte: „Wollt ihr Krieg oder Frieden? Ihr könnt beides haben. Frieden nach den Präliminarien von Galah oder Krieg bis zum Untergang. Wählet !" Ein Wink an die Befehlshaber der Truppen unterstüßte das Wort, und sezte diese aus ihren Quartieren in Bewegung. Das wirkte, am ward das Friedenswerk beendigt, und die Urkunde beiderseits in Jassy unterzeichnet. Die Bedingungen waren die früher angegebenen. Otschakow, deffen Wälle zweimal im Jahrhundert Russisches Blut geröthet, verblieb den Siegern mit seinem Bezirk. Der Dniestr ward somit die Gränze. Alle übrigen Eroberungen in Asien und Europa wurden zurückgegeben; das wichtige Bender, Akkerman, Kilia, Suworow's Ehrenpreis Ismail, und Anapa, das so viel Blut gekostet und einst wieder kosten sollte. Die Krimm ward förmlich als Russisches Besigthum anerkannt; Allcs übrige auf den alten Fuß gestellt. Eine Forderung hatte in der lezten Zeit die Unterhandlung verzögert, eine Geldentschädigung von zwölf Millionen Piaster für die Kriegskosten. Wehklagend gaben die Türkischen Unterhändler endlich nach. Kaum aber war das Friedensinstrument unterzeichnet, als Besborodko die Schuldverschreibung zerriß, mit den Worten: „Meine Monarchin

bedarf euer Geld nicht!"

Freude, Bewunderung Rusfischer Großmuth und lebhafte Dankbarkeit bei den Türken; bei den Russen aber das schmeichelnde Gefühl, was man dem bewaffneten Feinde versagt, dem entwaffneten bewilligt zu haben.

Damit endigte dieser Krieg, der Europa lange, je nach der Partei, zu Hoffnungen oder Befürchtungen angeregt. Die Einen erwarteten ganz gewiß die Verwirklichung des Orientalischen Projekts, die Vertreibung jener Asiaten aus Europa, mit dessen Lebensrichtungen, Meinungen und Zuständen die ihrigen so kontrastirten; die Andern befürchteten die Verschiebung, wenn nicht Aufhebung jeglichen Gleichgewichts, das man so mühsam zu Stande gebracht, so ängstlich bisher gewahrt hatte, Uebermacht der Kaiserhöfe und alle Folgen der Präpotenz. Keine der Hoffnungen noch der Befürchtungen ging in Erfüllung. Der Halbmond blieb nach wie zuvor am Europäischen Himmel, schimmernd in seinem matten Lichte, von Zeit zu Zeit von trüben Wolken wie verdunkelt!

Auch Destreich hatte kurz zuvor seinen Frieden mit der Pforte geschlossen, nicht so rühmlich wie die Kaiserin, weil nicht so frei und trogig. Mehr wie ein Jahr hatten die Unterhandlungen in Szistowe gedauert, wo außer den kriegführenden Mächten auch die Freunde und Begünstiger der Türken, vornämlich England und Preußen, ein großes Wort sprachen. Oestreich mußte zulezt den Drohungen der Preußen sich fügen. Am ward der Friede zwischen ihm und der Pforte auf den frühern Besigstand unterzeichnet. Alle Eroberungen, selbst Laudon's legten

24. Juli
4. Aug.

Lorbeer, Belgrad, mußte Oestreich zurückgeben, behielt ́nur Alt- Orsowa und einige kleine Gränzörter in Kroatien als Preis seiner großen Anstrengungen, seiner gewaltigen Rüstungen, so vieler Tausend von Menschen- Opfern ; und des Krieges einzige Frucht war die gesteigerte Erbitterung zwischen Deutschlands beiden feindlichen Brüdern.

Man hat sich verwundert, daß zwei mächtige Staaten, mit gewaltigen Mitteln und Heeren nicht der morschen Trümmer der zerfallenen Osmanischen Pforte Meister werden konnten. Dieß hat sogar ausgezeichnete Schriftfteller 17) zu dem Schluß verleitet: als hätte die Stärke der natürlichen Gränzen, so wie Osmanische Tapferkeit das erschütterte Reich gerettet. Dem war nicht so. Wenn die Türken nicht völlig niedergeworfen wurden, wenn sie fast ohne Verlust aus dem Kampfe gingen, so lag die Ursache davon theils in dem eifrigen Dazwischentreten von England und Preußen, theils und vornämlich in den Fehlern der Kriegführung. Wunderbare Art einen Angriffskrieg zu führen mit langen Kordons, mit Zersplitterung von Hunderttausenden auf einer ausgedehnten Gränze, wie Lascy that, um jeden Fleck des eigenen Landes zu decken, und darüber Heer und Land im Ganzen preiszugeben; - oder wie Potemkin Monate lang vor unbedeutenden Festungen sizen zu bleiben und nichts zu thun, nichts zu unternehmen, nichts zu wagen. Von beiden Seiten wollte man durch Trägheitskraft seinen Feind überwinden; die verkehrteste und verderblichste Art einen Gegner unter seinen Willen zu beugen, ähnlich

17) z. B. Laverne, Heeren ic.

dem Japanischen Duell, wo man sich selber den Bauch aufschligt, um seine Leidensstandhaftigkeit zu beweisen. Ohne Unternehmungsgeist, ohne angestrengte Thätigkeit, ohne einheitlich zusammengreifendes, entschiedenes Handeln kommt man im Kriege nicht weit, selbst nicht mit Türfen. Was halfen einzelne kühne und kraftvolle Streiche, von Suworow, von Laudon geführt, wenn die obere Kriegsleitung des Ganzen matt und fehlerhaft war. Der arme Kaiser Joseph! er dürstete nach Kriegesruhm, und sein Operations - Mentor, wie ein Hemmschuh, hinderte jede That, jedes Thun! Beide verbündeten Heerführer luden sich immerfort gegenseitig zum Handeln ein, während sie mit den machtvollsten Heeren selber nichts zu thun wagten. Die natürliche Folge war Leiden: Leiden durch Krankheiten aus dem Stillfigen in sumpfigen Nicderungen entsprungen; Leiden durch den Feind, dessen Unternehmungsgeist die Unthätigkeit herausforderte; Leiden durch Rückzüge, welche die durchbrochenen Postenketten gefahrvoll und verwirrt machten. Wie sollte also etwas herauskommen, wenn Potemkin, nachdem er einen ganzen Feldzug vor Otschakow verloren, in den folgenden nur wenige Wochen des Spätherbstes benugt, um einige Bewegungen zu machen und ein Paar unbedeutende Festungen zu nehmen oder nehmen zu lassen; wenn Lasch (und nach ihm Haddik) ein schönes Heer von 200,000 M., nachdem er es auf weiten Räumen in Parcellen auseinandergezerrt, durch Nichtsthuerei im fieberreichen Sumpfland in Tausenden dem Tod und den Spitälern überliefert; und Koburg darauf, troß glänzender ihm unverhofft zugeflogener Erfolge, immer noch vor dem Feinde

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