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XXIII.

Photographische Aufnahme der Lufthülle, welche das fliegende Geschoß umgiebt.

(Hierzu Tafel X.)

Die Versuche, welche Regierungsrath Prof. Dr. E. Mach in Prag (Deutsche Universität) seit mehreren Jahren im Gebiete der Optik und Akustik ausgeführt hat, leiteten den genannten Forscher im Verlaufe seiner Arbeiten auch zu der Beschäftigung mit den durch Explosionen herbeigeführten Erschütterungen und deren wellenartiger Fortpflanzung in der Luft, sowie neuerdings zu der genaueren Erforschung der bisher experimentell bekanntlich nur ganz ungenügend untersuchten Luftwiderstands-Verhältnisse bei fliegenden Geschossen. Diese Arbeiten meist veröffentlicht in den Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, II. Abtheilung, vom Jahre 1875 an- bieten nicht nur dem Explosionstechniker eine reiche Quelle werthvoller Belehrung, sondern sind vor Allem geeignet, die ziemlich in der Luft schwebenden Luftwiderstands-Theorien endlich auf den allein verläßlichen Boden thatsächlicher Verhältnisse zu stellen. In Nachstehendem sollen nur die für den Ballistiker besonders interessanten Resultate der lezten Forschungen wiedergegeben werden, welche, so unglaublich es auf den ersten Blick erscheinen mag, zur Photographirung der Luft-Verdichtung und -Verdünnung vor und hinter dem fliegenden Geschoß geführt haben. Zum vollen Verständniß, wie es möglich war, diese Arbeit zu lösen, wird ein weiteres Zurückgreifen erforderlich sein.

Schon Anfang der sechziger Jahre bildete Dr. Aug. Toepler, damals Docent an der landwirthschaftlichen Akademie zu PoppelsEinundfünfzigster Jahrgang, XCIV. Band.

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dorf, jetzt Geheimer Hofrath und Professor am Polytechnikum zu Dresden, ein von ihm Schlieren-Methode genanntes, in anderer Form bereits von Foucault verwendetes und in seinem Ursprung auf Huyghens zurückzuführendes Verfahren aus, welches alle, selbst die geringsten und für uns mit den gewöhnlichen Hülfsmitteln gänzlich unsichtbar bleibenden Veränderungen in der Dichte bezw. dem Brechungsvermögen durchsichtiger Mittel erkennbar machte. Ausgangspunkt der Toeplerschen Versuche war das Bestreben, die sog. Schlieren in optischen Gläsern, d. h. diejenigen Streifen zu erkennen, welche, von der Dichte der gesammten Glasmasse abweichend, namentlich in größeren Fernrohr-Objektiven durch unregelmäßige Strahlenbrechung unklare optische Bilder erzeugen und das Haupthinderniß für die Herstellung großer Linsen und die Erzielung starker Vergrößerung bilden. Die FabrikationsTechnik des Glases ist bekanntlich noch nicht so weit fortgeschritten, daß man größere Massen desselben vollkommen homogen und in gleicher Dichtigkeitsverfassung herstellen kann; die darin enthaltenen Schlieren ließen sich aber vor dem Toeplerschen Verfahren nur zum allerkleinsten Theil und die geringfügigeren gar nicht erkennen, sondern traten durch ihre Wirkung erst nach dem Schleifen der Linsen zu Tage, so daß die Gläser zu stärkeren Vergrößerungen oft vollkommen untauglich und die ganze Schleifarbeit eine vergebliche war.

Die Schlieren-Methode nun, durch welche Toepler diesen Uebelstand in wirksamster Weise bekämpfte und welche, wie später ersichtlich, bereits weitere Anwendung zu wichtigen Untersuchungen gefunden hat, beruht auf folgender Erwägung: Die vom leuchtenden Punkte a (f. Fig. 1) auf die Linse L fallenden Lichtstrahlen vereinigen sich im Punkte b und erzeugen, falls das Auge O für die Entfernung OL accommodirt und so nahe an b herangebracht ist, daß sämmtliche Strahlen durch die Pupille hindurchgehen, auf der Nezhaut ein deutliches Bild mn der Linse L, welches vollkommen und gleichmäßig erleuchtet erscheint. Befindet sich nun im Innern der Linse, etwa bei gi, eine Schliere, d. h. eine Stelle mit abweichendem Brechungsvermögen, so können sich die hier durchgehenden Strahlen nicht in b vereinigen, sondern müssen in der Nähe dieses Punktes vorbeigehen; dem Auge wird indeß von diesem Vorgang einstweilen nichts offenbar, insofern diese unregelmäßigen Strahlen ebenfalls sämmtlich durch die Pupille innerhalb der gleichmäßig beleuchteten Stelle mn auf die Nezhaut

gelangen (bei sr) und daher ein Unterschied in der Licht-Intensität oder dergl. nicht bemerkt werden kann. Das Verhältniß ändert sich aber sofort, wenn man mittelst einer Blende ch einen Theil diefer unregelmäßigen Strahlen abblendet: dann muß in dem gleichmäßig erhellten Bilde mn eine dunklere Lücke bei s entstehen, und man müßte eine schwarze Zeichnung der Schliere auf hellem Grunde zu erkennen im Stande sein. In der That ist letteres nur bei schwacher Beleuchtung möglich, da bei intensiv belichtetem Sehfelde die Empfindlichkeit der Nezhaut zu sehr abgestumpft ist, um so zarte Unterschiede auffassen zu können. Schiebt man nun aber die Blende ch noch weiter vor, bis deren scharfer Rand das ganze (regelmäßige) Strahlenbündel in seinem Vereinigungspunkt b abschneidet, so wird das Gesichtsfeld plößlich dunkel und es treffen dann in dasselbe nur mehr die unterhalb b vorbeigehenden von der Schliere herrührenden (unregelmäßigen) Strahlen bei r die Netzhaut und erzeugen hier ein sehr deutlich erkennbares helles Bild der Schliere auf dunklem Grunde.

Das für die Entfernung OL accommodirte Auge wird auch für alle dicht vor oder hinter der Linse L stattfindenden Veränderungen der Strahlenbrechung genügend accommodirt sein und dieselben ebenso erblicken können, wie eine Schliere in der Linse selbst, mögen diese Veränderungen nun von dem verschiedenen Verhalten der Luft dicht vor oder hinter der Linse oder von Unregelmäßigkeiten in hierhin gestellten Glasplatten, Flüssigkeitssäulen u. s. w., kurz in irgend welchen durchsichtigen Medien herrühren; natürlich muß in diesem Falle, um Irrthümer auszuschließen, die Linse selbst vollkommen schlierenfrei oder wenigstens Lage und Gestalt ihrer Schlieren genau bekannt sein.

Es ist ohne Weiteres erkennbar, daß diese Methode für eine Menge werthvoller Untersuchungen (nicht bloß auf dem optischen Gebiet!) ausgenutzt werden kann, in welchen es darauf ankommt, uns für gewöhnlich unsichtbare Veränderungen in durchsichtigen Mitteln ihrer Größe und Art nach festzustellen, um hieraus ein Bild der Kräfte zu gewinnen, welche jene Veränderungen hervorgebracht; ebenso leicht erkennbar ist es aber auch, daß die Methode bei der eigentlichen Ausführung mannigfachen Schwierigkeiten begegnet und daß der zu benuhende Apparat bei Weitem nicht so einfach konstruirt sein kann, als es die oben gemachte, mehr abstrakte Betrachtung an sich erscheinen läßt. Um nur das Wesentlichste

hervorzuheben, so muß behufs Aufhebung der chromatischen und sphärischen Abweichung die einfache Linse durch ein System möglichst schlierenfreier Gläser (Kopf einer größeren photographischen Dunkelfammer) ersetzt und die Thätigkeit des Auges von allen willkürlichen Fehlern durch Einschiebung eines astronomischen Fernrohrs befreit werden; lezteres bietet noch den Vortheil der Vergrößerung der zu untersuchenden Objekte, sowie die Möglichkeit der An= wendung eines Okular-Mikrometers mit Fadenkreuz zu genauen Messungen. Eine nicht unbedeutende Schwierigkeit bietet die passende Anordnung der (künstlichen und sehr intensiv herzustellenden) Beleuchtungsquelle, sowie ganz besonders der zum scharfen Abblenden an der richtigen Stelle anzubringenden Blendvorrichtung, welche lettere mit ungemein feiner Bewegung ganz genau in dem Vereinigungspunkt des Strahlenbündels einzugreifen hat, wenn Ungenauigkeiten vermieden werden sollen; zugleich muß die Vorrichtung ein willkürliches Abblenden von verschiedenen Seiten her (von oben, unten, rechts, links) gestatten. Es wird nicht auffällig sein, wenn der Preis des gesammten Apparates ein ziemlich be= deutender ist und die Bedienung desselben mit ungemeiner Akkuratesse geschehen muß; Näheres hierüber möge man in „Toepler, Beobachtungen nach einer neuen optischen Methode, Bonn 1864“ nachlesen.

Von den durch Dr. Toepler seiner Zeit angestellten Versuchen seien als besonders interessant erwähnt das Sichtbarmachen der Diffusion der Gase in der Luft und der aufsteigenden erwärmten Luft, die Flammendarstellung und die Untersuchung der den elektrischen Funken begleitenden Erscheinungen. Eine mit Kohlenfäure bis zum Ueberfließen angefüllte Schale stellt sich im SchlierenApparat etwa wie eine Champagnerschale dar, über deren Rand der Schaum überquillt und nach unten abfließt; spezifisch leichtere Gase, wie Leuchtgas, Wasserstoff 2c., zeigen im Apparat den nach oben steigenden Gasstrom, welcher unter ganz ruhigen Verhältnissen gleich einem durchsichtigen Glasstab erscheint. Temperatur-Unterschiede in der Luft, wie sie bei starker Erhitung durch das scheinbare Zittern der dahinter befindlichen Gegenstände zc. auch ohne besondere Vorrichtung sichtbar werden, zeigten sich selbst noch bei ganz geringen Differenzen (bis zu 0,6°) als Luftschlieren, so daß beispielsweise die Annäherung der warmen Hand an den Kopf des Apparates genügte, den von ihr ausgehenden warmen Luftstrom darzustellen; aus den Rockärmeln der vor dem Apparat stehenden Personen

quollen ganze Garben von Schlierenwellen hervor, und über dem Kopf eines Jeden wurde eine vollkommene Säule erwärmter Luft sichtbar. Die Flammen zeigten eine von der herrschenden Ansicht der zwei bis drei ineinander geschachtelten Zonen ziemlich abweichende innere Konstitution und waren äußerlich mit einem Mantel erhitter Verbrennungsprodukte bezw. erhitzter Luft umgeben. Am hervorragendsten in ihrer Bedeutung für die Erkenntniß bisher nur ungenügend aufgeklärter Erscheinungen waren wohl die Versuche mit elektrischen Funken, indeß würde deren auch nur andeutungsweise versuchte Beschreibung für vorliegenden Zweck zu weit führen.

Es sind jedenfalls diese letteren Versuche, welche Professor Mach veranlaßten, sich der Toeplerschen Schlieren-Methode bei seinen Untersuchungen der mechanisch-akustischen Wirkungen des elektrischen Funkens, sowie dann auch der durch die Verpuffung starker Explosivstoffe hervorgebrachten Schallwellen zu bedienen — Untersuchungen, welche schließlich zur Erledigung der seiner Zeit von Toepler nur angedeuteten, nicht gelösten Aufgabe führten, Luftverdichtungen und Schallwellen trog ungemein großer Fortpflanzungsgeschwindigkeit photographisch zu firiren. Wie dies für den uns besonders interessirenden Fall, die Photographie des fliegenden Geschosses nebst seiner Luftumhüllung, erreicht wurde, soll in Nachstehendem gezeigt werden. Vorausgeschickt möge dabei werden, daß zwar das Ziel und die Mittel der Untersuchung von Professor Mach angegeben, die Versuche selbst aber durch Dr. P. Salcher, Professor an der k. k. Marine-Akademie, unter Assistenz von Professor A. L. Riegler vom Königlichen Ober-Gymnasium in Fiume ausgeführt worden sind, die Arbeit daher als eine gemeinschaftliche zu betrachten ist.

Fliegende Geschosse photographisch ganz scharf aufzunehmen, ist bekanntlich nicht mehr schwer, seit die äußerst empfindlichen Trockenplatten nur eine so kurze Expositionszeit (einige Millionstel Sekunden) verlangen, daß hiergegen die Geschoßgeschwindigkeit vollkommen zurücktritt und das Geschoß in Bezug auf den photographischen Apparat für diese kurze Zeit still zu stehen scheint. Statt einer konstanten Beleuchtungsquelle (Sonne), welche einen schwierig zu behandelnden Momentanverschluß des Apparates erfordert, kann man sich bei manchen Aufnahmen bequemerweise im verdunkelten Raume des elektrischen Funkens bedienen, dessen kurze Dauer jeden Verschluß des Apparates unnöthig macht; für einige

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