Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

gegen die französische Küste sich betheiligen würden. Bedenken wir noch, daß nach einer Nachricht des „Soleil" (16. Januar 1886) England noch weitere 18 Panzerschiffe bauen läßt, so erscheint dieser Macht gegenüber die französische Küsten-Artillerie allerdings nicht allzu stark.

2. Der Angriff gegen das Dec.

Das Deck der Panzerschiffe war anfänglich nicht gepanzert; dies ist erst bei allen denen geschehen, welche nach 1870 in Dienst gestellt sind, und hat seit der Zeit die Stärke der Deckpanzerung gleichzeitig mit der der Seiten stets zugenommen; man scheint jezt aber an der äußersten Grenze angekommen zu sein, wenn man nicht die Fahrzeuge für den Krieg zu unbehülflich machen will. Wie für die Seitenpanzerungen eine Stärke von 550 bis 600 mm, so ist für die des Decks eine solche von 100 mm wahrscheinlich die größte. Die meisten englischen Kriegsschiffe haben eine Deckpanzerung von 76 mm, die französischen neuesten Modells eine solche von 80 bis 90 mm.

Die Decks der Kreuzer sind seit einigen Jahren auch gepanzert, doch wird sich die Stärke des Panzers hier auf noch engere Grenzen beschränken, wenn das Schiff nicht an seiner Schnelligkeit zu viel einbüßen soll.

Der Schuß der Schiffe gegen Angriffe von oben hat ganz kürzlich einen bedeutenden Fortschritt gemacht; er besteht in dem Versenken des gepanzerten Decks bis zu 1,50 m unter die Wasserlinie, so daß alle Lebensorgane des Schiffes geschüßt liegen. Dieses System ist durch das Verticalfeuer begründet, von dem man bis jetzt, seiner geringen Treffwahrscheinlichkeit wegen, nur einen beschränkten Gebrauch gemacht hat; das directe Feuer war gegen gepanzerte Decks ziemlich wirkungslos. Die Trefffläche ist hierdurch auf das Engste beschränkt, und das Schiff ist beinahe unverwundbar, sowohl für die Marine-, als auch für die KüstenArtillerie. Die Panzerung der Wände wird infolge dessen unnöthig und dient nur noch zum Schuße der Bemannung und der Geschüße. Die Kriegsschiffe sind so in hohem Grade erleichtert und die gewonnene Ersparniß an Gewicht kann zu Gunsten der Ausrüstung oder der Manövrirfähigkeit verwendet werden. Nach

diesen Grundsäßen sind die „Italia“ und der „Lepanto" gebaut, und es scheint, als ob dieselben allgemein werden dürften.

Zum Angriff auf das Deck hat man zwei Schußarten: den directen Schuß und das Verticalfeuer.

Der directe Schuß.

Jedes Geschoß, welches unter einem Einfallwinkel von weniger als 10 Grad das Deck trifft, prallt ab, ohne einzudringen. Erst über 10 Grad dringen die Geschosse ein und durchschlagen auch das Deck, wenn dessen Panzer nicht mindestens 1⁄4 mal so stark ist, als er sein müßte, wenn er aufrecht stehend dem Geschoffe Widerstand leisten sollte. Für den directen Schuß gegen das Deck kommen hauptsächlich die hohen Batterien in Betracht, und giebt es für diese zwei Zonen, in welchen sie diesen Schuß wirksam verwenden können, die Zonen, in welchen ihre Geschosse einen Einfallwinkel von 10 Grad und mehr haben. Die erste 3one kann man die nähere nennen, und ist es hier hauptsächlich der Terrainwinkel, der die verlangten 10 Grad bewirkt, da die Flugbahn der Küstengeschüße auf den näheren Entfernungen bis zu 2000 bis 2500 m zu gestreckt ist, als daß der Einfallwinkel des Geschosses sehr zur Sprache fäme. Der Terrainwinkel ist aber abhängig von der Höhe der Batterielage und ihrer Entfernung zum Ziel; so ist für eine Batterie von 100 m Höhe die Entfernung von 600 m und für eine solche von 200 m Höhe von 1200 m die äußerste Grenze, bis zu welcher der Einfallwinkel des Geschosses mehr als 10 Grad beträgt. Leider sind die Batterien selten, welche höher über dem Meere liegen als 200 m. Die zweite Zone, die entferntere, beginnt da, wo die Flugbahn infolge der großen Entfernung eine so gekrümmte wird, daß das Geschoß mit einem Einfallwinkel von mehr als 10 Grad das Deck trifft. Dazwischen liegt eine völlig neutrale 3one, in der das Deck nicht von den Geschossen durchschlagen werden kann.

Die nähere Zone geht also bis höchstens 1800 m und ist in dieser der directe Schuß allerdings von großer Wirksamkeit und eine furchtbare Waffe. Bedauerlicherweise sind unsere KüstenBatterien und Laffeten so eingerichtet, daß dieser Schuß völlig unausführbar ist. Einerseits gestatten unsere Laffeten, selbst die neuester Construction, dem Rohre keine größere Senkung als

höchstens 9,5 Grad, andererseits ist der Fall der Brustwehrkrone im Verhältniß von 1:6, welches einem Neigungswinkel von 10 Grad entspricht.

Wenn man sich an das erinnert, was bei Gelegenheit des Angriffes auf die Wasserlinie der Schiffe gesagt ist, so sieht man sofort, welch ein Zuwachs an Macht unseren Küsten-Batterien erwüchse, wenn man die Senkungsfähigkeit unserer Laffeten bis zu 16 Grad erweiterte und den Fall der Brustwehrkrone für bestimmte, außergewöhnliche Fälle im Verhältniß von 1:3 herstellte. So würde es möglich sein, von bestimmten bevorzugten Positionen, wie z. B. auf den steilen Ufern der engen Einfahrt zum Hafen von Brest, den größten Vortheil zu ziehen, besonders wenn man diese Batterien mit den schwersten Kalibern armirte. Diese Batterien, schon an und für sich der Panzerung der Schiffswände so gefährlich, würden die schlimmsten Gegner des Decks werden.

Man könnte hier einwerfen, daß es große Unzuträglichkeiten mit sich führe, wenn man die Brustwehr durch einen Fall der Krone von 1:3 zu sehr schwächt. Dieser Nachtheil ist aber für die hoch gelegenen Batterien ein sehr unbedeutender. Denn wer weiß nicht, daß die Treffsicherheit der Marine-Artillerie über 1000 bis 1500 m eine sehr geringe ist? Sie muß sich aber, um den directen Kampf mit diesen Küsten-Batterien aufzunehmen, schon auf so große Entfernungen aufstellen, daß ihr Schuß sehr unsicher und wenig gefährlich wird. In dem Falle aber, wo es sich darum handelt, eine Durchfahrt zu vertheidigen, wird schon die Enge dieser es nicht zulassen, daß die Schiffe sich auf einer zum Kampf günstigen Entfernung aufstellen können. So z. B. gebrauchen die 24 cm Schiffskanonen C/76, um eine Batterie von einer Höhenlage von 100 m über dem Wasser erfolgreich bekämpfen zu können, eine Entfernung von 2000 m, welche sich bei einer Höhenlage der Batterie von 200 m auf 2500 m vergrößert. Hier ist aber das Feuer schon sehr unsicher.

Kurz, der directe Schuß ist in der näheren Zone heutzutage nicht anwendbar wegen unserer unvollkommenen Laffeten und Brustwehren, welche den todten Winkel vor den Batterien so sehr vergrößern.

Betrachten wir jetzt den directen Schuß in der entfernteren Zone. Diese liegt um so näher, je weniger gestreckt die Flugbahn ist und je höher die Batterie liegt. Man wird daher auch hierzu

stets die hohen Batterien verwenden müssen. Die nächste Grenze dieser Zone, wo der Fallwinkel des Geschosses wieder 10 Grad und mehr wird, liegt auf etwa 2000 bis 4000 m, je nach dem Kaliber und der Höhenlage der Batterie. Aber der richtige Fallwinkel genügt nicht allein zum Durchschlagen des Decks durch das Geschoß; das lettere muß auch noch die nothwendige lebendige Kraft dazu besitzen. Für den directen Schuß in der näheren Zone kam diese Frage nicht in Betracht, da die lebendige Kraft des Geschosses hier völlig ausreichend ist.

Wenn man aber bedenkt, daß mit der zunehmenden Entfernung die Endgeschwindigkeit und mit dieser auch die lebendige Kraft des Geschosses schnell abnimmt, wenn man ferner sich klar macht, daß auch die Treffwahrscheinlichkeit immer geringer wird, so muß man zu dem Schlusse kommen, daß der directe Schuß der entfernteren Zone, der einzige, den unsere Laffeten und Brustwehren gestatten, für das Deck der Schiffe kaum gefährlich werden kann.

Das Verticalfeuer.

Dasselbe wird aus den Mörsern abgegeben. Die geringe Trefffähigkeit dieser Geschüße hatte sie bis vor Kurzem sehr in den Hintergrund gedrängt. Doch die großen Fortschritte in der Construction dieser Geschüße haben in der letzten Zeit das Verticalfeuer zu einem der wirksamsten Vertheidigungsmittel unserer Küsten gemacht, denn dieses Feuer allein ist es, das die Lebensorgane der Schiffe, die unter der Wasserlinie liegen, erreichen und zerstören kann: die Maschinen, Heizapparate, Schraube, die Pulver- und Kohlenkammern. Die Zerstörung des „Loufti-Djelil“, des türkischen Panzerschiffes, im Jahre 1877, wozu eine 15 cm Granate, die auf dem Deck eingeschlagen war, genügte, beweist die Kraft des Verticalfeuers. Dasselbe wird um so wirksamer sein, je steiler das Geschoß auf das Deck auftrifft; man muß deswegen mit möglichst großen Erhöhungen schießen. Doch ist bei Erhöhungen über 65 Grad die Stabilität des Geschosses, beruhend auf der Rotationsgeschwindig= keit desselben, nicht mehr ausreichend: das Geschoß überschlägt sich und trifft nicht mit der Spiße auf. Daher ist die äußerste Erhöhung für diesen Schuß 60 bis 65 Grad. Andererseits muß auch die Endgeschwindigkeit des Geschosses eine zum Durchschlagen des Decks ausreichende sein; man kann also die Ladung nicht zu

[ocr errors]

klein machen, und dieses ist wieder von Einfluß auf die Entfernung, unter welcher das Verticalfeuer wirkungslos wird. So kann der 30 cm gezogene Mörser — erst kürzlich in die Marine eingeführt sein Feuer nicht unter 1500 bis 1600 m beginnen, und die Schußweite, auf welcher seine Trefffähigkeit noch eine ausreichende ist, beträgt 7500 m. Dieser Mörser ist ein Vorderlader, und darf man daher nicht unter die Ladung heruntergehen, die zu dem forcirten Geschoßeintritt nöthig ist. Wir kommen hierauf später noch zurück. Die Annahme dieses Mörsers durch die Marine und die noch jüngere des 27 cm Mörsers (Hinterlader) durch das Kriegsministerium ist für die Küstenvertheidigung der bedeutendste Fortschritt der lezten Jahre.

Wir bemerken noch, daß auch für das Verticalfeuer die Verwendung der hohen Batterien vorzuziehen ist; da die durch die höhere Lage des Geschüßes bedingte größere Fallhöhe des Geschoffes die Endgeschwindigkeit desselben erhöht, und zwar beträgt fie 50 m für eine Höhenlage von 125 m, eine Vergrößerung, die also nicht zu verachten ist.

(Schluß folgt.)

VII.

Das Abkomm-Gewehr der Küsten-Artillerie.

Die Ziele der Küsten-Artillerie werden überwiegend bewegliche sein und doch nach ihrer Bauart jedesmal einen besonders geeigneten mittleren Treffpunkt vorzeichnen. Es ist deshalb Sache der Richtausbildung, dem sich bewegenden Ziele unausgesezt mit dem Geschüße zu folgen, und den Schuß im Augenblicke völliger Stimmigkeit der Richtung abzugeben, d. h. gut abzukommen. Naturgemäß hat die seitliche Bewegung des Zieles während der Flugzeit des Gefchoffes, durch Bemessung der Größe der Seitenverschiebung des Aufsatzes, Berücksichtigung gefunden.

« ZurückWeiter »