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man zum Spiel angeschafft hat, soll der Rektor bei den Schülern lassen, damit man jährlich davon nehmen kann, was man bedarf.' Dann folgt noch das Verbot der Fastnachtsmummereien und des Spazierens in den Gaffen mit Lauten, Zinken, Cithern und anderen Instrumenten. Am Stephanenm zu Aschersleben endlich sollten sich die Schulmeister nach der Schulordnung von 1589 befleißigen, mit den Schülern eine deutsche oder lateinische Komödie zu agieren, 'eins umbs ander.

Wir sehen aus diesen Bestimmungeu evangelischer Schulordnungen, daß fast allenthalben der Terenz in der Schule die Herrschaft ausübte, indem er nicht nur den sprachlichen Unterricht fördern, sondern auch als der rechte Sittenlehrer für die Jugend wirken sollte. Aber hier und da erhoben sich auch Stimmen gegen die Sittenreinheit der Terenzischen Dramen, indessen irgend eine wichtige Autorität brachte dieselben zum Schweigen. Der Professor der lateinischen Sprache Rudolf Goclenius in Marburg wurde 1604 von dem Rektor der Katharinenschule Johann Bechmann in Braunschweig, dem Herausgeber einer zweiten erweiterten Auflage des Dedekindschen Miles christianus, um ein Gutachten über die Frage der Zulässigkeit der Schulspiele (An ludi scenici scholastici, quales comoediae et tragoediae, sint liciti in bene constituta politia) gebeten. Goclenius bejahte die Frage und erklärte auf den Vorwurf, daß es unziemlich sei, die öffentlichen Dirnen des Terenz und Plautus auf die Bühne zu bringen: 'Ich halte es nicht für unziemlich, daß ein Mann die Rolle einer Dirne spielt, wenn es in der Absicht geschieht, daß die Laster der Dirne abgemalt werden; es ist auch nicht unerhört, die Kleider einer Dirne anzuziehen, wohl aber ihre Sitten anzunehmen'. 'So leicht, sagt Goedeke, fand man sich damals mit der Sitte ab, während die Leiter der Spiele doch verlangten, daß die Darsteller, in der Regel Schüler, die durch das Kleid bedingten Sitten darstellen, sich also auch in die dargestellten Personen hineindenken sollten'. 1) Wo jedoch die Sittenreinheit der Terenzischen Dramen beanstandet wurde, benußte man zur Aufführung entweder den für den Schulgebrauch bearbeiteten, von Obscönitäten befreiten sogenannten 'Terentius

1) Goedeke, Johannes Römholdt. Hann. 1855. S. 83.

castratus', von dem eine zweite Auflage im Jahre 1605 zu Amsterdam erschien, oder eine der vielen inzwischen entstandenen deutschen Uebersehungen, in denen die Unsittlichkeiten vermieden waren. Diese Uebersehungen, die zugleich die Kenntnis der deutschen Sprache zu fördern bestimmt waren, sind nicht wörtliche Uebertragungen des Originals, sondern in der Regel freie Kompositionen, bei denen nur der Inhalt und allenfalls auch die scenische Einteilung festgehalten wird, im übrigen aber moderne Verhältnisse zur Besprechung gelangen, die durchaus nicht im Zusammenhange mit dem Originale stehen.

So entstanden schon 1535 zwei gereimte Ueberseßungen von zwei Stücken des Terenz, der Andria von Heinrich Ham und der Hetyra von Johann Mußler. Mag. Heinrich Ham aus Nordhausen, seit 1528 in Wittenberg, 1539 im Dienste des Markgrafen Johann von Brandenburg und Anhänger Johann Agricolas im antinomistischen Streite, 1553 als Prediger zu Königsberg in der Neumark abgesezt, war durch den ihm befreundeten Joachim Greff, der seit 1529 mit ihm in Wittenberg studiert hatte, veranlaßt worden, sich mit der Ueberseßung der Andria zu beschäftigen. Greff gab die Uebersetzung als Anhang zu seiner deutschen Aulularia mit einem Vorworte heraus und fügte Zusäße hinzu, die er mit J. G. unterzeichnete. In dem Vorworte bemerkt er, er wolle sich an den anderen fünf Komödien des Terenz nicht unversucht lassen, aber die Andria habe ihn weit hintenan zurückgeworfen. Er ermahnt diejenigen, welche 'Affektion zu solchen Rhythmen' hätten, sie möchten sich versuchen und desgleichen etwas Geistliches oder Weltliches an den Tag kommen lassen, da ohne Zweifel jeder, der etwa eine Zuneigung zu diesem Studium und zu solcher Poeterei habe, befinden werde, daß ihm solche Uebung zur Erkenntnis der deutschen Sprache und andrer vieler Dinge behilflich und fürträglich sein möchte. Auch der Prolog ist Greffs Werk. Zuerst führt sich der Narr ein:

Man spricht: es ist kein spiel so klein,

Es mus ein Münch aber [oder] narr drin sein.

Die Alten richteten auch Spiele ein,

Drin wie in einem spiegel klar

Ein jeder würd seines feils [Fehlers] gewar.

Und nachdem er ausgeführt, daß in der Komödie der Alten alle groben Laster der Unkeuschheit, der Faulheit, der Trunksucht, des Diebstahls, der Lüge gerügt seien, schildert er die Zuchtlosigkeit der gegenwärtigen Zeit:

Solchs (jag ich) bei den Heiden geschach,

Wer fragt aber ist darnach?

Die Christen ist die achtens nicht,

Drumbs in [ihnen] auch hinden und forn gebricht
An sitten, weisheit, ehrbarkeit,

All gut Regiment hernidder leit [liegt].

Was machts? das machts: kein mensch acht mehr
Keiner kunst, dazu wedder zucht noch ehr,

Man acht nicht mehr Gottes furcht,

Kein kindt nicht mehr sein eltern gehorcht,
Und widderumb die eltern darnach

Fragn auch nicht mehr nach solcher sach.
Sie sehn auf ire kinder nicht,
Dasselb ist überall geschicht,
Sie halten sie zu keiner lahr,

Vielmehr zu büberei, man sichts zwar.
Die kinder solt man zihen zu ehrbarkeit,
Auf das aus in würden redlich leut,
Die nachmals köndten helfen und raten
Dem gemeinen nug mit wort und thaten.
Was thun wir aber ißt bei uns ?
Saufen und fressen ist unser kunst,
Fluchen, schelten und dergleich,
Das lernet ist beid arm und reich,
Das lern wir unser kinder eben,
Nu wil denn so bei solchem leben
Forthin gut Regiment besteh,

Das will ich mechtig gerne seh.

Gemäß der Fabel des Stückes spricht er nun über Kindererziehung als eine Pflicht der Eltern.

Halt euer kinder recht und wol

Furwar und nempts zu herzen einmal,
Wolt ir anders kluge leute han,
So seh und tracht ein jederman,

Auff das er frome kinder zieh,
So habt ir alle Freude hie

Und dann darnach den himmel dafür,

Aber gewis die hell, das gleubet mir.

Daß das Stück bestimmt war, von Schülern aufgeführt zu werden, beweist folgende Stelle:

In sonderheit aber geschichts euch zu gut,

Das dis spiel angericht ist ißt

Von unsern Preceptoribus on furwit

Uns zu nuk und euch zu ehrn .

Auf das wir wurden keck und trok
Zu reden, wenn nu mit der zeit

Uns Gott sein göttlich gnade geit [giebt],
Zu reden und schreiben für jderman,
Darnachs ein jeder sach wil han.

In dem ebenfalls von Greff verfaßten Epilog, der in einem Akrostichon den Namen des Verfassers des Stückes giebt (Magister Heinricus Ham), fordert der Narr noch einmal zur Beherzigung der vorgetragenen Lehren auf:

Considerate heißt: beherzigt das,

Und habts für augen on unterlas. Hams Andria erlebte noch 1602 eine neue Auflage.

In demselben Jahre 1535 gelangte unter Leitung des Dr. Johann Mußler, Rektors der Nikolaischule und Professors an der Universität zu Leipzig, die 'Ekyra in teutsche reymen gebracht' zur öffentlichen Aufführung auf dem Rathause zu Leipzig.

Der ganze Terenz wurde 1539 von dem Tübinger Diakonus Valentin Bolz aus Ruffach im Oberelsaß für die armen Schülerlein, so nit allwegen mögen interpretes haben', verdeutscht; obgleich Geistlicher, trat Bolz gegen die ungelehrten und verwöhnten Theologen auf, die ihm vorwarfen, daß er als Lehrer der Kirche 'sich solcher weltfreydiger, schimpffiger [heiterer, lustiger] matery unternommen' habe. In echt humanistisch-reformatorischer Weise erklärte er, daß er aus Vergil, Terenz, Plautus und anderen Heiden das lateinische Evangelium (sacra ex profanis) habe verstehen lernen und doch nicht ihren Glauben und ihre Leichtfertigkeit angenommen habe. Gott habe uns diese schöne Kunst, deutsch zu reden, durch die gelehrten Heiden gegeben, und wer die verachte, der verachte Gott selbst. Dabei lernen wir Bolz als einen begeisterten Freund der deutschen Sprache kennen, denn er sagt: 'Das ist das alte Gift und pestilenzisch Uebel, daß wir Teutschen nicht viel Acht auf unser Muttersprach gehabt haben,

die ja gleich der lateinischen facundiam und Zier ebensowohl hat als andere Sprachen'.

Auch Hans Sachs wagte sich an den Terenz. Er bearbeitete den Eunuchus (1564) nach der prosaischen Ueberseßung Nytharts von Ulm. Es war die lezte dramatische Arbeit des Dichters. Eunuchus und Andria überseßte auch Clemens Stephani aus Buchau (1554) und widmete seine handschriftlich noch vorhandene Arbeit dem Pfalzgrafen Otto Heinrich. Ebenso verfaßten Johann Bischoff (Episcopius) aus Würzburg 1566 und Michael Bapst aus Rochliz, Pfarrer zu Mohorn in Sachsen, 1590 eine Uebersehung der sechs Komödien des Terenz, der lettere für die Fürstenschule in Meißen.

Der erste, der mit der gereimten Ueberseßung eines Stückes des Plautus hervortrat, war Joachim Greff. Es war die schöne Lustige Comedia Aulularia, fast lustig und kurzweilig zu lesen', die er 1535 mit Hams Andria zu Magdeburg erscheinen ließ. Das Titelblatt trägt die Verse:

Quisquis es, o faveas nostrisque laboribus adsis,

His quoque des veniam.1)

Sie ist dem Mag. Stephan Roth, dem obersten Stadtschreiber von Zwickau, gewidmet, der ihm bei seinen Universitätsstudien gewiß förderlich gewesen ist. Denn Greff stammte aus Zwickau; ein Sohn des Kantors an St. Marien und Quartus an der Ratsschule Paul Greff, dessen wertvolle handschriftliche Sammlungen zur sächsischen Geschichte von dem bekannten sächsischen Geschichtschreiber Petrus Albinus benußt wurden, hatte er die wissenschaftliche Vorbildung zu den akademischen Studien in Zwickau genossen. Er wandte sich 1527 an Kaspar Güttel in Eisleben, der ihm aber dort keinen Unterhalt zu schaffen wußte, ihn vielmehr nach Wittenberg wies. Hier wurde er am 23. Juni 1529 inskribiert2) und widmete sich den humanistischen Studien. 1533 trat er ein Schulamt in Halle an und wurde hier im Hause des Dr. Erhard Milde mit Georg Sabinus bekannt, der ihn vor vielen anderen zur Dramendichtung anregte und dem er

1) Greff war zweifellos durch Melanchthons Empfehlung gewonnen worden: 'Si norunt Terentium, potest proponi Aulularia Plauti' (Corp. Ref. 10, 101).

2) Album 135.

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