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fonnte freilich den Dramatiker Naogeorg nicht beeinflussen, da dieser nur lateinische Dramen verfaßt hat, aber er hat doch Tirolf zu jenem Uebersehungsversuche angeregt. Man würde zu weit gehen, wenn man aus diesen Nachweisen auf das Bestehen einer Rebhunschen Schule schließen wollte; aber sicher ist, daß Zwickau durch Rebhun in gewisser Beziehung der Ausgangspunkt einer Bewegung auf dramatischem Gebiete geworden ist, wozu nicht unwesentlich der Umstand mitwirkte, daß der Zwickauer Drucker und Verleger Wolfgang Meyerpeck, bei dem die Rebhunschen Dramen erschienen, nach der Vorrede zu Krügingers 'Herodes und Johannes' ‘solche Spiele gern förderte und sonderliches Wohlgefallen daran hatte' und daß die meisten Dramen der eben genannten Dramatiker von ihm gedruckt und verlegt wurden. Wir wissen es, wie wirksam sich während des ganzen sechzehnten Jahrhunderts, besonders aber in den drei ersten Jahrzehnten desselben, der Einfluß der der Reformation freundlich gesinnten Buchdrucker auf die Verbreitung der evangelischen Schriften zeigte: die evangelisch gesinnten Buchdrucker waren die eifrigsten Beförderer der Reformation. Und wie in Zwickau, so gab es in Magdeburg, Wittenberg, Leipzig, Nürnberg, Basel, Straßburg unter den Buchdruckern eine Reihe von Männern, deren Namen der Vergessenheit ebenso entrissen zu werden verdienen, als die Schriften, die in ihrem Verlage erschienen; es genügt an Hans Luft und Georg Rhau in Wittenberg, Michael Lotther in Magdeburg, Michael Blum in Leipzig, Hans Guldenmund in Nürnberg zu erinnern, die sich sämtlich frühzeitig zu Luthers Lehre bekannten und trog mancher Anfechtungen treu und fest standen im Worte Gottes.

Lateinische Bearbeitungen des Susannastoffes lieferten außer Birck (1537) noch Macropedius (1540), Frischlin (1578) und Schonäus im Terentianus christianus (1595). Nach Bird verfaßte der Schulmeister Leonhart Stöckel zu Bartfeld in Ungarn 1559 eine deutsche Susanna, die in Wittenberg von Hans Luft gedruckt wurde. Der Vorredner entschuldigt den Gebrauch der deutschen Sprache mit dem Mangel des Verständnisses der lateinischen Sprache bei seinen Zuhörern.

Wir solten uns billig in Latein,

Weil wir derselben Sprach Jünger sein,

Ueben mehr denn in deutscher Sprach
Und uns in Reden richten darnach.
Wir müssen uns aber nach der Zeit
Richten, in welcher wenig Leut
Lateinischer Zunge kundig sein,
Darumb wir nu viel Jar allein

In gemeiner Sprach uns hören lan [laffen],
Damit man uns verstehen kan.

Der strengkatholische Jaspar von Gennep in Köln schrieb 1552 seine allen Liebhabern des Ehestandes nüßlich zu lesende 'Comedi us der Historien Susanne', um zu zeigen, wie mancherley list der Theufel braucht, das er Ehleuten leydt zufüge', und in der Folge widmeten noch mehrere Geistliche dem Susannastoffe ihre dramatische Thätigkeit: in Biel der Prädikant Jakob Funckelin (1565), der zu den fruchtbarsten Dramendichtern der Schweiz gehört; in Duderstadt, dessen Bürgerschaft protestantisch gesinnt war, der Prediger Konrad Graff (1566), der vorher evangelischer Hofprediger des Grafen Eberwin von Honstein gewesen war, der aber, als der Erzbischof Daniel von Mainz infolge einer im Juni 1574 auf dem Eichsfeld gehaltenen Kirchenvisitation die Beseitigung des protestantischen Gottesdienstes und die Entfernung der lutherischen Prediger bewirkte, aus Duderstadt vertrieben wurde. Frischlin, dessen lateinisches auf Birck und Rebhun fußendes Drama wir S. 61 erwähnt haben, wurde von dem Herzog Heinrich Julius von Braunschweig ausgebeutet. Es scheint, daß diese Susanna,1) die Erstlingsfrucht der dramatischen Studien des fürstlichen Dichters ihr folgten noch neun Schauspiele, die sämtlich der bürgerlichen, volkstümlichen Sphäre entnommen sind, von ihm zur Feier einer Hochzeit, und zwar zur Verherrlichung seiner eigenen Vermählung mit der Prinzessin Elisabeth von Dänemark verfaßt worden ist; das Stück würde dann schon 1590, drei Jahre vor seiner Drucklegung, zur Aufführung gelangt sein. Im Jahre 1593 ließ Heinrich Julius eine zweite Ausgabe folgen, von der die ganze erste, eine außerordentlich weitschweifige Auseinanderseßung über die Pflichten einer jungen Ehefrau gegen

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1) Neudruck von W. L. Holland, Stuttgart. Litterar. Verein Nr. 36, und von Jul. Tittmann, Leipzig 1880.

ihren Mann enthaltende Scene der ersten Ausgabe und alles nur für jene besondere festliche Gelegenheit Passende ausgeschlossen ist. Auch treten dort 34, hier nur 21 Personen auf. Es ist aber auch möglich, daß dem fürstlichen Verfasser die Fehler seines Stückes, ein bis zum Unerträglichen schleppender Gang der Handlung und die entseßliche, ganz undramatische Breite, in welcher die einzelnen Personen sich ausdrücken, bei der ersten Aufführung recht deutlich vor die Augen traten und daß er deshalb eine kürzere, sich treu an den biblischen Bericht anschließende Fassung für zweckmäßiger erachtete. In dieser kürzeren Fassung scheint die Susanna fernerhin zur scenischen Verwendung am Wolfenbütteler Theater gekommen zu sein, und vielleicht ist es dieselbe, die um 1597 auch in Frankfurt a. M., sowie 1602 und 1603 in Ulm und Stuttgart zur Aufführung gelangte.

Troß seiner vielfachen Regierungsgeschäfte fand der Herzog noch Muße, sich dichterischen Studien zu widmen, und er benußte diese Muße bei seiner besonderen Vorliebe für das Schauspiel in so reichem Maße, daß er in den Jahren 1593 und 1594 nicht weniger als elf Dramen verfaßte, die auf den Titeln meist den Namen HIBELDEHA d. i. Henricus Iulius Brunsvicensis Et Luneburgensis Dux Episcopus HAlberstadensis tragen. Herzog Heinrich Julius, der Enkel des Heinz von Wolfenbüttel, des heftigen Gegners der Reformation, der Sohn des Herzogs Julius, unter welchem die Reformation im Fürstentum Wolfenbüttel geseßlich eingeführt wurde, des Stifters der Universität Helmstedt, bei deren feierlicher Einweihung am 15. Oktober 1576 der vom Kaiser Maximilian II. zum ersten Rektor ernannte zwölfjährige Prinz eine selbstverfaßte, zwei Stunden währende lateinische Rede hielt, die ihm die ungeteilte Bewunderung der zahlreichen gelehrten Versammlung eintrug, gelangte nach seines Vaters Tode am 3. Mai 1589 zur Regierung und war ohne Zweifel einer der bedeutendsten protestantischen Fürsten jener Zeit. Er war der erste deutsche Fürst, der nicht nur selbst als dramatischer Schriftsteller auftrat, sondern der auch, indem er eine Truppe von wirklichen, zünftigen Schauspielern an seinem Hofe zu Wolfen büttel versammelte, die erste fürstliche Bühne schuf. Seine fürstlich bestellten Komödianten waren jene Engländer, die damals

Deutschland durchzogen und die der Herzog in seine Dienste nahm. Einige Jahre später errichtete der Landgraf Moriß von Hessen, mit welchem Heinrich Julius die Vorliebe für das Theater gemein hatte, eine Bühne an seinem Hofe zu Kassel; auch er schrieb Schauspiele für die Komödianten seiner Bühne; aber sie sind verloren, nur ihre Titel sind erhalten.

Wir haben nun noch einige Susannendramen kurz zu erwähnen. Der Schul- und Kirchendiener zu Münster im St. Gregorienthal Samuel Israel aus Straßburg stellte eine zu Münster am 7. August 1603 aufgeführte Komödie von der frommen, keuschen und gottesfürchtigen Susanna in deutsche Reime, welche 1607 zu Basel im Druck erschien. Ohne Angabe seiner Quelle hat er Frischlin benut, im übrigen aber zeigt er sich in Sprache und Versbau nicht ungeschickt. Auch der uns schon bekannte Domküster zu Cöln an der Spree Georg Pfund trat 1605 mit einer Susanna hervor; ihm folgte 1609 der Prediger und Kanonikus der Stiftskirche zu Wunstorf, Mag. Joachim Leseberg, der in der an das Stift Wunstorf und an die Räte und Gemeinden der Städte Gandersheim, Münden, Gronau, Pattensen, Wunstorf und Elze gerichteten Zuschrift meldet, daß diese Komödie viermal vorgestellt worden sei und er solche auf inständiges Bitten in den Druck zu geben sich entschlossen habe. Die lehte Bearbeitung ist die des Johann Graffenried. Diese Komödie wurde am 3. Juni 1627 von der jungen Bürgerschaft zu Untersee gespielt und ist in einem Baseler Druck von 1684 vorhanden. Sonstige Aufführungen der Susanna durch Schüler oder Bürger waren sehr häufig: 1558 zu Rostock, 1565 in Weimar, 1585 zu Annaberg, 1605 am 7. 11. und 12. Juni in der St. Johanniskirche zu Rostock durch den Mag. Christian Schlot, 1609 auf dem Rathause und eine öffentliche im Garten des Katharinenklosters zu St. Gallen. Felix Platter erzählt zum Jahre 1546 von einer Aufführung der Susanna in Basel, bei welcher die Bühne über dem Brunnen auf dem Fischmarkt erbaut war; ‘und Susanna wusch sich aus eben diesem Brunnen'.

Die alttestamentlichen Dramen schließt die Komödie des Georg Pfund von den drei Männern im feurigen Ofen, welche am 15. Juni 1584 auf dem Rathause zu Cöln an der Spree agiert

wurde. Der dazu benutzte Stoff hängt mit der Geschichte des Daniel zusammen.

Die neutestamentlichen Stoffe.

Mehr als bei den dem Alten Testamente entnommenen Dramen des Reformationszeitalters läßt sich bei den dem Neuen Testamente entlehnten die Wahrnehmung machen, daß die biblischen Dramen recht eigentlich den Zweck hatten, die Predigt zu unterstüßen und durch eine lebensvolle Darstellung der Thatsachen der heiligen Geschichte auf das anschauende Volk in bewußter Weise einzuwirken. Es läßt sich sogar nachweisen, daß man bestrebt war, an der Hand des Kirchenjahres dem Volke diejenigen neutestamentlichen Evangelien vorzuführen, welche dem ausgesprochenen Zwecke am meisten zu dienen geeignet waren. Troßdem ist die Zahl der neutestamentlichen Dramen erheblich kleiner, da man sich auf die Evangelien und die Apostelgeschichte beschränken mußte.

Das Schicksal des Vorläufers Christi, des Täufers Johannes, der in dem Kerker, in den ihn die Rachsucht der Herodias gebracht hatte, vom Zweifel an der göttlichen Sendung Christi gequält wurde (Evangelium am 3. Advent), gab Anlaß zur Dramatisierung seines Lebens. Da der Ausgang desselben ein trauriger war, so mußte das Drama als Tragödie erscheinen. So schrieb Johannes Krüginger aus Joachimsthal 1545 die 'Tragödia von Herode und Joanne, dem Tauffer' in fünf Akten, in welcher die Hinrichtung des Johannes auf der Bühne geschieht, indem der Henker ihn seinen Kopf auf die Schwelle der Gefängnisthür legen läßt, wodurch es möglich wird, einen nachgemachten Kopf unterzuschieben. Im fünften Akt, der ganz totentanzmäßig ausgearbeitet ist, endet die ganze Familie des Herodes: die Tochter wird vom Tode erwürgt, Herodes stirbt durch Selbstmord und Herodias wird, während sie an seiner Leiche klagt, vom Tode fortgeführt.1) Der Dichter, dessen Verbindung mit Rebhun wir S. 117 erwähnt haben, machte seine Studien von Ende 1538 an in Wittenberg und seit

1) Scherer in der Allg. Deutschen Biogr. 17, 236.

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