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liche Meinung. Und das hat Gott gethan; freilich nicht so gelinde, wie Luther erwartete, nicht durch Feinde des Papsttums, sondern durch einen nicht evangelisch gewordenen Sohn der römischen Kirche. Und das hat mit der Frage, ob das Evangelium“ mit Gewalt ausgebreitet werden dürfe, weder bei Luther noch bei Victor Emanuel etwas zu schaffen. Das war eine rein politische Frage; es war nur das Wahrheits- und Gerechtigkeitsgefühl Luthers, welches sich gegen diesen „mit Lügen und Trügen" behaupteten päpstlichen Länderbesig bäumte. Dann aber fährt Luther nicht in derselben Form, nicht im Imperativ, fort; er sagt nicht:') „Man soll dem Papst . . die Zunge ausreißen"; sondern er ändert die Form und schreibt: „Man sollte“. Selbstverständlich hat er auch damit nicht gescherzt, da er auseinandersezte, was das Papsttum alles verdient habe. Aber das ist die Unwahrheit, deren Janssen sich hierbei schuldig macht, daß er sagt: Luther sprach darin seinen vollsten Ernst aus' und dann als damit gleichbedeutend nimmt, daß Luther solche Strafen auch wirklich vollzogen wissen wollte'. Nicht im Scherz, sondern in größtem Ernste hat der Verfasser des Spruchbuches in der heiligen Schrift erklärt 2), „wer seinem Vater spottende Blicke zuwerfe und seiner Mutter nicht gehorche, der müßte den Tod eines Verbrechers sterben und wie ein solcher unbeerdigt am Wege liegend den Vögeln zur Speise dienen“. Und doch ist sicher noch niemandem in den Sinn gekommen, seine Worte so aufzufassen, als ob er diese Strafe wirklich vollzogen wissen wollte. Nur einem Luther gegenüber hält man wir wollen nicht sagen ,,alles", aber doch sehr vieles für erlaubt“.

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Ja, sehr vieles! Denn was für eine Verdrehung ist es, wenn Janssen zuerst Luthers Worte anführt: „Man muß anderes hinzuthun, mit Konzilien ist nichts ausgerichtet“, und dann fortfährt: Was aber gethan, ausgerichtek werden sollte zur Vertilgung des vom Teufel gestifteten Papsttums, giebt Luther mit den Worten an: „ nun greife zu, ... erstlich nehme man dem Papste alles... Darnach sollte man ihn selbst . . . an den Galgen

1) Wie Leogast 133 unwahr berichtet.

2) Sprüche 30, 17.

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annageln". Wer kann hiernach ahnen, daß die beiden von Janssen so schön verknüpften Säße bei Luther durch dreißig Seiten von einander getrennt sind, und weder auf die von Janssen beliebte, noch auf irgend eine Weise zusammengehören! In der Einleitung bespricht Luther die Frage, ob das vom Papste ausgeschriebene Konzil eine heilsame Lösung der so lange brennenden firchlichen Fragen bringen könne. Er hält dies aus dem doppelten Grunde für unmöglich, einmal, weil der Papst seit vierundzwanzig Jahren das dringendste Verlangen nach einem Konzil nicht habe erfüllen wollen, sodann, weil die Art, wie er dasselbe jezt endlich bewilligt habe, klar ergebe, daß kein Heil von demselben zu erwarten sei. Darum", folgert er, „wäre das beste, man ließe die römische Grundsuppe des Teufels zum Teufel fahren“, kümmere sich garnicht mehr um sie, sondern suche ohne ein päpstliches Konzil der Kirche zu helfen. ,,Denn die unsinnigen Narren wollen wähnen, als könnten wir oder die Christenheit ohne ihr Konzil nichts thun; meinen also, man müsse ihnen immer nachlaufen, daß sie uns wohl ewiglich zu Narren und Affen hätten. Wollen sie ein Konzil halten, mögen sie es unserthalben wohl lassen, wir [Protestanten] bedürfen für uns der keines“. In diesem Zusammenhange stehen die Worte: „Mit Konzilien ist nichts ausgerichtet, man muß anderes hierzu thun". Was aber dieses „andere“ ist, zeigt eben klar der Gegensaß: „Nicht von einem Konzil ist Heil zu erwarten, sondern ohne ein Konzil muß man die kirchlichen Fragen lösen". Dieses „andere" kann aber nicht, wie Janssen will, die Ermordung des Papstes sein, denn damit wäre keine der schwebenden Fragen gelöst worden. Janssen freilich verwirrt alles, indem er das Versehen begeht, einen Buchstaben in Luthers Worten zu ändern, indem er schreibt: Man muß anderes hinzu thun', anstatt hiezuthun“. „Hinzu' würde besagen: Zur Rettung der Kirche bedarf es nicht nur eines Konzils, sondern auch der Abschlachtung der Päpstlichen. „Hiezu“ besagt: Wir wollen uns um den Papst und sein etwaiges Konzil garnicht mehr kümmern, sondern ohne dieses unsere kirchlichen Angelegenheiten regeln.

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Will aber Janssen durchaus jene nicht zusammengehörigen Worte verbinden, nun, so ergiebt sich nach dem vorhin Erörterten

nichts weiter als: Mit Konzilien ist nichts ausgerichtet, vielmehr können wir Protestanten ohne ein solches fertig werden, und der römischen Kirche kann nicht anders geholfen werden als dadurch, daß man dem Papste seinen ungerechten Länderbesig nimmt, das Papsttum selbst abthut und einen rechten Bischof zu Rom einfeßt. Und dies halten wir für sehr richtig.

Warum aber Luther mit seinen Anhängern nunmehr ohne ein allgemeines Konzil fertig werden“ zu können meinte, ist bekannt. Die Entwickelung der kirchlichen Dinge hatte einen völlig anderen Gang genommen, als er anfangs gehofft hatte. Nicht dem Ausdrucke, wohl aber der Sache nach behauptet Evers ganz richtig, Luther habe anfangs nicht die römische Kirche bekämpfen, sondern ihr seine Ideen aufoktroyieren wollen. Der ganzen Kirche hat Luther dienen sollen, indem er einer bestimmten Klasse von Gliedern der äußeren Kirchengemeinschaft diente: für die „bekümmerten Gewissen“, welche, ihrer Verdammlichkeit sich bewußt, keinen Frieden mit Gott finden konnten, hatte er gepredigt, auf welchem Wege der Mensch vor Gott gerecht werde. Aber was diesen zum Trost gereichen sollte, wurde von Rom verdammt; die, welche von diesem Trost nicht lassen wollten, wurden aus der römischen Kirche ausgeschlossen. So waren sie genötigt, um ohne Rom und römische Konzile „fertig zu werden“, sich zu neuen kirchlichen Gemeinschaften zu organisieren. Und es war gelungen.

Hierzu aber, zur Einrichtung und Erhaltung des äußeren kirchlichen Organismus, hatte Luther die Hülfe der Landesfürsten in Anspruch genommen.

Begreiflicherweise schmieden hieraus seine Feinde einen neuen Beweis dafür, daß er seine Lehre mit Gewalt durchführen. gewollt habe. Wie er nach ihrer Meinung mit Feuer und Schwert' seinen neuen Anschauungen hatte Eingang verschaffen wollen, so suchte er auch dieselben, nachdem sie hier und dort Fuß gefaßt, mit Anwendung von Gewalt aufrecht zu erhalten, weil sie sonst spurlos wieder verschwunden wären. Wir lassen daher vorläufig die Frage noch unerörtert, wie es denn möglich

gewesen, daß seine Lehre irgendwo Wurzel schlug, ob denn in der That wie er gefordert haben soll

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Feuer und Schwert dazu angewandt worden ist. Wir wenden uns zunächst zur Untersuchung dieser neuen Anklage, welche unsere Gegner mit Vorliebe in die Worte zusammenfassen:

Luthers Jutoleranz.

Die neue Lehre', schreibt Janssen), konnte sich nur durch Hülfe der weltlichen Gewalt behaupten'. War doch in Kursachsen, wo Luther und seine Anhänger das Evangelium ungehindert hatten verkündigen können, eine völlige Zerrüttung alles kirchlichen Wesens eingetreten'. Liefern' doch auch die immerwährenden Klagen Luthers über die feindliche Gesinnung des Volkes und die Verachtung der neuen Lehre und ihrer Verfündiger... Zeugnis dafür, daß dem Volk die neue Lehre durch die Obrigkeit aufgedrängt worden'. Nur der Fürst, dem Luther das ganze Kirchenregiment übergeben hatte und der über das Kirchengut verfügte, schüßte die neue Lehre'. Hatte man doch die Kirche in den Dienst des Staates gestellt! Oder ein anderer 2) erklärt: Das war die herrschende protestantische Doktrin, daß die Fürsten das höchste Richteramt über Religion, Lehre und Kirche hätten, und daß es ihr Recht und Beruf sei, jede von der ihrigen abweichende Glaubensmeinung zu unterdrücken. Luther rechnete es sich sogar zum besonderen Ruhme, daß er, indem er die Fürsten zu Herren seiner Kirche gemacht, die weltlichen Machthaber, welche in der katholischen Kirche ihres guten Rechtes beraubt gewesen, in dasselbe eingesezt und so den obrigkeitlichen Stand „sonderlich herfürgezogen, erleuchtet und geziert" habe'.3)

1) III, 23, 57, 190 ff. 1 Wort 117 ff. und öfter ähnlich.

2) Kirche 66. Aehnlich Wohlgemuth 90. Germanus 87. Evers, Kath. 225. Luther gegen 2. 26 f. These 97.

3) Wir brauchen wohl nicht erst hervorzuheben, welch entseßliche Verdrehung es ist, das Verdienst, welches Luther hinsichtlich der neuen Anschauung über die Obrigkeit sich vindiciert, darein zu sehen, daß er die Fürsten zu Herren seiner Kirche gemacht' habe. Redet doch er an der fraglichen Stelle (Erl. 31, 236. Walch 19, 2287) mit keinem Worte von Befugnissen, die er auf dem kirchlichem Gebiete den Fürsten zugesprochen habe;

Derartige Behauptungen sind nur dann möglich, wenn man sich nicht klar macht, weder, was denn Luther von den betreffenden Fürsten verlangt, noch um weswillen er ein solches Ansinnen an sie stellen zu können gemeint hat.

Was zunächst das leztere betrifft, so ist aus der Begründung, welche er selbst diesem seinen Verlangen giebt, auf's klarste zu erkennen, daß er nicht in den Fehler Roms zurückgefallen ist, den er selbst früher so oft und scharf gerügt hatte, daß er nicht die weltliche Macht zu einer blinden Dienerin der geistlichen Macht herabwürdigen wollte. Vielmehr will er eine Beteiligung seines Kurfürsten Johann an dem kirchlichen Kampfe auf Grund dessen, daß derselbe erklärt hatte, sein Gewissen erlaube ihm nicht mehr, das gößendienerische Treiben der Papisten noch länger zu gestatten; er sei durch Gottes Wort gewißlich unterrichtet [zu der festen Ueberzeugung gelangt), daß solch lästerlicher Gottesdienst unrecht und verdammlich sei".") Ebenso schreibt Luther an Albrecht von Mansfeld: „Weil Ew. Gnaden weiß, daß es Gottes Wort und Wille ist".2) Sagt er doch sogar: „Wenn die Fürsten ungewiß oder in Zweifel gestanden hätten, ob Klosterleben und Messehalten Recht oder Unrecht sei, so hätten sie Unrecht gethan, daß sie das Klosterleben hätten verhindert; weil sie aber das Evangelium für recht erkennen und gewiß sind, daß solch Messedienst und Klosterleben stracks wider das Evangelium Gotteslästerung ist, sind sie schuldig gewesen, dasselbe alles nicht zu leiden, soweit sie dazu Recht und Macht haben zu thun".3) Die Voraussetzung also für das, was er diesen Fürsten zumutet, ist die, daß sie von der Wahrheit der evangelischen Lehre persönlich überzeugt sind. So gewiß nun Jeder, welcher von einer Wahrheit innerlich überzeugt ist, garnicht anders kann als auch

handelt er doch einzig davon, daß er „die Gewissen der weltlichen Stände so herrlich unterrichtet“, daß er die früher im Gegensaß zu dem geistlichen Stande verachteten weltlichen Berufsarten, also auch den obrigkeitlichen Stand wieder zu Ehren gebracht habe! Die gerügte Verdrehung hat abgeschrieben z. B. Gottlieb 976.

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