Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

thätiges Vorgehen die aufgeregten Gemüter nur noch mehr erhizten; zu verwundern wäre es also nicht, wenn endlich der Geduldsfaden risse. „Daraus, hoffe ich, sei nun offenbar, daß nicht Dr. Luther, sondern der Papst selbst mit Bischöfen, Pfaffen und Mönchen durch diese lästerliche Schmachbulle nach ihrem eigenen Unfall ringen und die Laien gern auf ihren Hals laden wollten". Hat aber er dazu aufgefordert'? Hat er wenigstens sich unvorsichtig ausgedrückt, sodaß man ihm vorwerfen könnte, er habe ob mit oder ohne Willen zum Pfaffenstürmen' gereizt? Nun, bei Janssen und Genossen sucht man vergebens, was Luther geschrieben: „Nicht, daß ich wollte den Laienstand damit über den geistlichen Stand erwecken; sondern daß wir vielmehr für sie bitten, daß Gott von ihnen wende seinen Zorn, sie erlöse von dem bösen Geist, der sie besessen hat, wie wir aus christlicher Treue und Liebe schuldig sind“. Das dürfte eine andere Thätigkeit zu heißen haben, als eine unermüdliche revolutionäre'.

[ocr errors]

"

[ocr errors]

Noch zuversichtlicher beruft man sich auf eine Reihe von Säßen aus seiner Schrift wider den falsch genannten geistlichen Stand des Papstes und der Bischöfe“ 1), welche zur Vertreibung' 2), ja, zur Ausrottung'), sogar zur Vernichtung der Bischöfe'1) ge= schrieben sein soll.

Daß diese Schrift den Unwillen der Römischen in besonderem Maße erregt, ist sehr begreiflich. Denn wie dröhnende Keulenschläge fallen die Vorwürfe auf die Geistlichen hernieder. Und liest man die von unsern Gegnern zusammengestellten Worte Luthers, so möchte man in der That bestürzt werden. Meint man doch einen mit blutbeflecktem Schwerte und lodernder Brandfackel bewaffneten Halbirrsinnigen zu hören, wenn man etwa den Sah vernimmt: „Alle die dazuthun, Leib, Gut und Ehre daran seßen, daß die Bistümer verstört und der Bischöfe Regiment vertilget werde, das sind liebe Kinder Gottes und rechte Christen, halten

[blocks in formation]

*) Janssen II, 490 nach Hagen, deutsche Geschichte. Gottlieb 223.

über Gottes Gebot und streiten wider des Teufels Ordnung“.1) Heißt das denn nicht klar und deutlich: Papst, Kardinäle, Bischöfe und Klöster zu vertilgen ist Sache rechter und lieber Christen' 2)? Nun, Luther hat diese böse Mißdeutung seiner Worte unmöglich zu machen gesucht. Er hat ihnen darum ein sehr energisches „aber" hinzugefügt: „Dieses Verstören aber und Vertilgen will ich in keinem Wege [so] verstanden haben, daß man mit der Faust und [dem] Schwert dazu thue; (denn solcher Strafe [daß sie wie Märtyrer für eine gute Sache fallen sollten,] sind sie nicht wert, ist auch nichts damit ausgerichtet), sondern wie Daniel 8, 25 lehret: ohne Hand (ohne daß äußerliche Gewalt angewandt werde,] soll der Endechrist (das Papsttum] zerstöret werden; daß [vielmehr] Jedermann mit Gottes Wort dawider lehre, rede und halte, bis er zu schanden werde und, von selbst verlassen und verachtet, zerfalle. Das ist ein recht christliches Verstören, daran Alles zu sehen ist". Was soll man nun dazu sagen, wenn auch nicht einer unserer Gegner diesen Protest Luthers anführt, durch den er jede Mißdeutung seiner Worte so scharf abschneidet? Als Gottlieb' wegen dieses Verfahrens zur Rede gestellt wurde, antwortete er3), diese Zeilen gehörten garnicht zur Sache'. Nun freilich, nicht zu seiner Sache, aber doch zur Sache der Wahrheit. Auch Janssen citiert sie nicht, sondern wählt nur die zu seiner Sache gehörigen Säße Luthers aus und ruft dann triumphierend aus:4) Heißt das nachdrücklich erklären, daß nur das Schwert des Wortes kämpfen und siegen solle'? Nein, das, was Janssen zu geben für gut hält, heißt das nicht; wohl aber das, was er zu verschweigen vorzieht. Doch mit welcher Erhabenheit wird er diesen Vorwurf abwehren! Damit man denselben nicht gegen ihn erheben könne, hat er zwar die betreffenden Worte Luthers nicht angeführt, aber zwischen die ihm convenierenden Säße aus Luther hineingefügt:5) Solchen Aussprüchen gegenüber war es ohne Bedeutung, daß Luther an einer anderen Stelle

1) Angeführt auch noch von Germanus 101. These 68. Evers, Pred. 86. 2) So Leogast 90.

3) S. 226.

4) 2. Wort 74.

5) II, 225.

sagte: er wolle keineswegs, daß man mit der Faust und dem Schwerte vorgehe, der Antichrist müsse ohne Hand zerstört werden'. Ja freilich an einer anderen Stelle'! Warum läßt er diesen Protest Luthers nicht an der Stelle, wohin Luther ihn gesezt hat? Ein „aber“ so zu erwähnen, daß es nicht mehr das bewirkt, wozu der Verfasser es geschrieben hat, daß es vielmehr übersehen werden muß, ist nach unserer ethischen Anschauung noch ungerechter, weil verführerischer, als es ganz unerwähnt zu lassen.

Und finden sich denn bei Luther nicht noch mehr Worte, welche seine wahre Meinung offenbaren und Janssens Deutung verurteilen? Freilich; so wenig will er mit seiner Schrift zur Vernichtung und Vertilgung der Bischöfe' beitragen, daß er weiterhin schreibt: „Auf daß wir aber nicht allein die Gewissen schlagen nnd strafen, sondern auch Del neben dem Wein in die Wunden gießen, ob vielleicht bei etlichen gutherzigen Bischöfen die [aus der Bibel gegen ihr Treiben angeführten] Sprüche gewirkt und ihr Herz erschüttert hätten, so werde ich ihren Fragen zuvorkommen und ihnen antworten: wie sie denn thun sollen, damit sie selig werden und ihnen solcher Stand möge ungefährlich sein“. Diejenigen, welchen man weitläufig zeigt, wie sie in Zukunft ihren Stand ohne Sünde führen sollen, will man doch wohl nicht aus diesem Stande vertreiben', geschweige sie vertilgen'.

Was noch sonst an dieser Schrift so entseßlich sein soll, bezieht sich allein auf das Bedenken derer, welche besorgt waren, seine offene Bußpredigt an die Bischöfe könne das Volk zur Empörung gegen sie reizen. Seine so durchsichtige und unanfechtbare Erwiderung ist diese: Hier handelt es sich um das Heil der Seelen; wer dieses hindert, der muß nach Gottes Wort gestraft') werden, dem muß seine Sünde vorgehalten werden. Ja, sintemal des Volkes Verderben und Genesen am meisten an den Häuptern liegt, so muß man vornemlich die großen Köpfe antasten". Und bei dem, was sein muß, darf man auf die Folgen garnicht Rücksicht nehmen. Wenn es also keine andere

"

1) Ueber diesen von unsern Gegnern mißbrauchten Ausdruck vgl. unser 1. Heft S. 25.

Wahl geben würde, so wäre leibliches Unheil über die, welche das Seelenheil hindern, immerhin noch besser, als daß alle Welt geistlich verdürbe: „Es wäre besser, daß alle Bischöfe ermordet, alle Stift und Klöster ausgewurzelt würden, denn daß eine Seele verderben sollte, geschweige denn, daß alle Seelen sollten verloren werden um der unnüßen Poßen und Gözen willen".) Auch würden sie sich nicht als über ein unverdientes Geschick beklagen können, wenn ein Aufruhr gegen sie ausbräche. Denn „wenn sie wüten und toben mit Bannen, Brennen, Mord und allem Uebel, was begegnet ihnen billig, denn ein starker Aufruhr, der sie von der Welt ausrotte? Und des wäre nur zu lachen, wo es geschähe, wie die göttliche Weisheit sagt Sprüchw. 1, 24. 26: Ihr habt meine Strafe gehasset und versprochen meine Lehre, so will ich auch lachen in eurem Verderben und euer spotten, wenn das Unglück über euren Hals fällt".) Aber die Befürchtung eines Aufruhrs ist völlig grundlos; schon deshalb, weil „wer Gottes Wort aufnimmt, [wer der Lehre Luthers folgt,] der hebt kein Rumor [keinen Aufruhr] an; wer aber Rumor anfängt, der mißbraucht Gottes Wort zu seinem Mutwillen". Auch diese Säße sind von unsern Gegnern fortgelassen.

Berechtigten Anstoß also dürften die Römischen nur daran nehmen, daß Luther jedem Menschen, für jene Zeit also den Bischöfen, ein Recht in der Kirche des Herrn zu herrschen gänzlich abspricht, und daß er die Bischöfe seiner Zeit um ihres haarsträubenden Treibens willen für Werkzeuge des Teufels hält.

1) Daß man hierin die Aufforderung geradezu zur Ermordung der Bischöfe' liest (so Wohlgemuth 61, ähnlich These 68), ist begreiflich, aber ebenso unrichtig, als wenn man in dem Ausspruch des Herrn Matth. 18, 6 eine Aufforderung läse, die Aergernis Gebenden mit Mühlsteinen am Halse zu ertränken. Freilich würden wir unsern Gegnern solche Deutung nicht so sehr übelnehmen, wenn nicht Luther selbst in den von ihnen ignorierten Säzen

[ocr errors]

dieselbe sich so ernstlich verbeten hätte.

2) Der Ausdruck „lachen“ kann natürlich nur damit entschuldigt werden, daß Luther einen Bibelspruch anführt, aus dem man eben sieht, wie er gemeint ist. Und darum ist es ein Unrecht, daß Janssen bei Anführung dieser Worte die Angabe „Sprüche 1, 24. 26“ fortläßt, sodaß man nicht mehr erkennt, daß Luther eine Bibelstelle citiert. Erst 2. Wort 73 druckt er diese Angabe mit ab.

Für beides hat er aber so viele und so starke Beweise vorgebracht, daß er zu allen Zeiten Viele von der Richtigkeit seiner Ansicht überzeugt hat.

Oder sollte Wahrheit in der furchtbaren Anklage liegen, welche Janssen und Genossen noch weiter gegen die besprochene Schrift Luthers erheben, er habe zum Umsturz der Reichsverfassung aufgefordert, da die Bischöfe größtenteils auch deutsche Landesfürsten waren'?1) Es kann nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht werden, daß der lutherischen „Reformation" von ihrer Geburt an der Charakter eines politischen Umsturzes von Luther selbst aufgeprägt worden ist'. Denn der Bischöfe Vertreibung war zugleich eine politische Revolution'.2) — Ja, ihre Vertreibung! Aber wo steht denn, daß er sie vertreiben wollte? Nur bei Janssen, nicht bei Luther. Dieser hofft ja eben mit dieser Schrift die Bischöfe noch zur Besinnung zu bringen. Wenn sie dann die rechte Besorgung ihres geistlichen Amtes nicht mehr vernachlässigten, so konnten sie bleiben, was sie waren, Vorsteher größerer Kirchenkreise und Landesfürsten. Diejenigen aber, welche unverbesserlich waren, will er auch nicht vertreiben. Er greift sie auch nicht insofern an, als sie Landesfürsten waren, sondern nur, insofern sie Bischöfe waren. Daß sie als Bischöfe, in geistlicher Beziehung ein „Regiment“, eine im Namen Gottes Gehorsam fordernde Oberherrschaft über die Seelen ausübten und so „die Seelen perdarben", das war's, wogegen er kämpfte. Als Landesfürsten aber will er sie so wenig stören, daß er vielmehr von den Bistümern, Stiften und Kapiteln, die Land und Städte und andere Güter unter sich haben", geradezu sagt: „Man sollte sie zu weltlichen Herren machen“ und außerdem „die Pfründen und Lehen denjenigen bleiben lassen, so sie jezt inne haben".3) Wer freilich nur Janssens Darstellung liest, der wird nie den wahren Sachverhalt erkennen können. Während nämlich Luther den Bischöfen zweierlei vorwirft, einmal, sie versäumten ihr geistliches Amt, die wahre Sorge für die Seelen, vollständig über ihren weltlichen Beschäftigungen, darüber, daß sie über viel Städte

[ocr errors]

1) Janssen II, 223; 2. Wort 74. Gottlieb 20. Aehnlich Leogast 72. 2) Evers, Kathol. 200.

3) Walch 10, 1154. Erl. 22, 110 f.

« ZurückWeiter »